„Alle Unternehmen profitieren von weniger Berichtspflichten“

Christopher Braun von der DZ Bank zur Omnibus-Verordnung der EU-Kommission

Die EU-Kommission veröffentlichte im Februar 2025 einen Vorschlag zur Omnibus-Verordnung, um  die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zu bündeln. Betroffen sind die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), die Taxonomie-Verordnung und die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Ziel der Omnibus-Verordnung ist es, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen zu reduzieren.  
Christopher Braun von der DZ Bank skizziert im DLG-Interview, wie sich die geplanten Veränderungen in der ESG-Regulatorik auf Agrarbetriebe auswirken könnten. Die Ende Mai vom Europaparlament beschlossenen Änderungen im laufenden Gesetzgebungsprozess sind in den folgenden Aussagen nicht berücksichtigt. 

DLG: Welche Änderungen und welche Fristen ergeben sich für Unternehmen?

Christopher Braun: Vorab ist festzuhalten, dass die Omnibus-Richtlinie im Entwurf durch die EU-Kommission veröffentlicht wurde. Bevor die vorgeschlagenen Änderungen in Kraft treten können, muss der Gesetzgebungsprozess sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene durchlaufen werden. In diesem laufenden Gesetzgebungsprozess hat das Europaparlament Ende Mai Änderungen beschlossen. Diese Änderungen waren zum Zeitpunkt des hier geführten Interviews noch nicht bekannt. Die wesentlichen Veränderungen zur ursprünglichen Fassung beziehen sich auf: Die Richtlinie zur Unternehmensberichterstattung CSRD, die EU-Taxonomie, die häufig als EU-Lieferkettenrichtlinie bezeichnete Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sowie das CO2-Grenzausgleichssystem Carbon Border Adjustment Mechanism. 

Gehen wir der Reihe nach durch: Was ändert sich bei der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)?

Vorgesehen ist eine Verschiebung der Berichtspflicht für große Unternehmen von ursprünglich 2026 für das Geschäftsjahr 2025 auf 2028 für das Geschäftsjahr 2027. Der Anwendungsbereich der CSRD-Berichtspflicht soll gleichzeitig verkleinert werden. Künftig sollen nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern - vormals 250 Mitarbeiter - und einem Umsatz von 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von 25 Millionen Euro berichtspflichtig sein. Der Anwendungsbereich würde damit um rund 80 Prozent reduziert werden. Aus dem Blickwinkel der landwirtschaftlichen Urproduktion dürften die wenigsten Unternehmen von der CSRD betroffen sein. 

Zudem soll der Umfang der Berichtspflicht reduziert werden. Im Detail bedeutet dies, dass Datenpunkte - insbesondere qualitative Datenpunkte - verringert und die sektorspezifischen ESRS gestrichen werden sollen.

Aus dem Blickwinkel der landwirtschaftlichen Urproduktion dürften die wenigsten Unternehmen von der CSRD betroffen sein.   

Wie sieht es bei den Änderungen zur EU-Taxonomie aus?

Geplant ist eine Reduktion des Anwenderkreises auf CSRD-pflichtige Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro. Bislang fielen alle CSRD-pflichtigen Unternehmen in den Anwendungsbereich der EU-Taxonomie. Der Umfang der Datenpunkte soll um rund 70 Prozent reduziert werden. 

Kommen wir zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Was plant die EU-Kommission? 

Die Erstanwendung soll sich um ein Jahr auf Juli 2028 verschieben, damit sich die Unternehmen länger darauf vorbereiten können. Die Beschränkung der Sorgfaltspflichten soll nur gegenüber direkten Geschäftspartnern gelten. Bislang war die Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette geplant, diese angestrebte Änderung dürfte die größte Erleichterung für Landwirte darstellen. Allerdings gilt eine Ausnahmeregelung: Bei konkreten Hinweisen auf Risiken oder negative Auswirkungen bestehen auch für indirekte Geschäftspartner erweiterte Sorgfaltspflichten.

Zu guter Letzt geht es um die Änderung der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Hiervon ist auch der Transport von Düngemitteln betroffen.

