DLG-Unternehmertage 2025 - Nachhaltige Produktivitätssteigerung

Stehen leistungsstarke Kühe und ein geringer CO2-Ausstoß im Widerspruch?

Die DLG-Unternehmertage stehen in diesem Jahr unter dem Leitthema “Nachhaltige Produktivitätssteigerung: Betrieb, Markt, Umwelt”: In diesem Rahmen wird erstmals der neue Fortschrittsbegriff der Nachhaltigen Produktivitätssteigerung vorgestellt, den die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) vorschlägt. Im Vorfeld der Unternehmertage haben wir mit  DLG-Vorstandsmitglied und Milchviehhalter Ulrich Westrup darüber gesprochen, wie er Nachhaltigkeit, Produktivitätssteigerung, Ressourcenschutz und das Tierwohl auf seinem Betrieb unter einen Hut bringt.  
 

Das Leitthema der diesjährigen DLG-Unternehmertage ist die nachhaltige Produktivitätssteigerung. In welcher Form praktizieren Sie nachhaltige Produktivitätssteigerung und Ressourcenschutz auf Ihrem Betrieb? 

Ulrich Westrup: Das Hauptstandbein unseres Betriebes ist die Milchkuhhaltung – und Kühe sind tolle Botschafter für eine nachhaltige Produktivitätssteigerung. Die Tiere haben einen verhältnismäßig hohen Erhaltungsbedarf. Daher ist die Rechnung einfach: Je mehr Milch eine Kuh gibt, desto geringer ist der Erhaltungsbedarf pro Liter Milch. Oder, um es bezogen auf die klimawirksamen Gase auszudrücken: Eine Kuh scheidet an Kohlenstoffdioxid, gemessen in CO2-Äquivalenten, immer nahezu dieselbe Menge aus, unabhängig von ihrer Milchleistung. Die Milchmenge je Kuh ist somit der entscheidende Faktor bzw. Teiler: Je mehr Milch, desto weniger CO2-Äquivalent pro Kilogramm Milch. 

 

Die Ressource Mensch ist von hoher Bedeutung, wenn eine verbesserte Nachhaltigkeit erreicht werden soll.

Ulrich Westrup

In diesem Zusammenhang müssen wir aus meiner Sicht auch auf den Umgang mit Ressource Mensch eingehen, die hier von hoher Bedeutung ist – Stichwort Herdenmanager: Wenn ich in dieser wichtigen Position eine hohe Fluktuation habe, wird mein wirtschaftliches Betriebsergebnis jedes Mal – also mit jeder neuen Person, die ich für diesen Job einstelle – um rund ein Jahresgehalt geschmälert. Denn es dauert jedes Mal in etwa ein Jahr, bis ein neuer Herdenmanager die Tiere leistungsmäßig wieder auf denselben Stand gebracht hat wie sein Vorgänger. 

Nicht zuletzt sei die Ausbringtechnik für die Gülle erwähnt. Eine Optimierung an dieser Stelle erfordert zwar zunächst einmal eine Investition, ermöglicht aber langfristig ein ressourcenschonendes, effizientes Management bei der Gülleausbringung.

DLG-Vorstandsmitglied und Milchviehhalter Ulrich Westrup.

Ulrich Westrup bewirtschaftet im nordrhein-westfälischen Bissendorf einen Milchviehbetrieb mit 605 Kühen und 675 Nachzuchttieren. Insgesamt sind auf seinem Betrieb acht Vollzeitkräfte, drei Auszubildende und zehn Teilzeitkräfte angestellt. Die bewirtschaftete Fläche umfasst 620 ha Acker- und 150 ha Grünland.

Wie groß sind aus Ihrer Sicht die Potenziale für eine nachhaltige Produktivitätssteigerung, wenn man den CO2-Fußabdruck der Tierhaltung betrachtet?

Der CO2-Fußabdruck variiert stark zwischen einzelnen Ländern: in Afrika liegt er teilweise bei 7,5 kg CO2-Äquivalent je Liter Milch, Nordamerika und Nordeuropa erzielen Werte von 1,1 bis 1,5 kg CO2-Äquivalent je Liter. In sogenannten Gunstregionen – also Regionen mit fruchtbaren Böden, einem ausgeglichenen Klima und ausreichender Wasserversorgung – können Werte von durchschnittlich 950 g CO2-Äquivalent erreicht werden; bei sehr guten Betrieben mit hohen Milchleistungen, einer geringen Remontierungsrate, einer gasdichten Güllelagerung sowie einer bodennahen Gülleausbringung und nicht zuletzt einem ausgefeilten Energiemanagement sind Werte von unter 600 g möglich. Wir selbst liegen derzeit bei 580 g CO2-Äquivalent je Liter Milch.

 

Auf unserem Betrieb erreichen wir Werte von 580 g CO2-Äquivalent je Kilogramm Milch.

