Der Markt ist in Bewegung

Süßungsmittel

aus: DLG-Lebensmittel 3/2024

Um den vielfach kritisierten hohen Gehalt an direkt zugesetztem Zucker in Lebensmitteln zu reduzieren, gibt es für Hersteller unterschiedliche und durchaus erfolgreiche Möglichkeiten. Eine Auswahl.

Beneo zählt hierzulande zu den führenden Anbietern von Inulin, das hier primär aus Zucker­rüben hergestellt wird. © Beneo

Nischenprodukt Carob

Carobpulver, aus den Früchten des Johannisbrotkernbaumes, gehörte bei den Lebensmittelzutaten lange zu den Nischenprodukten. Mittlerweile findet es jedoch durchaus Beachtung – zuerst primär als Ersatz für Honig und jetzt für den deutlich verteuerten Kakao. Zur Gewinnung werden die Schoten beziehungsweise das Fruchtfleisch des Baumes – teilweise geröstet – fein vermahlen und je nach gewünschtem Endprodukt weiterverarbeitet. Die separierten Samen liefern dagegen die Basis für Johannisbrotkernmehl als Dickungsmittel. Im Vergleich zu Kakao enthält Carob nicht nur viel weniger Fett, sondern hat einen zwar kakaoähnlichen, aber kaum bitteren Geschmack. Dazu unterstützt es eine süße Note durch leichte karamell- oder vanilleähnliche Nuancen. Verwendet wird es vor allem für Back- und Schokoladen- oder andere Süßwaren, Eiscreme, Desserts, Brotaufstriche oder in Getränken, informiert die Hanse-Mühle. Das Unternehmen bezieht sein Carobpulver direkt aus dem Ursprung in Spanien und versendet es wahlweise in konventioneller oder biologischer Qualität – jeweils in den Farbtypen hellbraun, braun und dunkelbraun.

Ballaststoffe mit positivem Nebeneffekt

Im Vergleich zu den bisher genannten Ingredienzen ist der Einsatz von Inulin weit verbreitet. Neben der Hanse-Mühle führt es unter anderem seit Langem Beneo. Chemisch zählt Inulin zu den Fructanen aus Polysacchariden und Fructosebausteinen. Im Körper wirkt es als wasserlöslicher und präbiotischer Ballaststoff. Die Hersteller gewinnen es überwiegend aus Chicorée (Zichorienwurzel) oder auch aus Topinamburknollen. Beim Inulin aus biologischem Anbau der Hanse-Mühle handelt es sich dem Hersteller zufolge dagegen aus Agaven. Inulin ist in extrahierter und konzentrierter Form ein frei fließendes Pulver mit einer hohen Löslichkeit und einem süßlichen Geschmack. Im Vergleich zu Carob und anderen Zuckeralternativen punktet es zudem mit seiner neutralen weißen Farbe. Einerseits kann Inulin insofern den Geschmack von Lebensmitteln generell verbessern. Andererseits hilft ein Zusatz, den Gehalt an zugesetztem Zucker in den Rezepturen von Sorbets, laktosefreien Eisspezialitäten, Müslis, Nahrungsergänzungsmitteln und Ähnlichem zu verringern. Auch lassen sich so ein hoher Fettgehalt nach unten regulieren und die Textur sowie das Mundgefühl verbessern. Zahlreiche Studien belegen außerdem die gesundheitsfördernden Eigenschaften des präbiotischen Ballaststoffes hinsichtlich Darmgesundheit, Blutzuckerreaktion und Gewichtsmanagement, ergänzt Beneo. Dies schließe auch den zugelassenen EU Health Claim im Bereich Darmgesundheit ein, der für das sogenannte Orafti Inulin von Beneo vorliegt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang noch Beneos alternativer Zucker Palatinose (Isomaltulose). Untersuchungen sprechen dafür, dass die Aufnahme des Kohlenhydrats die Freisetzung von bestimmten Darmhormonen anregt. Diese wiederum sollen für die Aufrechterhaltung eines gesunden Körpergewichts, die Blutzuckerkontrolle und die kardiovaskuläre Gesundheit wichtig sein. Palatinose liefert zwar die gleiche Energiemenge (4 kcal/g) wie herkömmliche Kohlenhydrate. Aufgrund der niedrig-glykä­mischen Eigenschaft wird die Energie jedoch über einen längeren Zeitraum zur Verfügung gestellt. 

