Pflanzen-Kraftstoff im Praxistest

HVO überzeugt auf dem Rollenprüfstand 

Detailaufnahme der Technik im Rollenprüfstand des DLG-Testzentrums Technik & Betriebsmittel in Groß-Umstadt. Foto: DLG
Blick in den Maschinenraum: Detailaufnahme im Rollenprüfstand des DLG-Testzentrums Technik & Betriebsmittel in Groß-Umstadt. Foto: DLG

Im DLG-Testzentrum Technik und Betriebsmittel wurde ein Valtra Q 285 unter praxisnahen Bedingungen des DLG-PowerMix mit zwei Kraftstoffarten auf dem DLG-Rollenprüfstand untersucht: mit konventionellem Diesel und dem biobasierten Alternativkraftstoff HVO (Hydrotreated Vegetable Oil). In dem Verbrauchsvergleich konnte der alternative Kraftstoff überzeugen und bietet sich als tragfähige Option für die kurzfristige Verwendung in Landmaschinen zur Senkung von CO2-Emissionen an.

Die politischen Vorgaben für den Klimaschutz sind eindeutig: Spätestens bis zum Jahr 2045 sollen die Treibhausgasemissionen aus der Nutzung von Dieselkraftstoff auf null gesenkt werden. Dabei wird auch die Landwirtschaft von der Politik in die Pflicht genommen, ihren Beitrag zu leisten und zügig auf nachhaltigere Alternativen umzustellen. Die Landmaschinenhersteller arbeiten derzeit intensiv an alternativen Antriebskonzepten auf der Basis flüssiger oder gasförmiger Treibstoffe bis hin zu elektrischen Antriebssystemen. 
 

Flüssige Alternativkraftstoffe bei hohem Leistungsbedarf

Welche alternativen Antriebskonzepte können den fossilen Agrardiesel kurz-, mittel- und langfristig ablösen? Experten aus der Wissenschaft, Produktentwicklung und landwirtschaftlichen Praxis sind sich darin einig, dass im Ackerbau bei Aktivitäten mit hohem Leistungsbedarf und langen Einsatzzeiten wie der Bodenbearbeitung und Ernte flüssige Kraftstoffe mit hoher Energiedichte auch in Zukunft nicht zu ersetzen sind. Denn schon im mittleren Leistungsbereich sind bei gasförmigen Kraftstoffen Tankgrößen von mehreren Kubikmetern oder für elektrische Antriebe Batteriegewichte im fünfstelligen Bereich erforderlich.

Dieselmotoren moderner Traktoren und Landmaschinen können heute schon problemlos mit einigen alternativen Flüssigkraftstoffen betrieben werden, ohne die Grundarchitektur der Fahrzeuge ändern zu müssen. Anpassungen bei den Motoren sind meist nur wenig oder gar nicht erforderlich und das bestehende Tankvolumen kann ohne Erweiterungen genutzt werden. Infolge der hohen Energiedichte der Kraftstoffe sind auch lange, schwere Ackerarbeiten möglich.  

Blühendes Rapsfeld. Foto: VDB
Die Rapsblüte erfreut jedes Jahr aufs Neue: Raps ist ein wichtiger Rohstoff in der Produktion von alternativen Kraftstoffen. Foto: VDB

HVO ist eine vielversprechende Option

Als vielversprechende Option für eine kurzfristige Verwendung in Landmaschinen bieten sich besonders hydrierte Pflanzenöle, kurz HVO (Hydrotreated Vegetable Oil), an, die aus Abfall- und Reststoffen gewonnen werden. HVO hat fast dieselbe Energiedichte wie fossiler Diesel und ermöglicht es, bis zu 90 % der CO2-Emissionen einzusparen. 
„Die politischen Rahmenbedingungen zur Förderung nachhaltiger Mobilität bewirken, dass sich Hersteller von Nutzfahrzeugen und Landmaschinen verstärkt mit alternativen Antrieben beschäftigen. Unser Ziel ist es, sowohl Herstellern als auch Landwirten Orientierung bei schnell umsetzbaren und praxistauglichen Lösungen zu bieten – mit besonderem Fokus auf Fragestellungen, die für den Anwender relevant sind: Bleibt die Motorleistung erhalten? Wie verändert sich der Kraftstoffverbrauch?“, sagt Martin Hanstein, beim DLG-Testzentrum Agrartechnik und Betriebsmittel im hessischen Groß-Umstadt zuständig für Leistungsmessungen am Rollenprüfstand. 

