Die Agri-PV kombiniert die Landwirtschaft mit der Produktion von Sonnenstrom. Doch welchen Effekt hat die Solaranlage auf die Bearbeitung der Fläche und die Erträge? Die ersten Untersuchungen zeigen positive Auswirkungen.
Es ist eine Fahrt durch eine unwirklich scheinende Landschaft. Der Weg führt mitten durch den Tagebau Garzweiler im Rheinischen Revier. Immer noch schaufeln die Bagger hier Braunkohle aus der Erde, um sie in den Kraftwerken der Region zu verfeuern. Für die landwirtschaftliche Nutzung ist dieses riesige Gebiet für Jahrzehnte verloren. Doch die Alternative ist nicht weit. Sowohl die Energiewende als auch ihre Kombination mit der Landwirtschaft steht direkt am Rande des Tagebaus.
Auf einer sieben Hektar großen Fläche zwischen Tagebau und Autobahn A44 bei Bedburg hat RWE gleich drei Agri-PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 3,2 Megawatt gebaut. Im August 2024 sind sie in Betrieb gegangen.
Drei Technologien aufgebaut
Die drei Anlagen wurden mit unterschiedlichen Technologien errichtet. So wurde ein Teil der Fläche mit einer hochaufgeständerten Anlage überdacht. Hier hat ein Landwirt in der Region Himbeeren als Topfkultur angebaut. Auf einem zweiten Teil der Fläche hat RWE die Module senkrecht mit dem System von Next2Sun gebaut. Die Reihenabstände müssen hier ohnehin groß genug sein, dass sich die Module nicht gegenseitig verschatten. Dadurch ist ausreichend Platz für die Bearbeitung der Fläche mit landwirtschaftlichen Maschinen.
Ungehindert zwischen den Modulen fahren
Bei der dritten Variante sind die Module auf einem Trackersystem von Schletter montiert. Will der Landwirt die Fläche mit seinen Maschinen bearbeiten, fährt er die Module in die waagerechte Position. „Dann kann er mit einem Traktor oder einem Dünge- und Spritzgerät bequem unter den Modulen hindurchfahren. Auch ein Mähdrescher ist kein Problem: Er fährt mittig durch, die Schneidwerke gleiten unter die Module. „Das funktioniert reibungslos“, berichtet Gregor von Danwitz, Experte für Agri-PV beim Energieversorger RWE.
Die Landwirte haben ihm berichtet, dass sie keine Probleme bei der Durchfahrt zwischen den Modulreihen hatten. „Denn die Traktoren werden über GPS gesteuert. Damit ist die Durchfahrt exakt und einfach“, erklärt der RWE-Experte. „Wir haben auch ohne GPS getestet. Dabei gab es keine Probleme, die Fahrer kommen gut zurecht. Künftig sollten wir allerdings nur mit GPS fahren, da es teure Technologie ist und man präziser arbeitet.“
Probleme gab es allenfalls durch Signalverluste, die aufgrund der elektrischen Felder der Anlage auftraten. „Dann fährt der Traktor einfach geradeaus weiter, bis er das nächste Signal findet und korrigiert“, sagt von Danwitz.
Die waagerechte Stellung der Module während der Feldarbeit hat noch einen zweiten Vorteil. Denn in dieser Position gelangt weniger Staub auf die Module, als wenn sie schräg angestellt würden.
Mehr elektrische Leistung mit Trackern
Um die landwirtschaftliche Bearbeitung weiterhin möglich zu machen, wurden die einzelnen Trackerreihen in einem Abstand von zehn Metern zueinander aufgebaut. Zwischen den Montagepfosten bleibt jeweils ein Meter Sicherheitsstreifen frei, sodass neun Meter zwischen den Trackerreihen für die Landwirtschaft übrig bleiben. Diese Abstände sind sehr knapp. Denn die Landwirte benötigen für ihre Maschinen einen Wendebogen von mindestens 1,85 Metern, weiß Gregor von Danwitz. „Darum entschieden wir, künftig einen Meter Sicherheitsstreifen je Seite einzuplanen, eine Verdopplung im Vergleich zur Fläche in Bedburg“, sagt er. „Langfristig wollen wir sogar auf zwölf oder 15 Meter Reihenabstand mit zwei Metern Sicherheitszonen gehen.“
Für die Energieerträge sind die Unterschiede zwischen den beiden Varianten – Tracker und vertikal – nicht unwesentlich. „Mit dem Tracker können wir etwas mehr als die doppelte Leistung im Vergleich zur vertikalen Aufständerung auf der gleichen Fläche installieren. Der Energieertrag ist aber fast dreimal so hoch“, erklärt Gregor von Danwitz. „Deshalb werden wir bei künftigen Projekten – wenn die Fläche und die Bodennivellierung passen – immer Nachführsysteme bauen. Nur in sehr steilen Lagen werden wir auf Vertikalsysteme setzen, da dort keine Tracker installiert werden können.“
Außerdem wird RWE in Zukunft eine Steuerbox am Feldrand errichten. „Damit lassen sich einzelne Reihen oder auch Tische in Gruppen bewegen, ohne den gesamten Solarpark bei der Feldarbeit abschalten zu müssen“, begründet Gregor von Danwitz die Idee.
