Netzwerk Zukunft – powered by Junge DLG

Betriebsübernahme: Mut gehört dazu

Unter dem Motto „Leinen los! Auf Erfolgskurs in deine berufliche Zukunft!“ steht in diesem Jahr das Networking-Event für die Agrar- und Ernährungsindustrie, Netzwerk Zukunft – powered by Junge DLG. Die Keynote hält Vanessa Gosch, Geschäftsführerin der Althaus Gosch GmbH, einem Hersteller von Rohrschellen und Kabelschellen. Wir konnten die 32-jährige Unternehmenslenkerin vorab für ein Interview gewinnen, in dem sie uns zur Übernahme ihres Lehrbetriebs außerhalb der „Agrar-Bubble“ mit allen Herausforderungen Rede und Antwort steht.
 

Du bist überraschend sehr früh Geschäftsführerin und sogar Inhaberin eines mittelständischen Traditionsunternehmens geworden. Was waren rückblickend die größten Learnings und welche Herausforderungen musstest Du meistern? 

Vanessa Gosch: Rückblickend und auch gegenwärtig ist und bleibt wohl meine größte Herausforderung die Führung der Mitarbeiter. Ich habe 2013 als Auszubildende im Betrieb angefangen, habe anschließend dort weiter gearbeitet und habe dann aufgrund des plötzlichen Todes meines Lehrchefs ziemlich schnell die Führung übernehmen müssen. Besonders die alteingesessenen Mitarbeiter haben mich spüren lassen, dass sie mich als Inhaberin bzw. Geschäftsführerin nicht sofort respektiert haben. Mittlerweile habe ich aber einen guten Weg im Umgang mit meinen Mitarbeitern gefunden. Bevor ich den Betrieb übernommen habe, lief vieles innerhalb des Teams nicht so gut und es herrschte insgesamt eine angespannte Stimmung. Ich habe viel ins Teambuilding investiert, sodass jetzt echte Zusammenarbeit existiert.

Das waren die unternehmerischen Learnings – welche persönlichen Lehren hast Du aus dieser Zeit gezogen?

Mein wichtigstes persönliches Learning war, wieder mehr an mich zu denken: Durch den Sprung ins kalte Wasser bei der Firmenübernahme habe ich all meine Energie und mein ganzes Herzblut in die Firma gesteckt, auch finanziell habe ich viel investiert. Ende 2024 bekam ich dann die gesundheitliche Quittung in Form der zeitweisen Erblindung auf einem Auge. Inzwischen habe ich mehrere Klinikaufenthalte hinter mir. Leider konnte bis heute nicht zuverlässig diagnostiziert werden, mit welcher Krankheit ich es konkret zu tun habe. 

Ich habe mich selbst und meine Bedürfnisse komplett zurückgestellt und bin weit über meine Grenzen gegangen. In einem gewissen Rahmen ist das sicherlich normal, wenn man eine Firma aufbauen möchte, aber ich habe eine Nummer übertrieben. Seit meiner Diagnose bin ich sehr zurückhaltend geworden, was das betriebliche angeht. Zu Anfang dieses Jahres habe ich wieder Vollzeit und mit vollem Einsatz gearbeitet, bis zu einem erneuten, gesundheitlichen Rückschlag. Jetzt nehme ich mir Zeit für mich. Inzwischen habe ich ein tolles Team aufgebaut, das hinter mir steht und die Geschäfte der Firma eine Zeit lang auch ohne mich weiterführen kann.
 

Wie hast Du die genannten Herausforderungen konkret im Betriebsalltag gemeistert? 

Ich habe viel ins Teambuilding investiert: Zum einen habe ich Seminare für Führungskräfte belegt, um mir den nötigen Input zu holen, wie ich in verschiedenen Situationen mit meinen Mitarbeitern angemessen reagieren kann. Zum anderen habe ich monatliche Mitarbeiterversammlungen während der Arbeitszeiten eingeführt, in denen ich Zahlen, Daten und Fakten rund um den Betrieb präsentiere. So kann ich bei meinen Angestellten ein Bewusstsein dafür schaffen, warum bestimmte Veränderungen notwendig sind bzw. waren – und begründen, warum diese oder jene Veränderung zum Vorteil statt zum Nachteil des Unternehmens geschieht. So nehme ich meine Angestellten bei jedem Schritt mit. Auch Weihnachtsfeiern während der Arbeitszeit habe ich eingeführt, sodass niemand mehr in die Situation gerät, seine Freizeit mit den Arbeitskollegen verbringen zu müssen.

