Die aktuelle Agrarförderung unterstützt Maßnahmen, die für sich genommen positive Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben sollten. Sie reichen von der Anlage von Blühstreifen bis zum Erhalt von Hecken. Doch wie genau wirken sich diese Aktivitäten im Detail aus, insbesondere unter Berücksichtigung spezifischer örtlicher Gegebenheiten? Das Projekt BioMonitor 4CAP will den Zustand und die Entwicklung von Biodiversität in der Landwirtschaft auf neue und moderne Weise messen.

Über das Projekt BioMonitor4CAP
Das europäische Verbundprojekt BioMonitor4CAP hat sich zum Ziel gesetzt, Monitoringsysteme für die Biodiversität in der Landwirtschaft zu etablieren, die auf dem neuesten Stand der Technik sind und gleichzeitig niedrigschwellig in der Praxis eingesetzt werden können. Damit sollen Landwirten und der interessierten Öffentlichkeit Wissen, Methoden und Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden, um die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft voranzutreiben. An dem Projekt sind 23 Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Institutionen aus zehn europäischen Ländern sowie Peru beteiligt. BioMonitor4CAP wird von der Europäischen Union gefördert und ist zunächst auf vier Jahre bis Dezember 2026 angelegt.
Die DLG bringt in das Projekt ihre Expertise beim Aufbau von landwirtschaftlichen Versuchen und Demonstrationsflächen sowie fachliche Unterstützung ein. Projekteile der DLG werden von Martina Clausen (Projektleitung) und Stephanie Timm (Kommunikation) operative umgesetzt. Darüber hinaus nutzt das Team um Prof. Dr. Nils Borchard, Stephanie Timm und Martina Clausen das internationale Netzwerk der DLG, um die Arbeit an BioMonitor4CAP einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Mehr Informationen zu BioMonitor4CAP gibt es auf der Projekt-Website, im Projekt-Newsletter sowie im Interview mit Nils Borchard.
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist im Laufe der vergangen Jahrzehnte immer stärker darauf fokussiert worden, negative Umweltauswirkungen landwirtschaftlicher Praxis zu minimieren und positive Auswirkungen zu fördern. Doch inwieweit genau ist etwa ein beobachteter Rückgang von Fluginsekten auf landwirtschaftliche Praktiken zurückzuführen? Und welche Maßnahmen von Landwirtinnen und Landwirten sind am effektivsten, um gegenzusteuern?
Die Qualität der Antworten auf diese Fragen hängt entscheidend davon ab, wie Biodiversität erfasst und bewertet wird. Das 2022 gestartete Projekt BioMonitor4 CAP setzt hier an, um genaue, einfache und praxisnahe Monitoringsysteme zu entwickeln, welche die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft im Rahmen der GAP gezielt unterstützen.
Was ist der Ansatz von BioMonitor4CAP?
Martina Clausen, Projektleiterin bei der DLG, erklärt: „Unser Ansatz ist es, Biodiversität nicht mehr nur über Maßnahmen wie das Pflanzen von Hecken oder Blühstreifen zu fördern, sondern die Wirkung dieser Maßnahmen tatsächlich messbar zu machen“. Das ermögliche eine ergebnisorientierte Agrarförderung – also die Vergütung nicht nur für die Maßnahme, sondern für den nachgewiesenen Effekt.
Die Förderung im Rahmen der GAP orientiert sich bislang vor allem an Maßnahmen – ohne wirklich zeitnah zu überprüfen, ob dadurch tatsächlich ein Nutzen für die Biodiversität entsteht. Letzteres ist oftmals gar nicht möglich, weil dies einen beträchtlichen finanziellen und zeitlichen Aufwand bedeutet. Hier setzt BioMonitor4CAP an: Mit modernen, technologiegestützten Methoden soll es künftig möglich sein, den Zustand und die Entwicklung der Biodiversität objektiv und vergleichbar zu messen.
