Automatisierte und digitale Intralogistik schöpft Lagerkapazitäten optimal aus und ermöglicht einen effizienten Warentransport bis hin zur Ferndiagnose im Störungsfall. Ein Schritt, den Mila Bergmilch Südtirol bei laufender Produktion vollzog. Dafür wurden einzelne Lagerblöcke außer Betrieb gesetzt und ein Regalbediengerät ausgetauscht, während das zweite übernahm.
Die Bergmilch Südtirol zählt 470 Mitarbeitende und 2.200 Bergbauern, die zugleich Lieferanten und Eigentümer sind. In Bozen verarbeitet die Genossenschaft jährlich mehr als 200.000 Tonnen Milch. Für die Kommissionierung und den Versand der Produkte kamen jüngst zwei Gebäudekomplexe dazu. Das hochautomatisierte Satellitenlager läuft fünfeinhalb Tage pro Woche rund um die Uhr. Geplant und umgesetzt hat es das Team von Westfalia Technologies. „Das alles im laufenden Betrieb unter beengten Platzverhältnissen und inklusive der Integration in die Bestandsanlage“, erklärt René Findling, Vertriebsleiter bei Westfalia.
Erdbebensichere Regalanlagen
Im Frischelager steigt damit die nötige Maximallast von 800 auf 1.000 Kilogramm pro Ladeeinheit. Für die Auflastung wurden die Regalanlage mit neuen Stützen verstärk und die Anlage mit stirnseitigen Jochen erdbebensicher gemacht. Die bisherigen Gefälle-Pickbahnen in der unteren Ebene wurden zu mehrfachtiefen Lagerkanälen für etwa 240 zusätzliche Stellplätze. Dort installierte Westfalia Schienen und Reflektoren für die Fachfeinpositionierung. Damit erhöht sich die Lagerkapazität im Frischelager auf rund 4.140 Stellplätze. Die Ladeeinheiten im System sind 35 bis 1.000 Kilogramm schwer und 1,6 Meter hoch. Die Dreifachunterstützung aller Schienenprofile senkt den Palettenverschleiß.
Einmast-Regalbediengeräte
Das erweiterte Frischelager ist nun rund 44 Meter lang, etwa 23 Meter breit und beherbergt bei einer Höhe von circa 17 Metern jeweils acht Ebenen mit bis zu vierfachtiefen Lagerkanälen. „Eine reine Modernisierung der beiden rund 30 Jahre alten Regalbediengeräte (RBG) im Kühllager war für die neuen Anforderungen nicht wirtschaftlich und zeitgemäß“, sagt Findling. „Daher haben wir sie gegen zwei moderne Einmast-RBG ersetzt.“ Diese sind leichter, für geringe Bodenlasten in Bestandshallen ausgelegt und sparsamer durch aktuelle Antriebe und Steuerungen. Sie erreichten ohne Schwerlasttransporte ihr Ziel.
Ketten-Satelliten für die Dreifach-Schienen
Die RBG lassen sich modular ausrüsten. Bei Mila sind schnelle, geteilte Ketten-Satelliten für die Dreifach-Schienen im Einsatz. Sie lagern materialschonend stündlich 65 Paletten im Doppelspiel und 62 Paletten im Einzelspiel. Ware und Paletten bleiben unbeschädigt und das System hochverfügbar. Die neuen Ein- und Ausschleusstellen sind für die optimale Streckeneffizienz der RBG mittig in den Lagergassen angeordnet. Die RBG lagern auf einzelnen Fahrten zugleich ein, um und aus. Und die Fördertechnik kann Waren nun zwischen den RBG umlagern.
Automatischer Transport
Eine 45,6 Meter lange Rollenfördererbahn wurde in der ersten Ebene zwischen den beiden Lagergassen des Frischelagers durch den Mittelblock gezogen. Sie transportiert Ladeeinheiten von der per manueller Aufgabe angebundenen Produktion ins Lager und in die neuen Versandhallen. Ebenfalls in Betrieb genommen wurden zwei neue, insgesamt 20 Meter lange seitliche Auslagerbahnen zwischen Kühllager und neuen Kommissionierhallen. Weitere Auslagerbahnen in die Versandzone sind geplant.
Neue IT-Landschaft
Westfalia hat das automatische Lagersystem sowohl anlagenseitig als auch softwareseitig auf den aktuellen technologischen Stand gebracht. „Mila hatte seit 1994 alle vier Generationen unserer Software im Einsatz, angefangen mit einem einfachen Lagerverwaltungssystem“, erklärt Christian Goltermann, Vertriebsleiter Software & IT. Heute ist Savanna.NET zum Warehouse Execution System gewachsen, das Lagerverwaltung und Materialflusssteuerung vereint. „Nach den Upgrades auf Version 2.15 haben wir parallel zu den Bauabschnitten funktionale Erweiterungen implementiert“, so der Experte. Dazu gehören die Verwaltung von Stellplätzen, Bestand und Lager, die Materialflusssteuerung, die Kopplung mit dem ERP-System SAP und die Bestandsbuchung über mobile Datenendgeräte. Goltermann: „Wir haben den Funktionsumfang um manuelle Lagerplätze in der neuen Kommissionierung, um die automatische Nachversorgung aus dem Hochregallager und um die Stellplatzverwaltung der beiden Kommissionierzonen mittels mobilen Terminals erweitert.“ Einlager- und Auslagerlogik reduzieren Umlagerungen und schöpfen die Lagerkapazität optimal aus.
Moderne Antriebe
Auch die Antriebs-, Steuerungs- und Sicherheitstechnik wurden ausgetauscht und umgebaut: moderne Umrichter des Typs SEW Movi C, aktuelle Steuerungstechnik von Siemens im TIA-Portal inklusive Safety Integrated-Laser-Entfernungsmessung und Kamerasystem für die Fachfeinpositionierung sowie aktuelle Panels für eine verbesserte manuelle Bedingung des Systems. „Durch die neue Antriebstechnik können die zulässigen Geschwindigkeiten und Endlagen sicher und wartungsfrei per Safety-SPS überwacht werden“, erläutert Martin Hessler, Bereichsleiter Automatisierungstechnik bei Westfalia. Die Daten werden per Ethernet und Profinet über Datenlichtschranken an die RBG übermittelt. Nun sind Ferndiagnose und Fernwartung möglich. Durch die Integration neuer Kamerasysteme auf den RBG ist zudem eine Ferndiagnose im Störungsfall möglich, ohne in die jeweilige Regalgasse gehen zu müssen.
Hochverfügbar und erweiterbar
„Das Lager hat mehr Kapazität und eine höhere Maximallast. Ladeeinheiten müssen jetzt nicht mehr per Stapler durch die Verladezone transportiert werden“, so Thomas Bernhart zu den Vorteilen der Modernisierung und Erweiterung. „Die neue Fördertechnik transportiert die Waren automatisch zwischen Produktion, Lager, unseren neuen Kommissionierhallen und der Versandzone. Dank Savanna kommissionieren wir in den neuen Kommissionierzonen per Handheld und geben dezentral Anweisungen an das System.“ Der erste wichtige Modernisierungs- und Erweiterungsschritt ist damit aus der Sicht des technischen Direktors von Mila Bergmilch Südtirol geschafft, weitere sollen folgen: „Perspektivisch wollen wir die Produktion vollautomatisch anbinden, durch einige Vertikalumsetzer die gesamte Höhe des Standorts optimal ausnutzen und auch das H-Milch-Lager lager- und fördertechnisch erweitern und modernisieren. Wir sind zuversichtlich, dass auch das in enger Kooperation gut gelingen wird.“