Das Interesse an alkoholfreien Alternativen hat auch den Weinsektor erreicht. Nachdem sich entalkoholisierte Schaumweine schon gut etabliert haben, rücken nun die nicht prickelnden Sorten in den Fokus. Eine immer höhere sensorische Qualität trägt dazu bei, dass entalkoholisierte Weine und Sekte auch dauerhaft ankommen und keine Nische bleiben. Erreicht wird diese durch modernste Entalkoholisierungsmethoden, Know-how und Erfahrungswerte. Bei den Methoden haben sich die Vakuumdestillation und die Schleuderkegelkolonne durchgesetzt.
Theoretisch kann man Wein auch mittels Umkehrosmose oder Dünnschichtverdampfung entalkoholisieren, doch arbeiten die Hersteller heute fast ausschließlich mit der Vakuumdestillation. Das Prinzip entdeckte schon vor über hundert Jahren Carl Jung aus dem Rheingau: Durch das Anlegen eines Vakuums sinkt der Siedepunkt von Alkohol oder anderen flüchtigen Stoffen und lässt sie bei tieferen Temperaturen verdampfen. Im Vergleich zu damals kann man heute ein wesentlich tieferes Vakuum einstellen und halten. Die nötige Temperatur sinkt, und die Entalkoholisierung ist noch qualitätsschonender für die sensorische Qualität des Produktes. Der Siedepunkt von Ethanol liegt zum Beispiel statt bei 78 °C unter Normaldruck durch Anlegen eines Vakuums von ungefähr 100 mbar bei nur noch 30 bis 40 °C.
Herausforderungen
Das Problem: Der Wein verliert durch die Entalkoholisierung auch einen Teil seiner flüchtigen Aromen, wobei Ethanol gleichfalls normalerweise zu einem komplexen Bukett beiträgt. Tatsächlich enthält Wein schätzungsweise 1.000 und mehr Aromastoffe. Während die Primäraromen vor allem von der Rebsorte, der Lage und dem Klima abhängen, entwickeln sich die Sekundäraromen bei der Veredelung. Insofern sollte man als Basis für entalkoholisierte Weine auf jeden Fall einen guten Wein nehmen. Das betont auch Johannes Trautwein von der gleichnamigen Weinkellerei mit Stammsitz in Lonsheim. Der Grundwein – gern als Cuvée – sollte einen moderaten Weingehalt von um die 7 Vol.% haben, möglichst aromareich und eher säurearm sein. Gut eignen sich zum Beispiel Muscatsorten beziehungsweise Muscateller, empfiehlt er. Ansonsten kommen auch Riesling und Müller-Thurgau häufiger zum Einsatz. Genauso wichtig ist nach Trautweins Erfahrung die Fehlerfreiheit: „Beim Entalkoholisierungsprozess kommt es zu einer leichten Aufkonzentrierung. Dadurch würden eventuelle Weinfehler und Säurenoten deutlicher hervortreten.“ Der studierte Weinfachmann betont weiter, dass der Wein durch den fehlenden Alkohol anfälliger für mikrobielle Geschmacksfehler sei. Daher gelte es, stets auf Prozesshygiene zu achten. Unter diesen Voraussetzungen könnten alkoholfreie Weine problemlos drei bis vier Jahre lagern, Riesling sogar sechs Jahre.
Vakuumrektifikation
Die zum Einsatz kommende Vakuumrektifikation (Rektifikation = Trennung von Flüssigkeitsgemischen) lässt sich als optimierte Variante der klassischen Vakuumdestillation beschreiben, bei der der Dampf im Gegenstrom mehrmals hintereinander mit der aufzutrennenden Flüssigkeit in Kontakt steht.
