Schalen von Erbsen oder Ackerbohnen, Soja-Okara und Ölpresskuchen haben zweierlei gemeinsam: Sie fallen als bisher lebensmitteltechnisch kaum genutzte Nebenströme an und stellen doch eine gute Ballaststoffquelle dar. Die Herausforderungen liegen darin, die Rohstoffe zu charakterisieren und zu standardisieren, die Sensorik zu optimieren und Prozessabläufe anzupassen.
Reformulierung ermöglicht problemlosen Einsatz
An der TU Berlin forschten Wissenschaftler an der Entwicklung mechanisch-enzymatischer Verfahren, um niedrigviskose Ballaststoffkonzentrate herzustellen. Als Rohstoff dienten Erbsenschalen, wie sie bei der Stärkeherstellung in hohen Mengen anfallen. Diese punkten mit einem hohen Faserstoffstoffanteil, doch wären die Molekülstrukturen ohne eine Reformulierung nur eingeschränkt in Lebensmitteln einsetzbar. Daher wurden Mischungen mit spaltenden Enzymen entwickelt, um die Fasern partiell abzubauen und so die Viskosität zu verringern. Um die Partikelgröße zu verringern, schloss sich eine mechanische Behandlung in Form einer Mikrofluidisierung oder einer Hochdruckbehandlung an. Dabei zeigte sich, dass sich durch einen erhöhten Cellulase-Anteil stabile niedrigviskose beziehungsweise viskoelastische Suspensionen gewinnen lassen. Ein Vergleich verschiedener Trocknungsverfahren der behandelten Erbsenfasern zeigte, dass mit einer Vakuumtrocknung Faserprodukte erzielt werden konnten, deren Wasserbindekapazität mit üblichen Ballaststoff-Zutaten wie etwa Citrusfasern vergleichbar ist. Außerdem konnten Saponine und andere Sekundärmetaboliten abgetrennt werden. Auf diese Weise könnten die gewonnenen Ballaststoffkonzentrate sogar in solchen Mengen sowohl in festen als auch gelartigen bzw. flüssigen Lebensmitteln eingebracht werden, sodass diese als Ballaststoffquelle oder reich an Ballaststoffen ausgelobt werden dürften – ohne eine Veränderung der Produkteigenschaften. (BMWK, AiF, 21616N 2021-2024)
Mehr Biss in Fleischersatzprodukten
In einem anderen, kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt ebenfalls an der TU Berlin standen Ölpresskuchen im Mittelpunkt, in diesem Fall zur möglichen Anreicherung von bzw. Alternative zu Proteinisolaten für die Herstellung von texturierten Fleischersatzprodukten. Zu den Vorteilen gehören die geringere Verarbeitung und damit kostengünstigere Beschaffung sowie das vielseitige Nährstoffprofil. Eine Analyse der Zusammensetzung von Presskuchen aus Raps-, Kürbis- und Sonnenblumenkernen, Mandeln, Lein, Weizenkeimen und Kokosnüssen ergab Ballaststoffgehalte zwischen 13 und 43 %. Mit Ausnahme von Lein handelte es sich überwiegend um unlösliche Ballaststoffe.
