DLG-Unternehmertage 2025
Frischer Wind in Sachen Effizienz: Wie Jung-DLGisten nachhaltige Produktivitätssteigerung weiterdenken
Der „Green Deal“ hat sein Ziel verfehlt: Die Extensivierung der Produktion führte zu stagnierenden Erträgen und verringerte die internationale Wettbewerbsfähigkeit land- und ernährungswirtschaftlicher Unternehmen. Gleichzeitig blieben die erhofften Fortschritte bei Klimaschutz und Biodiversitätserhalt zum größten Teil aus. Daher schlägt die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) den neuen Fortschrittsbegriff der „Nachhaltigen Produktivitätssteigerung“ vor und ruft alle Beteiligten dazu auf, diesen Ansatz mitzugestalten und in die Praxis zu überführen. Den Auftakt dafür setzen die DLG-Unternehmertage unter dem Thema „Nachhaltige Produktivitätssteigerung – Betrieb, Markt, Umwelt“.
Ideen zum Leitthema
In diesem Zuge haben wir auch Mitglieder der Jungen DLG aus dem Bereich der Land- und Lebensmittelwirtschaft befragt, wie sie dieses neue Leitthema auf ihre jeweilige Branche übertragen würden.
Jan Frädrich, Mitglied in der Jungen DLG Landwirtschaft seit 2012, ist Geschäftsführer eines Ackerbaubetriebes im brandenburgischen Landkreis Prignitz. Er praktiziert nachhaltige Produktivitätssteigerung und Ressourcenschutz so:
„Wir wirtschaften auf unserem Ackerbaubetrieb im Nordwesten Brandenburgs zunächst nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis. Das bedeutet für uns vorrangig eine standortangepasste Intensität in Sortenwahl, Düngung und Pflanzenschutz, die es in jedem Jahr der sehr schwankenden Witterung anzupassen gilt. Das ergänzen wir mit einer weiten, vielfältigen Fruchtfolge und intensivem Zwischenfruchtanbau“ erläutert Frädrich. Auch beim Einsatz von Betriebsmitteln sind Nachhaltigkeit und eine hohe Produktivität maßgeblich für den Betriebsleiter: „Darüber hinaus stellen wir das Aussaatverfahren aktuell auf Strip-Till um. Davon erhoffen wir uns Ressourcenschonung, vor allem hinsichtlich der Wasserverfügbarkeit im Boden und beim Einsatz von Kraftstoff. Außerdem bringen wir Betriebsmittel wie Dünger und Saatgut teilflächenspezifisch aus. An dieser Stelle sehe ich noch weiteres Potenzial für nachhaltige Produktivitätssteigerung, das wir mit zunehmender Erfahrung durch die Anwendung des Strip-Till-Verfahrens und stetige Verbesserung der Datengrundlage ausschöpfen können“, betont der Praktiker.

Die DLG-Unternehmertage finden in diesem Jahr am 2. und 3. September im CongressCenter Erfurt statt.
Der neu vorgeschlagene Fortschrittsbegriff der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft), die Nachhaltige Produktivitätssteigerung, wird erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Akteurinnen und Akteure der Land- und Lebensmittelwirtschaft sind in vielfältigen Formaten dazu eingeladen, diesen Begriff zu diskutieren, weiterzudenken und in die Praxis zu tragen. Vom Plenum über die Keynote bis hin zu Impuls-Statements, fachlichen Deep Dives und den Masterclasses als abschließendes Highlight bieten die Unternehmertage auch in diesem Jahr zahlreiche Möglichkeiten, neue Impulse und Ideen für den eigenen Betrieb mit nach Hause zu nehmen.
Perspektivwechsel hin zum Lebensmittel
Potenziale für nachhaltige Produktivitätssteigerung gibt es auch in der Lebensmittelwirtschaft. Dafür wird ein Perspektivwechsel unerlässlich, da die verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit im Vergleich zur Landwirtschaft anders akzentuiert sind: Begriffe wie soziale Verantwortung und Verbraucherbildung spielen hier eine zentrale Rolle. Arasu Bechtoldt ist Werkstudentin im DLG-Fachzentrum Landwirtschaft und Lebensmittel und Mitglied der Jungen DLG. Zudem studiert sie im Master Nachhaltige Ernährungswirtschaft. Sie erklärt:
„Im Kontext meines Studiums bedeutet nachhaltige Produktivitätssteigerung ökonomische Effizienz, gepaart mit ökologischer und sozialer Verantwortung. Das kann gelingen, wenn entsprechende Innovationen, Kreislaufwirtschaft und Verbraucherbildung miteinander verbunden werden.“
Zu einer umfassenden wie wirksamen, nachhaltigen Produktivitätssteigerung gehört aber noch mehr: Sie geht mit einer intensiven Bewertung der Prozesse eines Unternehmens beziehungsweise der Projektabläufe einher. Franziska Nolte war langjähriges Mitglied in der Jungen DLG und ist gegenwärtig als Prozesstechnologin tätig. Sie bringt ihr Verständnis von nachhaltiger Produktivitätssteigerung folgendermaßen auf den Punkt:
„Neben der klassischen Wertstromanalyse braucht es eine ökologische Perspektive. Bei jedem Projekt müssen wir uns immer auch fragen, wo die größten Nachhaltigkeitspotenziale im Prozess liegen. Projekte sollten nicht nur aus Kostengründen gestartet werden, sondern auch zur Verbesserung der Umweltwirkung. Darüber hinaus müssen Verbraucher darüber informiert werden, was wirklich nachhaltig ist, zum Beispiel beim Thema Verpackungen. Andernfalls investieren Unternehmen aus Wettbewerbsgründen möglicherweise in Produkte, die nur scheinbar nachhaltiger sind.“
Gezielte Förderung erwünscht?
