Treiber der Energiewende
Mit Batteriespeichern und Power-to-X auf dem Weg in eine fossilfreie Zukunft
Der Umstieg auf Photovoltaik und Windenergie ist nur der halbe Weg der Energiewende – denn die erneuerbaren Energien sind volatil und bieten keine konstante Stromversorgung. Speichersysteme und Power-to-X-Technologien sind wichtige Bausteine auf dem Weg zur Klimaneutralität, da sie die Stromnetze stabilisieren und einen schnelleren Ausbau regenerativer Energien ermöglichen.
Als Baustein einer nachhaltigen Energiewirtschaft nehmen leistungsfähige Batterien eine immer bedeutendere Rolle ein – sei es als Großspeicher innerhalb der Stromnetze, als Stromspeicher von Elektrofahrzeugen oder als Batteriespeicher für die eigene Photovoltaikanlage, um auch abends den tagsüber erzeugten Solarstrom im landwirtschaftlichen Betrieb nutzen zu können. Experten stimmen darin überein, dass der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien durch den Aufbau einer flächendeckenden Stromspeicherinfrastruktur begleitet werden muss. Auch Urban Windelen, Bundesgeschäftsführer des Bundesverband Energiespeicher Systeme e.V. (BVES), betont: „Ohne Speicher keine erfolgreiche Energiewende. Und ohne Speicher kein stabiles und sicheres Energiesystem.“ Die Frage sei nicht mehr, ob wir Speicher brauchen, sondern „wie wir den notwendigen Zubau erreichen.“
Netzspeicher ergänzen Wind- und Solarparks
Wie viel Speicher braucht die Energiewende? Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass bis 2040 eine Kapazität von mindestens zehn Terawattstunden benötigt wird, um die weltweiten Klimaziele zu erreichen. „Da Lastspitzen und die begrenzte Netzkapazität bei erneuerbaren Energien immer wieder Themen sind, bieten Speicher eine hervorragende Lösung, um deren Ausbau voranzutreiben“, sagt Marcus Vagt von der DLG Service GmbH. Für den Projektleiter der EnergyDecentral - der Leitmesse für dezentrale Energieversorgung - sind es insbesondere die Betreiber von Energienetzen sowie Solar- und Windparks, die einen hohen Bedarf haben, ihre Energiemengen zu puffern und zeitversetzt in die Netze einzuspeisen.
Hybridkraftwerke verknüpfen die regenerative Stromerzeugung mit Batteriesystemen an einem Standort – eine Kombination, die zur Netzstabilität beiträgt und gleichzeitig eine Reihe weiterer Vorteile bietet. „Erzeugung und Speicher nutzen gemeinsam dieselbe Infrastruktur wie auch den Netzanschluss und lassen sich so wirtschaftlicher betreiben“, erläutert Vagt. Doch nicht nur den großen Energieparks bietet sich damit ein alternatives Marktmodell, etwa wenn die EEG-Förderung ausläuft. Ging es in den ersten Jahren der Energiewende vor allem um die Einspeisung ins Netz, ist Photovoltaik zur Eigenstromerzeugung mittlerweile ein fester Bestandteil vieler produzierender Höfe. Ohne Stromspeicher nutzen Landwirte oft nur rund 20 bis 30 Prozent ihres selbst erzeugten Stroms; der Rest wird ins Netz eingespeist. Ein Energiemanagementsystem mitsamt Speicher hilft ihnen dabei, die Verbräuche zu optimieren und sich selbst zu versorgen.
Leistungsträger der mobilen und stationären Stromversorgung
Batterien die auf Lithium-Ionen- oder Lithium-Eisenphosphat-Technologie basieren haben sich am Markt durchgesetzt und gehören aktuell zu den wichtigsten Pfeilern der Energiewende. Erst durch sie wird die Elektromobilität praxistauglich. Sie kombinieren eine sehr hohe Energiedichte mit schnellen Ladezeiten. Der Nachteil: Sie verlieren Kapazität beim Aufladen, bei niedrigen Temperaturen und im Laufe der Zeit. Und auch vor dem Hintergrund der gesteigerten Nachfrage nach wertvollen und knapper werdenden Rohstoffen wie Lithium und Kobalt sind sie fragwürdig. Batterien mit einem Festkörperelektrolyten auf Natrium-Basis können in Zukunft eine vielversprechende Alternative zur etablierten Lithium-Ionen-Technologie darstellen, da der Rohstoff Natrium deutlich umweltschonender, besser verfügbar und kostengünstiger als Lithium ist.
Jedoch gibt es nicht "die" eine Speicherlösung, sondern eine Vielzahl von Technologien. Sie ermöglichen die Bedienung der unterschiedlichsten Anwendungsbereiche – vom Leistungsspeicher bis zum Kapazitätsspeicher. Dr.-Ing. Jan Girschik vom Fraunhofer UMSICHT sieht hier Redox-Flow-Batterien im Vorteil. Der Hintergrund: Während Leistung und Speicherkapazität konventioneller Non-Flow-Batterien wie Blei-Säure- oder Lithium-Ionen-Batterien in einem festen Verhältnis zueinanderstehen, lassen sich diese bei Redox-Flow-Batterien unabhängig voneinander skalieren. Die Batterien können bis zu 20.000-mal ohne Leistungsverlust aufgeladen werden und der Elektrolyt ist nicht explosiv oder brennbar. So ist ein Betrieb für 15 bis 20 Jahre möglich, was der Betriebszeit vieler Wind- und Solaranlagen entspricht.
