Der Green Deal als Konzept einer nachhaltigen Entwicklung ist an der politischen und ökonomischen Realität gescheitert. Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit wurden in Deutschland und Europa unter dem Leitbild einer ökologisch-sozialen Land- und Lebensmittelwirtschaft zu stark vernachlässigt. Die mit diesem Leitbild verbundene Extensivierungsorientierung führte zu nachlassenden Ertragsfortschritten und verringerter internationaler Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Unternehmen. Dagegen sind die erhofften Fortschritte bei Treibhausgasemissionen und Artensterben ausgeblieben.
Unter dem Eindruck der aktuellen geopolitischen Verwerfungen treten die Mängel der aus dem ökologisch-sozialen Leitbild entwickelten Strategien offen zutage.
Dieses Scheitern darf jedoch nicht zu einer Abkehr von den grundsätzlichen Zielen führen, sondern muss Anlass und Startpunkt eines Diskurses über ein neues Fortschrittsverständnis sein, das Produktivität und Ressourcenschutz erfolgreicher adressiert: „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“.
Der Begriff umfasst einen Pflanzenbau und eine Tierhaltung, die wettbewerbsfähig sind und in deren Kalkül Verbesserungen bei Artenschutz, Treibhausgasemissionen und Tierwohl einbezogen sind. Das stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen, und wenn auch die Konflikte der Ziele Produktivität und Ressourcenschutz nicht vollständig verschwinden, so werden sie doch deutlich kleiner, insbesondere, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind.
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Erstens braucht unsere Gesellschaft eine fortschrittsoffene Haltung, in der die notwendigen Innovationen für „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“ entstehen können. Zu dieser Haltung gehört, dass Nutzen und Risiken möglichst objektiv bewertet und dabei „potenzielle Gefahr“ und „tatsächliches Risiko“ eindeutig unterschieden werden müssen. Für erfolgreiche Innovationsprozesse ist das eine der Ausgangsbedingungen. Hoffnung macht, dass sich unter dem Eindruck existenzieller Herausforderungen Verhaltensmuster schnell verändern können, wie der gegenwärtige Wandel in der gesellschaftlichen Haltung zu einer Befürwortung einer aktiven Sicherheitspolitik belegt – vor wenigen Jahren noch undenkbar.
Zweitens brauchen wir ebendiese Innovationen. Die Entwicklungsgeschwindigkeit von Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und neuen Züchtungstechnologien ermöglicht technologische und organisatorische Innovationen, die den Zielkonflikt von Ertragszuwächsen und Ressourcenschutz signifikant verringern. Dazu gehören zum Beispiel effiziente Datenmanagementsoftware, verbesserte Entscheidungs- und Steuerungsalgorithmen, hochauflösende Sensorik, teilautonome Robotik, wassersparende Sorten, robuste Rassen. Das steigert nicht nur Präzision und Effizienz, sondern führt auch zu steigenden Erträgen und besserem Ressourcenschutz. Beides stärkt die Resilienz der Betriebe und Unternehmen.
Drittens brauchen wir eine objektive und an gesellschaftlichen Zielen orientierte Messung, Bewertung und Inwertsetzung von Artenvielfalt und Tierwohl, ähnlich wie es beim Handel von Treibhausgasemissionen der Fall ist. So kann der klassische Produktivitätsbegriff gut begründet um den Verbrauch oder die Erzeugung natürlicher Ressourcen erweitert und zur nachhaltigen Produktivität weiterentwickelt werden. Bei der Artenvielfalt sehen wir erste Forschungsergebnisse, die einen Einstieg in die Inwertsetzung über eine automatisierbare Qualifizierung und Quantifizierung von Arten ermöglicht. Im Falle von Tierwohl lässt sich über die automatische Erfassung und KI-gestützte Bewertung tierbezogener Indikatoren im Stall und am Schlachtband die Grundlage für eine monetäre Tierwohlbewertung schaffen.
Bei aller Anstrengung werden die Zielkonflikte zwischen Produktivität und Ressourcenschutz nicht vollständig aufgelöst werden können. Das muss die Gesellschaft erkennen und aushalten, so wie es auch in anderen Branchen geschieht, die ebenso systemrelevant sind wie Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft.
Die Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Agrarbranche müssen die Initiative für die Umsetzung der Nachhaltigen Produktivitätssteigerung ergreifen und gemeinsam mit Wissenschaft und weiteren Akteuren vorantreiben. Denn in den Betrieben müssen die Verfahren und Instrumente erprobt und eingesetzt werden. Am Ende entscheidet die Wettbewerbsfähigkeit über den langfristigen Erfolg der Nachhaltigen Produktivitätssteigerung.
Nachfolgende Thesen fokussieren die vorangestellten Überlegungen und sollen als Ausgangspunkte für kritische Diskurse über „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“ dienen und damit das neue Fortschrittsverständnis fördern.

Neues Fortschrittsverständnis: „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“ löst „Ökologisch-soziale Land- und Lebensmittelwirtschaft“ ab.
- Die Bewältigungsstrategien der „Ökologisch-sozialen Land- und Lebensmittelwirtschaft“ sind unzureichend für die aktuellen Krisen.
- Green-Deal-Strategien waren als Orientierungsrahmen nicht angemessen. Die Herausforderungen wurden zu unterschiedlich adressiert.
- Das zeigt sich durch die andauernden Krisensymptome: fehlende Ertragsfortschritte, nachlassende internationale Wettbewerbsfähigkeit, zu geringe Fortschritte angesichts von Klimawandel und Artensterben.

