Wie die Rückgewinnung von Kunststoffen aus komplexen Kunststoff-Gemischen gelingt, hat das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV jetzt vorgestellt. Mit dem im Fraunhofer IVV entwickelten lösemittelbasierten Recyclingprozess können verschiedenste Kunststoffe u. a. von Verpackungen recycelt und zu hochreinen Kunststoffrezyklaten verarbeitet werden. So werden Abfallfraktionen, die mit klassischen Recyclingprozessen nach dem Stand der Technik nicht recycelbar sind, mit dem lösemittelbasierten Verfahren für eine Kreislaufwirtschaft verfügbar.
Das lösemittelbasierte Recyclingverfahren ist nach Aussage von Dr. Andreas Mäurer vielseitig einsetzbar. Er leitet im Fraunhofer IVV die Verfahrensentwicklung Polymer-Recycling und ist Ansprechpartner im Research Department Advanced Recycling des Fraunhofer CCPE. Selbst schwierig zu recycelnde Kunststoffe sind seinen Worten zufolge mit dem lösemittelbasierten Recycling zurückzugewinnen. Denn es bietet gegenüber mechanischen Trennverfahren den Vorteil, dass das Zielpolymer selektiv in Lösung gebracht und in hoher Reinheit zurückgewonnen werden kann. Fremdpolymere und andere Feststoffe bleiben ungelöst und werden effektiv abgetrennt. Gelöste Verunreinigungen wie Flammschutzmittel, Weichmacher, Abbauprodukte und Gerüche werden durch spezifische Lösungsmittel separiert, sodass ein hochreiner Recyclingkunststoff entsteht. Das lösemittelbasierte Recycling ist ein physikalischer Prozess und eine effektive Alternative zum chemischen Recycling. Denn die Polymere werden nicht abgebaut und eine Polymerisation aus chemisch recycelten Rohstoffen ist nicht erforderlich. Um das lösemittelbasierte Recycling in den Industriemaßstab zu skalieren und Rezyklatmengen für industrielle Anwendungstests herzustellen, steht im Fraunhofer IVV ein Großtechnikum zur Verfügung. Für die Umsetzung des Verfahrens auf industrielle Anlagen sucht das Fraunhofer IVV Partner.
Hochreine Rezyklate für kreislauffähige Verpackungen
Mit dem lösemittelbasierten Recyclingverfahren können Unternehmen aus verschiedenen Branchen die ehrgeizigen Ziele der neuen EU-Verpackungsverordnung (PPWR) erreichen. Das Verfahren ist breit einsetzbar, es eignet sich sowohl für flexible als auch für formstabile Verpackungen. Unter Beachtung der Lebensmittelsicherheit erfüllt es die besonderen Anforderungen an die Reinigungseffizienz. Mit dem lösemittelbasierten Recyclingverfahren konnte sowohl für leichtflüchtige als auch für bereits mittelflüchtige Kontaminanten eine Reinigungseffizienz von bis zu 99,8 % erreicht werden. Das Verfahren ermöglicht das Kunststoffrecycling aus flexiblen Verpackungsabfällen und den Einsatz der Rezyklate bei der Herstellung neuer Verpackungen für sensible Füllgüter. Die Integration der gewonnenen Rezyklate in flexible Monomaterial-Verpackungen für Lebensmittel hat das Fraunhofer IVV bereits erfolgreich im technischen Maßstab umgesetzt und einen Rezyklatanteil in der entwickelten Verpackungsstruktur von bis zu 30 % realisiert. Im sensiblen Personal & Health Care-Verpackungssektor konnten diese Rezyklate bis zu einem Anteil von 62 % angewendet werden. Im allgemeinen Non-Food-Bereich wurden auch bis zu 100 % Rezyklatanteil erfolgreich eingesetzt.
Blick über den Tellerrand: Kunststoffe aus Verbundmaterialien
„Die wertvollen Kunststoffressourcen holen wir mit unserem lösemittelbasierten Recyclingverfahren auch aus Verbundwerkstoffen oder mit Schadstoff belasteten Materialien zurück, sodass sie dem Kreislauf wieder zugeführt werden können“, erklärt Dr. Mäurer. „Kunststoffe aus Elektroaltgeräten, die heute noch nicht recycelt werden können, da der Plastikanteil im Elektronikschrott viele verschiedene Kunststofftypen und zusätzlich gefährliche Stoffe wie z. B. Flammschutzmittel enthält, gewinnen wir schadstofffrei mit unserem Verfahren zurück.“ Auch aus Bauabfällen stammendes geschäumtes Polystyrol, das mit dem Flammschutzmittel HBCD kontaminiert ist, lässt sich mit dem lösemittelbasierten Recycling als flammschutzfreies Polystyrolrezyklat aufarbeiten.
„Durch die effektive Auflösung der Zielpolymere und die anschließende Trennung der ungelösten und mitgelösten Komponenten ist dies möglich. Auf Kunststoffverbunde passen wir den Recyclingprozess zusätzlich spezifisch an“, ergänzt Dr. Andreas Mäurer. „Damit können wir Batteriegehäuse aus Fahrzeugen genauso wie beschichtete und lackierte Textil- und Kunststoffmaterialien recyceln.“ Matrixkunststoffe werden erfolgreich von Verbundkomponenten wie Kohlefasern, Glasfasern oder Metalleinsätzen getrennt und gereinigte Recyclingpolymere gewonnen. „Auch PVC-Bodenbeläge recyceln wir und trennen die unerwünschten Weichmacher effektiv ab. Das zurückgewonnene PVC-Material entspricht den Anforderungen der EU-Gesetzgebung (REACH) und kann für die Produktion von neuen PVC-Böden verwendet werden“, führt Dr. Andreas Mäurer als weiteres Beispiel für die Reinigungsleistung des Verfahrens an.
KIOptiPack: KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen
Kunststoffe stellen eines der vielseitigsten und beliebtesten Materialien für Verpackungen dar und wären auch im Sinne der Bioökonomie sinnvoll eingesetzt, wenn ihre Sekundärrohstoffe zu höheren Anteilen wiederverwertet würden. Aus diesem Grund werden auch die Stimmen innerhalb der europäischen und deutschen Politik immer mehr, die den Gedanken der Circular Economy und die Notwendigkeit eines vermehrten Einsatzes von Rezyklaten intensivieren. Jedoch stehen dem aktuell noch technische und wirtschaftliche Herausforderungen im Weg.
Welche technischen Mittel werden benötigt und welche wirtschaftlichen Herausforderungen müssen bewältigt werden, um die Nutzung von rezyklaten Materialien sinnvoll und kosteneffizient in den Kreislauf zu führen?
Genau an diesem Punkt setzt die Fördermaßnahme des BMFTR (Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt) „KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen“ an. Ziel ist es, durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz den Weg für eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft zu ebnen. Um den Kreislauf für Kunststoffverpackungen so weit wie möglich zu schließen, arbeiten 51 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in zwei Innovationslaboren zusammen: KIOptiPack für Design und Produktion und K3I-Cycling für das werkstoffliche Recycling.