Bis 2030 will Deutschland den Treibhausgasausstoß um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 verringern und nimmt hierzu auch die Landwirtschaft in die Pflicht. Nicht wenige, die die Landwirtschaft aus ihren urbanen Milieus heraus beobachten, sind hier schnell auf die Idee gekommen, die im Verkehrssektor angelaufene Idee einer Elektrifizierung auf die Landwirtschaft zu übertragen. Wie falsch man ab einer gewissen Maschinengröße mit diesem einfachen Ansatz liegen kann, hat eine Online-Veranstaltung zu alternativen Kraftstoffen gezeigt, die das DLG-Fachzentrum Landwirtschaft in Kooperation mit den DLG-Mitteilungen Anfang Oktober durchgeführt hat.
Obwohl vollelektrische Traktoren im unteren Leistungssegment bereits marktreif sind, zeigen sich mit steigenden Leistungsanforderungen schier unüberbrückbare Hürden.
Die Experten aus Wissenschaft, Produktentwicklung und landwirtschaftlicher Praxis waren sich darin einig, dass Motorleistungen jenseits von 600 PS und Einsatzzeiten von 15 Stunden oder mehr am Tag nahezu ohne Standzeiten im Speicher eine Energiedichte nötig machen, die zwangsläufig auf einen Verbrennungsmotor mit Flüssigkraftstoffen hinausläuft. Schon im mittleren Leistungsbereich wurden bei gasförmigen Kraftstoffen Tankgrößen von mehreren Kubikmetern genannt oder Batteriegewichte im fünfstelligen Bereich aufgerufen. Diese Zahlen zeigen uns deutlich auf, dass Landwirtschaft anders ist und dass die einfachen Konzepte vermutlich nicht greifen werden. Auf der anderen Seite kamen im Rahmen der Veranstaltung aber auch Ansätze zur Sprache, die auf ganz neue Geschäftsmodelle in der Landwirtschaft hinauslaufen könnten.
Kurzum: Mit Technologieoffenheit, Vertrauen in die Innovationskraft der Branche und entsprechenden Anreizen über eine innovative Förderungsstruktur sind nicht nur die Klimaziele des Agrarsektors erreichbar, sondern eventuell auch ein Ausgleich der Treibhausgasemissionen möglich, die zwar in der Landwirtschaft entstehen, aber anderen Sektoren zugeordnet werden. Mit Mikromanagement und einseitigem politischem Druck hingegen kann man solche Chancen bereits in ihrer Entstehungsphase abwürgen – und das wäre sehr schade.
Bis 2030 will Deutschland den Treibhausgasausstoß um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 verringern. Hierzu sieht das Klimaschutzgesetz vor, die jährlichen Emissionen in der Landwirtschaft über mehrere, verbindlich einzuhaltende Zwischenstufen bis 2030 auf 56 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zu reduzieren. Eigentlich wäre dies machbar, da nach aktuellem Stand zum Erreichen dieses Limits nur noch eine Minderung um fünf Prozent nötig ist. Problematisch wird es allerdings dadurch, dass Teile der Emissionen, die von der Landwirtschaft verursacht werden, in der Klimabilanz anderen Sektoren zugeordnet werden, sodass die zu erreichende Emissionsreduktion von Treibhausgasen vermutlich doch noch deutlich höher liegen wird. Ein in der gesellschaftlichen Diskussion vieldiskutierter Ansatzpunkt sind dabei der Antrieb von Fahrzeugen mittels fossiler Brennstoffe. Weg von Benzin und Diesel und hin zu anderen Alternativen wie Elektromobilität lautet hier die Devise, stark getrieben von der im Pkw-Bereich bereits auf vollen Touren laufenden Umstellung, aber auch von vielversprechenden Entwicklungen bei den on-road-Nutzfahrzeugen.
Zweistündige Online-Veranstaltung der DLG
Das Problem in der Landwirtschaft ist vor allem die hohe Leistungsdichte in Traktoren, Feldhäckslern, Mähdreschern und Co., weshalb die gesamte Landtechnik weltweit und bis heute fast ausschließlich auf Dieselmotoren und fossile Kraftstoffe als Antrieb setzt. Jedoch steigert die Politik auch in Deutschland den Druck auf den Agrarsektor in Richtung eines zügigen Umstiegs auf nachhaltigere Alternativen. Unter anderem soll deshalb zukünftig die steuerliche Begünstigung für Agrardiesel entfallen. Vor diesem Hintergrund sind die Hersteller von Landmaschinen stark gefordert, sich mit höchster Intensität mit der Thematik alternativer Antriebe auseinanderzusetzen. Neben der Land- und Forstmaschinenbranche sind auch Branchen wie die Hersteller von Nutzfahrzeugen und Baumaschinen im On- und Offroad-Schwerlastbereich betroffen.