Dabei verfügt die Weinkellerei gleich über zwei große, moderne und kontinuierlich arbeitende Anlagen mit einer Leistung von 2.500 l/h und 1.500 l/h. Bei einem Vakuum von 25 bis 125 mbar wird der Grundwein darin von oben in die zentrale Destillationskolonne geleitet und fließt über offene Zwischen- beziehungsweise Rektifikationsböden nach unten. Der Dampf daraus, der Brüden, steigt im Gegenstrom aufwärts und nimmt hierbei den flüchtigen Alkohol mit sich. Das angelegte Vakuum bewege sich zwischen 25 und 100 Millibar, erläutert Juniorchef Johannes Trautwein bei der Präsentation der Anlagen. Mit weniger als 0,5 Vol.% Alkohol kann der entstandene alkoholfreie Wein schließlich im unteren Kolonnenteil abgezogen werden. Bei einer entsprechenden Fahrweise der Anlage seien sogar noch geringere Alkoholgehalte möglich. Die kontinuierliche Destillation im Gegenstrom reduziert die Behandlungszeiten auf ein bis zwei Minuten. Kurze Zeit und geringe Temperatur – beides führt zu der gewünschten geringen thermischen Belastung des Weins.
Das oben abgeleitete und über einen Kondensator verflüssigte Destillat erreicht seinerseits einen Alkoholgehalt zwischen 70 bis 80 Vol.% und kann weiterverwertet werden. Möglich macht dies die teilweise Kondensation der flüchtigen Komponenten an den Oberflächen der Sieb-, Ventil- oder Glockenböden im Inneren der Kolonne. Das Aromakondensat könnte man grundsätzlich zurückführen, ergänzt Trautwein. Man müsse aber beachten, dass dieses sogenannte Aromawasser ebenfalls Alkohol enthält und den Gehalt im Produkt wieder erhöhen würde.
SCC: In drei Schritten zu alkoholfreiem Wein mit Charakter
Die Rotkäppchen-Mumm-Gruppe ist mit einem Umsatz von 36 Mio. Euro im Kalenderjahr 2023 in Deutschland auch im Segment Alkoholfrei Marktführer. 2009 kamen die ersten Produkte vom Eltviller Werk aus in den Handel. Seit 2015 sind nun zwei Spinning-Cone-Column-Anlagen (Schleuderkegelkolonne) von Flavourtech, Australien, mit einer Leistung von je 1.500 l/h im Dauereinsatz.
Im Zentrum der SCC steht ein um die drei Meter hoher Rundbehälter aus Edelstahl. Darin verborgen: ein schnell rotierender senkrechter Schaft und eine Reihe vertikal übereinander gepackter Kegel, wobei sich jeder zweite mit dem Schaft mit dreht. Von oben zugeführter Wein rinnt zuerst in einem festen Kegel nach unten in den nächsten, rotierenden. Die Zentrifugalkraft bewirkt, dass die Flüssigkeit sich als circa 1 mm dünner Film auf der Oberfläche verteilt und aufwärtsschiebt, bis sie am Ende in den Kegel darunter fließt. Das Ganze in mehrfacher Wiederholung. Die Prozessparameter hinsichtlich Temperatur und Vakuum gleichen denen einer Vakuumrektifikation. Doch machen die große, dünne Flüssigkeitsoberfläche und eine Verwirbelung durch hervorragende Rippen auf der Unterseite der beweglichen Kegel die Verdampfung deutlich effizienter – zugleich reduziert sich die Kontaktzeit in der Kolonne auf wenige Sekunden.
Herstellungsleiter Thomas Krischke kennt sich mit den Details aus: In einem ersten Schritt werden bei einem Vakuum von ca. 40 mbar und einer Prozesstemperatur von unter 30 °C mit dem aufsteigenden Produktdampf dem Wein-Film die leicht flüchtigen Aromastoffe entzogen (unabhängig von der sensorischen Ausprägung) und aufgefangen.
Für die eigentliche Entalkoholisierung durchläuft der zurückgeführte teilentaromatisierte Wein die Kolonne erneut – bei einem höheren Vakuumdruck und einer Temperatur von etwa 38 °C. Ethanol entweicht und wird konzentriert auskondensiert.
In einem finalen dritten Schritt findet die Harmonisierung statt. Das heißt, die abgefangenen Weinaromen werden als Bukett mit der entalkoholisierten Weinphase kombiniert. Durch eine Versanddosage lässt sich das Produkt gegebenenfalls weiter verbessern.
Die hohe Investition in eine SCC macht sich mehrfach bezahlt: zugehörige modernste Steuerungssysteme und Automatisierung, Schonung des Weins sowie Rückgewinnung einer erstaunlich ähnlichen Aromatik.