Getrieben durch eine wachsende Nachfrage nach nachhaltigen, gesunden und ethisch wenig bedenklichen Lebensmitteln haben sich alternative Proteinquellen wie pflanzliche Proteine von der Nische zu einem ernstzunehmenden Segment der Lebensmittelindustrie entwickelt. Die Aussteller der IFFA präsentierten den aktuellen Stand der Technik – von fermentationsbasierten Produkten bis hin zu innovativer Extrusion.
Der Markt für alternative Proteine, besonders in Europa, wächst seit einigen Jahren kontinuierlich. „Die weltweiten Investitionen in alternative Proteine haben sich seit 2020 vervielfacht. Analysten prognostizieren, dass der globale Markt bis 2030 ein Volumen von mehreren Hundert Milliarden Euro erreichen könnte“, erklärt Fabio Ziemßen. „Ursachen sind der steigende Bedarf nach hochwertigen Proteinquellen durch das weitere Bevölkerungswachstum, aber auch der Bedarf nach mehr Proteindiversifikation durch Nachhaltigkeitsziele und Gesundheitsaspekte“, so der Vorsitzender des Bundesverbandes für Alternative Proteinquellen Balpro. Insofern überrascht es nicht, dass die IFFA alternativen Proteinen mit der „World of New Proteins“ daher erstmalig einen eigenen Bereich widmete. In diesem Segment waren es über 60 Aussteller – sowohl die etablierten Markführer als auch neue Akteure –, die mit ihren Technologien in Frankfurt am Main präsent waren. „Ein entscheidender Faktor für den Erfolg neuer Proteine sind technologische Innovationen. Die Fortschritte in der Fermentationstechnologie, insbesondere der Präzisionsfermentation, ermöglichen die Herstellung von Proteinen, die in Geschmack und Textur tierischen Produkten immer näher kommen“, sagt Ziemßen. Ebenso habe sich die Zellkulturtechnologie rasant weiterentwickelt. „Während kultiviertes Fleisch noch vor wenigen Jahren als Zukunftsvision galt, gibt es bereits die ersten Zulassungen in den USA und einige Anträge in Europa“, so der Experte. Parallel dazu verbessern fortschrittliche Verarbeitungstechnologien, wie die Extrusion und Fermentation von pflanzlichen Proteinen, die sensorischen und funktionalen Eigenschaften von Fleischalternativen erheblich. Ziemßen ist überzeugt, dass die Verbindung aus Forschung und Praxis dafür sorgt, dass neue Produkte schneller entwickelt und effizienter produziert werden können.
Überzeugende Textur
Zu den Proteinen auf Basis von Fermentation, die im Plant-based-Markt als vielversprechend gelten, zählt Mykoprotein. Dank seiner fleischähnlichen Struktur punktet es bei der Produktentwicklung mit überzeugender Textur und angenehmem Biss. Eines der Unternehmen, das darauf fokussiert, ist Planteneers. Das Unternehmen aus Hamburg ermöglicht Fleischproduzenten zusammen mit dem Technologieanbieter Handtmann die Herstellung pflanzlicher Steaks und Filetstränge mit authentischer Marmorierung und Struktur. Produkte wie kostenoptimierte Steak-Varianten, Bacon, Kochschinken und Carpaccio
erweitern das Sortiment. Lebensmittelverarbeiter können so die Technologie voll ausschöpfen und gleichzeitig Produktionskosten senken.
Pflanzliche Käsealternativen
Daneben stellte Planteneers auf der IFFA pflanzliche Käsealternativen vor. Diese lassen sich mit klassischen Kochkuttern nahtlos in bestehende Prozesse integrieren. Damit können Fleischproduzenten ohne große Investitionen in neue Maschinen schnell und einfach pflanzliche Alternativen zu Käse herstellen. Die Geschmacksrichtung lässt sich dabei flexibel anpassen – von Gouda, Butterkäse oder Emmentaler bis hin zu Varianten mit Zutaten wie Bockshornklee.
Hybrid-Produkte
Das Schwesterunternehmen Hydrosol demonstrierte auf der Messe seine Expertise im Bereich Hybrid-Produkte. Diese Kombinationen aus traditionellem Fleisch mit Gemüse, pflanzlichen Proteinen, Mykoproteinen oder kultivierten Zellen besitzen enormes Marktpotenzial. Nach Angaben von Meticulous Research erzielte der weltweite Markt für Hybridfleisch im Jahr 2020 einen Umsatz von 58,7 Millionen US-Dollar. Bis 2028 prognostizieren die Experten eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 36,6 Prozent auf voraussichtlich 673,8 Millionen US-Dollar. Kreative Produktideen für den boomenden Markt liefert Hydrosol mit den Stabilisierungssystemen aus der PLUSmulson-Reihe. Auf der IFFA stellte das Unternehmen Lösungen rund um Kebab, Nuggets und Formschinken vor. Durch den reduzierten Fleischanteil und den Gehalt an Gemüse erfüllen sie die Nachfrage der Konsumenten nach gesünderen Fleischerzeugnissen. Die Endprodukte zeichnen sich durch einen gleichmäßigen, fleischigen Biss und eine zarte, saftige Konsistenz aus. Durch die speziell entwickelte Rezeptur bleiben die Gemüsestücke im Produkt stabil, selbst bei verschiedenen Zubereitungsmethoden wie Grillen, Frittieren oder Braten.
Extraktion und Extrusion
Auch das Fraunhofer IVV bietet Fleischproduzenten mit seinem Know-how im Bereich alternativer Proteine umfangreiche Unterstützung. Dies reicht von der Rohstoffauswahl über die Prozessentwicklung bis hin zu marktreifen Lebensmitteln. Auf der IFFA informierten die Forschenden darüber, wie mit neu entwickelten Extraktionsverfahren aus unterschiedlichsten pflanzlichen Rohstoffen wie Leguminosen, Ölsaaten sowie aus Nebenströmen der Lebensmittelindustrie hochwertige Proteine und Ballaststoffe als funktionelle Ingredients gewonnen werden. Durch eine spezielle Extrusionstechnologie erhalten Proteine wie zum Beispiel Erbse, Lupine, Weizen oder Bohne eine faserige und fleischähnliche Textur für den Einsatz in schmackhaften und proteinreichen Fleischalternativen. Die langjährige Expertise im Bereich der Extraktions- und Extrusionsprozesse ermöglicht die Entwicklung hoch funktioneller und sensorisch neutraler Lebensmittelzutaten, die sich für Clean-Label-Produkte eignen.
Im Pilotmaßstab starten
Das im Fraunhofer IVV zur Verfügung stehende Ingredients- und Lebensmitteltechnikum verfügt über vielfältige Möglichkeiten. Zur Herstellung von Lebensmittelzutaten und Produktmustern können alle Prozessschritte durchgeführt werden. Dies reicht von der Entwicklung oder Reformulierung von Produkten bis zur Musterproduktion vom Kleinst- bis in den Technikumsmaßstab. Für die Rohstoffauswahl stehen modernste Analysemethoden zur Bewertung einzelner Rohstoffe hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, funktionellen Eigenschaften und Sensorik zur Verfügung. Auch Veränderungen der Produkte während der Lagerung können im Fraunhofer IVV direkt vor Ort in Lagertests und durch ein speziell ausgebildetes Sensorikpanel überprüft werden. Darüber hinaus entwickelt das Institut für jedes Lebensmittel ein maßgeschneidertes Verpackungskonzept.