Der Drop-in-Kraftstoff unter der Verkehrsbezeichnung HVO 100 ist ein marktreifes Produkt, das für den Einsatz in vielen Dieselmotoren freigegeben ist, ohne dass Anpassungen am Motor notwendig sind. HVO ist auch in jedem Mischungsverhältnis mit fossilem Diesel mischbar. Des Weiteren können bestehende Lager- und Tankmöglichkeiten genutzt werden. 

HVO weist außerdem eine höhere Cetanzahl als Diesel auf. Der alternative Kraftstoff ist dadurch zündwilliger, was sich positiv auf den Wirkungsgrad auswirken kann. Bei niedrigen Temperaturen springt der Motor besser an. 

Wie schlägt sich HVO im Vergleich mit Diesel?

HVO ist also mit reichlich Vorschusslorbeeren ausgestattet. Wie ist es aber tatsächlich um seine Wettbewerbsfähigkeit in punkto Leistung und Verbrauch gegenüber herkömmlichem Dieselkraftstoff bestellt? Die Antwort darauf gaben Prüfingenieur Martin Hanstein und seine Kollegen bei einem Vergleichstest auf dem DLG-Rollenprüfstand.

Im DLG-Testzentrum wurde der alternative Treibstoff HVO hinsichtlich seines Einflusses auf den Kraftstoffverbrauch eines Traktors im Vergleich zu Diesel geprüft. Als Vergleich diente ein standardisierter Dieselkraftstoff der aktuellen Norm B7. Der Test wurde mit einem Traktor der Marke Valtra (Valtra Q 285) durchgeführt. Leistung und Kraftstoffverbrauch wurden unter Volllast am Zapfwellenleistungsprüfstand erfasst sowie im DLG-PowerMix-Test auf dem DLG-Rollenprüfstand gemessen, der realitätsnahe Einsatzbedingungen für Zug-, Hydraulik- und Zapfwellenleistung abbildet.
 

Kein Leistungsunterschied an der Zapfwelle

Auf dem Zapfwellen-Leistungsprüfstand wurde die maximale Zapfwellenleistung bei verschiedenen Motordrehzahlen ermittelt. Die Messungen zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Kraftstoffen. „„Beim Einsatz von HVO müssen Anwender keine Bedenken haben, dass die Motorleistung abnimmt – diese bleibt unverändert erhalten“, sagt Prüfingenieur Martin Hanstein. 

Zapfsäule mit Biodiesel. Foto: VDB
Biodiesel in der Beimischung kann schon lange an der Zapfsäule getankt werden. Reiner Pflanzenöl-Kraftstoff kann eine wichtige Rolle zur Einsparung von Treibhausgasen in der LAndwirtschaft einnehmen. Foto: VDB

Kleine Unterschiede im Kraftstoffverbrauch

Bei den Verbrauchsmessungen an der Zapfwellenleistungsbremse wurde mit HVO ein etwas höherer Kraftstoffverbrauch ermittelt als mit Diesel. Dies liegt an der geringeren Dichte von HVO im Vergleich zu Diesel, wodurch die volumetrische Energiedichte (kWh/l) etwas niedriger ist, obwohl die gravimetrische Energiedichte (kWh/kg) leicht höher ausfällt. Da HVO in Litern und nicht in Kilogramm getankt wird, liegt der Verbrauch mit HVO somit etwa 3 bis 4 % höher als mit Diesel.
Im DLG-PowerMix-Test werden auf Basis typischer Arbeitsbelastungen eines Traktors in der Praxis verschiedene Belastungszyklen festgelegt, unter denen der Kraftstoffverbrauch, die Leistungsfähigkeit und letztendlich die Energieeffizienz des Gesamtfahrzeugs bestimmt werden. Die Belastungszyklen spiegeln dabei typische Feldarbeiten und Transportarbeiten wider.

