Klare Standards gesucht

Mindestkriterienset in der Nachhaltigkeit

Bild von Weltkugel mit Recycling-Symbol.
Systeme zur Bewertung von Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft gibt es - aber keine Mindestkriterien darüber, was Nachhaltigkeit ist. Foto: Anncapictures auf Pixabay

Lieferkettengesetz, CSRD oder EU-Taxanomie: Unternehmen im Agribusiness und zunehmend auch Landwirte müssen über die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit Auskunft geben. Ob Finanzdienstleister, Versicherer oder Lebensmittelproduzent: Sie alle müssen Nachhaltigkeit in den Sphären Umwelt, Soziales und Unternehmensführung bzw. Governance messen und dokumentieren können. So viel ist bekannt. Anhand welcher Kriterien dies geschehen soll, ist jedoch unklar. Das Projekt MinKriSet, das vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) gefördert und von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) gemeinsam mit dem Thünen-Institut durchgeführt wird, will diese Lücke mit einem Set an Mindestvorgaben schließen. 

Die Regulatorik im Bereich der Nachhaltigkeit wird umfassender und fordert von Wirtschaftsakteuren mehr Transparenz ein. Unter dem Schlagwort EU-Taxonomie sollen Wirtschaftsaktivitäten innerhalb der Europäischen Union in nachhaltige, klimaschonende Bahnen gelenkt werden. Die EU-Taxonomie oder auch „grüne Taxonomie“ ist Bestandteil des Nachhaltigkeitsprogramms Green Deal und gilt bereits für die Unternehmen im Finanz- und Versicherungssektor oder der Energiewirtschaft. Für die Landwirtschaft liegt die Taxonomie zwar erst im Entwurf vor. Aber auch hier sind Betriebe bereits mittelbar betroffen. So müssen Finanzierer und Versicherer schon heute nachweisen, dass sie nachhaltige Investitionen fördern – und legen entsprechend bei Krediten im Agrarsektor zunehmend ihr Augenmerk auf das Nachhaltigkeitsprofil ihrer Kunden.

Dokumentation gefordert

Die „Corporate Sustainability Reporting Directive‘ oder auch EU-Richtlinie zur Unternehmensnachhaltigkeitsberichterstattung wiederum ist Teil der EU-Taxonomie. Ziel der CSRD ist es, verbindliche Berichtsstandards über Nachhaltigkeitsaspekte auf EU-Ebene einzuführen. Auf diese Weise soll die Rechenschaftspflicht von Unternehmen im Bereich Umwelt, Soziales sowie der guten Unternehmensführung erhöht werden. Die Anzahl der Unternehmen im Agribusiness, die unter den Geltungsbereich der CSRD fallen, wächst – und mit ihr die Anforderung an Landwirtinnen und Landwirte, die Nachhaltigkeitsbilanz ihrer Betriebe zu erheben. 

Es gibt für die Bewertung von Nachhaltigkeit heute kein definiertes Set an Kriterien. 

 

Ähnlich verhält es sich mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das mittelbar über den Agrarhändler, Futtermittelhersteller oder die Mühle sicherstellen soll, dass innerhalb der Wertschöpfungskette Agrar und Ernährung der Umwelt- und Klimaschutz beachtet werden, der Arbeitsschutz eingehalten und die Vorgaben einer guten Unternehmensführung gewahrt werden. Generell gilt: Nicht nur die unmittelbar verpflichteten Unternehmen, auch deren Partner in der Wertschöpfungskette, wie eben Landwirte, müssen zunehmend dokumentieren können, dass und in welcher Weise sie nachhaltig arbeiten. 
 

DLG-Podcastreihe: ESG to Go - nachhaltig nachgefragt

Die DLG-Podcast-Serie ESG to Go – nachhaltig nachgefragt bringt auf den Punkt, was Regelwerke wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, die EU-Taxonomie oder die Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit im Rahmen der CSRD für die Landwirtschaft bedeuten. Die Hosts Erik Guttulsröd, Bereichsleiter Nachhaltigkeit und Betriebswirtschaft bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), und Stefanie Pionke, Leiterin des DLG-Newsrooms, besprechen mit Gästen aus Finanzwirtschaft und Versicherungsbranche, Agrarhandel und weiteren Bereichen des Agribusiness darüber, wie Nachhaltigkeit zum Erfolgsfaktor werden kann. 
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Die Nachhaltigkeitsauflagen nehmen also zu, doch klare Leitplanken, wie diese gemessen werden sollen, stehen noch aus. „Es gibt für die Bewertung von Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft heute kein definiertes Set an Kriterien“, sagt Erik Guttulsröd, stellvertretender Geschäftsführer des DLG-Fachzentrums Landwirtschaft sowie Bereichsleiter Nachhaltigkeit innerhalb der DLG. Dies führe zu einem Mangel an Orientierung, etwa bei Finanzdienstleistern, die zunehmend in der Pflicht stehen, die Nachhaltigkeit ihrer Kunden aus dem Agrarsektor zu bewerten. Das neue Projekt „MinKriSet“, das vom BMEL finanziell gefördert wird und unter der Projektträgerschaft der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) steht, soll Licht ins Dunkel bringen und ein Set an Mindestkriterien zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft definieren. Durchgeführt wird das Projekt MinKriSet von der DLG in Zusammenarbeit mit dem Thünen-Institut. Bis Ende 2025, so haben es sich die Projektpartner vorgenommen, soll der Kriterienkatalog stehen.

