Die Umstellung von Traktoren und selbstfahrenden Landmaschinen von fossilem Diesel auf alternative Antriebe ist ein komplexes Projekt mit vielen Beteiligten. Die politische Vorgabe für den Klimaschutz lautet: Treibhausgasemissionen aus der Dieselkraftstoffnutzung müssen spätestens bis zum Jahr 2045 auf „null” reduziert werden. Davon ist die Landwirtschaft gegenwärtig allerdings sehr weit entfernt – obwohl alternative Antriebe und Kraftstoffe durchaus zur Verfügung stehen. Das hat vielfältige Gründe: Umstellungskosten, aber auch rechtliche Voraussetzungen oder Fragen der Infrastruktur zählen dazu. Daher brauchen wir eine unterstützende Politik und Technologieoffenheit bei allen Beteiligten, um die Nutzung von fossilem Kraftstoff in der Landwirtschaft sukzessive durch emissionsärmere Alternativen zu ersetzen.
Zahlreiche neue Technologien als Alternativen zu fossilen Kraftstoffen in der Landwirtschaft sind bereits entwickelt und erprobt - sowohl auf Seiten der Motoren- und Antriebstechnik, als auch auf Seiten der erneuerbaren Kraftstoffe. Landwirtinnen und Landwirte, Lohnunternehmer und Maschinenringe sollten sich daher vor dem Kauf von Traktoren und anderen Landmaschinen mit alternativen Antrieben befassen – denn Kaufentscheidungen von heute stellen wichtige Weichen für morgen und sollten regulatorische Vorgaben im Klimaschutz, die perspektivisch greifen werden, berücksichtigen.
Traktoren und selbstfahrende Landmaschinen weisen sehr unterschiedliche Leistungsklassen und Einsatzszenarien auf – die Spanne reicht vom Futtermischwagen über Hoflader, Traktoren unterschiedlichster Leistungsklassen bis zum Mähdrescher. Daraus resultiert die große Vielfalt der möglichen erneuerbaren Energieträger zum Antrieb von Traktoren und Landmaschinen. Elektrischer Strom aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft oder Photovoltaik zählt ebenso dazu wie Pflanzenöl, Biodiesel, Bioethanol, Paraffinischer Diesel bzw. HVO (hydrierte Pflanzenöle - hydrotreated vegetable oils) oder FT bzw. Fischer-Tropsch-Dieselkraftstoffe, also Kraftstoffe aus verflüssigter Biomasse, Methan und Wasserstoff.
Weniger als 1 Prozent Biodiesel als Reinkraftstoff
Diese alternativen Antriebe könnten allesamt zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks der Landwirtschaft beitragen – wenn sie denn genutzt würden. Doch davon ist die Realität auf den Höfen und Feldern noch weit entfernt: Mehr als 99 Prozent betrug der Anteil an klassischem Diesel (B0 und B7) an der eingesetzten Antriebsenergie in der deutschen Landwirtschaft noch im Jahr 2020, wie aus Erhebungen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) hervorgeht. Der Anteil der Reinkraftstoffe Biodiesel und Pflanzenöl lag bei unter einem Prozent. Diese Zahlen zeigen klar und deutlich, dass bei der Verwendung von alternativen Antrieben in der Landwirtschaft noch viel Luft nach oben ist – trotz der vorhandenen Alternativen.
Kosten für die Umrüstung beeinflussen die Entscheidung für den Umstieg auf alternative Antriebe.
Prof. Dr. Till Meinel
Diese zunächst paradox anmutende Situation ist mehreren Ursachen geschuldet: Das Konzept „Dieselmotor“ erweist sich seit Jahrzehnten als äußerst praxistauglich, kostengünstig und damit erfolgreich. Für die Endkunden bringt es entscheidende Vorteile: Dieselmotoren werden in großer Stückzahl produziert, Lagerung des Kraftstoffes und Tankinfrastruktur sind technisch und wirtschaftlich attraktiv, der Service ist gut ausgebaut. Alles Gründe, die nicht für einen Wechsel des Energieträgers sprechen. Zusätzlich wird die Entscheidung für einen möglichen Umstieg bei der Antriebsenergie von vielen weiteren Faktoren beeinflusst: Kosten, die durch Zukauf und Erschließung der erneuerbaren Energieträger entstehen, Investitionskosten und Kosten für die Umrüstung von Traktoren und Maschinen sowie Aufwendungen für Lagerung und Tanktechnik. Weitere Herausforderungen im Vergleich zum etablierten Dieselkraftstoff ergeben sich durch die möglicherweise schwankende Verfügbarkeit des alternativen Kraftstoffs und dessen Energiedichte, den Wirkungsgrad des Antriebssystems sowie die Marktreife der technischen Komponenten. Darüber hinaus können sich Fragen rund um das Emissionsminderungspotenzial sowie rechtliche Angelegenheiten als durchaus komplex erweisen.