Ich habe viel ins Teambuilding investiert: Zum einen habe ich Seminare für Führungskräfte belegt, um mir den nötigen Input zu holen, wie ich in verschiedenen Situationen mit meinen Mitarbeitern angemessen reagieren kann. Zum anderen habe ich monatliche Mitarbeiterversammlungen während der Arbeitszeiten eingeführt, in denen ich Zahlen, Daten und Fakten rund um den Betrieb präsentiere. So kann ich bei meinen Angestellten ein Bewusstsein dafür schaffen, warum bestimmte Veränderungen notwendig sind bzw. waren – und begründen, warum diese oder jene Veränderung zum Vorteil statt zum Nachteil des Unternehmens geschieht. So nehme ich meine Angestellten bei jedem Schritt mit. Auch Weihnachtsfeiern während der Arbeitszeit habe ich eingeführt, sodass niemand mehr in die Situation gerät, seine Freizeit mit den Arbeitskollegen verbringen zu müssen.


Was würdest Du heute genauso machen wie damals, was würdest Du anders angehen?

Wenn ich heute genauso anfangen würde wie damals, weiß ich nicht, ob ich tatsächlich etwas anders machen würde – bzw. etwas anders machen könnte, denn in meinem Fall wäre die Situation ja dieselbe wie damals. Es ist ja etwas anderes, ob man akut in einer Situation steckt und sie meistern muss – oder im Nachhinein darauf zurückblickt.  Im Nachhinein sage ich natürlich, dass ich von Beginn an besser auf mich hätte achten müssen.

Vanessa Gosch hat im Jahr 2023 die Geschäftsführung der Althaus Gosch GmbH übernommen und damit den über 100 Jahre alten Metallbetrieb in die nächste Generation überführt. Vor über zehn Jahren begann sie ihre Ausbildung in dem sauerländischen Unternehmen. Heute trägt das neue Logo ihren Nachnamen, und sie ist die Chefin, die das 20-köpfige Team erfolgreich leitet.

„Den wichtigsten Rat hat mir mein Vater gegeben:
Wenn dein Herz dir sagt, mach es - dann ist es den Versuch wert.“

Vanessa Gosch, Geschäftsführerin Althaus Gosch GmbH

 

Welchen Rat würdest Du jungen Menschen im Berufsleben geben, die vor eine ähnliche Wahl gestellt werden wie Du seinerzeit, also: Nach welchen Kriterien sollte die Entscheidung für oder gegen eine Betriebsübernahme und den Schritt in die Selbstständigkeit getroffen werden?

Ich habe damals fast ein Jahr benötigt, um die Entscheidung zu treffen, dass ich das Unternehmen meines Lehrchefs übernehmen möchte. Er kam auf mich zu und hat mir die Übernahme angeboten, da war ich 27 Jahre alt. Vorgesehen war ursprünglich, dass ich in der Geschäftsführung mitarbeite und mich erst einmal um mein Privatleben kümmere - Heirat, Kinder, Eigenheim - und nach etwa zehn Jahren das Unternehmen erben werde. Doch dann ist mein Chef bereits nach einem halben Jahr überraschend verstorben. Hätte ich damals nicht schon all die Gespräche mit meinen Eltern und meinem Partner geführt, dann hätte ich die Betriebsübernahme vermutlich ausgeschlagen. Ich hatte nie für mich selbst erwogen, mich einmal selbstständig zu machen. Sicher wollte ich immer finanziell unabhängig sein und mein eigenes Geld verdienen, aber eine Betriebsübernahme hatte ich nie auf dem Schirm. Für mich war z.B. ganz wichtig, dass mein Partner einverstanden damit ist, das Thema der Familiengründung vorerst hinten anzustellen.
 

Du hast den Sprung dennoch gewagt. Welche Rolle spielte dabei dein Bauchgefühl – und welche die harten Fakten?

Dadurch, dass ich bereits jahrelang die Buchhaltung des Betriebes betreut hatte, wusste ich genau, wie es finanziell um die Firma steht. In diesem Punkt sollte man sich gut beraten lassen, ggf. auch vom zuständigen Steuerberater. Unser Steuerberater war mir eine sehr große Hilfe. Zusammenfassend kann ich allen raten, die sich mit einer potenziellen Firmenübernahme und damit dem Schritt in die Selbstständigkeit beschäftigen: Wenn dein Herz sagt, dass es den Versuch wert ist – dann tu es. Mut gehört in meinen Augen immer dazu, wenn man eine Firmenübernahme plant. Hinsichtlich der eigenen Wünsche für den Betrieb, den man übernehmen möchte, sollte natürlich vorab geprüft werden, ob diese Wünsche auch realisierbar sind. Bei der Übernahme meines Lehrbetriebes, der damals finanziell auf eher wackligen Füßen stand, war eine der obersten Prioritäten, in arbeitssichere Maschinen zu investieren, damit am Ende des Tages alle Mitarbeiter*innen unversehrt nach Hause gehen können. Wir haben insgesamt ca. 150.000 Euro investiert. Alle notwendigen Maßnahmen wie diese hätte ich aber nicht überblicken können, wenn ich den Betrieb nicht lange im Vorfeld gekannt hätte. So konnte ich vorab klären, was verändert werden soll und auch mit den verfügbaren finanziellen Mitteln verändert werden kann. 