Um eine Vereinfachung des CO2-Grenzausgleichssystems zu erreichen, soll die Bagatellschwelle für CBAM-relevante Waren von einer Betragsschwelle in Höhe von  150 Euro pro Sendung auf eine Mengenschwelle in Höhe von mehr als 50 Tonnen importierte CBAM-Güter pro Jahr angehoben werden. Auch für die Landwirtschaft relevante Waren wie Ammoniak, Kaliumnitrat und Düngemittel sind davon betroffen. Durch diese Änderung sollen künftig rund 90 Prozent der Importeure nicht mehr von CBAM erfasst werden, dennoch sollen weiterhin 99 Prozent der Emissionen unter CBAM fallen.

Das Management von ESG-Risiken wird weiterhin von der Bankenaufsicht gefordert, so dass Finanzinstitute ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe mit einbeziehen müssen.

Wer profitiert von den Erleichterungen?

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass alle Unternehmen durch die aufgeschobenen und reduzierten Berichtspflichten profitieren werden. Speziell KMU, die durch die Anhebung der Schwellenwerte für die Kenngrößen aus dem Anwendungsbereich fallen, könnten personelle sowie finanzielle Ressourcen einsparen. 

Nehmen wir das Beispiel EU-Taxonomie? Was sind die Nachhaltigkeitszertifikate, kurz NH-Zertifikate noch wert? 

Die NH-Zertifikate verlieren durch die Adjustierung grundsätzlich nicht an Wert oder Bedeutung. Aus Sicht einer finanzierenden Bank kann das Zertifikat nach wie vor unterstützend eingebracht werden. Die Entscheidung, ein NH-Zertifikat für das eigene Unternehmen anfertigen zu lassen, sollte unabhängig der regulatorischen Rahmenparameter getroffen werden.

Zur Person

Christopher Braun ist Leiter des Firmenkunden-Agrarzentrums der DZ Bank in Frankfurt am Main. Braun vertritt seit einiger Zeit die Genossenschaftsbank in einer Arbeitsgruppe mit anderen europäischen Genossenschaftsbanken bei der EU-Kommission. Darin werden Leitplanken entwickelt, was die Landwirtschaft aus Sicht der Finanzierer braucht, um zukünftig erfolgreich zu sein. In Vorträgen erklärt Braun, wie sich die ESG-Kriterien auf Agrarbetriebe auswirken können. Im Grunde nutze die Politik die Finanzwirtschaft, um Klimaschutzmaßnahmen zu fördern oder auch Arbeitsstandards zu erhöhen. Wichtig ist für Braun, dass das gewählte Geschäftsmodell nachhaltig, also langfristig wirtschaftlich tragfähig ist. Die CO2-Bilanzierung rückt dabei vermehrt in den Fokus. Die Rentenbank wird dazu zwei Programme auflegen: Eine Förderung einer CO2-Bilanzierung und ein Programm mit Boni für Betriebe, die eine CO2-Bilanz vorweisen können.

Können sich landwirtschaftliche Unternehmen künftig aus den Lieferketten ausklinken?

Landwirte werden stets essenzieller Bestandteil der Lieferkette bleiben. Die Beschränkung der Sorgfaltspflichten auf die direkten Geschäftspartner in der Wertschöpfungskette könnte eine Erleichterung für Landwirte bewirken. Dennoch ist davon auszugehen, dass beispielsweise der LEH weiterhin Informationen von den Landwirten in seiner Lieferkette erfragen wird. Grundsätzlich sollen diese Informationspflichten zukünftig auf die Inhalte des freiwilligen EU-Berichtsstandards für KMU (VSME) beschränkt werden, um den Trickle-Down Effekt abzumildern. 

 

Wird künftig für Landwirte durch die Omnibus-Verordnung alles einfacher?

Generell sind Vereinfachungen für die Landwirte zu erwarten, zum einen durch die generelle Reduktion der Berichtsanforderungen, zum anderen durch die Abschwächung des Trickle-Down-Effektes und der damit zusammenhängenden eingeschränkten Datenabfrage. Dennoch müssen Landwirte weiterhin mit Informationsabfragen durch Großabnehmer wie beispielsweise des Lebensmitteleinzelhandels, aber auch durch Banken rechnen. Denn aus Bankensicht ist die Entlastung durch die Omnibus-Initiative begrenzt. Das Management von ESG-Risiken wird weiterhin von der Bankenaufsicht gefordert, so dass Finanzinstitute weiterhin ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe mit einbeziehen müssen.