Mindestanforderungen zur besseren Orientierung

„Die Landwirte stehen zukünftig vor der Herausforderung, ihren Geschäftspartnern in der Wertschöpfungskette oder auch Kreditinstituten und Versicherern Auskunft über die Nachhaltigkeit ihrer Bewirtschaftungsweise zu geben“, sagt Lea Hettler, vom Projektteam für MinKriSet bei der DLG. Am Markt seien zwar verschiedene Systeme zur Bewertung von Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft vorhanden wie etwa QM Milch, das Zertifikat für Nachhaltige Agrarkultur ZAK oder auch der DLG-Standard Nachhaltige Landwirtschaft. Allerdings seien diese Systeme nur bedingt vergleichbar und haben verschiedene Schwerpunkte, führt Hettler aus. Damit es für landwirtschaftliche Betriebe sowie deren Geschäftspartner eine klare Orientierung bezüglich der Messung von Nachhaltigkeit geben kann, soll das Projekt MinKriSet ein Set an Mindestkriterien definieren, die in den Systemen zur Bewertung von Nachhaltigkeit enthalten sein müssen. „Auch bei den Anbietern der Bewertungssysteme für Nachhaltigkeit ist das Interesse an einem Mindeststandard groß, um Akzeptanz langfristig zu sichern und die Nachhaltigkeit innerhalb der Branche belastbar zu fördern“, ist DLG-Nachhaltigkeitsexperte Guttulsröd überzeugt. 
 

Das Projekt bietet die Chance zur Sensibilisierung der landwirtschaftlichen Betriebe. 

Für das Projekt MinKriSet ist kürzlich bei einer Kick-off-Veranstaltung in Berlin der Startschuss gefallen. In vier Phasen sollen die Kriterien, die Mindeststandards zur Bemessung von Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft markieren, identifiziert und definiert werden. In Phase1 soll Nachhaltigkeit in den Themenfeldern Ökologie, Ökonomie, Soziales und weiteren Einzelkriterien wie etwa der CO2-Fußabdruck umrissen und erfasst werden. Dazu sind beispielsweise Befragungen von Landwirtinnen und Landwirten zu deren Erfahrungen mit bereits bestehenden Systemen zur Nachhaltigkeitsbewertung geplant. In Phase 2 soll dann aus den in Phase 1 ermittelten Nachhaltigkeitsaspekten die Auswahl für ein potenzielles Mindestkriterienset erfolgen. In der zweiten Phase stehen zusätzlich die Anforderungen an die Datenbeschaffung sowie die Erstellung von Bewertungsmetriken auf der Agenda. In Phase 3 ist eine Abstimmung über die Mindestkriterien in einem Multi-Stakeholder-Workshop mit den Betroffenen aus der Wertschöpfungskette geplant. In der vierten und letzten Projektphase schließlich wird das erarbeitete Mindestkriterienset für die verschiedenen Zielgruppen aufgearbeitet. 
„Das Projekt MinKriSet bietet die Chance, landwirtschaftliche Betriebe für das Thema Nachhaltigekeit zu sensibilisieren und die Akzeptanz von Bewertungssystemen zu stärken“, zeigen sich Lea Hettler und Erik Guttulsröd überzeugt. 

Text: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom
 

DLG-Standard Nachhaltige Landwirtschaft

Der DLG-Standard fördert, dokumentiert und bewertet nachhaltige Landwirtschaft. Von der DLG und Experten entwickelt, ist er praxisnah und fachlich fundiert. Der Standard umfasst 23 Indikatoren aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie, Soziales und Management. Die Bewertung erfolgt je nach Indikator ziel- oder maßnahmenorientiert. Für die Zertifizierung wurden für die Indikatoren Zielwertbereiche entwickelt, um den Nachhaltigkeitsstatus des Betriebes zu ermitteln. Der Standard liegt in den Stufen Bronze, Silber und Gold vor. Der Bronze-Standard greift die Berichterstattungspflicht für Nachhaltigkeit gemäß CSRD und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auf und basiert auf einer webbasierten Selbstauskunft. Der Silber-Standard ist relevant für Nachhaltigkeits-Berichtspflichten im Finanzwesen gemäß der EU-Taxonomie und kann durch eine webbasierte Selbstauskunft erworben werden. Der Gold-Standard greift den Bedarf an Nachhaltigkeits-KPIs umfassend auf unter anderem für Finanzwesen, Handel, PR sowie Pachtmarkt auf. Der Gold-Standard kann durch ein Vor-Ort-Audit erworben werden.

Weitere Informationen zur DLG-Zertifizierung Nachhaltige Landwirtschaft finden Sie hier
 

Porträt von Frau: Lea Hettler.
Lea Hettler ist Mitglied im Projektteam für MinKriSet bei der DLG. Foto: Privat
Porträt von Mann: Erik Guttulsröd.
Erik Guttulsröd ist stellvertretender Geschäftsführer des DLG-Fachzentrums Landwirtschaft und Bereichsleiter Nachhaltigkeit innerhalb der DLG. Foto: DLG

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