„Biodiversität ist komplex und hängt von zahlreichen Faktoren ab – von dem Landschaftstyp, den lokalen Standorteigenschaften, der menschlichen Nutzung und deren Intensität“, erklärt Clausen. Deshalb brauche es ein Monitoring, das sowohl flexibel als auch robust und skalierbar ist – über Länder- und Betriebsgrenzen hinweg.
Wer steht hinter BioMonitor4CAP?
BioMonitor4CAP ist ein von der EU gefördertes europäisches Verbundprojekt mit 24 Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Institutionen aus zehn EU-Ländern. Doch es greift weiter als nur Europa. Mit Peru ist ein Partnerland an Bord, das sich durch hohe Artenvielfalt, aber auch eine sehr wettbewerbsfähige, exportorientierte Landwirtschaft auszeichnet. Wenn beispielsweise peruanische Avocados in die EU verkauft werden, müssen Importeure Nachhaltigkeit unter der EU-Lieferketten-Richtlinie bewerten können. BioMonitor4CAP hat das Ziel, über die EU-Grenzen hinweg nutzbare Artenvielfalts-Bewertungen anzubieten.
Wie misst BioMonitor4CAP Artenvielfalt?
Die Basis der Bewertung von Biodiversität erfolgt in BioMonitor4CAP mit konventionellen Methoden wie dem Beobachten und Erfassen von Vögeln und Insekten. Die hierbei tätigen Experten sollen zukünftig mit verschiedenen Verfahren und Technologien unterstützt werden, um so fast kontinuierlich Informationen über größere Gebiete zu erfassen. Die jeweiligen Konsortialpartner testen dazu vor Ort verschiedene Technologien und Verfahren zur automatisierten Erfassung von Vögeln, Insekten ,Bodenbiodiversität und Landschaftsstruktur und vergleichen sie mit den oben genannten konventionellen Messmethoden. Unterschiedliche Geräte werden dabei auf verschiedenen Produktionssystemen und Bewirtschaftungsweisen eingesetzt. Die Arbeiten laufen über drei Jahre, um auch wetterbedingte Auswirkungen in mit zu entwickelnden Vorhersagemodellen berücksichtigen zu können.
Ein kalter Winter führt beispielsweise zu geringerer Insektenpopulation im Sommer, unabhängig davon, was Landwirtinnen und Landwirte vor Ort tun. Mit Zeitrafferkameras werden dann u.a. Insektenbesuche auf Blüten gemessen. Auch Vogelgesänge werden aufgezeichnet. Doch selbst klassische Feldbegehungen mit Punktezählungen finden statt, um die Ergebnisse automatischer Messungen zu kontrollieren.
Die dabei erfassten Datenmengen sind sehr groß und werden von Partnern wie dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Ilmenau ausgewertet. Doch es geht bei BioMonitor4CAP nicht nur um Endergebnisse, die mit Abschluss des Projekts im November 2026 vorliegen sollen. Es geht auch um den Praxistest der Monitoring-Systeme, um sie landwirtschaftlichen Unternehmen oder landwirtschaftlichen Dienstleistern mit größtmöglichem Nutzen und guter Bedienbarkeit zur Verfügung stellen zu können.
Welche Erfahrungen wurden im Projekt gemacht?
Beim Monitoring auftretende Probleme werden entsprechend auch unmittelbar gelöst. So erwiesen sich die Zeitraffer-Kameras in der Praxis beispielsweise als unpraktisch, weil die Batterielaufzeiten der zu dieser Zeit genutzten Kameras zu kurz waren. Clausen erklärt: „Deshalb testen wir aktuell Geräte mit längerer Laufzeit und automatisierten Datenspeicherlösungen.“
Vielversprechend sind neben Audiorekordern auch sogenannte eDNA-Proben (Environmental DNA). Bei letzteren werden DNA-Spuren von Bodenorganismen auf molekulargenetische Weise erfasst und ausgewertet. Dadurch kann sicher nachgewiesen werden, dass bestimmte Bodenlebewesen vorhanden sind, selbst wenn sie in der Probe nicht direkt vorhanden sind. Entsprechende Untersuchungen könnten von Landwirtinnen und Landwirten leicht in ihre Arbeit integriert werden, da sie ohnehin bereits Bodenproben nehmen. Doch würden die Praktiker den zusätzlichen Arbeitsaufwand auf sich nehmen?