Hinzu kommt: Die genannten Antriebssysteme weisen sehr unterschiedliche Reifegrade auf. Motoren für Pflanzenölkraftstoff und Biodiesel sind seit langem am Markt verfügbar, ebenso elektrische Antriebe für Maschinen in der Innenwirtschaft. HVO ist ein weiteres marktreifes Produkt, für dessen Verwendung viele Motoren freigegeben sind. Landmaschinenhersteller wie Claas und Weidemann betanken ihre Neumaschinen ab Werk mit diesem Treibstoff. Demgegenüber stehen Elektroantriebe mit wasserstoffbetriebener Brennstoffzelle noch am Anfang ihrer Entwicklung.
Finanzielle Anreize erforderlich
Eine steigende Nutzung von E-Traktoren oder Landmaschinen, die Wasserstoff, Methan oder HVO tanken, ist daher alles andere als ein Selbstläufer. Die Nutzung von alternativen Antrieben in der Landwirtschaft kann nur durch politische Unterstützung gesteigert werden. Wichtig sind dabei vor allem finanzielle Anreize, zum Beispiel beim Erwerb entsprechender Maschinen oder bei der Umrüstung des Maschinenparks.
Mögliche Szenarien für finanzielle Anreize wären zum Beispiel die Gleichstellung, idealerweise Besserstellung erneuerbarer Antriebsenergien in der Land- und Forstwirtschaft gegenüber fossilen Energieträgern bei der Erhebung der Energiesteuer. Ergänzt werden könnten solche Maßnahmen durch die konsequente stufenweise Erhöhung der Preise für Emissionszertifikate im Brennstoffemissionshandelsgesetz, um eine steigende „CO2-Abgabe“ auf fossile Energien zu bewirken.
Chance für neue Geschäftsmodelle
Bei allen politischen Interventionen ist die Technologieoffenheit aus meiner Sicht als Landmaschineningenieur ein Muss: Der freie Wettbewerb der Maschinenentwickler wird dadurch gewahrt und die Vielfalt der landwirtschaftlichen Produktionsmethoden und Betriebsstrukturen berücksichtigt. Land- und Forstwirte können in ihren Betrieben erneuerbare Antriebsenergie wie Strom, pflanzenölbasierte Kraftstoffe wie Rapsölkraftstoff oder Methan produzieren – dies ist ein Alleinstellungsmerkmal unserer Branche und zudem eine große Chance für die Schaffung neuer Geschäftsmodelle.
Die Nutzung alternativer Antriebe in der Landwirtschaft ist zukunftsweisend und sollte in jeder Betriebsstrategie berücksichtigt werden. Die DLG widmet sich in einer hochkarätig besetzten digitalen Veranstaltung am Dienstag, den 1. Oktober 2024 ab 14 Uhr, dieser wichtigen Thematik: Ab sofort können Sie sich hier kostenfrei für die Online-Tagung „Alternative Antriebe und Kraftstoffe“ registrieren. Experten vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL), Maschinenhersteller wie AGCO, Deutz oder Liebherr und Praktiker aus der Landwirtschaft stellen unterschiedliche Perspektiven und Ansätze zum Thema dar und treten anschließend mit den Teilnehmenden in einen fachlich moderierten Austausch. Als Moderator konnten wir meinen Kollegen Prof. Roger Stirnimann von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Bern (Schweiz) gewinnen, einen ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet.
Online-Event:
Alternative Kraftstoffe in der Landwirtschaft
Aufgrund steigender Anforderungen zum Klimaschutz werden auch im Agrar- und daran angrenzenden Sektoren die Rufe nach alternativen Antriebskonzepten lauter. Auf Einladung des DLG-Fachzentrums Landwirtschaft und der Redaktion der DLG-Mitteilungen werden sich deshalb am 1. Oktober 2024 ausgewiesene Experten aus Wissenschaft und Praxis sowie der Produktentwicklung in einer Online-Tagung mit diesem Thema beschäftigen, den aktuellen Entwicklungsstand präsentieren sowie die Vor- und Nachteile einzelner Ansätze mit den Teilnehmern diskutieren.