Der bei der Zapfwellenmessung festgestellte Verbrauchsunterschied konnte auch im DLG-PowerMix bestätigt werden. Durch die Messung transienter Zyklen sowie der Kombination aus Volllast- und Teillastbereichen lässt sich eine belastbare Aussage treffen: Der Verbrauch ist etwa 3 bis 4 % höher als bei Diesel. 
 

HVO ist eine ernstzunehmende Alternative

Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse feststellen: 

  • Signifikante Unterschiede bei der Leistungsabgabe wurden zwischen den beiden Kraftstoffen nicht festgestellt.
  • Bei HVO wurde ein leicht höherer Verbrauch in l/h ermittelt, was auf den niedrigeren Energieinhalt (aufgrund der geringeren Dichte) zurückzuführen ist.
  • Die höhere Cetanzahl des HVO kann zu einem besserem Zündverhalten und Wirkungsgrad führen.
  • Die Freigabe ist mit dem Hersteller zu klären. 

HVO stellt somit eine praxisgerechte, sofort umsetzbare Alternative dar, die einen Beitrag zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks der Landwirtschaft leisten kann. Dies gilt insbesondere für Betriebe, die ihre CO2-Bilanz verbessern wollen, ohne in neue Fahrzeugtechnik investieren zu müssen. „Besser und schneller lässt sich die CO2-Bilanz von Bestandsmaschinen kaum verbessern“, lautet das Resümee von DLG-Prüfingenieur Martin Hanstein. 
 

Eingeschränkte Verfügbarkeit

HVO-Kraftstoffe sind folglich ein vielversprechender Ansatz für die Landtechnik. Leider sind sie noch nicht in genügenden Mengen erhältlich. Denn ihre überragenden Eigenschaften machen sie auch in anderen Sektoren begehrt, beispielsweise in der Luft- und Schifffahrt, was die Verfügbarkeit einschränkt. Mit bestehenden Produktionsanlagen lässt sich der Bedarf an HVO außerdem aktuell nicht decken. Hinzu kommt, dass die CO2-Bilanz von HVO nur bei grüner Herstellung positiv ist. Aktuell ist diese Art der Herstellung aber noch sehr teuer. Das spiegelt sich auch in den Preisen von HVO nieder, die derzeit etwa 10 Cent höher sind die als von Diesel.

Apropos HVO & Co.: Auch in der Zukunft wird die DLG das Thema alternative Kraftstoffe weiter begleiten und untersuchen, um einen Beitrag für Hersteller und die landwirtschaftliche Praxis zu leisten. Das DLG-Fachzentrum sichtet kontinuierlich die aktuelle Entwicklungslandschaft rund um alternative Antriebe und Kraftstoffe und unterstützt mit Fachwissen, Podcasts und weiteren Informationsangeboten. Das Thema wird zudem auf der von der DLG ausgerichteten Agritechnica präsentiert und diskutiert. Das Testzentrum führt bereits heute Prüfungen an elektrisch betriebenen Fahrzeugen (BEV) sowie an wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen (FCEV) durch.

Text: DLG Newsroom / Dr. Holger Walch, Stefanie Pionke
  • Martin Hanstein
    Martin Hanstein

    Prüfingenieur "Leistungsmessungen und Rollenprüfstand"

  • Tech@DLG.org
  • +49 69 24788-619

  • DLG Testzentrum Technik und Betriebsmittel
    DLG TestService GmbH Standort Groß-Umstadt
    Max-Eyth-Weg 1
    64823 Groß-Umstadt

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