Die ackerbaulichen Vorteile von Eiweißpflanzen sind unbestritten – doch unter rein marktwirtschaftlichen Bedingungen rechnet sich ihre Erzeugung für viele Betriebe bislang kaum – auch wenn es bereits funktionierende Vermarktungsmodelle in Form von Kooperativen oder Vertragsanbau gibt.
Das Beispiel Eiweißpflanzenbau verdeutlicht, was beim Aufbau neuer Wertschöpfungsketten und lukrativer Vermarktungswege zu beachten ist. Eine Austauschplattform für sämtliche Stakeholder aus dem Bereich New Feed and Food bietet die Inhouse Farming Feed and Food Convention am 30. September und 1. Oktober 2025 in Hamburg.
Inhouse Farming – Feed & Food Convention 2025
Vom 30.09. bis 1.10. veranstaltet die DLG die „Inhouse Farming – Feed & Food Convention“ im Congress Center in Hamburg. Dabei stehen Themen, wie Algen, alternative Proteine, Aquakultur und Energiekonzepte sowie High Value Crops, Insekten und zelluläre Landwirtschaft im Fokus.
Leguminosen wie Soja, Ackerbohne oder Erbse gelten als Hoffnungsträger für eine nachhaltigere Landwirtschaft. Sie verbessern die Bodenfruchtbarkeit, binden Stickstoff und sind vielseitig einsetzbar – als Futtermittel oder als Basis für pflanzenbasierte Lebensmittel. Doch wirtschaftlich bleiben sie bislang Nischenkulturen. Wie lassen sich Anbau und Vermarktung profitabler gestalten, sodass die Nischenkulturen perspektivisch auch ohne spezielle Förderprogramme oder dergleichen am Markt bestehen können? Stefan Beuermann, Koordinator für Erzeugergemeinschaften im Projekt LeguNet, und Klaus Martin Fischer, Branchenexperte bei der Unternehmensberatung RSM Ebner Stolz Management Consultants, ordnen ein, welches Potenzial in heimischen Eiweißpflanzen steckt. Sie erklären was es braucht, damit aus Nischenfrüchten echte High Value Crops werden.
Leguminosen: Vielseitig, aber (noch) keine High Value Crops
Der Begriff „High Value Crops” bezeichnet üblicherweise Kulturen mit besonders hoher Wertschöpfung. Auf heimische Eiweißpflanzen wie Erbse, Lupine oder Ackerbohne trifft das bislang jedoch nur selten zu. Stefan Beuermann bringt es auf den Punkt: „Der Begriff High Value Crops meint eigentlich Früchte, die ein hohes Einkommen generieren. Das sehe ich bei Hülsenfrüchten nur im absoluten Ausnahmefall.“
Zwar entwickeln sich die Märkte für pflanzliche Proteine rasant, doch auf betrieblicher Ebene bleibt der wirtschaftliche Nutzen häufig begrenzt. Entscheidend ist: Der Mehrwert ergibt sich nicht aus der Kultur allein, sondern aus der Einbindung in funktionierende Wertschöpfungsketten.
Warum der Markt (noch) nicht funktioniert
Laut Beuermann liegt ein zentrales Hemmnis in der Marktstruktur. Zwar wird viel über eine „Proteinwende“ gesprochen, doch es fehlt an funktionierenden Märkten. Preisnotierungen für Hülsenfrüchte seien selten belastbar und es herrsche kaum Transparenz. „Das ist ein enormes Entwicklungshemmnis. Ohne Preistransparenz fehlt Landwirten die Planungsgrundlage“, so Beuermann. In der Praxis werde häufig auf Basis weniger Händlerinformationen „aus der Hüfte“ kalkuliert, was zu Erlösen auf Futtermittelniveau oder darunter führe.
Vertraglich abgesicherte Lieferbeziehungen sind laut Beuermann bisher die Ausnahme. Wer ohne Abnahmegarantie oder Vorkontrakte in den Anbau geht, trägt ein hohes wirtschaftliches Risiko. Dies gilt insbesondere für den Anbau kleiner Mengen, die sich kaum wirtschaftlich zu einem Verarbeitungsstandort transportieren lassen.
Fruchtfolge statt hoher Erlös: Warum trotzdem angebaut wird
Trotz aller Unsicherheiten gibt es gute Gründe, Leguminosen anzubauen. Pflanzbaulich gelten sie als ideale Vorfrüchte. Insbesondere bei Problemen mit starkem Ackerfuchsschwanz-Besatz zeigen sie oft eine bessere Wirkung als chemische Maßnahmen. Durch ihren Sommerungscharakter durchbrechen sie den Unkrautzyklus und verbessern die Bodenstruktur – ein ökologischer Mehrwert, der sich langfristig auch ökonomisch auszahlen kann.
