Zwei Landwirte aus Deutschland – einer aus dem Süden, einer aus dem Norden – haben sich für neue Wege entschieden: Mit Insektenmast und Algenproduktion bauen sie neben der Schweinemast neue Betriebszweige auf. Diese Erfahrungen haben sie gemacht.
Wie können Betriebe neue Wege gehen, um sich zukunftssicher aufzustellen? Angesichts der schwierigen Perspektiven für Investitionen in die Tierhaltung stellen sich insbesondere Schweinehalter diese Frage. Insektenmast und Algenproduktion sind zwei mögliche Betriebszweige, die häufiger diskutiert werden. Doch lohnen sie sich?
Insektenmast – Hochwertiges Eiweiß aus Larven
Im Süden Deutschlands bewirtschaftet Landwirtschaftsfamilie Krug rund 300 Hektar Fläche, hält 2.200 Mastschweine, 750 Zuchtsauen und betreibt eine Biogasanlage mit 1270 kW und liefert Wärme für 178 Haushalte. Seit rund eineinhalb Jahren gehört auch die Mast von Insekten zum Betriebsalltag. Genauer gesagt: die Mast der Larven der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens). Täglich werden rund drei Tonnen Larven geerntet, wobei 4,5 Tonnen angestrebt werden – das ist nicht nur logistisch anspruchsvoll, sondern auch ein komplexes neues System, das der Betrieb in Eigenregie integriert hat.
Strukturierte Abläufe
Fünf Klimakammern sorgen für eine tägliche Rotation: Jeden Tag wird eine Kammer neu angesetzt und eine Kammer geerntet. Die Larven wachsen sieben Tage lang in Kisten von einem Meter mal einem Meter bei exakt abgestimmten Bedingungen. Gefüttert werden sie mit organischen Reststoffen wie Kartoffelschalen oder Weizenkleie – ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft.
Nach der Mast werden die Larven samt Insektenmist in einen Trichter entleert und über ein Förderband auf ein Sieb geleitet. Dort werden die Larven vom trockenen Futtersubstrat getrennt, in Kisten gesammelt und in einem Kühlcontainer zwischengelagert. Bis zu achtStunden Arbeit täglich fallen für diesen Prozess an – eine erhebliche Umstellung im Vergleich zur Schweinemast, wo sich Aufgaben oft flexibler verteilen lassen. Trotzdem sieht der Betrieb großes Potenzial: „Es ist ein zusätzlicher Betriebszweig, der uns unabhängiger macht – auch von den Schwankungen im Schweinemarkt“, beschreibt David Krug.
Noch kein Gewinn, aber Potenzial
Wirtschaftlich schreibt der Betrieb mit der Insektenmast bislang eine schwarze Null. Die Betriebskosten sind gedeckt, ein echter Gewinn erlöst sich erst wenn die Erträge steigen. Die Investitionen – Kühlcontainer, Kammern, Automatisierung – wurden mit einem Planungshorizont von zehn Jahren getätigt und über die Hausbank abgesichert. Entscheidend war dabei das Gesamtkonzept: Die Bank erkannte den ökologischen und betrieblichen Mehrwert.
Ein Fünfjahresvertrag mit dem Partnerunternehmen FarmInsect sichert die Versorgung mit Larven und garantiert die Abnahme der gezüchteten Tiere.
Inhouse Farming - Feed & Food Convention
Controlled Environment Agriculture – die weltweite Ernährungssicherung durch neue landwirtschaftliche Produktionssysteme ist eine der zentralen Aufgaben der Zukunft. Der Brand „Inhouse Farming - Feed & Food“ ist die Plattform der DLG für die Agrar- und Food-Systeme der Zukunft. Eng vernetzt mit der landwirtschaftlichen Praxis, bietet sie fachliche Informationen, Perspektiven, Innovationen und Business – von Feed bis Food. Die Inhouse Farming Feed & Food Convention 2025 am 30. September und 1. Oktober im Congress Center Hamburg bringt alle Stakeholder der Wertschöpfungskette zusammen: Vom Landwirt bis zum Lebensmitteleinzelhandel - von “A” wie Aquakultur bis “Z” wie Zelluläre Landwirtschaft.

Einsatz in der Schweinefütterung: Tierwohl verbessert, Kostenfrage offen
Im eigenen Betrieb werden die Insektenlarven bereits in der Schweinefütterung eingesetzt – bislang nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern um erste Erfahrungen zu sammeln. Das Ergebnis: Keine messbar besseren Zunahmen im Vergleich zu Soja, aber ein besseres Äußeres und ein stabileres Immunsystem. Die Larven bieten tierisches Eiweiß, das dem natürlichen Bedarf der Schweine näherkommt als rein pflanzliche Futtermittel wie z.B. Soja.
Der Haken: Insektenprotein ist derzeit rund 50 Prozent teurer als Soja. Solange der Sojapreis niedrig ist, lässt sich der Einsatz betriebswirtschaftlich nur schwer darstellen. Zusätzlich erschwert die notwendige Kühlung die Lagerung – logistisch wie finanziell ein Mehraufwand.