In eine ähnliche Richtung gehen Fibersol-Maisstärken, beispielsweise im Portfolio von Breko und ADM. Diese sind leicht löslich, transparent und verdauungsresistent. Selber geschmacklich kaum wahrzunehmen, kann der Einsatz von Fibersol, etwa in Getränken, einen metallischen Nebengeschmack von Stevia und anderen Süßstoffen maskieren. Wieder verweisen die Anbieter auf Untersuchungen, die eine gute Verträglichkeit und gesundheitliche Vorteile belegen. 

Der dezente Eigengeschmack mit feiner Karamellnote macht Dattelsüße vielseitig einsetzbar. © Tuchel & Sohn

Fibersol, etwa in Getränken, kann einen metallischen Nebengeschmack von Stevia und anderen Süßstoffen maskieren.

Alternative Süßungsmittel: Fruchtsirup

Auch traditionelle Süßungsmittel wie Honig und Pflanzensirupe kommen zum Einsatz. Tuchel & Sohn konzentriert sich dabei auf natürliche Sirupe, nicht zuletzt Dattelsirup. Das Interesse an letzterem ist in der westlichen Welt in letzter Zeit gestiegen. Zur Herstellung werden reife Datteln mit heißem Wasser erhitzt und aufgereinigt. Sensorisch zeichnet sich Dattelsirup durch eine bräunliche Farbe und einen charakteristischen süß-fruchtigen Eigengeschmack aus. Der Geschmack ist dabei süßer als der von Rübenzucker, was nicht zuletzt am höheren Fructose-Gehalt liegt. Je nach Verarbeitungsgrad liefert Dattelsüße Mineralstoffe wie Kalium, Calcium, Magnesium und Eisen, Folsäure und andere Vitamine. Bei Tuchel & Sohn stehen gleich mehrere Varianten zur Auswahl: Dattelpaste, Dattel­sirup und streuförmiges Pulver, wahlweise bio oder konventionell sowie koscher oder halal.

Neuartige Geschmacksnoten 

Quasi einen natürlichen Geschmacksverstärker zur Abrundung der Süße von Lebensmitteln und Getränken stellt das aromatische Lakritzpulver aus Süßholzwurzeln dar. Das von der Hanse-Mühle angebotene sprühgetrocknete Pulver ist frei fließend und zeichnet sich durch einen Gehalt von über 20 Prozent Glycyrrhizin mit seinem charakteristischen Aroma nach süßem Anis aus. Das macht das Produkt besonders interessant für einen Einsatz in Teemischungen, Spirituosen, Schokoladenwaren oder sogar Speiseeis. Einen aktuellen Trend aus der Getränke-Branche greift das Unternehmen zudem mit Yakon-Pulver (auch Yacón genannt) in Bio-Qualität aus Peru auf. Der getrocknete Extrakt aus der Wurzelknolle der gleichnamigen Pflanze zeichnet sich ebenfalls durch einen arteigenen Geschmack mit leicht süßer Note aus. Der Effekt mag bei den geringen benötigen Menge unerheblich sein, doch lässt sich das Pulver durch die enthaltene Oligofruktose und Inulin zugleich als Lieferant für Ballaststoffe einordnen. Die Fructane und Fructooligosaccharide punkten dabei mit Hitze- und pH-Stabilität (stabil bis 140° Celsius und bei pH-Werten > 3). Deswegen verändere sich das Aussehen von Sirup und Pulver in üblichen Herstellungsprozessen nicht, informiert die Hanse-Mühle. Seit 2014 hat Yakon keinen Novel-Food-Status mehr. Insofern könne es problemlos in der Getränkeindustrie ebenso wie bei der Herstellung von Fleischerzeugnissen und speziellen Lebensmitteln mit Gesundheitsanspruch eingesetzt werden.