„Ein Jahr Hülsenfrüchte ist in klassischen Ackerfuchsschwanz-Gebieten oft wirksamer als jede Spritzung“, so Beuermann. Seiner Meinung nach werden Leguminosen nach dem bevorstehenden Wegfall Flufenacet-haltiger Herbizide eine noch größere Rolle beim Vorgehen gegen Ungräser spielen.
Soja: Schlüssel zur Skalierung
Unter den Eiweißpflanzen nimmt die Sojabohne eine Sonderstellung ein. Global gesehen ist sie die bedeutendste Leguminose und auch in Deutschland steigt ihr Stellenwert. Im Jahr 2024 wurden rund 131.800 Tonnen geerntet. Dank züchterischer Fortschritte ist die Zahl der verfügbaren Sorten stark gewachsen, sodass der Anbau inzwischen in weiten Teilen Deutschlands wirtschaftlich möglich ist.
Archer Daniels Midland (ADM), einer der weltweit führenden Verarbeiter, betreibt gentechnikfreie Ölmühlen in Straubing und Mainz, die über ausreichende Kapazitäten verfügen, um deutlich mehr Soja aus deutscher Herkunft zu verarbeiten. Beuermann sieht in der Soja großes Wachstumspotenzial – nicht nur für den Futtermittelmarkt, sondern auch für die Humanernährung.
Wachstumsmarkt pflanzenbasierte Ernährung
Besonders im Bereich pflanzenbasierter Lebensmittel ergeben sich derzeit neue Marktchancen. Die Erbse sticht hervor: Sie ist allergenarm, vielseitig einsetzbar und punktet mit einer guten CO₂-Bilanz. Unternehmen wie die Endori food GmbH, ein Hersteller pflanzlicher Fleisch- und Fischalternativen, oder die Rügenwalder Mühle investieren gezielt in heimische Rohstoffe und bieten Landwirten Anbaukontrakte an.
Berater Klaus Martin Fischer sieht hier einen entscheidenden Wachstumstreiber: „Der Markt für pflanzenbasierte Proteine wächst rasant – insbesondere im Lebensmittelbereich.“
Aktuell übersteigt die Nachfrage das Angebot. Der Engpass liegt jedoch nicht in der Verfügbarkeit und Verlässlichkeit regionaler Rohstoffe, sondern in den unzureichenden Erzeugerpreisen. Der Aufbau professioneller Lieferketten und transparenter Preise ist daher essenziell.
Feed-Markt: Substitution statt Import
Auch in der Tierfütterung bieten Leguminosen Potenzial. Ackerbohne, Lupine und Erbse werden zunehmend in der Fütterung von Wiederkäuern und Schweinen eingesetzt – insbesondere als Alternative zu importiertem Sojaschrot. Die innerbetriebliche Verwertung spielt eine zentrale Rolle für die Wirtschaftlichkeit. Fischer betont: „Der Substitutionswert – also die Einsparung durch selbst erzeugte Eiweißträger – ist ein zentraler Hebel zur Rentabilität.“
Vermarktung: Erfolgsmodelle zeigen Wege auf
Einzelbeispiele zeigen, wie funktionierende Lieferketten aussehen können. So bietet die Südzucker-Tochter Beneo Vertragsanbau mit garantierten Preisen für Ackerbohnen, Rügenwalder arbeitet mit Sojapartnern aus Norddeutschland zusammen und die Erzeugergemeinschaft Alb-Leisa vermarktet Linsen über eine regionale Kooperative direkt an den Handel. „Solche Strukturen stabilisieren den Markt und geben Betrieben Planungssicherheit“, so Fischer. Doch im konventionellen Bereich fehlt es vielerorts noch an flächendeckenden Vermarktungsketten und sichtbaren Marken.
Integration in betriebliche Gesamtstrategie
Die größte Chance liegt in der Kombination von klassischen Cash Crops mit Leguminosen. Mischanbausysteme und eine strategisch durchdachte Fruchtfolge helfen dabei, Risiken abzufedern und Betriebsmittel zu sparen. „Leguminosen senken Betriebsmittelkosten, verbessern die Bodengesundheit und erhöhen Erträge der Folgefrucht. Das reduziert Risiken, auch in witterungsbedingt schwierigen Jahren“, betont Fischer.
