Protein-Power aus Pflanzenkraft
DLG veranstaltet Expert-Panel zu alternativen Proteinen
auf der Grünen Woche 2025 in Berlin

Das wachsende Bewusstsein der Verbraucher für pflanzliche Ernährung führt zu einer immer größeren Vielfalt an Produkten. Wissenschaft und Verarbeiter richten ihren Fokus auf verbesserte Haptik, Textur und Geschmack. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) wirbt mit attraktiven Preisen und Aktionen. „Alternative Proteine, wo geht die Reise hin?“, darüber diskutierten Experten auf einem Expert-Panel, das die DLG auf der Grünen Woche in Berlin veranstaltete.
An der Transformation von tierischen zu pflanzlichen Proteinen beteiligt sich die gesamte Wertschöpfungskette. LEH, Industrie und Landwirtschaft wollen am Trend zu alternativen Proteinen partizipieren. Wenn es nach Dr. Alexander Stephan, Berater für Neue Proteine und Innovationsperspektiven, geht, ist die Zukunft der Ernährung pflanzlich. Der Berater beschäftigt sich mit Innovationen in der Lebensmittelbranche wie alternative Eiweißquellen. Dazu gehören Pilze und Hülsenfrüchte ebenso wie Ölsaaten, Algen oder Insekten. Diese Rohstoffe ermöglichen eine nachhaltige, C02-arme Produktion. Sie erfüllen ethische und religiöse Anforderungen, argumentierte Stephan bei der DLG-Podiumsdiskussion auf der Grünen Woche im Januar 2025 in Berlin.
Sichere Vermarktung
Verarbeiter und Wissenschaft forschen nach Methoden, um die Textur und Haptik von alternativen Produkten immer mehr zu verbessern. Ein Herzensanliegen ist dem Berater die Landwirtschaft als Rohstofflieferant. Der Anbau von Erbsen, Lupinen und Sojabohnen erweitere die Fruchtfolge. Abnahmeverträge garantieren einen wirtschaftlichen Anbau sowie eine sichere Vermarktung. Die Reststoffe aus der Verarbeitung von heimischen Sojabohnen und Kichererbsen eignen sich als Substrat in Biogasanlagen zur Energiegewinnung.
Fleisch und Vegan-Burger zum gleichen Preis
Der Markt für pflanzliche Proteine ist in Deutschland im Jahr 2024 um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Stephan geht davon aus, dass die Branche in den kommenden Jahren zwischen 10 und 15 Prozent wächst. Das Argument hoher Produkt-Preise sieht der Berater gelassen. Fleisch werde in Zukunft teurer werden, “schon deshalb brauchen wir nachhaltig erzeugte Alternativen”, so Stephan.
Das Problem hat der Discounter Lidl erkannt und das Preisniveau von pflanzenbasierten Produkten der Eigenmarke auf das von fleischbasierten Vergleichsprodukten angeglichen. Damit sei die Hürde eines hohen Preises, die oft Verbraucher vom Kauf alternativer Produkte abgeschreckt habe, eliminiert.
Der Kunde habe die Wahl: „Fleisch-Burger oder veganes Burger-Patty zum gleichen Preis“, beschreibt Alexander Liedke, verantwortlich für die CSR-Strategie im Einkauf bei Lidl, das Marketingkonzept. Diese Preisangleichung brachte dem Discounter eine Umsatzsteigerung beim veganen Segment von rund 30 Prozent. Veganer Kaviar oder Spare Rips sind die neuen Renner, und zur Handball-EM gibt es High Protein-Riegel, die Sportler als Zielgruppe ansprechen.
Wichtig sei, dass die Produkte Spaß machen, schmecken und dass der Preis stimmt. Der Discounter möchte an der Transformation teilnehmen und den Anteil pflanzenbasierter Lebensmittel aus Insekten, Pilzen und Leguminosen im Sortiment ausbauen.
Schonende Verarbeitung
Prof. Dr. Ute Weisz von der Technischen Universität München (TUM), Leiterin Plant Proteins and Nutrition, beobachtet eine zunehmende Fokussierung auf den Nährstoffgehalt pflanzlicher Produkte und auf eine schonende Verarbeitung. Milch und Fleisch hätten eine deutlich höhere Proteinqualität als pflanzliche Alternativen. Um vegane Proteine bekömmlich zu machen, sei oft eine starke Verarbeitung notwendig. Mithilfe einer innovativen Lebensmitteltechnologie wollen wir heute Produkte auf den Markt bringen, die weniger verarbeitet sind, dafür aber einen hohen gesundheitlichen Mehrwert bieten, sagt Expertin Weisz.
Sie forscht in der Prozessentwicklung, um Rohstoffe neutral und mit weniger Zusatzstoffen zu verarbeiten und unerwünschte Substanzen zu eliminieren. Das Stichwort lautet: „Prozessierung“. „Wie können wir aus weniger verarbeiteten Rohstoffen geschmacklich hochwertige Produkte herstellen?.“ Viele der Zutaten sind Sojabohnen, Ackerbohnen und Erbsen, weil sie in Deutschland verfügbar sind und mehr Biodiversität auf den Acker bringen.
Opflanzda aus Ackerbohneneiweiß
Um eine langfristige Verbraucherakzeptanz zu bekommen, müssen Geschmackserlebnis und Qualität von pflanzlichen Proteinen stimmen. Die Vergleichbarkeit zu Originalprodukten aus Fleisch und Milch muss vorhanden sein, fügt Michael Wendland vom Käseproduzenten Alpenhain hinzu. Er sucht nach Rohstoffen, die zu seiner vorhandenen Technologie passen. „Wir passen den veganen Käse dem normalen Käse mit einer Hausmischung von Gewürzen soweit wie möglich an“. Zur Freude des Publikums reichten der Betriebsleiter und das DLG-Team einen veganen Obatzda seiner Marke Pflanzenkraft zur Verkostung. Die bayerische Spezialität erinnerte in seiner Textur tatsächlich an Camembertcreme. Der „Opflanzda“ besteht jedoch aus pflanzlichen Fetten und Ackerbohneneiweiß.
Tonnagen von Proteinen benötigt
Ein großes Anliegen aller Teilnehmenden ist die Vereinbarkeit der Proteinwende mit der Landwirtschaft. Wie entwickelt sich die künftige Tierhaltung oder der Anbau von Zwischenfrüchten?. Was kommt auf die Verarbeitungsindustrie zu?. „Hierzu bleiben wir Akteure intensiv im Dialog“, verspricht Liedke. Dazu gehören Bauern, die gemeinschaftlich aufgestellt sind, um die benötigten Tonnagen von Proteinen sicherzustellen, so Berater Stephan. Landwirte sind innovativ und offen gegenüber der Transformation, berichtet Weisz. Sie wollen ihre Erbsen selbst vermarkten. Dazu verweist die Wissenschaftlerin auf das Chancenprogramm Höfe. Das Bundesagrarministerium (BMEL) hat die Initiative zur Förderung der heimischen Proteinproduktion im Oktober 2024 gestartet. „Wir müssen langsam und vorsichtig bei der Umstellung vorgehen“, so Betriebsleiter Wendland, der mit vielen Milchbauern als Lieferanten in Kontakt steht.