Anschließende Einsatzversuche mit Mischungen aus üblichem Erbsenproteinisolat sprachen dafür, dass die Größe der Partikel eine wichtige Rolle spielt. So würden größere Fasern nur unvollständig in die Struktur integriert und müssten nach dem Extrudieren gegebenenfalls abgetrennt werden. Bei sehr kleinen Partikeln wiederum käme es leicht zu Störstellen im Proteingerüst. Eine Rolle spielten auch die Mengen. So kam es bei Zusätzen von bis zu zehn Prozent durch eine geringere Expansion der Extrudate meist zu einer verbesserten Struktur als üblich. Generell würden die alternativen Texturate weniger schwammartig. (AiF 21340)
Sensorisch neutrale Ballaststoffe aus Nebenströmen der Leguminosenverarbeitung
Legu.Fiber nennt sich ein genauso aktuelles Projekt, an dem Wissenschaftler vom Fraunhofer IVV Freising arbeiten. In diesem Fall standen neben Leguminosenschalen alternativ Extrusionsrückstände und Okara aus Soja, Ackerbohne und Erbse im Fokus. Zur Entwicklung lagerfähiger und ballaststoffreicher Zutaten aus den feuchten Nebenströmen wurden verschiedene Verfahren zur mikrobiologischen Stabilisierung inklusive einer Trocknung untersucht. Als vielversprechend erwiesen sich die Band- und Vakuumwalzentrocknung, wobei durch letztere auch bei diesem Projekt Ballaststoff-Präparate mit mindestens ähnlichen Funktionalitäten wie beim Benchmark Citrusfaser hergestellt werden konnten. Okara zeigte sogar eine höhere Wasserbindung und Viskosität. Nicht zu vernachlässigen der Preisvergleich: Der Marktpreis funktioneller Ballaststoffe wie Citrusfaser liegt ca. 4-fach höher als der anderer Ballaststoffzutaten. Eine optimierte Verarbeitung zur Verbesserung der Funktionalität könnte daher zu einer Wertsteigerung führen.
Erbsenschalen und Soja-Okara wählte das Team dann auch repräsentativ für weitere Forschungsschritte aus, wobei die Anwendung in Backwaren und Füllungen, veganen Würsten und Wurstwaren parallel bei den assoziierten Industriepartnern untersucht wurde. Unter anderem führte eine Zugabe bei backstabilen Füllungen zu einer besseren Funktionalität, etwa in Form einer verringerten Synäreseneigung. Sensorisch wurde Okara (bis 2 %) hier neutral, in Kuchen dagegen positiv bewertet. Ballaststoffe aus Erbsenschalen wiesen dagegen einen leicht unangenehmen Geschmack auf, der sich jedoch durch geschmacksgebende Stoffe überdecken lassen würde. Limitiert wurden die Einsatzmengen jedoch wegen eines rauen Mundgefühls und Farbänderungen, sodass die akzeptablen Einsatzmengen der Schalenpräparate zwischen 0,5 und 1 Prozent liegen dürften. In feinen Backwaren wie Kuchen wären dagegen höhere Zusätze möglich – bei höheren Konzentrationen im Endprodukt (z. B. 25 % Mehlersatz durch Okara) mit Healthclaim. Dank der gesundheitlichen Vorteile durch einen Zusatz der Leguminosenballaststoffe könnten insofern gezielt gesundheitsbewusste Verbraucher angesprochen werden.
Darmgesunder Multifibre-Komplex mit guter Verarbeitbarkeit
Von den Partnerunternehmen der Projekte, ob Ölmühlen, Hersteller oder Rohstofflieferanten, zeigen sich viele interessiert an einer realen Umsetzung. GoodMills Innovation hat schon unabhängig davon ein vielversprechendes Produkt für einen höheren Ballaststoffgehalt auf den Markt gebracht: Snow Prebiotic Fibres. Dabei handelt es sich um eine gezielt ausgewählte Kombination aus sieben präbiotischen Ballaststoffen von fermentierten Weizenkeimen bis zu Akazienfasern, die unterschiedliche Funktionalitäten aufweisen. Die Stoffe zeichnen sich durch eine hohe Spezifität aus, was eine vitale, vielfältige Darmflora fördert. Zugleich überzeuge der Multifibre-Komplex durch eine gute Sensorik inklusive heller Farbe, ergänzt GoodMills Innovation. Praktischerweise lasse sich das Präparat weitgehend analog zu bestehenden Rezepten verarbeiten, eventuell mit einer leichten veränderten Knetzeit. Damit hergestellte Backwaren würden mit einem milden Geschmack und kurzem Biss punkten, wobei das Zusammenspiel aus löslichen und unlöslichen Fasern den Feuchtigkeitsgehalt im Gebäck optimal reguliere und die Stärkeretrogradation bremse. Um eine Backware als ballaststoffreich ausloben zu können, kann die Menge dank des hohen Ballaststoffgehalts gering gehalten werden. Damit blieben die Mehrkosten in einem überschaubaren Bereich – zumal die gesundheitlichen Vorteile den Mehrpreis lohnten. (bp)