Ulrich Westrup

Dazu soll noch gesagt sein: Alle genannten Maßnahmen, die der Reduzierung des Ausstoßes klimarelevanter Gase dienen, sind auch aus wirtschaftlicher Sicht absolut sinnvoll. Am Ende des Jahres verbessern diese Maßnahmen den Füllstand unserer Geldbeutel. Anders ist das beispielsweise bei Futterzusätzen zur Methanreduzierung: Natürlich kann über diese Zusätze auch eine Verbesserung erreicht werden. Allerdings muss ich den Futterzusatz einkaufen und der Effekt, den ich erziele, ist bei weitem nicht so groß wie durch die zuvor genannten Maßnahmen – weder bezogen auf den CO2-Fußabdruck, noch auf den Betriebserfolg. Im Klartext: Ich habe einen finanziellen Aufwand, der durch den Effekt weder gerechtfertigt noch getragen wird. Die Gabe des Futterzusatzes müsste also subventioniert werden, damit es sich wenigstens wirtschaftlich für mich lohnen würde. Dann stünde wiederum die Frage der Sinnhaftigkeit im Raum.

Nicht außen vor lassen möchte ich in diesem Zusammenhang das Thema Weidehaltung, denn hier scheiden sich die Geister nach wie vor. Befürworter sagen, dass durch die Weidehaltung Biodiversität gefördert wird und die Weide wird als sehr nachhaltig bewertet: Insekten siedeln sich an und vermehren sich, die Pflanzenvielfalt und -masse wird durch das Vorhalten und Nutzen von Weideflächen aktiv unterstützt. Mehr Pflanzen binden mehr CO2, so die Argumentation, also wirkt sich die Weidehaltung positiv auf die Klimabilanz aus. Demgegenüber stellen Kritiker aber erhöhte Lachgasemissionen und geringere Milchleistungen pro Kuh – dadurch, dass das Grünfutter weniger, für die Kühe und vor allem die Milchproduktion nutzbare Energie enthält. Die Milchleistung ist aber, wie wir eben besprochen haben, die wichtigste Stellschraube für die CO2-Belastung: Je höher die Milchleistung, desto niedriger der CO2-Fußabdruck. Ich kann das Problem hier und heute nicht lösen, möchte aber dazu anregen, es nicht aus dem Blick zu verlieren.

 

Das Thema Weidehaltung bietet noch immer viel Diskussionspotential. Hebt das verbesserte Tierwohl tatsächlich die Schattenseiten wie die niedrigere Milchleistung und damit die erhöhten CO2-Werte je Kilogramm Milch auf?

Ulrich Westrup

 

Stichwort Tierwohl: In wie weit sind die Begriffe Tierwohl und Produktivitätssteigerung miteinander zu vereinbaren?

Die kurze Antwort: Tierwohl und Produktivitätssteigerung hängen voneinander ab. Bedeutet im Umkehrschluss, und hier folgt die längere Antwort: Mehr Milch, also eine Leistungs- oder Produktivitätssteigerung, erreiche ich langfristig nicht dadurch, dass ich meinen Kühen einfach mehr Kraftfutter in die Ration mische. Eine stabile Steigerung der Milchleistung erreiche ich durch verschiedene, entscheidende Faktoren: Dazu gehört eine wiederkäuergerechte und gleichbleibende Fütterung mit Komponenten von hoher Qualität. Das bedeutet auch, dass in eine funktionierende Ration immer Wasser gehört. Warum? Wir selbst kennen es von der Gemüsesuppe am Mittagstisch: Natürlich essen wir alle am liebsten zuerst die Grießklößchen und das Fleisch, erst danach essen wir das Gemüse – obwohl wir wissen, dass diese Komponenten nur zusammen eine ausgewogene, vollwertige Mahlzeit ergeben. Auch Kühe sind Experten im Futter sortieren – und Wasser in der Ration ist ein effektives Gegenmittel, um sie homogen zu halten und fördert nebenbei noch das Wohlbefinden, die optimale Versorgung und damit auch die Leistungsfähigkeit unserer Tiere. 

 

Hitzestress aktiv entgegen zu wirken ist ein zentraler Baustein: Für mehr Tierwohl und damit mehr Produktivität.

Ulrich Westrup
 

Zudem haben wir die Belegdichte in der Trockenstehergruppe auf 90 Prozent begrenzt: So werden Rangkämpfe minimiert, die tragenden Tiere haben mehr Platz, kommen besser zur Ruhe und sind einfach entspannter. Wichtig zu nennen ist auch die Nutzung von Ventilatoren in den Sommermonaten. Das hat natürlich Vorteile für die Kühe; die Wissenschaft konnte aber ebenso herausfinden, dass die Vorteile von vermindertem Hitzestress über die Epigenetik der Kuh bei zwei Folgegenerationen sichtbar sind – also beim Kalb im Mutterleib selbst sowie bei dem eventuellen Kalb, das einmal aus dem Kalb im Mutterleib hervorgeht. Diese Forschungsergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, Hitzestress aktiv zu entgegen zu wirken. 

Interview: