Regularien, Dokumentationen und administrative Prozesse – kurz Bürokratie – binden personelle und finanzielle Ressourcen und führen nicht selten zu Überforderung. Wie landwirtschaftliche Unternehmer bürokratische Vorgänge auf ihren Betrieben unter Kontrolle halten und effizient gestalten können, dazu gab Prof. Dr. Jan-Henning Feil auf den DLG-Unternehmertagen 2024 in Oldenburg praktische Empfehlungen.
Bürokratie soll Rechts- und Planungssicherheit schaffen, Korruption und Willkür entgegenwirken und den Wettbewerb auf einzelnen Märkten schützen. Mit dieser Einordnung umriss Prof. Dr. Jan-Henning Feil von der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg, welchen positiven Zwecken öffentliche Bürokratie eigentlich dienen soll. Überbordende Bürokratie würde jedoch oft dazu führen, dass Vorteile von Regularien und Kontrollen verkannt oder im Extremfall sogar ganz in Frage gestellt würden, führte Feil in seiner Keynote auf den DLG-Unternehmertagen 2024 am 11. September in Oldenburg weiter aus.
Dies lasse sich auch daran ablesen, dass die Erfüllung bürokratischer Auflagen mit hohen Kosten einhergehe: Den Erfüllungsaufwand in der Landwirtschaft in Deutschland im Jahr 2021 bezifferte Feil unter Berufung auf Angaben des Statistischen Bundesamtes mit 620 Mio. €, davon 220 Mio. € in den Bereichen Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Der zweithöchste Posten entfiel demnach mit 217 Mio. € auf den Block Tierarzneimittel und Tiergesundheit.
Ausufernde Bürokratie binde finanzielle und personelle Ressourcen, die nicht für wirtschaftliche Zwecke genutzt werden können, folgerte Feil. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der DLG-Unternehmertage 2024 gab der Professor daher Strategieempfehlungen mit auf den Weg, um die Zukunft ihrer Betriebe aller bürokratischer Aufwände zum Trotz positiv und mutig zu gestalten. Die Strategie von Unternehmerinnen und Unternehmern müsse es nämlich sein, die individuellen Bürokratiekosten „rigoros und dauerhaft“ zu senken, um unternehmerische Freiheiten für die Zukunft zu schaffen, betonte der Experte.
Automatisierung und Digitalisierung
Eine Strategie, um Bürokratie auf landwirtschaftlichen Betrieben beherrschbar zu machen, sei die Automatisierung und Digitalisierung, so Feil. Durch den Übergang von analogen zu digitalen Prozessen würde das Management der Betriebsabläufe transparenter und effizienter. Eine digitalisierte Verwaltung ermögliche es beispielsweise, mit schnellem Erfolg nach Dokumenten und Vorgängen über eine automatisierte Suchfunktion zu suchen, statt Akten zu wälzen oder Papierstapel zu durchforsten. Feil warnte jedoch davor, nur einzelne Prozesse oder Arbeitsschritte zu digitalisieren: Gefordert sei vielmehr ein schrittweises Digitalisieren des gesamten Workflows.
Standardisierung
Als zweite Methode, Bürokratie in beherrschbaren Grenzen zu halten, nannte der Professor die Standardisierung. Vor allem bei wiederkehrenden Aufgaben und Fristen rät er landwirtschaftlichen Unternehmern und Unternehmerinnen dazu, eine genaue Prozessdokumentation aufzusetzen, die dazu anleitet, was, wann und mit welchem Vorlauf wie erledigt werden müsse. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil: Eine konsequente Standardisierung schaffe Unabhängigkeit von bestimmten Personen, die als einzige im Betrieb Kenntnis über gewisse Vorgänge hätten. Denn durch Standardisierung und Dokumentation von Arbeitsschritten würde jede und jeder im Team in die Lage versetzt, Aufgaben zu bewältigen.
Outsourcing
Die dritte Strategie, um Belastungen durch Bürokratie so gering wie möglich zu halten, stellte der Professor unter die Überschrift „Make or buy“. Gemeint ist damit das „rigorose Outsourcing“ der Bearbeitung bürokratiebedingter Tätigkeiten. Denn nicht jede Aufgabe müsse die Betriebsleistung eigenhändig durchführen; administrative Aufgaben lassen sich durchaus an Dienstleister abgeben.
Kooperation
Eine vierte Möglichkeit empfiehlt sich aus Sicht des Professors vor allem für kleinere und mittlere Betriebe: Die Kooperation. In gemeinsamen Büros und/oder durch gemeinsame Angestellte könnten administrative Tätigkeiten effizient bewältigt werden, so Feil. Dadurch würden auch bürokratiebedingte Fixkosten unter Kontrolle gehalten.
Steigende Bürokratiekosten gefährden den langfristigen unternehmerischen Erfolg in der Landwirtschaft, lautete das Fazit von Prof. Feil. Daher sollten Betriebsleiter versuchen, ihre individuellen Prozesse effizient zu gestalten und die Bürokratie im Zaum zu halten – und entlang der vier Strategien Digitalisierung und Automatisierung, Standardisierung, Outsourcing und Kooperation den für sie und ihren Hof passenden Weg zu finden.
Text: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom
Die DLG-Unternehmertage 2024
Die DLG-Unternehmertage 2024 fanden am 10. und 11. September in den Weser-Ems-Hallen in Oldenburg statt. Das Leitthema des zweitägigen Kongresses war „Bürokratie managen – Freiraum schaffen“. Am Dienstag, dem 10. September, standen nicht-öffentliche Sitzungen verschiedener DLG-Ausschüsse sowie der Netzwerk-Abend DLG-Unternehmertreff im Fokus. Am Mittwoch, dem 11. September, wurde das Tagungsthema „Bürokratie managen – Freiraum schaffen“ in verschiedenen Diskussionsformaten mit Praktikern und Experten beleuchtet. Schwerpunkte bildeten Best-Practice-Ansätze zum betrieblichen Dokumentations-Management am Beispiel Düngung, Vorschläge für eine effiziente Digitalisierung im Betriebsmanagement und der öffentlichen Verwaltung, Konzepte für den Stall der Zukunft sowie die Agrarumweltpolitik nach dem Englischen Modell.