DLG-Unternehmertage 2025: Nachhaltige Produktivitätssteigerung als Booster für Fortschritt

DLG-Unternehmertage 2025 am 2. und 3. September im CongressCenter Erfurt – Leitthema „Nachhaltige Produktivitätssteigerung – Betrieb, Markt, Umwelt“ – DLG schlägt neues Fortschrittskonzept vor – Neues Maß zur Bewertung von Produktivität erforderlich – Ansätze in der Praxis für eine wirtschaftlich erfolgreiche Lebensmittelkette im Fokus

Artenvielfalt und Klimastabilität als Produktionsfaktoren neben Boden, Arbeit und Kapital in den Produktivitätsbegriff einbeziehen: Dafür wirbt die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) mit ihrem neuen Fortschrittskonzept. Die DLG-Unternehmertage 2025 in Erfurt setzen den Impuls dafür, die „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“ in der Praxis von Land- und Lebensmittelwirtschaft zu verankern. DLG-Präsident Hubertus Paetow appellierte in seiner Eröffnungsrede im Plenum der DLG-Unternehmertage am Mittwoch, dem 3. September, an die Teilnehmenden, Wirtschaft und Politik proaktiv wieder auf Kurs zu bringen: „Wenn wir uns alle hinter einer gemeinsamen Idee des nachhaltigen Fortschritts versammeln, dann wird sich dieser auch einstellen.“ Prof. Dr. Bernhard Brümmer von der Georg-August-Universität Göttingen betonte, dass nachhaltige Produktivitätssteigerung objektiv messbar sein sollte. Dafür gäbe es bereits Ansätze, die aber noch weiterentwickelt werden müssten. Vier Praktiker und Expertinnen aus dem DLG-Vorstand führten aus, was das neue Fortschrittskonzept für die Milchvieh- und Schweinehaltung, die Lebensmittelwirtschaft und den Ackerbau bedeutet. 

Die deutsche Landwirtschaft ist eng in globale Handelsströme eingebunden – ein „großer Fortschritt“, wie DLG-Präsident Hubertus Paetow in seiner Rede zur Auftaktveranstaltung Plenum am Mittwoch, dem 3. September, bei den DLG-Unternehmertagen 2025 in Erfurt betonte. Gleichzeitig koppele diese Verflechtung die Entwicklung auf den landwirtschaftlichen Betrieben zunehmend an die geopolitische und geowirtschaftliche Lage: „Wir alle können nur hoffen, dass die Friedensbemühungen für die Ukraine und den Nahen Osten erfolgreich sind, und dass die USA auf den Weg des Freihandels zurückkehren.“

Mit Blick auf die wirtschaftspolitische Debatte in Europa erinnerte Paetow daran, dass Klima- und Biodiversitätsschutz und deren Auswirkungen auf Energieversorgung, Ernährung und Mobilität bis zur Zeitenwende zentrale Themen waren: „Der Green Deal, die Ausrichtung von Wirtschaft und Konsum auf die ökologischen Nachhaltigkeitsziele, war das Hauptprojekt der letzten EU-Kommission.“ Dabei seien ökologische Transformationsprojekte bis zu Beginn des Ukrainekriegs als wichtiger eingeschätzt worden als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. 

Zukunft der Landwirtschaft wird auf den Höfen entschieden

Die Nachhaltigkeitsziele im Green Deal, darunter Klimaschutz und Biodiversitätserhalt, seien weiterhin gültig, stellte der DLG-Präsident klar. Paetow machte aber auch deutlich: „Wirtschaftliche Stabilität stellt sich nicht von selbst ein, wenn wir nur genügend Artenschutz betreiben“, und nachhaltige Entwicklung lasse sich auch „nicht herbeiregulieren“. Für „uns Landwirte“ folge daraus: „Politik allein kann es nicht richten. Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft wird auf den Höfen entschieden, und nicht in Berlin. Wir alle unterschätzen unsere persönlichen Möglichkeiten, unsere Betriebe und Unternehmen, die Wirtschaft und damit auch die Demokratie wieder auf Kurs zu bringen. Wenn wir uns alle hinter einer gemeinsamen Idee des nachhaltigen Fortschritts versammeln, dann wird sich dieser auch einstellen.“ 

Die DLG will mit dem Konzept der „Nachhaltigen Produktivitätssteigerung“ als Leitbild für ihre künftige Facharbeit und Positionierung einen Impuls setzen. Es geht darum, Produktivität neu zu definieren – unter Einbeziehung von Artenvielfalt und Klimastabilität als gleichwertige Produktionsfaktoren neben Boden, Arbeit und Kapital. „Innovationen treten in den Wettbewerb um die optimale Faktornutzung“, so Paetow. Die Verwendung des Begriffs „Steigerung“ in dem neuen Fortschrittskonzept sei ein klares Signal: „Wir haben im Übrigen ganz bewusst den Begriff nachhaltige Produktivitätssteigerung gewählt, auch wenn dies bei vielen einen negativen Reflex auslösen könnte. Denn gerade das Verteufeln von Wachstum und Ertragsorientierung hat den Green Deal in die Sackgasse geführt.“