Wasserhaushalt verbessert
Im Mittelpunkt der Demonstrationsanlage steht aber nicht nur der energetische, sondern auch der landwirtschaftliche Ertrag. Zwischen den Modulen wurden im ersten Jahr verschiedene Getreidesorten auf den Flächen mit den Solaranlagen und auf einer Referenzfläche ohne Solaranlage angebaut. „Die Aussaat des Winterweizens erfolgte am 8. November 2024. Zusätzlich haben wir im April 2025 Sommergerste und Sommerweizen ausgesät“, sagt Gregor von Danwitz.
Die ersten Ergebnisse liegen vor, nachdem der landwirtschaftliche Betrieb aus Grevenbroich das Getreide geerntet hat. Wichtig waren dabei nicht nur die nominellen Erträge, sondern auch andere Faktoren wie die Feuchtigkeitsverteilung im Boden.
Dazu wurden die Niederschläge unter den Trackern und an Referenzpunkten gemessen. „Dabei ist herausgekommen, dass wir manchmal mehr Wasser in den Sicherheitsstreifen als in der Referenzzone hatten, da das Regenwasser über die Module abläuft und je nach Windrichtung umgeleitet wird“, erklärt Gregor von Danwitz. „Interessant war, dass wir manchmal sogar mehr Wasser direkt unter den Trackern haben als auf der Referenzfläche. Außerdem findet hier eine deutlich geringere Verdunstung statt. Während es auf der Referenzfläche schon sechs Wochen ohne Regen extrem trocken war, hatten wir unter den Modulen noch gute Feuchtigkeit im Boden, sodass die Pflanzen weiterwachsen konnten.“
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Getreidequalität ist sehr gut
Auch die Temperatur unter den Modulen ist der Landwirtschaft zuträglich. Sie liegt dort um etwa ein Grad niedriger als auf der Referenzfläche. An ganz heißen Tagen beträgt der Temperaturunterschied sogar bis zu drei Grad Celsius, wie Gregor von Danwitz berichtet.
All das wirkt sich auf die Erträge aus. So hat das erste Versuchsjahr gezeigt, dass der Getreideertrag bei beiden Agri-PV-Systemen vergleichbar war mit der Referenzfläche. Die Ernte unter und zwischen den Modulen weist sogar eine etwas bessere Qualität auf – vor allem in Bezug auf den Proteingehalt. Die Qualität war so gut, dass das Getreide zu Mehl für Backwaren oder für den Einsatz in Brauereien weiterverarbeitet werden konnte und nicht als Tierfutter endete.
LED-Beleuchtung für die Pflanzen
Auch das Ergebnis unter der pergolaähnlichen Hochaufständerung der Module kann sich sehen lassen. Denn in den Töpfen unter den Modulen sind gesunde Pflanzen herangewachsen, trotz der Tatsache, dass keine semitransparenten Module eingesetzt wurden. Für die Himbeeren scheint dies grundsätzlich kein Problem darzustellen. Zudem konnte der Landwirt die Erntezeiten besser planen, da er weniger von der Witterung abhängig war und die Erntehelfer besser geschützt sind.
Doch auch hier gibt es schon Verbesserungsansätze, wenn Früchte angebaut werden sollen, die mehr Sonne benötigen. „Dann könnte man LED-Lampen einsetzen, die mit dem Sonnenstrom betrieben werden“, erklärt Gregor von Danwitz. Er geht davon aus, dass die notwendigen Beleuchtungszeiten relativ gering sind. Jeweils zwei Stunden pro Tag am Morgen, wenn das Sonnenlicht normalerweise für eine aktive Photosynthese sorgt, würden ausreichen. Dies muss auch nur jeweils vier Wochen nach der Blüte und vier Wochen vor der Ernte geschehen.
