Das Research Center of Sensory Sciences and Consumer Behavior des Campus Wieselburg der Fachhochschule Wiener Neustadt hat sich mit der systematischen Ermittlung einer optimalen Stichprobengröße für Nappingstudien mit ungeschulten Prüfpersonen beschäftigt. Ziel ist es, statistisch fundierte und reproduzierbare Ergebnisse zu liefern.
Die sensorische Profilerstellung mit dem Zweck, sensorische Merkmale zu definieren und zu quantifizieren, ist seit langem ein etabliertes und unverzichtbares Instrument für Lebensmittelwissenschaftler. Die zahlreichen Anwendungsfelder umfassen klassische „sensorische“ Aufgaben, wie Produktentwicklung, Produktverbesserung und Qualitätskontrolle, dehnen sich jedoch auch auf die Bereiche Marketing und Verbraucherwissenschaften aus.
Die sensorische Profilerstellung, die mit geschulten Expertenpanels durchgeführt wird, gilt als eine der leistungsstärksten, ausgefeiltesten und am häufigsten verwendeten Werkzeuge in der Sensorik. Aber sie ist auch zeitaufwändig und kostenintensiv. Auf Grund dessen haben sich in den letzten Jahren mehrere alternative Methoden entwickelt, die der industriellen Nachfrage nach schnelleren und kostengünstigeren Lösungen entsprechen. Diese sogenannten Schnellmethoden lassen sich auch auf die Charakterisierung sensorischer Produkte durch ungeschulte Verbraucher bzw. Testpersonen ausdehnen.
Napping als Schnellmethode
Eine dieser Schnellmethoden ist das Napping. Das Ziel dieser Methode ist der sensorische Vergleich einer größeren Probenanzahl und ihrer sensorischen Eigenschaften durch eine relative Anordnung zueinander auf einem Blatt Papier und die Umlegung in ein Koordinatensystem. Ähnliche Proben werden dabei nahe aneinander, unterschiedliche weit voneinander entfernt positioniert. Dabei kann eine Fokussierung auf unterschiedliche Produktmerkmale umgesetzt werden. Aber auch Erweiterungen um Clusterbildungen oder Charakterisierung einzelner Gruppen durch beschreibende Attribute sind möglich. Die genaue Probandenanzahl für Nappingstudien mit Verbrauchern, um statistisch sichere Ergebnisse zu generieren, war bisher noch wenig diskutiert und erforscht. Genau dieser Aspekt ist jedoch wesentlich, um die gewünschte Zeit- und Kosteneffizienz für kleinere und mittlere Unternehmen zu schaffen.
Erdbeerjoghurt als Stimulusmaterial
An der großangelegten Studie beteiligten sich 104 Testpersonen, die in Gruppen von 20 bis 25 Personen am Napping teilnahmen. Für die Durchführung wurde eine Kombination aus „partiellem“ und „sorted“ Napping angewandt, um nicht nur die Positionierungsdaten der einzelnen Proben zu erhalten, sondern auch Aussagen über die jeweils gebildeten Probencluster tätigen zu können.
Als Stimulusmaterial kamen 15 Erdbeerjoghurts zur Anwendung. Die Entscheidung für die Produktgruppe liegt in der Beliebtheit und geringen Aversionsquote der Österreicher und der standardisierten Verfügbarkeit sowie der Möglichkeit, mehrere sensorische Merkmale adäquat untersuchen zu können. Die Darreichung erfolgte in transparenten Kunststoffbechern zu je 20 Gramm bei Raumtemperatur. Die Proben wurden dafür mit vierstelligen Codes versehen.
Die Probanden wurden gebeten, die 15 Proben in drei Durchgängen auf jeweils einem DIN A3-Blatt nach den Merkmalen Aussehen, Geschmack und Textur nach Ähnlichkeit zu positionieren und die jeweiligen Positionen zu markieren. In weiterer Folge sollten die Proben gruppiert und die einzelnen Gruppen mit verbalen Beschreibungen versehen werden.