Flow-Batterien als neue Hoffnungsträger
Es sind vor allem Vanadium-Flow-Batterien, die als Hoffnungsträger bei der Energiewende gelten. Schritt für Schritt werden sie in Richtung Massenmarkt weiterentwickelt. „Sie eignen sich vor allem als stationäre Energiespeicher und wurden mit diesem Ziel in den 1970ern von der NASA entwickelt“, so Girschik, der die Gruppe Batterieentwicklung am Fraunhofer UMSICHT leitet. Das liege zum einen an den relativ geringen Energiedichten der Elektrolytlösungen, in denen die Energie chemisch gespeichert wird, zum anderen aber auch „an Eigenschaften wie der Tiefentladefestigkeit und der nahezu nicht vorhandenen Selbstentladung, die eine mittel- und langfristige Speicherung großer Energiemengen erst effizient machen.“
Girschik hat die Fluidführung der flüssigen Speichermedien in den Batteriezellen optimiert und designtechnische Anpassungen der Elektroden erarbeitet, die sich mit geringem Umstellungsaufwand der Produktion in bereits kommerzialisierten Flow-Batterien übernehmen lassen. Im Ergebnis konnte er so die Druckverluste bei großformatigen Vanadium-Flow-Batterien um bis zu 70 Prozent reduzieren und materialschädigende Verformungen innerhalb der Batteriezellen verhindern. Dadurch erhofft sich der Wissenschaftler künftig eine wesentlich ressourcen- und kosteneffizientere Bereitstellung von Energiegroßspeichern.
Verbesserte Natrium-Schwefel-Batterien
Und auch die Forschung an Natrium-Schwefel-Batterien (NAS-Batterien) gewinnt im Zuge der Energiewende an Bedeutung. NAS-Batterien sind stationäre Energiespeichersysteme mit langer Lebensdauer und hohem Energiegehalt. Sie kommen in unterschiedlichen Anwendungen zum Einsatz, etwa zur Stabilisierung und Nutzungsoptimierung von erneuerbaren Energien, Kappung von Spitzenlasten und Lastausgleich sowie zur Notstromversorgung.
Ein Faktor erschwerte bisher ihren wirtschaftlichen Einsatz: Sie arbeiten nur bei Temperaturen oberhalb von 250 Grad Celsius zufriedenstellend, bei niedrigeren Temperaturen wandern zu wenig Ladungsträger von einem Pol zum anderen. Ein Team um Dr. Frank Tietz am Forschungszentrum Jülich hat jetzt einen Ansatz gefunden, damit auch bei Raumtemperatur genügend Ladungsträger wandern. Die Forscher haben dafür die Dicke des Elektrolyten erheblich verringert. Darüber wurden die Kontaktmöglichkeiten zwischen dem Elektrolyten und den beiden Polen aus Natrium beziehungsweise Schwefel optimiert. „Wir haben jetzt schon eine Energiedichte von rund 46 Wattstunden pro Kilogramm erzielt. Theoretisch wäre bei diesem Zellaufbau ein Wert von rund 280 Wattstunden pro Kilogramm möglich“, sagt Aikai Yang, Doktorand aus China, der den Prototyp entwickelt hat. Zum Vergleich: Aktuelle Lithium-Ionen-Akkus haben eine Energiedichte zwischen 100 und 250 Wattstunden pro Kilogramm.
Grüner Wasserstoff zur Langzeitspeicherung
Für den Erfolg der Energiewende und ein funktionierendes Gesamtenergiesystem sind weitere Energiespeicherarten nötig. Die Wasserstofftechnologie stellt eine der zentralen Schlüsseltechnologien zur Speicherung von volatilen erneuerbaren Energien sowie zur Dekarbonisierung zahlreicher Sektoren dar, insbesondere in der Wärmeversorgung, im Verkehr und in der Industrie.
Wasserstoff gilt wegen seiner Vielseitigkeit als wichtiges und zukunftsweisendes Element einer dekarbonisierten Wirtschaft. Nachhaltig ist er aber nur, wenn er aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Mit "grünem" Wasserstoff kann durch die Zugabe von CO₂ ein klimaneutrales Brenngas (Power-to-Gas) oder ein synthetischer flüssiger Kraftstoff (Power-to-Liquid) produziert werden. Die als Power-to-X (P2X) bezeichneten Technologien gelten daher als wichtiger Baustein für ein Energiesystem, das vollständig auf erneuerbaren Quellen basiert. P2X ergänzt die bisherigen Speichertechnologien und ermöglichen es, große Energiemengen so zu bevorraten, dass sie auch bei einer Dunkelflaute ausreichend Strom und Wärme bereitstellen können.