Um den Stand der Dinge zu erfassen und die Potenziale für die nähere, mittlere und ferne Zukunft auszuloten, wurden diese in einer zweistündigen Online-Veranstaltung zwischen Wissenschaftlern, Produktentwicklern von Motoren- und Landtechnikherstellerseite sowie aus Sicht der landwirtschaftlichen Praxis diskutiert. Die Veranstaltung, die am 1. Oktober 2024 stattgefunden hat, wurde vom DLG-Fachzentrum Landwirtschaft in Kooperation mit den DLG-Mitteilungen konzipiert und veranstaltet. Sie richtete sich an Praktikerinnen und Praktiker aus der Landwirtschaft und den Lohnunternehmen, die Aktiven der Maschinenringe sowie an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Organisationen und Verbänden, an Studierende und andere am Thema Interessierte – und erreichte insgesamt über 180 Personen aus der gesamten Agrarbranche und ihrem Umfeld.
Die Begrüßung zur Veranstaltung übernahm DLG-Vizepräsident Prof. Dr. Till Meinel von der TH Köln, der in seinem Impuls die wichtigsten Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsaspekte beschrieb und dazu aufrief, den Weg hin zu einem vermehrten Einsatz alternativer Antriebskonzepte und Kraftstoffe in einem gemeinsamen Dialog zu gestalten. Hierzu gelte es, das Wissen und Können nach dem DLG-Prinzip des runden Tisches zusammenzubringen und die für die Praxis bestmögliche Lösung zu finden.
Die Moderation der Veranstaltung übernahm Prof. Roger Stirnimann von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL (Teil der Berner Fachhochschule BFH), der auch das Technical Committee „Fahrzeugtechnik“ der DLG leitet.
Welche Antriebskonzepte stehen als Alternative zum Diesel zur Verfügung und müssen diskutiert werden? Und welche dieser Konzepte haben überhaupt das Potential und sind geeignet, den Agrardiesel kurz-, mittel- und langfristig zu abzulösen?
Dr. Jens Grube vom KTBL in Darmstadt führte fachlich in das Thema ein und gab zunächst einen Überblick über die politischen Hintergründe, die zur Klimagesetzgebung geführt haben. Er stellte die relevanten alternativen Kraftstoffe für die Landwirtschaft vor und bewertete außerdem den Stand der Entwicklung bezüglich deren Nutzung bzw. Potenziale in verschiedenen landwirtschaftlichen Einsatzszenarien. Er schlug dabei den Bogen von reinen Pflanzenölen über Biodiesel und HVOs bis hin zu CNG und LNG sowie Wasserstoff und elektrischen Strom. Schon an dieser Stelle wurde die Besonderheit von Elektroantrieben deutlich, die einerseits deutlich höhere Wirkungsgrade erzielen, auf der anderen Seite aber aktuell rund das 20-fache des für eine Energiespeicherung nötigen Gewichts nötig machen. Seiner Ansicht nach sind es insbesondere die Leistungsanforderungen aus der Landwirtschaft, die letztlich zu Präferenzen für die verschiedenen Kraftstoffe führen. Hohe Leistungsanforderungen wie Bodenbearbeitung und Ernte sind aktuell nur mit energiedichten flüssigen Kraftstoffen zu erfüllen. Im mittleren Bereich wie beispielsweise der Pflege kommt auch Methan in Frage, während er bei niedrigen Leistungsanforderungen in hofnahen Bereichen durchaus auch eine Elektrifizierung für möglich hält. Auf der Zeitschiene bis ca. 2045 sieht er ein mögliches Szenario für den Ersatz des heute noch vollständigen Einsatzes fossiler Brennstoffe.
Dr. Markus Schwaderlapp von der Deutz AG in Köln nahm sich die Elektrifizierung von Landmaschinen vor und beleuchtete deren Möglichkeiten und Grenzen. Im Gegensatz zum Individualverkehr ist ein Verzicht beziehungsweise der Umstieg auf andere Transportmöglichkeiten wie den ÖPNV in der Landwirtschaft ebenso wenig möglich wie der Umstieg auf eine flächendeckende Elektrifizierung. Er stellte hier Batteriekapaziät und -gewicht eines typischen Elektro-Pkw mit 75 kWh und 500 kg denen eines typischen Traktors gegenüber, der 1.500 kWh benötigen würde, was rund 10.000 kg bedeuten würde. Schwaderlapp erweiterte in seinem Vortrag aber auch den Blick auf den gesamten Off-Highway-Bereich und warnte davor die Energiewende bei der Elektrifizierung als einer Art von „Einheitslösung“ enden zu lassen. Schwaderlapp warb vielmehr für eine Bandbreite maßgeschneiderter Lösungen im Off-Highway-Bereich, um die vielfältigen Lastprofile der verschiedenen Anwendungen und Kundenanforderungen abdecken zu können. Seiner Meinung nach wird es jenseits des elektrischen Stroms auch weiterhin die Notwendigkeit von Kraftstoffen geben.
