“Warum wir einen modernen Pflanzenschutz brauchen”
Dr. Bruno Görlach im Interview zum Positionspapier des DLG-Ausschusses Pflanzenschutz
Pflanzenschutzmittel helfen, die Kulturpflanzen vor Pilzbefall, Insektenfraß oder Konkurrenz durch Unkräuter zu schützen. Damit tragen sie wesentlich dazu bei, gesunde, qualitativ hochwertige und sichere Nahrungsmittel zu erzeugen. Der DLG-Ausschuss Pflanzenschutz hat im August 2025 ein aktuelles Positionspapier: „Warum brauchen wie einen modernen Pflanzenschutz“ veröffentlicht. Dr. Bruno Görlach, Bereichsleiter Pflanzenproduktion und Außenwirtschaft im DLG-Fachzentrum Landwirtschaft & Lebensmittel erläutert im folgenden Interview die wichtigsten Punkte.
Ohne einen gezielten Pflanzenschutz ist es aus Sicht des Ausschusses nicht möglich, Kulturpflanzen dauerhaft produktiv anzubauen.
DLG: Herr Dr. Görlach, warum brauchen wir einen modernen Pflanzenschutz?
Dr. Bruno Görlach: Moderner Pflanzenschutz ist essenziell, um Ernteverluste durch Krankheiten, Schädlinge und Konkurrenzpflanzen zu vermeiden und gleichzeitig die Qualität unserer Lebensmittel zu sichern. Pflanzenschutzmittel tragen zudem entscheidend dazu bei, gesunde, qualitativ hochwertige und sichere Nahrungsmittel zu erzeugen. Zahlreiche Untersuchungen haben beispielsweise gezeigt, dass Schimmelpilze auf Kulturpflanzen eine erhebliche Gefahr für die menschliche und tierische Gesundheit darstellen können. Ohne einen gezielten Pflanzenschutz ist es aus Sicht des Ausschusses nicht möglich, Kulturpflanzen dauerhaft produktiv anzubauen. Die Entwicklung der Schadorganismen schreitet voran: Neue Rassen bei Krankheitserregern entstehen wie Gelbrostrassen, invasive Arten kommen hinzu wie die Kirschessigfruchtfliege und Maiswurzelbohrer, und auch neue Schaderreger treten urplötzlich auf wie zum Beispiel Trichoderma-Kolbenfäule im Mais, SBR/Stolbur in Zuckerrübe, Kartoffel und weiterem Gemüse.
Nicht zuletzt führt der Klimawandel dazu, dass sich die Lebensräume von Schadpopulationen verschieben. Angesichts dieser zunehmenden Herausforderungen durch Schaderreger und den Klimawandel bleibt ist ein effektiver Pflanzenschutz essenziell, um die Erzeugung gesunder Lebensmittel zu gewährleisten. Dafür braucht es einen Werkzeugkasten mit einem breiten Spektrum an Instrumenten, zu dem auch eine ausreichende Vielfalt an modernen Pflanzenschutzwirkstoffen gehört.
Was bedeutet für Sie moderner Pflanzenschutz?
Pflanzenschutz muss im System gedacht werden. Das heißt, es geht nicht nur um chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, sondern um ein integriertes System aus vorbeugenden, mechanischen, biologischen und chemisch-synthetische Maßnahmen. Dabei stellen die chemisch-synthetischen Mittel die Ultima Ratio dar und soll nur zum Einsatz kommen, wenn die vorbeugenden Maßnahmen sowie mechanische und/ oder biologische Maßnahmen nicht ausreichend wirksam waren oder es keine entsprechenden Alternativen gibt. Ein wichtiges Element des integrierten Pflanzenschutzes ist zum Beispiel die Kontrolle des Kulturpflanzenbestandes. Sie dient dazu, rechtzeitig zu erkennen und zu bewerten, ob Schaderreger oder Unkräuter in einem ertragsrelevanten Ausmaß auftreten. So wird der Einsatz von Wirkstoffen gezielt und verantwortungsvoll gestaltet. Es steht außer Frage, dass im Pflanzenschutz in der Vergangenheit Fehler begangen worden sind. Lange Zeit wurden chemisch-synthetische Mittel unkritisch eingesetzt – ohne die Risiken für Mensch und Umwelt ausreichend zu beachten. Wahr ist auch, dass die Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes in der Vergangenheit bei weitem nicht von allen Landwirten respektiert wurden. Auch dies hat dazu beigetragen, dass der landwirtschaftliche Sektor von Teilen der Öffentlichkeit zunehmend kritisch betrachtet wird. Doch die Zeiten haben sich geändert. Zum einen ist das Bewusstsein da, dass wir alle aus unserem Silodenken heraus müssen und den Austausch zwischen verschiedenen Akteuren verstärken müssen, um die Belange von Mensch, Natur und Umwelt in Einklang zu bringen. Zum anderen haben sich sowohl das Wissen als auch die technischen Möglichkeiten erheblich weiterentwickelt. Moderne Pflanzenschutzmittel sind effizienter und weisen geringere unerwünschte Nebenwirkungen auf als frühere Generationen von Wirkstoffen.
Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) hat eine Projektgruppe zur Neuausrichtung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln angekündigt. Ziel ist ein schnelleres, transparenteres und wissenschaftsbasiertes Verfahren, um Pflanzenschutzmittel zuzulassen. Welchen Beitrag leistet in diesem Prozess das Positionspapier des DLG-Ausschusses für Pflanzenschutz?
Das Papier ist losgelöst von diesem Prozess zu betrachten. Pflanzenschutzmittel sind ein emotionales Thema, welches nicht nur die Fachbranche, sondern auch die Gesellschaft bewegt. Das Papier wurde speziell für die Gesellschaft und Öffentlichkeit geschrieben, um die Debatte zu versachlichen und die Vor- und Nachteile, sowie die Wirtschaftsweise der Landwirte darzustellen. Unser Ziel ist es damit den Diskurs über die Zukunft des Pflanzenschutzes in Deutschland zu fördern.
Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass der Nutzen-Aspekt beim Zulassungsverfahren wieder in den Fokus gerückt werden muss. Die kann an dem Beispiel der Notfallzulassung dargestellt werden. Entstehen Lücken in der Bekämpfung von Schaderregern, wie dies bereits bei Obst und Gemüse der Fall ist, wird zunehmend auf Notfallzulassungen für Pflanzenschutzmittel zurückgegriffen. Die Anzahl dieser Notfallzulassungen hat sich seit 2011 mehr als vervierfacht. Das Problem, das sich dabei abzeichnet: Die Anbauer wissen nicht, welches Produkt sie im kommenden Jahr tatsächlich zur Verfügung haben werden.
Moderne Pflanzenschutzmittel sind effizienter und weisen geringere unerwünschte Nebenwirkungen auf als frühere Generationen von Wirkstoffen.
Zum DLG-Ausschuss Pflanzenschutz
Der DLG-Ausschuss für Pflanzenschutz versteht sich als ein aus Vertretern unterschiedlichster Interessensgruppen – Praxis, Beratung, Wissenschaft, Behörden, Industrie – zusammengesetztes Fachgremium, das fachliche Grundlagen für einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Pflanzenschutz diskutiert und den Fortschritt kritisch beobachtet und bewertet.
Hier geht es zum Positionspapier des DLG-Ausschusses für Pflanzenschutz.