Neue Betrachtung und Bewertung für nachhaltigen Fortschritt

Keynote-Speaker Bernhard Brümmer, Professor für Landwirtschaftliche Marktlehre an der Georg-August-Universität Göttingen, stellte zunächst fest, dass Produktionswachstum bei landwirtschaftlichen Rohstoffen weltweit benötigt werde, um die bis zum Jahr 2050 auf mehr als 9 Milliarden anwachsende Weltbevölkerung zu ernähren: 2,03 Prozent seien jährlich erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen, unterstrich der Wissenschaftler. Nach aktuellen Auswertungen wird dieses Ziel verfehlt, wurde aus den weiteren Ausführungen von Prof. Brümmer deutlich: Im Zeitraum 2013 bis 2022 lag das Produktionswachstum weltweit bei lediglich 1,7 Prozent jährlich; dazu steuerte Südasien 3,25 Prozent positives Wachstum bei, während die EU 0,12 Prozent negatives Wachstum bilanzierte. 

Für den Professor der Universität Göttingen liegt eine wichtige Stellschraube, um die nachhaltige Produktivitätssteigerung erfolgreich zu etablieren, darin, ein neues Produktivitätsmaß zu entwickeln, das marktfähige und nicht-marktfähige Produktionsfaktoren und Outputs gleichermaßen einbezieht. Herausforderungen sieht Brümmer noch in der Bewertung und Bepreisung von bisher nicht ohne Weiteres marktfähigen Gütern wie Artenvielfalt. Hier sei eine Analyse vielfältiger Kriterien unumgänglich.

Den Landwirtinnen und Landwirten gab Brümmer mit auf den Weg, in Sachen nachhaltiger Produktivitätssteigerung Innovationsfreude walten zu lassen und auch über nicht-monetäre Kosten wie Umweltkosten Kenntnis zu erlangen. Zudem führt an einer Bereitschaft zur Erfassung und zum Teilen von Daten zur wissenschaftlichen Auswertung für beispielsweise Produktivitäts-Benchmarkings nach Brümmers Einschätzung kein Weg vorbei.

Effizienz in der Produktion als wichtige Stellschraube

DLG-Vorstandsmitglied Dr. Anna Catharina Voges lenkte unterdessen den Fokus darauf, was nachhaltige Produktivitätssteigerung für die ackerbauliche Praxis bedeutet. Voges ist Komplementärin des landwirtschaftlichen Betriebs Saat-Gut Plaußig Voges KG am Rand von Leipzig. „Unser Betrieb steht durch die Nähe zur Großstadt besonders im Fokus der Verbraucherinnen und Verbraucher. Entsprechend begegnen wir steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Transparenz proaktiv“, sagte die DLG-Vorständin. Im Anbau setze Saat-Gut Plaußig auf eine sehr weite Fruchtfolge von zehn bis elf Gliedern. Davon profitiere der Betrieb unter anderem durch die Förderung der Bodengesundheit. Das trage beispielsweise zur Stabilisierung der Erträge bei, erläuterte Voges. 

Doch während die sehr weite Fruchtfolge aus ökologischer Sicht klaren Nutzen stifte, bringe sie ökonomische Herausforderungen mit sich: Bei den aktuellen Preisniveaus für Getreide, so Voges, seien rund ein Drittel der Kulturen im Anbau nicht voll kostendeckend. Voges sieht hier unter anderem Potenzial in digitalen Lösungen und anderen technologischen Innovationen, die den Anbau noch effizienter und nachhaltiger gestalten. Das gelte auch für den Ökolandbau, der auf Voges Betrieb neben dem konventionellen Anbau praktiziert wird: Hier sei die im Vergleich zum konventionellen Anbau geringere Wertschöpfung trotz erbrachter Ökosystemleistungen ein Knackpunkt. 

