Intelligente Vernetzung statt Insellösungen

Projekt DigiFood bündelt Know-how zur digitalen Food Chain

Maschinen und Prozesse entlang der Wertschöpfungskette Agrar & Ernährung intelligent vernetzen: Das ist Ziel des Innovationsprojektes DigiFood, das vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL ) gefördert wird, und an dem auch die DLG beteiligt ist. Mehr Rechtssicherheit und Transparenz, aber auch Know-how-Transfer und die Förderung von Interoperabilität zählen zu den wichtigsten Aufgaben auf dem Feld. Das wurde auf dem Digitalgipfel kürzlich in Frankfurt am Main deutlich. 

Mit einem interaktiven Panel präsentierte sich die Vernetzungs- und Transfermaßnahme DigiFood auf dem Digital-Gipfel in Frankfurt am Main. Am 21. Oktober 2024 fand dort die Veranstaltung „Pitch & Bowl – Innovationen und Interoperabilität als Weichensteller für die Lebensmittelwirtschaft“ statt.
Der Digital-Gipfel als zentrale Plattform der Bundesregierung soll den digitalen Wandel in Deutschland vorantreiben. Dazu werden jährlich Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eingeladen, um interdisziplinär innovative Ansätze zu diskutieren.
 

DigiFood – Netzwerk für Wissenstransfer in der Lebensmittelwirtschaft

Das Projekt DigiFood, das beim jüngsten Gipfel vertreten war, ist ein begleitendes Vernetzungs- und Transfervorhaben zu elf geförderten Innovationsprojekten des BMEL Die DLG ist neben der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg e.V. (FÖL) und agrathaer GmbH Partner in dem Verbundprojekt. Die Projekte unter dem Dach von DigiFood zielen auf eine intelligente Vernetzung von Maschinen und Prozessen in der Lebensmittelwirtschaft ab. 

Zu den Innovationsprojekten, die im Rahmen von DigiFood vernetzt werden, zählen unter anderem Vorhaben zur autonomen und situationsbezogenen Tankreinigung in der Lebensmittelwirtschaft, Lösungen zur Bewertung von Frische und Qualität der Lebensmittel in der Wertschöpfungskette Obst, Gemüse und Fisch oder Technologien zur intelligenten und durchgängig digitalen Kaffeeröstung. 

Fahnen des Digitalgipfels vor Gebäuden.
Die Fahnen des Digital-Gipfels wehten im Oktober 2024 in Frankfurt. Foto: DLG
Bühne auf Veranstaltung mit Bundeskanzler Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz rät zu Digitalisierung nach der Devise: "Mehr selbst machen, als machen lassen." Foto: DLG

Austausch der Stakeholder im Fokus

Im Rahmen des DigiFood-Programms zur Innovationsförderung vernetzten sich die Forschenden mittels regelmäßiger Treffen untereinander und auf DLG-Events auch mit der Branche. Die Herausforderung der Interoperabilität der digitalen Tools ist bei diesen Treffen sowie auch neulich auf dem Digitalgipfel stets ein wichtiges Thema. Denn die Fähigkeit von Informationssystemen, sich Daten untereinander zugänglich zu machen, ist für alle Stakeholder entlang der Food Supply Chain hoch relevant. 

Generell wird durch den Austausch der Beteiligten an den verschiedenen Projekten, zum Beispiel auf Branchen-Messen wie der Anuga FoodTec oder der DLG-Food Industry, die Lebensmittelwirtschaft dabei unterstützt, die Chancen der digitalen Transformation zu nutzen und sinnvoll zu etablieren. 
 

Von Cybersecurity bis hin zu Interoperabilität 

Auf dem Digital-Gipfel kürzlich in Frankfurt stellte der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, in seiner Eröffnungsrede den Ansatz „digital only“ vor. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärte das diesjährige Motto „Deutschland Digital – Innovativ. Souverän. International“. Darauf folgten Panels und interaktive Formate zu Themen wie Cybersecurity, der Start-up Branche sowie Investitionsklima, digitalen Tools und Interoperabilität.
Hohe Aufmerksamkeit erzielte die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz, der den Satz prägte: „Mehr selbst machen, als machen lassen“. In der anschließenden Paneldiskussion mit Dr. Ralf Wintergest, Präsident des Digitalverbandes Bitkom, und Marietje Schaake, Fellow Stanford Cyber Policy Center & Fellow Institute for Human-Centered Artificial Intelligence, riet Scholz, den Pfad der Datensparsamkeit zu verlassen und ermunterte die Ministerien, sich in ihren Bereichen digital auszutesten.
 

„Einkaufsliste“ für den Kanzler

Dr. Ralf Wintergest stellte fest, dass das größte Hemmnis für Unternehmen fehlende Rechtssicherheit sei und zu wenig in Digitalisierung investiert werde. Er bot Scholz eine „Einkaufsliste“ an, was es für den Standort Deutschland brauche, um für die Digitalisierung gewappnet zu sein. Marietje Schaake wiederum plädierte für den Bürokratieabbau und forderte mehr Transparenz in Verwaltung, Politik und bei Unternehmen.
Transparenz und Vertrauen wurde auch im Rahmen der Pitch & Bowl-Veranstaltung zum Thema „Interoperabilität“ gefordert. Der Begriff bezieht sich auf die Funktion von Informationssystemen, Daten auszutauschen und die Weitergabe von Informationen zu ermöglichen.
 