Auch Dr. Benno Pichlmaier von AGCO/Fendt ging auf die Möglichkeiten und Grenzen elektrischer Antriebe von Landmaschinen ein. Sein Schwerpunkt lag dabei unter anderem bei den Wirkungsgraden verschiedener Systeme und den Schwierigkeiten, die sich bezüglich der Energiespeicherung für einen kompletten Arbeitstag auf dem Feld ergeben. Auch bei AGCO geht man von einem weiten Spektrum und einer zunehmenden Vielfalt verschiedener Antriebstechniken aus, die im unteren Leistungssegment bei batterieelektrischen Antrieben beginnt, sich über Hybridantriebe und eine Anzahl erneuerbarer Kraftstoffe erstreckt und letztlich bei einem Anteil von Dieselfahrzeugen im Hochleistungsbereich enden wird. Zusätzlich zu den schon oben erwähnten Limitierungen bei batterieelektrischen Antrieben führte Pichlmaier aus, dass der Wasserstofftank für einen heutigen Hochleistungstraktor von Fendt ein Volumen von rund 6.500 Litern aufweisen müsste. Dem steht ein Dieseltank von 450 Litern gegenüber. AGCO sieht aber trotzdem hohes Potenzial im Bereich Wasserstoff und führt deshalb auch die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich fort.
Einen Blick über den Tellerrand trug Dr. Bouzid Seba von Liebherr bei, der aus dem Baumaschinensektor berichtete. Auch hier sind robuste und langlebige Antriebslösungen für raue Umgebungsbedingungen gefragt, wobei aktuell Verbrennungsmotoren mit alternativen Kraftstoffen im Mittelpunkt stehen. Auch im Baubereich zeigt sich eine Evolution des Antriebsstrangs, die auf eine Verbreiterung des Technologieangebots hinausläuft. Je nach Lastprofil der verschiedenen Maschinen und Maschinengröße sind verschiedene Alternativen denkbar. Vor diesem Hintergrund kommt einer Tankstrategie zunehmende Bedeutung zu. Intern bewertet Liebherr diese in der Regel danach, wieviel Energie und wieviel Leistung zur Verfügung stehen müssen und wie groß die übliche Entfernung zu einer Tankmöglichkeit ist.
Landwirt Dr. Lars Fliege von der Agrargesellschaft Pfiffelbach richtete den Blick auf den Carbon-Footprint seiner Produktionsprozesse – ohne die ganz praktischen Anforderungen seines 5.000-Hektar-Betriebs außer Acht zu lassen. Er stellte klar, dass gerade in außergewöhnlichen Situationen wie in der Ernte ein Stocken der Verfahrensketten nicht hinnehmbar ist und das über alle Maschinengrößen hinweg. Für einen vollelektrischen Lader am Hof könnte in der Praxis ein Tanken in Arbeitspausen möglich sein, jedoch sind die Mehrkosten eines vollelektrischen Laders gegenüber einem Verbrenner bislang in keinster Weise darstellbar. Einen Kompromiss mit Wechselbatterien würde er im mittleren Leistungsbereich sehen, da hier maximale Einsatzzeiten von 5 Stunden oft nicht überschritten werden. Gerade bei Pflege- oder Düngearbeiten ist der Traktor über den Tag hinweg immer wieder am Hof und könnte tauschen. Gasbetriebene Traktoren sieht er vor allem im Umfeld von Biogasanlagen, insbesondere solchen, die abgeschrieben sind und aus der EEG-Förderung fallen. In Bezug auf übergeordnete Ziele und Hausaufgaben der Branche wurde Fliege in seinen Ausführungen teilweise deutlich. Er kritisierte die Herangehensweise, Emissionen am Auspuff zu messen und forderte die Bewertung der CO2-Bilanz von der Herstellung von Maschine und Treibstoff bis zu deren Recycling. Außerdem forderte er die Landwirtschaft und die Gesellschaft auf, die Produktionsverfahren bezüglich CO2-Vermeidung zu überdenken und nannte hier chemischen Pflanzenschutz, Bandlaufwerke, Verzicht auf die Kreiselegge sowie die Optimierung der Arbeitsgänge selbst. Auch forderte er die Politik auf, finanzielle Anreize zur CO2-Bindung durch die Landwirte zu schaffen. Fliege ist der Meinung, dass Landwirte alternative Kraftstoffe selbst herstellen könnten und sieht hier durchaus ein weiteres Geschäftsfeld. Er mahnte bei der Politik hierzu eine innovative Förderung für die Landwirtschaft an.