Wer würde für ein neues Biodiversitäts-Monitoring bezahlen?
In einer Umfrage unter Landwirtinnen und Landwirten zeigte sich eine grundsätzlich hohe Bereitschaft zur Beteiligung – unter der Bedingung, dass Aufwand und Kosten fair abgegolten werden. Besonders groß war das Interesse an Kameratechnologien zur Insektenerfassung. „Insekten spielen für Landwirtinnen und Landwirte eine ganz zentrale Rolle – sowohl ökologisch als auch ökonomisch. Deshalb ist es wenig überraschend, dass gerade diese Technologie als besonders spannend empfunden wird“, berichtet Clausen.
Wichtig sei dabei, dass die Ergebnisse verständlich und visuell aufbereitet werden. „Landwirtinnen und Landwirte wollen wissen, was auf ihren Flächen passiert – mit digitalen Karten, Grafiken und aussagekräftigen Auswertungen.“ In Zukunft sollen autonome Systeme Daten direkt vor Ort erfassen und sie über cloudbasierte, KI-gestützte Auswertungssysteme für die Planung und Umsetzung ackerbaulicher Maßnahmen nutzbar machen. Doch „ganz so weit sind wir noch nicht“, räumt Clausen ein. Zuvor gelte es, technische Hürden zu überwinden. Sie betont: „Generell haben die Landwirtinnen und Landwirte ein hohes Interesse an neuen Technologien.“
Wer übernimmt das Monitoring?
Eine der zentralen offenen Fragen ist, wie das Biodiversitätsmonitoring künftig durchgeführt wird. „Das Aufstellen, Einsammeln von Geräten und die Auswertung der Daten muss gemäß bestimmten Anforderungen an Qualität und Robustheit erfolgen, wir wissen jedoch zur Zeit nicht genau, wie und von wem dies in der Praxis umgesetzt werden soll“, so Clausen. Wichtig sei dabei, dass der entstehende Aufwand finanziell berücksichtigt wird. „Niemand kann erwarten, dass Landwirtinnen und Landwirte diese Aufgaben ohne Erstattung der Kosten übernehmen.“
Wo können Landwirtinnen und Landwirte mehr erfahren?
Im letzten Projektjahr 2026 wird der Fokus auf Wissenstransfer, Demonstration und Politikberatung gelegt. Die DLG plant dafür unter anderem Demonstrations-Events – zum Beispiel im Rahmen der DLG-Feldtage –, bei denen LandwirtInnen die Technologien live erleben und ihre Rückmeldungen geben können. „Die Technologien sollen nicht im Elfenbeinturm entstehen, sondern gemeinsam mit der Praxis“, betont Clausen.
„Deshalb führen wir Workshops mit Fokusgruppen durch, binden Landwirtinnen und Landwirte, Beraterinnen und Berater sowie NGOs ein, sprechen mit Stakeholderinnen und Stakeholdern aus der Politik und analysieren auch ökonomische Aspekte. Denn unser Ziel ist es, Lösungen zu finden, die ökologisch sinnvoll, praktisch umsetzbar und wirtschaftlich tragfähig sind.“
Empfehlungen für die Politik
Zum Projektabschluss im Herbst 2026 werden Empfehlungen an die Europäische Kommission übergeben – mit dem Ziel, konkrete Ansätze in die nächste Förderperiode der GAP einfließen zu lassen. Die Projektergebnisse sollen zeigen, welche Technologien sich bewährt haben, welche Kombinationen sinnvoll sind und wo noch Forschungsbedarf besteht. „Wir sehen hier ein großes Innovationspotenzial“, sagt Clausen. „Wenn ergebnisorientierte Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität in Agrarräumen fester Bestandteil der Agrarförderung sein sollten, entstehen neue Märkte – für Technik, für Serviceleistungen, für die Bereitstellung von Gemeingütern und für Beratung. Das ist nicht nur ein ökologisches Thema, sondern auch eine wirtschaftliche Chance.“