„Nachhaltige Produktivitätssteigerung“ bedeutet steigende Erträge in Pflanzenproduktion und Tierhaltung, verbesserter Artenschutz, weniger Treibhausgase und mehr Tierwohl.
- Arten-, Klimaschutz und Tierwohl brauchen eine wirtschaftliche Basis, die durch standortangepasste und innovative Produktionsverfahren bereitgestellt wird.
- Die Potenziale werden so entwickelt, dass Produktivität und Ressourcenschutz optimal zusammenspielen.
- Nicht alle Zielkonflikte können aufgelöst werden.

„Nachhaltige Produktivitätssteigerung“ setzt kritisch-positive Grundhaltung zu Fortschritt und Innovationen voraus.
- Die starke Abwanderung von Forschung und Entwicklung aus Deutschland in innovationsfreundlichere Länder muss gestoppt werden.
- Existenzielle Herausforderungen verändern Denkmuster. Nach „Zeitenwende“ und „Kriegstauglichkeit“ wird auch in Deutschland aktive Sicherheitspolitik möglich. Das sollte auch für Forschungs- und Innovationspolitik gelten.
- Die Gesellschaft muss Nutzen und Risiken realistisch einschätzen und potenzielle Gefahr und tatsächliches Risiko zu unterscheiden lernen.

Die erheblich beschleunigte Entwicklung von Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und neuen Züchtungstechnologien schafft Innovationen, die Zielkonflikte zwischen Ertragszuwachs und Ressourcenschutz verringern.
- Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und neue Züchtungstechnologien beschleunigen Innovationsentwicklung erheblich.
- Effiziente Datenmanagementsoftware, verbesserte Entscheidungs- und Steuerungsalgorithmen, hochauflösende Sensorik, teilautonome Robotik, wassersparende Sorten, robuste Rassen steigern Präzision und Effizienz, führen damit zu steigenden Erträgen und besserem Ressourcenschutz.
- Beides stärkt die Resilienz der Betriebe und Unternehmen gegenüber Klimawandel und auf den Märkten

Eine Inwertsetzung für Artenvielfalt und Tierwohl sollte ähnlich wie beim Handel mit Treibhausgasemissionen eingeführt werden.
- Forschungsergebnisse lassen eine verlässliche Qualifizierung und Quantifizierung von Arten als Einstieg in die Bewertung und dann in die Inwertsetzung erwarten. Über automatische Erfassung und KI-gestützte Bewertung tierbezogener Indikatoren im Stall und am Schlachtband lassen sich geeignete Tierwohlkriterien entwickeln.
- In beiden Fällen lassen sich mit Einschränkungen ähnliche Systeme wie beim Emissionshandel entwickeln.
- Bei der Preisfindung gelten zwei Grundsätze: Wahrung internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Realismus inBezug auf die Zielkonflikte zwischen Produktivität und Ressourcenschutz.

Die Initiative für „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“ muss aus der Wirtschaft, aus den Unternehmen kommen. Hier werden die Verfahren umgesetzt.
- Auf den Betrieben und in den Unternehmen werden die Verfahren zur Nachhaltigen Produktivitätssteigerung umgesetzt.
- Über den langfristigen Erfolg der Verfahren in Bezug auf Produktivität und Ressourcenschutz entscheidet die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Ein produktiver und nachhaltiger Agrar- und Ernährungssektor stabilisiert den sozialen Frieden und ist wichtige Voraussetzung offener demokratischer Gesellschaften.
- Er erzeugt bezahlbare Qualitätslebensmittel, erhält natürliche Ressourcen, ist aktiver Part in ländlichen Räumen und stärkt so Daseinsvorsorge und sozialen Frieden.
- Er fördert die wirtschaftliche Resilienz und Unabhängigkeit selbstbestimmter Staaten.
- Sozialer Frieden, intakte Umwelt und wirtschaftliche Unabhängigkeit des Staates sind Voraussetzung offener demokratischer Gesellschaften.
- Damit ist der Wirtschaftssektor, sind Landwirtschaft, Lebensmittelwirtschaft und alle in der Wertschöpfungskette Lebensmittel verbundenen Unternehmen systemrelevant!

DLG-Unternehmertage
„Nachhaltige Produktivitätssteigerung – Betrieb, Markt, Umwelt“ ist der Titel der DLG-Unternehmertage 2025, der Dialogplattform für Unternehmer und Unternehmerinnen in Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft. Am 2. und 3. September 2025 diskutieren Fachleute, Vordenker und Schrittmacher in Erfurt über ein neues Fortschrittsverständnis, einen erweiterten Produktivitätsbegriff.

AGRITECHNICA 2025
Angesichts rasanter Entwicklungen in Digitalisierung oder Künstlicher Intelligenz ist die AGRITECHNICA der zentrale Ort, um jene Innovationen kennenzulernen, die Landwirtschaft zukunftsfähig machen: effiziente Datenmanagementsysteme, nachhaltige Technologien, präzise Sensorik oder Robotik helfen, den Zielkonflikt zwischen Ertragssteigerung und Ressourcenschutz zu managen.