Speiseeis ist eines der Lebensmittel, bei denen Inulin zu Cremigkeit und milder Süße beiträgt. © Beneo

Monk-Frucht

Anders sieht es in Deutschland derzeit bei dem Extrakt aus der chinesischen Monk-Frucht aus, der noch als Novel Food gilt. Eine Änderung des Status ist jedoch in absehbarerer Zeit gut denkbar. Schon im Lieferprogramm hat den Fruchtextrakt zum Beispiel Tate & Lyle. Zur Gewinnung reiche eine Heißwasser-Extraktion mit anschließender Aufreinigung aus. In Lebensmitteln überzeugt Monk-Extrakt mit einer Süßkraft, die 200-mal stärker als Saccharose ist. Frei von Kalorien, soll er sich hervorragend zum Einsatz in Fruchtgetränken, Smoothies, Joghurt, Frühstückscerealien und mehr eignen. Monk-Extrakt lässt sich gut mit anderen Süßungsmitteln mischen und ist in saurem sowie in neutralem Milieu stabil. 

Aromaklassiker Vanille

Ein nach wie vor großes Potenzial liegt im aromatischen Gewürzklassiker Vanille aus den Schoten der exotischen Orchideenart Vanilla planifolia. Es zählt zwar zu den teuersten und raren Gewürzen überhaupt, doch mit seiner enormen Aromatik aus Hunderten von Inhaltsstoffen ist es in der Lebensmittelindustrie ebenso wie bei Verbrauchern zu Recht begehrt. Qualität macht sich dabei bezahlt. Bei Vanille-Extrakten und -Produkten, die mit modernen Methoden gewonnen wurden, braucht es für ein überzeugendes Geschmackserlebnis nur geringe Mengen. Und: Als positiver Nebeneffekt kann auch das runde, warme Vanille-Eigenaroma einen geringeren Zusatz von Zucker sensorisch bestens ausgleichen und Bitternoten überdecken. 

Marktführer Symrise legt bei der Herkunft den Schwerpunkt auf nachhaltige Vanille aus Madagaskar und hat dafür ein Partnernetzwerk mit 7.000 Erzeugern aufgebaut. Betont werden Rückverfolgbarkeit und Premiumqualität des Lieferprogramms, das von konzentriertem Extrakt über Vanille Oleoresine bis zu Aromakompositionen mit einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis reicht. Ihre Expertenteams könnten dank umfassender Forschung zu weltweiten Geschmackspräferenzen länderspezifische Vanillegeschmäcker kreieren, heißt es bei Symrise. Dazu würden zum einen die Aromaprofile je nach Klima, Erntezeitpunkt und Fermentationsmethode berücksichtigt. Zum anderen käme eine Kombination mit weiteren Zutaten infrage. 

Nielsen-Massay Vanilla verfolgen ihrerseits den Ansatz, dass sie die je nach Herkunftsland unterschiedlichen Geschmacksprofile von Vanilleschoten ausnutzen. So verarbeitet das Unternehmen bei dem hier angewandten schonenden Kalt-Extraktionsverfahren neben Vanille aus Madagaskar auch solche aus Mexiko, Indonesien und Tahiti.

Bei Symrise spielen eine nachhaltige Beschaffung und Rückverfolgbarkeit der Vanille eine entscheidende Rolle. © Symrise

Anwendungstechnische Herausforderungen

Mit natürlichen Süßstoffen können Hersteller der Skepsis der Verbraucher gegenüber synthetischen Varianten eine echte Alternative entgegensetzen. Der derzeit einzige in Europa zugelassene Süßstoff ist das natursüße Protein Thaumatin (E 957) aus Früchten von Katemfe (Thaumatococcus daniellii), einer Pflanze aus den afrikanischen Regenwäldern. Die Ausbeute ist gering, doch liegt die Süßkraft zwei- bis dreitausendmal über der von Haushaltszucker. Givaudin gehört zu den bisher wenigen Anbietern, die die Substanz dazu mit einem speziellen Verfahren extrahieren und aufreinigen: Das gewonnene Talin soll andere Aromen positiv beeinflussen beziehungsweise modifizieren können. Zusätzlich werden Thaumatin geschmacksverstärkende Eigenschaften zugesagt, wobei die Süße verzögert wahrgenommen wird und dafür länger bestehen bleibt. Zum Einsatz kommt es üblicherweise in Kombination mit Stevia- oder anderen Süßstoffen. 

