„Dafür gibt es keine Patentlösung“

Berater Rudolf Spellerberg zur Hofübergabe als individuelle Herausforderung

Seit mehr als 30 Jahren steht Rudolf Spellerberg Landwirten in betriebswirtschaftlich anspruchsvollen Situationen zur Seite. Im Interview gibt der Sozioökonomische Berater bei der LUB NRW GmbH Einblick darein, wie der Generationenwechsel sowohl wirtschaftlich als auch familiär zum Erfolg wird. Auf der DLG-Wintertagung 2025 am 19. Februar in Münster spricht er zum Thema im Impulsforum des Arbeitskreises Junge DLG  „Die wichtigste Verantwortung im Familien-Unternehmen: Den Betrieb erfolgreich in die nächste Generation überführen“.
 

DLG-Newsroom: Was ist bei der Hofübergabe aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu beachten?

Rudolf Spellerberg: Dabei geht es im Wesentlichen um drei Punkte: Zum einen die Klärung der Ansprüche weichender Erben, zum anderen die Absicherung der Übergeber/Altenteiler im Hinblick auf die finanzielle Versorgung, Rentenansprüche und Baraltenteil. Weiteres Thema dabei ist das Wohnrecht der Übergeber; hierbei sind auch die laufenden Kosten für Energie, Wasser et cetera zu beachten. Der dritte Punkt ist die Ausgestaltung der Nachabfindungspflicht bei Übergaben im Rahmen der Höfeordnung. Wichtig ist es, Transparenz über die finanzielle Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Übergabe zu schaffen. Denn: Jeder Betrieb ist unterschiedlich. 

Was müssen die Familien im Generationenwechsel in Sachen Steuerrecht auf der Agenda haben?

Das kommt drauf an: Die Übertragung von Betriebsvermögen ist erstmal steuerfrei, nur das Privatvermögen ist oberhalb der Freibeträge steuerpflichtig. Bestehen Beteiligungen an beispielsweise Biogas-Anlagen oder Tierhaltungsgesellschaften, muss bezüglich der steuerrechtlichen Ausformulierungen genauer hingeschaut werden. Ziel sollte in der Regel sein, dass der komplette Betrieb mit all seinen Gesellschaftsanteilen an die junge Generation übergeht. 

Wie sieht es bei den erbrechtlichen Aspekten aus?

Hier wird der Prozess anspruchsvoller, da es in den meisten Fällen zu Diskussionen in der Familie über eine „gerechte“ Abfindung aller Kinder kommt. Aber eine 100-prozentig gerechte Abfindung - in Finanzwerten gesprochen - kann man nur dann gewährleisten, wenn man den landwirtschaftlichen Betrieb und alle angeschlossenen Beteiligungen und Gesellschaften komplett zu Geld macht und die erlöste Summe durch die Anzahl der Kinder teilt. 

Was ja nicht unbedingt zielführend ist…

Richtig. Und deshalb muss jede Familie für sich eine Definition erarbeiten, was gerecht ist, um weichende Erben adäquat abzufinden. Diese Definition sollte einvernehmlich erarbeitet werden, um den Familienfrieden zu wahren. Das gelingt nicht immer: Wenn einer der weichenden Erben gründlich auf Krawall gebürstet ist, geht das auch schon einmal schief. 
 

Wenn einer der weichenden Erben auf Krawall gebürstet ist, geht das auch schon einmal schief. 

