Vegane Alternativen zu klassischen Molkereiprodukten erfreuen sich einer wachsenden Nachfrage. Eine zunehmende Anzahl an Herstellern setzt auf diesen Trend. Die DLG TestService GmbH in Frankfurt entwickelt deshalb gemeinsam mit Sensorik-Expertinnen und Experten ein eigenes Lebensmittel-Prüfschema speziell für diese Produktgruppe.
Was bedeutet „DLG-prämiert"?
Die DLG zeichnet Lebensmittel mit den DLG-Prämierungen in Gold, Silber und Bronze aus. Alle ausgezeichneten Produkte müssen, soweit es im Prüfrahmen vorgesehen ist, eine sensorische Analyse, Labortests sowie eine Zubereitungs-, Verpackungs- und Kennzeichnungsprüfung bestehen. Über eine Prämierung in Gold, Silber oder Bronze entscheidet die erreichte Punktzahl.
Zur Beurteilung der Produkte wird das DLG-5-Punkte-Schema® angewendet. Dabei handelt es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Methode zur objektiven Qualitätsbewertung von Lebensmitteln. Mit Hilfe dieses Schemas lassen sich sensorische Fehler im Aussehen, Geruch, Geschmack oder in der Konsistenz eines Lebensmittels feststellen. Für jedes Produkt definieren Experten im Vorfeld der Tests ein optimales sensorisches Qualitätsprofil. Dazu werden je nach Produkt bis zu 40 Eigenschaften getestet.
Werden im Test Fehler festgestellt, wie z.B. eine falsche Würzung oder zu wässrige Konsistenz, führen diese zu Punktabzug. Wenn ein Lebensmittel keine sensorischen Fehler aufweist, erhält es die Höchstpunktzahl von 5,0 Punkten.
Männer und Frauen in weißen Kitteln, die sich Becher mit einem Getränk unter die Nasen halten, riechen, anschließend einen Probierschluck nehmen und ausführlich schmecken. Eine normale Lebensmittelprüfung im DLG-Haus in Frankfurt? Nicht ganz.
Denn anders als bei den DLG-Prüfungen von Lebensmitteln sonst üblich, sitzen die speziell ausgebildeten Sensoriker und Sensorikerinnen nicht an Einzeltischen, um zu möglichst unverfälschten Beurteilungen zu kommen. Stattdessen arbeiten die Prüfer in zwei Kleingruppen das vorliegende Prüfschema durch und diskutieren gemeinsam Konsistenz, Geschmack und Geruch der jeweiligen Produkte.
Die Experten haben sich vorgenommen, ein neues Prüfschema für vegane Alternativen zu Molkereiprodukten zu entwickeln. „Das ist Neuland, auch für uns eingefleischte DLGisten“, sagt Janna Künzel, Bereichsleitung Molkereiprodukte, Tierwohl & Nachhaltigkeit in der DLG TestService GmbH. Es sei gemeinsames „trial and error“ gefragt. Die Prüfung der veganen Alternativprodukte wie Haferdrinks oder alternative Brotaufstriche zu Frischkäse ist eine Pilotveranstaltung für die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und die Sensorik-Expertinnen und -experten gleichermaßen.
Eigene Haptik, Konsistenz und Textur
Bislang gebe es keine gültigen Schemata für vegane Milchersatzprodukte, erläutert Janna Künzel. Diese Produkte würden daher in Anlehnung an vergleichbare Milcherzeugnisse geprüft, doch der Vergleich trägt nur bedingt, führt die DLG-Bereichsleiterin für Molkereiprodukte aus: „Häufig haben vegane Alternativprodukte eine andere Haptik, Konsistenz und Textur als die herkömmlichen Milchprodukte, weshalb eine Eins-zu-Eins-Übertragung der Prüfschemata nicht funktioniert.“ Deshalb habe die DLG sich vorgenommen, Kriterien zu erarbeiten, die dieser Produktgruppe künftig besser gerecht werden.