Um tatsächlich nachhaltige Prozesse gezielt zu fördern, existieren in der Landwirtschaft verschiedene Auszahlungskonzepte und Nachhaltigkeits-Benchmarks – jedoch mit offenen Fragen zur Wirtschaftlichkeit sowie regionalen Umsetzbarkeit. Landwirt Jan Frädrich weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass Vorgaben in Programmen zur Förderung nachhaltiger Praktiken bisweilen dem Ziel, mehr Nachhaltigkeit in der landwirtschaftlichen Produktion zu verankern, zuwider laufen:
„In meinen Augen bringt ein Fokus auf die Wirtschaftlichkeit mehr Nachhaltigkeit als Förderprogramme. Als Beispiel möchte ich den Anbau großkörniger Leguminosen nennen. Wir bauen sie im Rahmen der vielfältigen Fruchtfolge an. Als zusätzlich geförderte AUKM (Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahmen) wäre der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln untersagt, was bedeuten würde, dass wir eine Möglichkeit ungenutzt ließen, in Getreide schwer zu bekämpfende Gräser über dieses Fruchtfolgeglied einfach und mit geringer Pflanzenschutzintensität zu regulieren. Das ist weder ökologisch noch ökonomisch nachhaltig und läuft den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis zuwider.“
Wirklich zielführende Programme müssen für Frädrich folgende Voraussetzungen erfüllen: „Fördermodelle sind nur dann zukunftsfähig, wenn sie auch genutzt werden. Und das ist der Fall, wenn sie ökonomisch und ökologisch sinnvoll und nachhaltig sind und unbürokratisch in der Anwendung. Sie sollten sich daran orientieren, Produktivität und Ressourcenschutz in Einklang zu bringen, statt das eine mit dem anderen zu substituieren.“
Energieeffizienz als Stichwort
Gut dazu passt auch eine Idee von Arasu Bechtoldt. Sie schlägt vor, Ansätze beziehungsweise Maßnahmen zu verfolgen, welche gezielt zu einer nachhaltigen Produktivitätssteigerung in der Lebensmittelwirtschaft beitragen könnten – ohne die Nachhaltigkeit allein in den Fokus zu stellen:
„Nachhaltige Produktivitätssteigerung kann durch eine optimierte Energieeffizienz von Produktionsprozessen entlang der Wertschöpfungskette erfolgen. Dies schont Ressourcen und senkt die Kosten. Zudem kann eine gezielte Verbraucherbildung die Nachfrage nach nachhaltig produzierten Lebensmitteln steigern.“
Dem stimmt auch Lena Heimler zu, die seit Juli Mitglied bei der Jungen DLG Lebensmittel und als Prüfleitung in einem Labor tätig ist. Sie plädiert in ihrem Statement zur nachhaltigen Produktivitätssteigerung dazu, einen Schritt zurückzutreten und zuerst Überfluss zu reduzieren, anstatt an der Produktivität zu schrauben:
„Aus meinem Studium und beruflichen Alltag kommt mir dabei als Erstes die Minimierung von Lebensmittelabfällen in den Sinn. Denn was nützt eine ständig wachsende Produktivität, wenn gleichzeitig der Anteil an Lebensmittelverschwendung steigt? Ein zentrales Ziel sollte daher sein, die Lebensmittelproduktion effizienter zu gestalten – insbesondere durch weniger Ausschuss und Abfall. Das käme sowohl der Nachhaltigkeit als auch der Produktivität zugute. Durch meine Arbeit kann ich bestätigen, dass die sensorische Qualitätskontrolle von Lebensmitteln hierbei einen wichtigen Beitrag leistet.“
Fazit: Zwei Branchen, eine Richtung
Trotz zweier verschiedener Branchen, in denen sich die Befragten täglich bewegen, lassen sich den Aussagen dennoch viele Aspekte entnehmen, die für beide Branchen gelten können. Welches Fazit kann man also aus den Statements der Jung-DLGisten ziehen?
- Programme, die Nachhaltigkeit gezielt fördern sollen, sind nur dann sinnvoll, wenn sie sich ökologisch wie ökonomisch rentieren sowie reibungslos in den Betriebsablauf integrieren lassen.
- Die eine Nachhaltigkeit mit eigens dafür konstruierten Projekten zu verfolgen, ist wenig zielführend; vielmehr müssen existierende Prozesse umgestaltet werden, mit dem Fokus sowohl auf eine verbesserte Nachhaltigkeit als auch Ökonomie. Dabei spielt Energieeffizienz eine bedeutende Rolle.
- Die ökologischen Potenziale sollten bei jedem Projekt benannt und berücksichtigt werden.
Nachwuchskräfte aus der Land- und Lebensmittelwirtschaft wie Arasu Bechtoldt, Franziska Nolte, Lena Heimler und Jan Frädrich sind gefragt, wenn es darum geht, das Agrar- und Ernährungssystem zukunftsfähig aufzustellen. Sie bringen bereits wertvolle Impulse in die Debatte, wie eine nachhaltige Produktivitätssteigerung gelingen kann.