Fütterung als wichtige Stellschraube in der Schweinehaltung

DLG-Vizepräsident Philipp Schulze Esking steuerte die Perspektive der Schweinehalter zur Diskussion im Plenum bei. Er bezog sich dabei unter anderem auf seine Erfahrungen mit der Einführung höherer Standards in den Haltungsformen der Tiere: „Unsere Erfahrung mit der Haltungsformstufe 2 der Initiative Tierwohl zeigt, dass die Erhöhung des Tierwohlniveaus vornehmlich durch mehr Platz im Stall und organisches Beschäftigungsmaterial auch zu einer Erhöhung der Leistung der Tiere und damit wiederum zur Steigerung der Produktivität geführt hat.“ Dieser Effekt der Steigerung des Tierwohls bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktivität zeige sich bei noch höheren Tierwohlstufen jedoch nicht: Hier sinke die Produktivität, gab Schulze Esking zu bedenken. Eine wichtige Stellschraube für nachhaltige Produktivitätssteigerung ist für den DLG-Vizepräsidenten darüber hinaus die Fütterung durch die Wahl hochwertiger, leicht verdaulicher Komponenten. 

Jeden Tag ein Stück besser beim CO2-Fußabdruck

„Die Milchviehhaltung steht beispielhaft für eine nachhaltige Produktionssteigerung“, betonte Milchviehalter und DLG-Vizepräsident Ulrich Westrup. Westrup hat in die Haltungsbedingungen seiner Milchkühe investiert und konnte damit den CO₂-Fußabdruck je Liter Milch auf unter 1 kg CO₂-Äquivalent senken. Sein Anspruch bleibt weiter hoch: Er und seine Mitarbeiter „wollen jeden Tag ein Stück besser werden, auch beim CO₂-Fußabdruck“. Für Westrup spiegelt der CO₂-Fußabdruck die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes „eins zu eins wider“. Tierwohl sei in der nachhaltigen Produktivitätssteigerung ebenfalls ein wichtiger Faktor, so der DLG-Vorstand. Auf seinem Betrieb folgt er darüber hinaus dem Ansatz der Kreislaufwirtschaft: Die anfallende Gülle gelange sofort in die betriebseigene Biogasanlage. Das anfallende Biomethan werde zur Energiegewinnung genutzt. 

Verbesserungsmöglichkeiten in Richtung nachhaltiger Produktivitätssteigerung sieht Westrup in der Inwertsetzung der Biodiversität als Faktor in der Grünlandbeweidung. Hier sieht er Forschungsbedarf, um einen guten Wertansatz für Biodiversitätserhalt ermitteln zu können: „Nur mit noch mehr Daten und Benchmarken können wir messen, wo wir noch besser werden können und bestehende Zielkonflikte auflösen.“

KI hilft bei der Verringerung von Lebensmittelabfällen

Für DLG-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Katharina Riehn wiederum ist die gesamte Wertschöpfungskette Bestandteil der Debatte um eine nachhaltige Produktivitätssteigerung. Dies gelingt durch die Kooperation verschiedener Akteure wie Landwirte, Lebensmittelindustrie, Verbraucher und dem Lebensmitteleinzelhandel. Die Lebensmittelwirtschaft ist für die Expertin an der HAW Hamburg ein echter „Gamechanger“: Bestehende Verfahren müssten intelligenter eingesetzt, Stoffströme weiter differenziert und Kreisläufe neu erschlossen werden. Für Riehn bedeutet das: „Wir brauchen mehr Wertschöpfung mit weniger Ressourcen. Wir müssen Effizienz sichtbar machen, Ausschuss reduzieren und Prozesse in Echtzeit abbilden.“ So werden Daten durch KI beispielsweise für eine intelligente Warenbestellung im Lebensmitteleinzelhandel genutzt – etwa bei Bananen oder Backwaren. Je nach Wetterlage oder Veranstaltungen erhalten Marktleiter Hinweise, ob sie mehr oder weniger Obst bestellen sollten. Lebensmittelabfälle würden dadurch zunehmend reduziert. Insgesamt sei die Lebensmittelwirtschaft bereits stark digitalisiert und effizient aufgestellt. In der Schlachtindustrie etwa kommen KI-gesteuerte Roboter zur vollständigen Zerlegung der Schlachttiere zum Einsatz. 

Am Ende des Tages liefert eine nachhaltige Produktivitätssteigerung den Zugang zu gesunden, hochwertigen und bezahlbaren Lebensmitteln für alle Verbraucher, betonte die Professorin. Die Weiterentwicklung landwirtschaftlicher Qualitätsstandards wird in den DLG-Ausschüssen fortgeführt, kündigt Riehn an.

Mehr Informationen zu den DLG-Unternehmertagen 2025 unter dem Leitthema „Nachhaltige Produktivitätssteigerung – Betrieb, Markt, Umwelt“ finden Sie hier: https://www.dlg.org/events/landwirtschaft/dlg-unternehmertage-2025

DLG-Unternehmertage 2025

Hier das DLG-Diskussionspapier zur Nachhaltigen Produktivitätssteigerung lesen. 

Bildmaterial frei verwendbar unter Angabe der Bildquelle "DLG" und Namen des jeweiligen Fotografen im Dateinamen.


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