Ausreichend Licht für Weintrauben
Solche hochaufgeständerten Solarüberdachungen sind auch für den Weinbau der Weg in die Zukunft. Wie so etwas aussehen kann, untersuchen Wissenschaftler der Hochschule Geisenheim. Dazu haben sie einen Teil eines Weinbergs in der rheinhessischen Stadt mit semitransparenten Solarmodulen überdacht, die auf einem hochaufgeständerten Tracker dem Lauf der Sonne folgen. Die Wissenschaftler wollen erkunden, welche Auswirkungen die Beschattung durch die Module auf das Wachstum und die Gesundheit der Weinreben hat.
Die Anlage mit einer Leistung von 94 Kilowatt wurde komplett ohne Bodenversiegelung errichtet. „Durch den Einsatz der semitransparenten Module herrscht unter der Anlage immer noch eine angenehm helle Licht- und Temperaturstimmung“, sagt Manfred Stoll, Leiter des Instituts für allgemeinen und ökologischen Weinbau an der Hochschule Geisenheim. „Es gibt keinen kompletten Schatten unter den Modulen.“
Knospen vor Spätfrost geschützt
Die Wissenschaftler haben bei ihren Beobachtungen in Geisenheim festgestellt, dass die Pflanzen schneller wachsen und die Module sie im Frühjahr vor Spätfrost schützen. „Eine der großen Bedrohungen im Weinbau – und auch in der Landwirtschaft allgemein – ist, dass sich die Phänologie immer weiter verfrüht“, erklärt Manfred Stoll. „Im vergangenen Jahr hatten wir Ende April bereits Triebe mit zwei bis drei Blättern. Dann fiel die Temperatur auf minus ein Grad Celsius. Und das bedeutet im Grunde das Ende für viele, viele Weinberge. Hier allerdings: Sobald die Temperatur nachts um zwei Uhr unter 0,4 Grad Celsius fällt, schaltet sich automatisch die Heizung ein.“
Diese wird mit dem Strom aus den Modulen betrieben, der zu diesem Zwecke in einem Speicher vor Ort zwischengelagert wird. Die Heizung hat im vergangenen Jahr die Ernte gerettet. Sie ist zwar klein, reicht aber aus, um die Temperatur leicht über dem Gefrierpunkt zu halten.
Weinqualität hoch halten
Doch auch die Qualität steigt unter den Solarmodulen angesichts des Klimawandels. Denn aufgrund der verfrühten Phänologie ist der Wein nicht nur von Spätfrösten bedroht. „Auch das Mostgewicht beziehungsweise der Zuckergehalt steigt inzwischen sehr schnell und die Säure sinkt schneller ab“, erklärt Claudia Kammann vom Institut für angewandte Ökologie und Professorin für Klimafolgenforschung an Sonderkulturen.
Dies ist für die Verarbeitung zu bekömmlichen Weinen von Nachteil. „Typisch für diese Rebsorten in den nördlichen, kühlen Klimabereichen sind eher leichte Weine mit weniger Alkohol, dafür aber mehr Säure sowie Frische“, sagt Claudia Kammann. „Genau das verlieren wir nun durch den Klimawandel.“ Deshalb kann mit der Überdachung mit Solarmodulen die Reifung verzögert werden. „Dies scheint tatsächlich der Fall zu sein. Etwa um neun bis zehn Tage können wir die Reifung verzögern. Das variiert natürlich von Jahr zu Jahr und hängt von den klimatischen Bedingungen ab“, berichtet Claudia Kammann.
Besserer Schutz vor Schimmel
Die Erträge unter den Modulen sind mit Blick auf die reine Biomasse zwar etwas geringer als auf einer Referenzfläche. Doch durch den Schutz kann die Qualität des Weines auch bei früheren und schnelleren Vegetationszeiten gehalten werden. Dazu kommt noch, dass die Pflanzen besser gegen Schäden geschützt sind. Dabei geht es nicht nur um Hagel und Starkregen, die von den Modulen abgehalten werden. „Ein Punkt, den wir hier beobachten konnten, ist, dass in einem nassen Jahr Botrytis, eine Art Grauschimmelfäule, auftritt“, weiß Claudia Kammann. „Das ist eine Pilzerkrankung, die in die Trauben eindringt. Wenn sich die Beeren nach starkem Regen aufschwellen und gegeneinanderpressen, steigt das Risiko für solche Pilzkrankheiten erheblich“, sagt sie.
Das ist besonders der Fall, wenn während der Reife eine feuchte Phase kommt. „Nasse Wochen oder Monate vor der Reifung sind sehr ungünstig“, sagt die Wissenschaftlerin. „Hier jedoch, unter dem Schutz des Daches, haben wir deutlich weniger Probleme mit Botrytis beobachtet“, beschreibt sie einen entscheidenden Vorteil der Überdachung mit Solarmodulen.
Text: Sven Ullrich, Photovoltaik