Optimale Stichprobengröße
Um das Ziel, eine optimale Stichprobengröße für einen wissenschaftlichen Einsatz von Napping benennen zu können, wurden systematisch Zufallsstichproben aus der Gesamtstichprobe gezogen und die jeweiligen Testergebnisse miteinander verglichen. Anhand der Multiplen Faktorenanalyse (MFA) wurden die Gesamtstichprobe sowie alle Teilstichproben der jeweiligen Merkmalseigenschaften analysiert und die Faktoren zweidimensional dargestellt. Über die Procrustes Analyse erfolgte der Vergleich der Koordinaten bzw. Faktoren der jeweiligen Teilstichproben mit der Gesamtstichprobe. Zur Interpretation dieser Konsensindizes bzw. um eine Aussage über mögliche Strukturgleichheiten zwischen den Teilstichproben und der Gesamtstichprobe treffen zu können, wurde der Tucker-Kongruenzkoeffizient herangezogen.
Für die Interpretation des Tucker-Kongruenzkoeffizienten gilt, dass ein Wert von größer gleich 85 % auf eine angemessene Ähnlichkeit der Faktoren zwischen den Gruppen hinweist, ab einem Wert von 95 % kann von virtuell gleichen Faktoren gesprochen werden. Dies bedeutet, dass die Ergebnisse der Teilstichproben einer bestimmten Stichprobengröße und die Ergebnisse der Gesamtstichprobe als annähernd gleich zu betrachten sind. Darüber lässt sich dann eine fundierte Aussage über eine ideale Stichprobengröße für Nappingstudien treffen.
33 untrainierte Pobanden
Für die Ergebnisdarstellung im Diagramm (Position einfügen) wurden die Ergebnisse der Merkmalseigenschaft Textur herangezogen, die als anspruchsvollstes und daher am schwierigsten zu unterscheidendes Merkmal für nicht trainierte Probanden gilt.
Das Diagramm zeigt die Gegenüberstellung der MFA einer Teilstichprobe (n=33) mit der Gesamtstichprobe, wobei die Ergebnisse der MFA der Teilstichprobe mit grünen, jene der Gesamtstichprobe mit blauen Punkten gekennzeichnet ist. Daraus lässt sich erkennen, dass die einzelnen Produkte sehr ähnliche Positionen in den Koordinatensystemen der verglichenen Gruppen einnehmen. Die roten Punkte zeigen die errechneten Übereinstimmungspositionen der verglichenen Gruppen. In der Tabelle sind zudem die Tucker-Werte aller drei gezogenen Stichproben mit 33 Prüfpersonen dargestellt, wobei sich der niedrigste gekennzeichnete Wert von 0,97 auf die Darstellung bezieht. Alle drei Werte weisen dabei auf virtuell identische Faktoren zwischen der MFA der Teilstichprobe und jener der Gesamtstichprobe hin und damit auch auf eine ideale Stichprobengröße für Nappingstudien.
Die gezogenen Stichprobengrößen von 10 und 15 Prüfpersonen erreichen Tuckerwerte unter 85 % und weisen somit auf zu geringe Stichprobengrößen für Nappingstudien hin. Teilstichproben von 20 Prüfpersonen weisen anhand der errechneten Tucker-Kongruenzkoeffizienzwerte in den Merkmalseigenschaften Textur und Geschmack noch angemessene Ähnlichkeiten auf, bei der Eigenschaft Aussehen kann bereits von virtuell identischen Faktoren gesprochen werden. Dies lässt darauf schließen, dass für einfacher zu differenzierende Merkmalseigenschaften sogar eine noch geringere Stichprobengröße (n=20) ausreichend ist.
Benefit für die Praxis
Die gewonnenen Erkenntnisse lieferten eine überschaubare Anzahl von mindestens 20, idealerweise 33 Verbraucher*innen als Prüfpersonen in Nappingstudien, um statistisch fundierte und reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten.
Das Ergebnis der Forschungsarbeit kann direkt in die Praxis umgesetzt werden und ermöglicht Lebensmittelunternehmen wirtschaftliche Vorteile in Form einer Effizienzsteigerung im Bereich der Sensorik durch eine erhebliche Ressourceneinsparung im Vergleich zu bisher gängigen und etablierten sensorischen Prüfmethoden.