Eine ernüchternde Bilanz der Getreideernte 2024 zieht der Leiter Getreidehandel bei der BayWa AG, Martin Unterschütz, auf der Müllerei-Fachtagung vor Kurzem in Volkach in Bayern. Der Weizenmarkt steht noch unter dem Einfluss der günstigen Preise in der Schwarzmeerregion. Doch sobald das Exporttempo von Weizen aus Russland und der Ukraine nachlässt, dürfte es mit der Niedrigpreisphase vorbei sein. Deshalb wollen Marktbeobachter nicht ausschließen, dass die Qualitätsweizenpreise auf das Niveau von 300 €/t, geliefert an Verarbeitungsbetriebe, klettern. Ferner dürfte die Versorgung mit Qualitätsweizen in den kommenden Jahren für Verarbeiter immer schwieriger werden. Marktexperte Martin Unterschütz erläuterte einige Indikatoren, die für eine feste Tendenz auf dem Weizenmarkt sprechen. Attraktive Prämien sollten Landwirte einstecken und proteinreiche Partien verkaufen.
Die Chancen für einen Preisanstieg beim Weizen sind aktuell größer, als dass die Kurse zur Schwäche neigen. Diese Aussage untermauert ein seit Jahren anhaltender globaler Abbau der Bestände. Der schreite schneller voran, als dass die Produktion von Weizen Schritt halten kann, so Unterschütz.
In den acht großen Anbauregionen der Welt, wo sehr viel Weizen für den Export zur Verfügung steht, sinken die Reserven zum Ende des Wirtschaftsjahres 2024/25 auf rund 62 Mio. t. Russland und die Ukraine aus der Bilanz herausgerechnet, erreichen die Bestände die kritische Marke von 22 Mio. t Weizen. Gerade diese Regionen müssten aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen immer im Blick gehalten werden, führte Unterschütz aus.
Hohes Exporttempo
Russland ist derzeit der Preismaker auf dem Weltmarkt. Die internationalen Weizennotierungen liegen zwischen 235 und 240 US-$/t. An der Pariser Euronext stagniert der Weizenkurs zur Lieferung im Dezember um die 220 €/t. Überraschend ist das enorme Exporttempo, mit dem Russland in die Vermarktungssaison 2024/25 gestartet ist und das weiterhin anhält. Von Juli bis Dezember 2024 dürften die Ausfuhrmengen bei 27 Mio. t liegen. Von dem auf 44 Mio. t geschätzten russischen Exportvolumen dürften in der 2. Hälfte des Wirtschaftsjahres von Januar bis Juni 2025 nur noch 17 (Vorjahr: 27) Mio. t übrig bleiben. Dieses Delta von rund 10 Mio. t gegenüber dem Vorjahr müssten dann andere Weizenlieferanten auffangen. Ein weiteres Indiz für steigende Preise sei das Verhalten der Fondsgesellschaften, die ihre Short-Positionen an den Warenterminbörsen wieder decken werden, sobald die Preise anziehen. Dies geschieht meist in kürzester Zeit und oftmals wird die Position komplett von den Fonds gedreht.
Attraktive Angebote aus Russland
Sollte Russland als billiger Anbieter in der 2. Hälfte des Wirtschaftsjahres wegfallen, kommen hochpreisige Verkäufer wie die EU oder USA zum Zug. Diese Entwicklung sei, so Unterschütz, ein wichtiger Indikator für steigende Preise. Seit Ende September geht es mit den Kursen an der Pariser Börse wieder aufwärts, da sich die Gewissheit über die geringeren Produktionsmengen der Ernte 2024 durchsetzen.
Die weltweite Nachfrage nach Weizen ist stabil. Nordafrikanische Länder wie Ägypten, Algerien und Marokko bedienen sich der günstigen Offerten sowie Frachten aus der Schwarzmeerregion. Partien aus Frankreich und Deutschland sind wegen der hohen Preise an der Pariser Börse Euronext unattraktiv. Der Preisabstand von Partien aus der EU gegenüber Russland beträgt 10 bis 12 €/t und ist derzeit für die Kunden zu teuer, so Unterschütz. Die Abstände seien in den vergangenen Monaten kleiner geworden. Sobald die russischen Quellen versiegen, müssen die Käuferländer auf Ware aus Europa oder anderen Ursprüngen zurückgreifen. Ferner sammle China derzeit sehr viele Rohstoffe ein, darunter Weizen. Dieses Verhalten ziele auf Kriegsideen hin. Auch Indien interessiere sich vermehrt für Weizen auf dem Weltmarkt.
Anteil Mahlweizen geht zurück
Die europäische Weizenernte ist mit 121 Mio. t klein ausgefallen. Quantitativ sollte jedoch eine Versorgung der europäischen Mühlen gesichert sein. Als schwierig dürfte sich nach Einschätzung des Marktexperten die Versorgung in Europa und Deutschland mit qualitativ hochwertigen Weizenpartien hinsichtlich Proteingehalt und Hektolitergewicht herausstellen.
Besonders katastrophal ist die Ernte mit 25,5 Mio. t und nur wenig Mahlweizenanteil in Frankreich ausgefallen. Der Mahlweizenanteil im Jahr 2024/25 liegt bei 45 Prozent und bei 88 Prozent gegenüber dem Schnitt der vergangenen Jahre. Doch nicht nur in Frankreich, auch in den sonst verlässlichen Lieferregionen wie dem Baltikum ist Qualitätsweizen in diesem Jahr knapp. So fällt in Litauen der durchschnittliche Proteingehalt mit knapp 12 Prozent niedrig aus. Entsprechend hoch ist mit 36 Prozent der Anteil von Futterweizen an der litauischen Weizenernte, dem gegenüber stehen nur 18 Prozent Qualitätsweizen. Einzig Österreich ist mit Qualitätsware von durchschnittlich 14,2 Prozent ein gesegnetes Land, wenn aber auch hier 2022 die Gehalte mit fast 15 Prozent schon höher lagen. Der durchschnittliche Proteingehalt in Deutschland beim Weizen beträgt 11,4 Prozent. Die Baywa verzeichnet als bedeutender Erfasser einen Anteil von 46 Prozent Brotweizen in der diesjährigen Ernte.
BLE-Lager gefüllt mit E-Weizen
Mit einem Mahlweizenanteil von 80 Prozent komme Deutschland mit den Qualitäten aus. Der durchschnittliche Proteingehalt ist im Laufe der vergangenen Jahre auf 11,4 Prozent gesunken. Das deutsche Preisniveau sieht der Experte zwischen 230 und 250 €/t. Für proteinreichen Weizen mit 13 Prozent erhalten die Erzeuger Aufschläge gegenüber Mahlweizen um die 40 €/t, für E-Weizen oberhalb von 14 Prozent bezahlen die Verarbeiter bis zu 50 €/t. Mit Blick auf die Bundesreserven von Weizen, die die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für zehn Jahre einlagert, würden in den staatlichen Lagern beträchtliche Partien mit Proteingehalten oberhalb von 14 Prozent liegen. Weizen mit diesen Qualitäten könnte die Mühlenwirtschaft gut gebrauchen.