Steviolglycoside (E 960a) haben sich mittlerweile trotz eines metallischen Nachgeschmacks gut etabliert und werden dementsprechend von mehreren Herstellern gehandelt. Der Süßstoff weist eine 200- bis 400-fache Süßkraft im Vergleich zu Saccharose auf. Verwendet werden sie eben­falls in der Regel zusammen mit anderen Süßungsmitteln. Da Steviolglycoside mittels eines mehrstufigen chemischen Prozesses aus Steviablättern (Stevia rebaudiana) gewonnen werden, gelten sie nicht mehr als natürlich. Verwendet werden Steviolglycoside ebenfalls zusammen mit anderen Süßungsmitteln. Für die neuen, enzymatisch gewonnenen Steviolglycoside (E 960e) steht im Unterschied dazu für eine generelle Zulassung in Deutschland noch die abschließende wissenschaftliche Bewertung aus. 

Gewonnen aus der Stevia-Pflanze, kommen Steviol­glycoside mittlerweile häufig in Softdrinks, Süßigkeiten und anderem zum Einsatz. © Anton Ignatenco – stock.adobe.com

Potenzial der Kulturen

Chr. Hansen greift den Trend zu weniger gesüßten Lebensmitteln mit speziellen Kulturen auf. Die dazu gelaunchten SWEETY-Kulturen sollen Herstellern bei der Produktion von zuckerreduzierten Frischmilchprodukten helfen. Durch den Einsatz der Kulturen bei der Fermentation bleibt nach Angaben des Biotechnologieunternehmens – zum Beispiel in Joghurt – eine angenehme Süße bestehen. Gleichzeitig lasse sich der Zuckerzusatz verringern. Die jüngste Entwicklung der Sparte nennt sich SWEETY Y-3. Diese wandle bei der Fermentation Laktose in Glukose um und verstärke auf diese Weise den natürlichen süß-säuerlichen Geschmack von Joghurt. Alternativ führt Chr. Hansen die bekannten Lactasen, die ihrerseits den Milchzucker Lactose metabolisieren. Um Zuckerzusätze zum Ausgleich eines steigenden Säuregehalts während der Lagerung zu vermeiden, bietet Chr. Hansen außerdem pH-stabile YoFlex-Kulturen an, die eine milde Basis für eine optimale Leistung des Enzyms schaffen sollen. 

Unabhängig davon, präsentierte Chr. Hansen im letzten Herbst mit zwei neuen Stämmen für die Produktion von aromareicherem alkoholfreiem Bier eine spannende Innovation, die das generelle Potenzial von fermentativen Methoden unterstreicht: SmartBev NEER mit maltosenegativer Hefe verstoffwechselt ausschließlich Monosaccharide und ist bei Sauerstoffzufuhr metabolisch aktiv, ohne Ethanol zu produzieren. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass eine Fermentationsdauer von zwei bis sechs Tagen ausreicht. Eine Reifung ist laut Chr. Hansen nicht erforderlich. Zusammen mit NEER Poly und NEER Punch umfasst das SmartBev-NEER-Technologiesortiment jetzt drei Pichia-kluyveri-Hefestämme für alkoholfreies Bier: NEER Poly, wenn Malz und Hopfen im Geschmacksprofil des Bieres zur Geltung gebracht werden sollen, NEER Punch für fruchtigere Biere mit Ester-Ton und SmartBev NEER, die Würzaromen direkt in Bieraromen umwandeln.

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