Mit Mikroalgen diversifizieren – Ulrich Averberg aus Nordrhein-Westfalen
Auch Ulrich Averberg aus Nordrhein-Westfalen hat auf seinem Betrieb mit Schweinemast und Ackerbau einen weiteren, innovativen Produktionszweig aufgebaut: die Kultivierung von Mikroalgen. Nicht als exotisches Nebenprojekt, sondern als durchdachte Antwort auf die Frage, wie moderne Landwirtschaft neue Märkte erschließen kann.
Der Weg ins Gewächshaus
Das Herzstück seiner Algenproduktion ist ein eigens errichtetes Gewächshaus mit Glasdach, das Sonnenlicht als zentrale Energiequelle nutzt – bis zu 80.000 Lux an hellen Tagen. „Die Sonne ist durch nichts zu ersetzen“, so Averberg. Die Mikroalgen wachsen in Wasserbecken, die wie ein „pflanzlicher Stall“ organisiert sind: strukturierter Ablauf, kontrollierte Bedingungen, tägliche Kontrolle.
Die Umstellung begann während der Corona-Zeit – mit intensiven Lernphasen und vielen Versuchen. Heute erntet er je nach Jahreszeit von zweimal pro Monat bis zur täglichen Ernte. Die Verarbeitung erfolgt direkt vor Ort: Trocknung, Qualitätskontrolle, Dokumentation.
Hohe Anforderungen, aber landwirtschaftlich vertraut
Die Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen: Mikroalgen reagieren empfindlich auf Temperaturschwankungen, Lichtmangel oder ungenaue Nährstoffzufuhr. Averberg nutzt seine Erfahrung aus der Schweinehaltung: Hygiene, Bestandskontrolle und konsequente Dokumentation haben für ihn auch im Algenbecken höchste Priorität.
Finanziell war der Einstieg anspruchsvoll: Rund eine halbe Million Euro wurden investiert. Die Finanzierung war nicht einfach – Banken kennen Rechenmodelle für Ställe, nicht für Algen. „Aber wenn man sauber rechnet und die Bank überzeugt, geht es“, sagt Averberg.
Zusammenarbeit statt Einzelkämpfertum
Um den Absatz zu sichern, hat Averberg mit anderen Betrieben die Deutsche Algen Genossenschaft eG gegründet. Ziel ist es, gemeinsam zu vermarkten, Erfahrungen zu teilen und die Produktqualität zu sichern – denn der Wettbewerb mit asiatischen Importen erfordert ein starkes Qualitätsversprechen. Seine Vision: Ein Zukunftsfonds für innovative Betriebszweige – finanziert von Landwirten, getragen von der Branche.
Gemeinsame Lehren: Was beide Umsteller eint
Trotz aller Unterschiede verbindet die beiden Betriebe vieles:
- Start aus stabiler Basis: Beide haben sich bewusst aus bestehenden, funktionierenden Strukturen heraus neu aufgestellt – nicht aus der Not, sondern aus Überzeugung.
- Klarer Zeithorizont: Investitionen wurden mit einem mehrjährigen Planungshorizont (5–10 Jahre) getätigt – kurzfristige Renditen standen nicht im Fokus.
- Technisches Verständnis: Sowohl Insektenmast als auch Algenproduktion erfordern technisches Know-how, Disziplin und laufende Anpassung.
- Offenheit für Kooperation: Beide setzen auf Partnerschaften – ob mit Technologiepartnern oder in Genossenschaften.
- Flexibilität im Denken: Klassische Konzepte werden hinterfragt, neue Lösungen entwickelt – und immer wieder angepasst.
Fazit: Landwirtschaft bleibt Wandel – und braucht Mut
Die Umstellung auf alternative Betriebszweige wie Insektenmast oder Algenproduktion ist kein einfacher Schritt. Er erfordert hohe Investitionen, neue Kenntnisse, strukturiertes Arbeiten und oft ein Umdenken in der Betriebsorganisation. Doch er eröffnet auch neue Wege: für mehr Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Resilienz und gesellschaftliche Akzeptanz.
Landwirte wie Ulrich Averbeck oder David Krug zeigen, dass Wandel machbar ist – nicht als Bruch mit der Tradition, sondern als Weiterentwicklung. Ihre Beispiele machen Mut, neue Perspektiven zu prüfen – und vielleicht selbst Teil einer zukunftsorientierten Landwirtschaft zu werden.
Inhouse Farming – Feed & Food Convention 2025
Wie lassen sich Ernährungssysteme neu denken und zukunftsfähig gestalten? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich die Inhouse Farming – Feed & Food Convention vom 30. September bis 1. Oktober 2025 im Congress Center Hamburg. Die zweitägige Fachkonferenz bietet wertvolle Einblicke in innovative und nachhaltige Produktionsmethoden wie Vertical Farming, Insektenzucht und Aquakultur – Themen, die gerade für Betriebe im Umstellprozess spannende Perspektiven eröffnen. Experten aus Forschung und Praxis teilen ihr Wissen zu wirtschaftlicher Umsetzung, neuen Technologien und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen. Die Convention verknüpft Fachkonferenzen mit interaktiven Formaten, einer themenspezifischen Ausstellung und einem vielseitigen Side-Programm.