Empfehlungen für Landwirte
Betrieben, die in den Leguminosen-Anbau einsteigen möchten, rät Fischer zu einem schrittweisen Vorgehen: Klein starten und lokal testen, vorab Absprachen mit Abnehmern treffen, die Fruchtfolge strategisch planen und sich infrastrukturell mit anderen zusammenschließen. „Der Trend zu gentechnikfreier, regionaler Herkunft ist eindeutig. Und: Wenn es gelingt, den konventionellen Markt zu durchdringen – etwa mit Mischkulturen wie Wickroggen und Silomais – entsteht echtes Wachstumspotenzial.“
Standort und Fruchtfolge entscheiden
Ein zentrales Hindernis beim Anbau vieler Leguminosen ist das Ertragsrisiko. Die Kulturen reagieren sensibel auf Wetterextreme, weshalb ihre Ertragsstabilität unter der von klassischen Marktfrüchten liegt. Dies liegt an der bisher geringen züchterischen Bearbeitungstiefe von Hülsenfrüchten.
Fischer erläutert: „Eine wirtschaftliche Betrachtung ist nur sinnvoll, wenn der Fruchtfolgewert eingerechnet wird. Isoliert betrachtet können Leguminosen bei schwankenden Erträgen kaum mit Gerste oder Weizen konkurrieren.“ Hinzu kommt die Problematik der sogenannten Leguminosenmüdigkeit, ein bislang unzureichend erforschter Krankheitskomplex. Nur Soja bleibt hiervon weitgehend unberührt.
Beuermann empfiehlt daher eine standortbezogene Entscheidung. „Wer Leguminosen, die nicht wirklich zum Standort passen, anbaut, wird Enttäuschungen erleben.“
Wertschöpfung beginnt mit Kooperation
Die Rentabilität von Hülsenfrüchten steigt dort, wo Landwirte aktiv an der Wertschöpfung teilnehmen. Trocknung, Reinigung, Sortierung oder Verpackung in Eigenregie können den Tonnenwert deutlich erhöhen. Doch das ist meist nur gemeinschaftlich möglich. Beuermann plädiert daher für genossenschaftlich organisierte Erzeugergemeinschaften: „Nur wer sich zusammenschließt, kann ausreichend Mengen bündeln, Investitionen stemmen und Fördermittel etwa aus EU-Programmen gezielt nutzen.“
Die Verarbeitung von Hülsenfrüchten für die Humanernährung erfordert strenge Standards – etwa glutenfreie Aufbereitung. Auch dafür brauche es laut Beuermann spezialisierte Infrastruktur und Kooperation. Zudem könnten Zusammenschlüsse von Landwirten leichter ihre Transportkosten senken: Ware mit dem Lkw zu transportieren sei wesentlich teurer als mit Zug oder Schiff, allerdings bräuchten letztere Transportmittel Mengen von mehreren tausend Tonnen.
Beispiele aus dem Ökolandbau beweisen, dass solche Modelle funktionieren können. Linsenerzeugergemeinschaften oder Partnerschaften mit dem Lebensmitteleinzelhandel zeigen, wie Wertschöpfung kooperativ organisiert werden kann. Im konventionellen Bereich hingegen besteht Nachholbedarf. Dort fehlen vielerorts geschlossene Vermarktungsketten, die sowohl die Produktion als auch die Abnahme und Weiterverarbeitung absichern.
Marktentwicklung
Aktuell machen Hülsenfrüchte in Deutschland weniger als 3 % der Ackerfläche aus. Ziel ist es, diesen Anteil mittelfristig auf mindestens 10 % zu steigern. Voraussetzungen dafür sind wirtschaftliche Perspektiven und funktionierende Wertschöpfungsketten.
Die Sojabohne nimmt dabei eine Sonderrolle ein. Global betrachtet ist sie mit Abstand die wichtigste Körnerleguminose. Auch in Deutschland steigt ihre Bedeutung: 2024 wurden trotz rückläufiger Fläche rund 131.800 Tonnen geerntet. In der Humanernährung erreicht ihr Anteil inzwischen 10,7 %.
Fazit: Systemrelevanz statt klassischer High Value Crop
Auch wenn Leguminosen bislang nicht mit Spitzenpreisen glänzen können, haben sie aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen einen festen Platz in der Landwirtschaft der Zukunft. Beuermann bringt es auf den Punkt: „Hülsenfrüchte sind keine klassischen High Value Crops, aber sie sind systemrelevant.“ Fischer ergänzt: „Leguminosen bieten Chancen – wenn wir sie als Teil eines größeren, regional orientierten und integrierten Systems denken.“
Langfristig entscheidet nicht nur die Pflanze über den wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch die Organisation drumherum: Markttransparenz, verlässliche Partnerschaften und eine Infrastruktur, die aus regionalen Rohstoffen hochwertige Waren macht.