 

Schön und herausfordernd zugleich ist die Zusammenarbeit mit meinem Partner:
Wir verbringen 24 Stunden täglich miteinander.

Vanessa Gosch, Geschäftsführerin Althaus Gosch GmbH

 

Blick auf das Chefinnen-Dasein: Was ist schön daran, was schwierig? Wo holst Du Dir im Alltag Unterstützung und Power?

Schön und schwierig zugleich ist vor allem der Umstand, dass ich mit meinem Partner zusammenarbeite. Inzwischen ist er Prokurist in meiner Firma, wodurch wir fast 24 Stunden täglich miteinander verbringen. Das bedeutet natürlich, dass wir all das Positive, aber natürlich auch das Negative mit nach Hause nehmen. Einerseits kann man sich gegenseitig ganz anders den Rücken freihalten, wenn es um die Arbeit, also den Betrieb geht und ist flexibler in der persönlichen Zeiteinteilung. Andererseits belasten die Konflikte und Herausforderungen am Arbeitsplatz nicht nur die geschäftliche, sondern auch die private Beziehung. Dadurch, dass ich ja noch recht frisch in der Rolle der Geschäftsführerin und Firmeninhaberin bin, war der Arbeitsalltag bisher hauptsächlich von nervlicher Anspannung und auch Angst geprägt. Da gibt es immer den Gedanken: Was, wenn mir ein so gravierender Fehler passiert, dass meine 20 Angestellten morgen ohne Job dastehen? Der eigene Kopf arbeitet rund um die Uhr, man bangt immer wieder um den Fortbestand der Firma und darum, nicht plötzlich hoch verschuldet zu sein.

Wer oder was gibt Dir – neben Deinem Partner – emotionalen Halt?

Die größte Unterstützung erfahre ich durch meine Eltern und vor allem durch meinen Vater, der seit acht Jahren mit einer Dachdeckerfirma selbstständig ist. Wir haben einen sehr guten Austausch. Zudem habe ich viele Selbstständige im Freundeskreis, mit denen ich mich oft bespreche und merke, dass uns alle dieselben Themen beschäftigen. Es tut gut zu wissen, dass man mit vielen Themen nicht alleine ist. Was mich runterholt und entspannen lässt, sind die Stunden jeden Tag, die ich mit unserem Hund im Wald verbringe, und die Zeit bei meinen vier Pferden. Mein größter Wunsch ist, mal einen kleinen Resthof zu kaufen, mit genug Platz für mich und meinen Partner, meine Eltern, mit Stallungen für meine Pferde und viel Natur drumherum.

Was denkst Du: Wie stark sind berufliche Karrieren überhaupt planbar?

Ganz ehrlich? ich glaube, gar nicht. Ich hab es ja bei mir selbst erlebt: Mein Plan war nie, mich selbstständig zu machen oder Geschäftsführerin zu sein. Ich glaube, es gibt eine 50-prozentige Chance: Manche planen die große Karriere und schaffen es auch, und manche bekommen die Möglichkeit, Karriere zu machen, ganz spontan. Ob man es auch schafft, erfolgreich zu sein, hängt am Ende von einem selbst, aber auch von vielen äußeren Faktoren ab.

Das Netzwerk Zukunft – powered by Junge DLG (ehemals Jahrestagung der Jungen DLG) ist der zentrale Ort in Deutschland für Studierende, Berufseinsteiger und Young Professionals im Bereich Landwirtschaft, Agribusiness und Lebensmittelbranche, um sich zu vernetzen, fortzubilden und miteinander Spaß zu haben. Dazu sind alle Interessierte (egal ob DLG-Mitglied oder nicht) sehr herzlich eingeladen. Die Veranstaltung findet in diesem Jahr vom 8. bis 10. Mai in Stuttgart-Hohenheim statt. Wer Vanessa Gosch also persönlich sprechen hören, vom fachlichen Austausch profitieren und an spannenden Workshops sowie Exkursionen teilnehmen möchte, kann sich ab jetzt ein Ticket sichern.