„Maßnahmen sollten in den
betrieblichen Alltag passen“
Dr. Elke Plaas, Thünen Institut, über Nature Credits
Landwirtinnen und Landwirte stehen vor der Herausforderung, möglichst wirtschaftlich und effizient zu arbeiten. Nur so können die notwendigen Produktionssteigerungen erreicht werden, um eine wachsende Weltbevölkerung sicher zu ernähren. Gleichzeitig stellen Klimawandel und der Verlust von Biodiversität die Anforderung an die Erzeuger, die natürlichen Ressourcen bestmöglich zu schützen. Damit Umweltleistungen aus der Landwirtschaft wirkungsvoll sind und gleichzeitig zuverlässig erbracht werden, plant die EU-Kommission, mit sogenannten Nature Credits einen Rahmen für Investitionen in den Schutz natürlicher Ressourcen zu setzen. Dr. Elke Plaas, Wissenschaftlerin am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig, gibt im Interview eine Einschätzung zu diesem Konzept. Auf dem DLG-Kolloquium 2025 am 2. Dezember in Berlin hält sie einen Vortrag zum Thema.
DLG: Unter welchen Voraussetzungen können Nature Credits dabei helfen, Umweltleistungen durch Landwirte mit einem angemessenen Preisschild zu versehen?
Dr. Elke Plaas: Um die Finanzierungslücke im Umweltschutz zu schließen, möchte die Europäische Union einen freiwilligen Markt für private Investoren schaffen. Im Juli 2025 wurde die sogenannte „Roadmap towards Nature Credits“ vorgestellt. Damit wird ein strategischer Rahmen geschaffen für Investitionen in Biodiversität und Ökosystemleistungen. Dadurch soll die staatliche Finanzierung des Umweltschutzes dauerhaft ergänzt werden. Der Rückgang der Biodiversität bedarf hoher Investitionen um aufgehalten zu werden. Ein funktionierender Markt für Nature Credits wäre ein denkbarer Weg, zusätzliche Anreize zu schaffen, damit private Investoren Umweltleistungen auf landwirtschaftlichen Produktionsflächen direkt vergüten.
Kann das rein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten funktionieren – oder brauchen wir doch Regulatorik?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Rechtsrahmen zu Nature Credits noch in der Vorbereitungs- und Diskussionsphase und bislang gibt es keine konkrete Gesetzgebung. Ohne klare Regeln und Standards besteht die Gefahr des Greenwashings. Die Nature Credits sollen somit den Rahmen für einen Markt festlegen, keinen Markt ersetzen. Die Regelung ist das wichtige Fundament für die Festlegung von Messkriterien und Standards, nach denen gehandelt werden kann.
Welche Instrumente sind bei der Honorierung von Umweltleistungen durch Landwirte vorzuziehen: Nature Credits, wie sie EU-seitig vorgeschlagen werden – oder privatwirtschaftliche Programme von agrarwirtschaftlichen Unternehmen?
Es gibt viele bewährte und wirkungsvolle Maßnahmen zur Steigerung der Artenvielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen. Die größte Hürde besteht dann in der Finanzierbarkeit der langfristigen Umsetzung. Das EU-System für Nature Credits ist nicht darauf ausgelegt, direkt mit bestehenden oder zukünftigen privaten Anbietern zu konkurrieren. Stattdessen versteht man es als einen unterstützenden Rahmen, der privaten Akteuren die Möglichkeit gibt, sich zu beteiligen und das System aufzubauen.
Es muss sichergestellt sein, dass die Maßnahmen auch tatsächlich einen Beitrag zur Biodiversität leisten.
Dr. Elke Plaas, Thünen-Institut
Welche Anforderungen müssen Nature Credits erfüllen, damit sie von der Wirtschaft und landwirtschaftlichen Praxis gleichermaßen angenommen werden – und im Ziel wirksamer sind als Fördermaßnahmen?
Hierbei würde ich zunächst das Augenmerk auf die Maßnahmen selbst richten. Die Maßnahmen sollten in den betrieblichen Alltag passen und langfristig planbar sein. Finanziell muss der Ausgleich angemessen sein und es muss sichergestellt sein, dass diese gewählten Maßnahmen auch tatsächlich einen Beitrag zur Biodiversität leisten. Aus Sicht der Investoren aus der Wirtschaft muss gewährleistet werden, dass die Maßnahmen langfristig verstetigt werden und die Maßnahmen tatsächlich zielführend, also als Investition auch „sicher“ sind.
Welche Umweltleistungen sollten auf jeden Fall auf Nature Credits angerechnet werden dürfen – damit das Konzept der Nachhaltigen Produktivitätssteigerung , also Ertragswachstum bei gleichzeitigem Ressourcenschutz, erfolgreich umgesetzt werden kann?
In dem von der DLG vorgestellten Konzept der nachhaltigen Produktivitätssteigerung (siehe Infokasten) sehe ich die Möglichkeit, dass auch der gesamte Ressourcenverbrauch und eine mögliche Ressourcenschonung Berücksichtigung finden. Wenn wir ein umfassendes Produktivitätsmaß für die landwirtschaftliche Erzeugung und den damit verbundenen Ressourcenverbrauch definieren und messen wollen, scheint das aus heutiger Sicht ein sehr komplexes und mit hohem Aufwand verbundenes Unterfangen zu sein. Zahlreiche Studien zeigen, wie kompliziert die Bewertung von Ökosystemleistungen ist. Daher ist diese Herausforderung zunächst anzugehen, bevor wir in die konkrete Ausgestaltung von Nature Credits gehen. Aber grundsätzlich haben Nature Credits sicherlich das Potenzial, zur Inwertsetzung von Umweltleistungen beizutragen, so wie es die DLG auch im Konzept der Nachhaltigen Produktivitätssteigerung beschreibt.
Können Nature Credits den gleichen Stellenwert wie CO2-Zertifikate erlangen?
Die Kommission will sich bei diesem Konzept am Vorbild des freiwilligen Kohlenstoffmarkts orientieren. Hier können wir aus den anfänglichen Schwächen des freiwilligen Kohlenstoffmarktes lernen und vermeiden, Fehler zu wiederholen. Die wichtigste Voraussetzung ist, die Akzeptanz der Investoren und Käufer zu gewinnen, denn ohne eine stabile Nachfrage wird das Konzept wirkungslos bleiben.
Interview: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom
Nachhaltige Produktivitätssteigerung
Die DLG stellt ihre Facharbeit ab sofort unter das Leitbild „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“. Ausgangspunkt für das neue Fortschrittsverständnis: Die EU-Strategie des Green Deal, der wirtschaftlichen Entwicklung unter dem einseitigen Primat der ökologischen Nachhaltigkeit, ist an der Realität vielfältiger globaler und geopolitischer Krisen gescheitert. Das neue Leitbild der DLG versteht Produktivitätssteigerung und den Schutz natürlicher Ressourcen hingegen als Einheit. Nachhaltige Produktivitätssteigerung bezieht zentrale Nachhaltigkeitsziele wie Klimaschutz, Biodiversitätserhalt und Tierwohl, erstmalig explizit in die Bemessung von Produktivität mit ein.
Mehr Informationen bietet das DLG-Diskussionspapier zur Nachhaltigen Produktivitätssteigerung
DLG-Kolloquium 2025
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