Gesprächsrunde in Workshop-Situation bei Digitalgipfel 2024.
In Diskussionsrunden tauschten sich die Teilnehmer beim Digitalgipfel über Datenqualität, Cybersecurity und Transparenz in digitalen Prozessen aus. Foto: DLG

Nach einem Keynote-Vortrag von Dr. Matthias Nachtmann, Vorsitzender Friends of Digital Farming, BASF Agricultural Solutions, zum Thema „Digitalisierung in der gesamten Wertschöpfungskette – geht das?“, stellte sich das Verbundprojekt DigiFood mit ausgewählten Pitches zu den geförderten Forschungsprojekten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vor. 
 

Kompatible und qualitativ hochwertige Daten gefragt

In einer anschließenden Gesprächsrunde, moderiert von Prof. Dr. Katharina Riehn, DLG-Vizepräsidentin und Mitglied im DLG-Vorstand, zum Thema Interoperabilität im land- und ernährungswirtschaftlichen Kontext standen Themen wie die Qualität und Kompatibilität von Daten im Fokus.
Prof. Dr. Birgit Vogel-Heuser, Technische Universität München, sprach die Datenqualität an. Bei Verzahnung von Prozessen komme es auf die Daten an. Oft seien die echten Daten aber schlecht.

Prof. Dr. Engel Friederike Arkenau, Digitalisierungsbeauftragte im BMEL, sprach sich gegen Insellösungen aus. Die Landwirtschaft sei da Vorreiter. Wichtig sei, Systeme anbieterübergreifend kompatibel zu machen, um Daten auszulesen, auszutauschen und sinnvoll Prozesse steuern zu können.
Frank Walser, Chief Transformation Officer, Market Leader Food & Beverages, South Europe, brachte den Schulungsaspekt mit ein in die Diskussion. Entlang der Wertschöpfungskette müsse geschult und Digitalisierung verstanden werden – von der Milchkanne bis zur Milchtüte.
 

Standards notwendig, aber schwer zu vereinbaren

Prof. Dr. Martin Leucker, Direktor Institut für Softwaretechnik und Programmiersprachen, Universität zu Lübeck sprach die Herausforderung der Standardisierung an. Standards seien zwar notwendig, sich aber auf einen zu einigen, sei schwierig. Man ende wahrscheinlich bei drei bis vier Standards und habe damit wieder keinen Standard. Er hält es für notwendig die Standardisierung politisch vorzugeben.

Dr. Klemens van Betteray, Vizepräsident CSB-System SE, betonte, dass dies ein langer Prozess sei. Bis dahin müsse es für bestimmte Maschinengruppen des Mittelstands standardisierte Zwischenlösungen geben. 

Prof. Dr. Engel Friederike Arkenau setzte Hoffnung in den Data Act, um in Echtzeit Maschinendaten lesbar zu machen. Über Verträge solle dann geregelt sein, wer die Daten bekommen darf. 

Interessant war auch der psychologische Blick durch Prof. Dr. Britta Renner, Co-Vorsitzende der Plattform 8, BMEL; und Professorin für Psychologische Diagnostik und Gesundheitspsychologie, Universität Konstanz. KI sei nicht die Lösung für alles. Wichtig sei das Wissen und das Verständnis der Menschen um digitale Prozesse. Der Ansatz müsse interdisziplinär sein und auf Vertrauen aufbauen sowie Menschen begeistern.
 

Publikum auf dem “Hot Seat”

Im Fischbowl-Format konnte sich auch das Publikum über einen „Hot Seat“, einen freien Stuhl, in die Runde setzen und mitdiskutieren. Durch die Einbindung des Publikums wurden folgende Fragestellungen in die Debatte eingebracht: Wer könnte die Interessensvertretung für die Setzung der Standards übernehmen? Um welche Schnittstellen geht es konkret? Oder auch die Frage, welche Daten für welche Zwecke genutzt werden sollen. 

Die Gesprächsrunde war sich einig, dass in der digitalen Transformation der Food Supply Chain große Potentiale liegen. Eine Idee, um die Forderung nach Standards zu kanalisieren und den Austausch zu fordern, seien Vereine. 

Die Moderatorin Anita Beblek, Geschäftsführung agrathaer schloß die Veranstaltung mit der Idee der „cross-fertilization“: Der Faktor Mensch, die Ideen und der Austausch seien elementar, um Lösungsstrategien zu entwickeln.

Text: Judith Neuhaus, DLG-Fachzentrum Landwirtschaft und Lebensmittel

Zum Thema

Forschung

Eröffnung des Bühler Grain Innovation Center in Uzwil (CH)

Die gesamte Wertschöpfungskette optimieren