Gastkommentar von Bernhard Krüsken, Generalsekretär Deutscher Bauernverband (DBV) 

Nachhaltige Parallelwelten? 

Nachhaltiger Produktivitätsfortschritt ist das Leitmotiv auf den DLG-Unternehmertagen 2025 am 2. und 3. September 2025 in Erfurt. In seinem Gastkommentar betrachtet Bernhard Krüsken, Generalsekretär beim Deutschen Bauernverband (DBV), die vielfältige Anwendung des Begriffs Nachhaltigkeit. Für den Autor ist die DLG mit ihrem Begriff der Nachhaltigen Produktivitätssteigerung auf der richtigen Spur.

Bernhard Krüsken, Generalsekretär Deutscher Bauernverband (DBV). Foto: DBV

Wechsel in der Geschäftsführung

Bernhard Krüsken scheidet im September 2025 als Generalsekretär aus der Geschäftsführung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) aus. Das Amt hatte er zwölf Jahre lang inne. Stefanie Sabet wird zum 1. September 2025 die neue Generalsekretärin. Die Diplom-Volkswirtin gehörte seit 2017 der Geschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie an. Zudem leitete sie seit 2018 die Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss.

Landwirtschaft, Agribusiness und Ernährungsindustrie sind Bühne für vielfältige und häufig widerstreitende Interessen und Positionen. Bei einem Punkt besteht aber scheinbar große Einigkeit: Nachhaltigkeit schreiben sich alle auf die Fahnen, je mehr, desto besser – aber natürlich jeder auf seine Weise. Begriffliche Inflationierung und Beliebigkeit sind trotz deutlicher methodischer Fortschritte bei Indikatoren und Bewertungssystemen immer noch Teil der Diskussion über Nachhaltigkeit. Ein Blick in die Welt der Unternehmenskommunikation zeigt die Größe der Versuchung, dieses Thema vorrangig von der Seite des Marketings und der Imagearbeit anzugehen. Mit dem Nachhaltigkeitsmanager ist ein neues Berufsbild entstanden, angetrieben von diffusen und halb regulatorisch vorgegebenen Berichtspflichten, denen Unternehmen, Banken und Versicherer genügen sollen. 

Wenn Nachhaltigkeitsberichte ein Mehrfaches des Umfangs eines Konzern- oder Unternehmenslageberichts einnehmen, können schon mal Zweifel an der Gewichtung der klassischen drei Säulen von Nachhaltigkeit aufkommen. In Teilen der Lebensmittelkette entsteht der Eindruck, das Nachhaltigkeitsmanagement hält vorrangig die bunte Welt der relevanten und weniger relevanten Aktivisten bei Laune und konfrontiert die vorgelagerten Stufen mit wenig sinnhaften Maximalforderungen, um die sich wiederum der Einkauf nicht schert. Vielleicht weil dieser im europäischen Ausland sitzt, lieber günstig einkauft und mehr damit beschäftigt ist, kartellrechtliche Grauzonen auszuloten? Jedenfalls lassen die handwerklich mehr als schlecht formulierten Regeln rund um Taxonomie, die Richtlinie über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten für Unternehmen (CSDD) und die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) eine Parallelwelt von Zertifizierern, Beratern, Wirtschaftsprüfern und Nachhaltigkeitsbeauftragten entstehen, die nicht im Sinne des ursprünglichen Regelungsziels sein kann.

Bei einem Punkt besteht aber scheinbar große Einigkeit: Nachhaltigkeit schreiben sich alle auf die Fahnen, je mehr, desto besser – aber natürlich jeder auf seine Weise.

Auf der anderen Seite stehen unbestreitbare Herausforderungen in Sachen Klima- und Ressourceneffizienz, Umwelt- und Naturschutz. Über den Umfang des Notwendigen lässt sich im Detail trefflich streiten, aber nicht über das Grundsätzliche. Jeder in der Kette ist gefordert, Ausreden gelten nicht (übrigens auch nicht die Ausrede, dass man ja eine Nachhaltigkeitsabteilung hat). Zunächst einmal braucht es in dieser Situation nichts mehr als verlässlich nachvollziehbare, einfache, pragmatische und branchenweit anerkannte Bewertungssysteme, die auf fachlich sinnvollen, ebenso einfachen mess- und auditierbaren Kriterien aufsetzen und mit einheitlichen Systemgrenzen arbeiten. Solche Systeme sollten idealerweise auch außerhalb der oben genannten Parallelwelt anwendbar sein. 

Das 13. Bewertungstool für den Klimafußabdruck und die Nachhaltigkeitsmessung bringt keinerlei Mehrwert für irgendeinen Akteur in der Kette – den jeweiligen Anbieter ausgenommen. Messungen und Nachhaltigkeitsberichte dürfen nicht zum Selbstzweck werden. Am Ende zählen konkrete Maßnahmen. Um die beiden Welten zusammenzubringen, ist noch etwas Grundlegendes erforderlich: Ziele in Sachen Nachhaltigkeit – und sogenannte gesellschaftliche Anforderungen kann man hier mit einbeziehen – müssen mit klassischen Effizienzkriterien angegangen und umgesetzt werden. 

Dazu gehört auch der richtige Umgang mit Zielkonflikten und ein ehrlicher Umgang mit Mehrkosten innerhalb der Kette. Die DLG ist hier mit Ihrem Begriff der „Nachhaltigen Produktivitätssteigerung“ auf der richtigen Spur. Wir sollten die Nachhaltigkeit nicht der Parallelwelt überlassen, sonst kommen wir nicht wirklich weiter.

 

 

 

 

Die DLG ist hier mit Ihrem Begriff der „Nachhaltigen Produktivitätssteigerung“ auf der richtigen Spur. 

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