Portrait von Berater Rudolf Spellerberg.
Rudolf Spellerberg, LUB NRW GmbH, berät landwirtschaftliche Familien seit rund 30 Jahren in betriebswirtschaftlich anspruchsvollen Fragen wie der Hofübergabe. Foto: LUB NRW GmbH

 

Rudolf Spellerberg, LUB NRW GmbH 

Begleiter in betriebswirtschaftlichen Fragen

Rudolf Spellerberg blickt auf mehr als 30 Jahre Erfahrung in der landwirtschaftlichen Beratung zurück, davon seit rund 25 Jahren in der Soziökonomischen Beratung bei der LUB NRW GmbH, einem 100-prozentigen Tochterunternehmen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Zu den Aufgaben des Agraringenieurs zählt die Beratung in betriebswirtschaftlichen Krisensituationen, im Gesellschaftsrecht, bei Umfirmierungen von landwirtschaftlichen Unternehmen sowie bei der Hofübergabe bzw. -übernahme. Auf der DLG-Wintertagung 2025 am 18. und 19. Februar in Münster diskutiert Rudolf Spellerberg mit im Impulsforum des DLG-Arbeitskreises Junge DLG zum Thema „Die wichtigste Verantwortung im Familien-Unternehmen: Den Betrieb erfolgreich in die nächste Generation überführen.“
 

 Hören Sie Bertram von Czettritz auch 
in unserem Podcast zum Thema Generationenwechsel im landwirtschaftlichen Betrieb.
 

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Wie erleben Sie das: Ist die gerechte Aufteilung des Erbes bzw. die Abfindung der weichenden Erben im Hofübergabe-Prozess ein großes Konfliktthema?

Grundsätzlich gibt es meiner Einschätzung nach in der Gesellschaft kein Thema, über das so viel gestritten wird, wie über das Erben. Da bildet die Landwirtschaft leider keine Ausnahme. 

Was empfehlen Sie in dem Zusammenhang landwirtschaftlichen Familien?

Wichtig ist, dass Kinder und Eltern frühzeitig über das Thema der Hofübergabe ins Gespräch kommen und die verschiedenen Ansprüche reflektieren. Die Kinder, die den Hof übernehmen, tragen ja auch eine besondere Fürsorge für die Altenteiler. Das ist allein in Geld nicht zu fassen. Früher gab es den Passus „Pflege in guten und kranken Tagen“ in den Übernahmeverträgen. Der Übernehmer war also vollumfänglich zuständig. Das ist bei der heutigen Lebenserwartung und den mit der Pflege verbundenen Kosten nicht mehr möglich. Zur Pflege wird heute nach Möglichkeit keine Verpflichtung an die übernehmende Generation vereinbart.

Wie wird diese Aufgabe stattdessen geregelt?

Es ist eine rein moralische Verpflichtung – und das funktioniert bei den meisten Familien auch gut. Juristisch bleiben alle Kinder in der Verpflichtung gegenüber ihren Eltern.

Die Kinder, die den Hof übernehmen, tragen ja auch eine besondere Verantwortung für die Altenteiler. 
 

 

Inwiefern verändert der Strukturwandel in der Landwirtschaft die Dynamik der Übergabe-Prozesse?

Jedes Jahr sind in Deutschland 2 bis 3 Prozent Betriebsaufgaben zu verzeichnen. In Summe steigt dadurch die Anzahl der Hofübergaben, in denen kein aktiver Landwirt aus der Familie als nachfolgender Betriebsleiter den Hof übernimmt, sondern die Kinder übernehmen das Vermögen – die Flächen sind oftmals verpachtet. In der Regel haben dann alle Kinder eine Ausbildung außerhalb der Landwirtschaft absolviert. Der elterliche Betrieb wird nicht zur Erwirtschaftung des eigenen Lebensunterhalts benötigt. In solchen Konstellationen ist nicht selten zu beobachten, dass der scheidende Betriebsleiter die proaktive Auseinandersetzung mit dem Thema scheut. In der Konsequenz kommt es dann im Erbfall zu einer Eigentümergesellschaft der Erben. 

Warum scheut er die Auseinandersetzung?

