
Bei Produktions- und Verarbeitungsverfahren entstehen gerade in der Lebensmittelindustrie häufig Nebenprodukte, die bislang entsorgt werden müssen, beispielsweise Schalen von Sonnenblumenkernen, Nüssen, Mandeln oder Getreide, Kaffeesatz oder Maisspindeln. Viele von ihnen haben ein hohes Energiepotenzial und eignen sich damit für die thermische Verwertung, also die Wärmeerzeugung. Unternehmen, bei denen
keine derartigen Reststoffe anfallen, können auf Holz aus der Landschaftspflege oder nachhaltiger Forstwirtschaft, Verschnitt der Sägeindustrie sowie unbehandeltes Altholz zurückgreifen. Diese Brennstoffe sind kostengünstig und oft regional verfügbar, sodass sie unabhängig von globalen Lieferketten eine hohe Versorgungssicherheit bieten.
Eine sinnvolle Verwertung von Reststoffen entspricht dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft. In der Europäischen Union gilt sie auch als CO2-neutral und hilft Unternehmen dabei, ihre CO2-Bilanz zu verbessern und ihre Klimaziele zu erreichen. Zudem profitieren Unternehmen durch mehr Unabhängigkeit von tendenziell weiter steigenden Energie- und CO2-Preisen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Wie das funktionieren kann, zeigen Olam Food Ingredients (ofi), einer der weltweit führenden Anbieter von Lebensmittel- und Getränkeinhaltsstoffen, und das Mannheimer Energieunternehmen MVV: Am Standort Mannheim verarbeitet ofi Kakaobohnen zu Kakaopulver, -butter und -masse. Die Kakaoschalen, die dabei anfallen und bisher entsorgt wurden, nutzt das Unternehmen seit Kurzem, um nahezu den gesamten Dampf zu erzeugen, der am Standort für Sterilisierungs-, Alkalisierungs- und Desodorisierungsprozesse benötigt wird. Zudem wird mit der Anlage das Speisewasser vorgewärmt. So kann ofi seinen Bedarf an Erdgas, das zuvor für die Dampferzeugung genutzt wurde, um 90 Prozent reduzieren und seine CO2-Emissionen um rund 8.000 Tonnen pro Jahr vermindern.
Damit sind ofi und MVV Vorreiter: Weltweit gibt es bislang nur einige wenige Anlagen für die Dampferzeugung mit Kakaoschalen, in Deutschland ist es die erste Biomasse-Kesselanlage dieser Art. Für die Realisierung waren deshalb umfangreiche Voruntersuchungen notwendig und die Anlage wurde eigens für ofi konzipiert. Die Planung, den Bau und die Finanzierung hat MVV übernommen, außerdem kümmert sich das Energieunternehmen um die Betriebsführung. So kann sich ofi ganz auf sein Kerngeschäft der Kakaoverarbeitung konzentrieren.
Ähnlich wie bei ofi lassen sich aus Reststoffen Wärme und Dampf für verschiedene Einsatzzwecke gewinnen – von Warmwasser über Heißwasser bis Prozessdampf. Dabei können die gleichen Temperaturen und Drücke erzielt werden wie mit herkömmlichen Brennstoffen.
Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit?
Um zu beurteilen, ob sich eine entsprechende Anlage im individuellen Fall wirtschaftlich umsetzen lässt, sind zahlreiche Faktoren in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einzubeziehen. Dazu gehören die Investitionskosten, die bei einer Biomasse-Kesselanlage höher sind als bei Gaskesseln. Fördermittel tragen jedoch erheblich dazu bei, dass Biomasseanlagen wirtschaftlich werden: Im Rahmen des BAFA-Programms „Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft“ (EEW) erhalten Unternehmen eine Förderung von 20 bis 40 Prozent der Investitionskosten, je nach Unternehmensgröße. Voraussetzung dafür ist, dass die erzeugte Wärme zu über 50 Prozent für Prozesse zur Herstellung, Weiterverarbeitung oder Veredelung von Produkten oder zur Erbringung von Dienstleistungen verwendet wird. Wird die Wärme hingegen zum Heizen genutzt, können über die „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) des BAFA Fördermittel beantragt werden. Hier beträgt die Förderquote bis zu 30 Prozent. Der ausschlaggebende Faktor für die Wirtschaftlichkeit einer Biomasseanlage ist die Preisdifferenz zwischen biogenen und fossilen Brennstoffen über die Betriebsdauer.
Die Schere im Beschaffungspreis wird in Zukunft zugunsten der holzartigen Brennstoffe weiter aufgehen: Der heutige CO2-Preis von rund 60 Euro pro Tonne verteuert Erdgas um circa elf Euro pro Megawattstunde. Sollte der CO2-Preis in den kommenden zehn Jahren auf über 100 Euro pro Tonne steigen, wovon Fachleute ausgehen, würden die Mehrkosten mehr als 18 Euro pro Megawattstunde (MWh) betragen.
Ein weiterer Faktor ist die Anzahl der jährlichen Volllaststunden der Anlage. Hier gilt die Daumenregel: Je gleichmäßiger die Abnahme der (Prozess-)Wärme stattfindet, desto besser.
Energiedienstleistungs-Modell
Biomasseanlagen sind in ihrem Aufbau komplexer als eine konventionelle Kesselanlage und müssen entsprechend der Bedarfslastgänge individuell ausgelegt werden. Deshalb bietet sich für die Realisierung einer solchen Anlage ein Energiedienstleistungs-Modell an, wie es auch ofi nutzt. Dabei kann das Unternehmen nach Bedarf zahlreiche Aufgaben an einen spezialisierten Dienstleister übertragen, von der Planung und Errichtung inklusive Finanzierung der Anlage über das Fördermittelmanagement und die Behördenkommunikation bis zum Betrieb der Anlage mit Wartung und Instandhaltung. MVV bietet zudem auch das Stoffstrommanagement an und gewährleistet damit, dass die Anlage immer optimal mit Brennstoff versorgt ist. Das Unternehmen kann sich ganz auf sein Kerngeschäft konzentrieren und ohne eigene Investitionskosten von einer effizienten, klimafreundlichen und zukunftsfähigen Wärmeversorgung profitieren. ^
Autor: Jörg Schlehe
Vertriebsingenieur Business Kunden
MVV Enamic GmbH, Mannheim
partner@mvv.de