Nun, nehmen wir einmal an, das Unternehmerehepaar hat drei Kinder und alle haben außerlandwirtschaftliche Berufe ergriffen, sind also alle im Erbfall in derselben Situation. Dann soll in der Generationenfolge nur einer den Hof mit 70 Hektar erben und verpachten können - und die anderen beiden erhalten eine Abfindung in Form einer Geldzahlung. Das führt häufig zu Auseinandersetzungen, weil die Abfindung in Relation zu Pachteinnahmen und dem Wert der Immobilie gesehen wird. Bei der aktiven Hofübernahme wird die Immobilie als „Leihgabe“ für eine Generation gesehen und nur der erwirtschaftete Zins steht in Relation zur Abfindung der weichenden Erben. Emotional möchte der Übergeber das Vermögen zusammenhalten. Die anstrengende Diskussion darüber wird manchmal gemieden.

Wie können Betriebe, die sich in solch einer Konstellation befinden, damit umgehen?

Dafür gibt es keine Patentlösung, das kommt auf die betriebsindividuelle und die jeweilige familiäre Situation an. Ein wichtiger Faktor ist sicherlich, ob eines der Kinder auf dem Hof leben wird. Des Weiteren ist es eine Frage der finanziellen Möglichkeiten, der Frage anderweitiger Vermögenswerte, zum Beispiel Mietshäuser, die vorhanden sind. Gegebenenfalls ist die Gründung einer Eigentümergesellschaft dann auch der gewünschte Weg, unter Umständen mit einer geplanten Realteilung im zweiten Schritt. 

Das Wichtigste ist, dass die Familie sich möglichst einvernehmlich auf eine Perspektive für den Betrieb nach dem Generationenwechsel verständigt. 
 

Was bedeutet das für die Strukturen in der Landwirtschaft, wenn mehr und mehr Betriebe auslaufen?

In den ostdeutschen Bundesländern gibt es aus der Historie heraus Eigentümer bzw. Eigentümergenerationen, die in den 1960er Jahren zunächst enteignet wurden und heute keinen Bezug mehr zu ihren Flächen haben. Die Flächen sind reine Kapitalanlagen – ein Verkauf wurde oder wird oft angestrebt. Diese Entwicklung wird im Laufe der Zeit auch in den westdeutschen Bundesländern zunehmen. 

Was nicht zwangsläufig schlecht sein muss…

Das kommt auf die Perspektive an: Bei denjenigen, die für den Erhalt einer bäuerlichen Landwirtschaft eintreten, sind branchenferne Investoren, die die hohen Immobilienpreise zahlen, nicht sonderlich beliebt. Aber letztlich kommt es auch da darauf an, wie die Investoren zur Landwirtschaft und zum Umfeld der betroffenen Bevölkerung stehen. 

Wenn Sie abschließend einen Rat für den gelungenen Generationenwechsel formulieren sollen: wie würde der lauten?

Das Wichtigste ist, dass die Familie sich möglichst einvernehmlich auf eine Perspektive für den Betrieb nach dem Generationenwechsel verständigt. Ist das erfolgt, lassen sich die steuerrechtlichen und juristischen Rahmenbedingungen zur Umsetzung des Gewollten in der Regel passend gestalten. 

Interview: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom
 

DLG-Wintertagung 2025

Die DLG-Wintertagung 2025, die am 18. und 19. Februar im Messe & Congress Centrum Halle Münsterland in Münster stattfindet, steht unter dem Leitthema „Produktivität reloaded - Erträge wieder gefragt?“. Dabei steht die Fragestellung im Mittelpunkt, wie die Landwirtschaft in eine neue Phase überführt werden kann, die Fortschritt und Nachhaltigkeit bestmöglich miteinander vereint. In insgesamt 18 Impulsforen der DLG-Ausschüsse und Arbeitskreise aus den unterschiedlichen Bereichen der Landwirtschaft werden Fragestellungen unter anderem rund um erneuerbare Energien, die „Proteinrevolution auf dem Acker“, Erfahrungen und Lehren aus der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Hessen sowie die Gräserbekämpfung ohne Flufenacet betrachtet. 

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