Die unterschiedlichen Eigenschaften der veganen Ersatzprodukte im Vergleich zu den klassischen Molkereierzeugnissen führt Janna Künzel darauf zurück, dass andere Rohstoffe mit ihren jeweils individuellen Eigenschaften in der Verarbeitung genutzt würden. Für den Haferdrink etwa ist Hafer die Basis und eben nicht Kuhmilch. Für einen Brotaufstrich auf Sojabasis entsprechend Soja.
Beliebt bei jungen Verbrauchern
Mit der Entwicklung eines neuen Prüfschemas für vegane Ersatzprodukte reagiere die DLG gleich auf mehrere Aspekte, so Künzel: Gerade bei der jungen Konsumentengeneration lägen vegane Produkte im Trend, da sie mit ihnen eine nachhaltigere und klimaschonendere Ernährungsweise verbinden. Eine Akzeptanz-Studie der Universität Hohenheim unter Verbrauchern in sechs europäischen Ländern untermauert diese Aussage vor allem mit Blick auf Deutschland: Von allen untersuchten Ländern habe Deutschland die höchste Akzeptanz und das beste Marktpotenzial für die veganen Alternativen zu Molkereiprodukten, teilte die Hochschule im Sommer 2023 mit. Insgesamt sei der Umsatz mit pflanzenbasierten Alternativprodukten zu Molkereierzeugnissen in Europa zwischen 2020 und 2022 um 49 Prozent gestiegen.
Zwar bilden die veganen Alternativprodukte nach wie vor eine Marktnische. Aber passend zur stark wachsenden Nachfrage verzeichne die DLG TestService GmbH auch ein zunehmendes Interesse der Hersteller dieser Erzeugnisse an speziell ausgerichteten Lebensmittelprüfungen, erläutert Janna Künzel. Sie sieht zudem Potenzial, durch angepasste Prüfschemata zur Optimierung der Produktqualität beizutragen: „Die DLG steht mit ihren Lebensmittelprüfungen für Qualität und Geschmack“, betont Künzel.
Die DLG steht mit ihren Lebensmittelprüfungen für Qualität und Geschmack.
Janna Künzel, DLG TestService GmbH
Die Prüferinnen und Prüfer werden unterdessen in eineinhalb Tagen 40 Proben durchführen: Drinks aus Hafer, Soja und Mandel sowie vegane Alternativprodukte zu beispielsweise Frischkäse, Joghurts und Desserts werden sie kosten, beurteilen und anhand der Beispiele passende Prüfkriterien ermitteln. Wie bei allen DLG-Prüfungen üblich, werden die Produkte neutralisiert, das heißt, Hersteller und Produktname werden den Prüfern nicht bekanntgegeben. So soll die Objektivität gewahrt werden.
Einzig für die Beurteilung der Qualität relevante Informationen werden bekanntegeben. Im konkreten Fall erfahren die Prüfer beispielsweise, ob sie einen einfachen Haferdrink oder einen Haferdrink Barista im Probierbecher vor sich haben. Denn ein Haferdrink Barista, der auch in der Profigastronomie zur Herstellung von Kaffeespezialitäten genutzt wird, muss schließlich besondere Qualitätsanforderungen erfüllen.
Verkostung nach Rohstoffbasis – oder nicht?
Die Prüferinnen und Prüfer diskutieren an den eineinhalb Tagen unter anderem darüber, ob ein Pflanzendrink „eher zu süß“ ist oder nicht. Auch geht es um die Konsistenz: Ist ein Produkt zu wässrig und damit fehlerhaft? Hat eine Probe zu viel Bodensatz? Das wiederum wirft die Frage auf, ob auf dem Tetrapack vermerkt stehe, dass man den Drink vor dem Verzehr schütteln solle. Sei dies der Fall, wirft eine der Prüferinnen ein, sei der Bodensatz unter Umständen „kein Produktfehler“.
Während der Prüfungen kommen verschiedene Fragen auf: Sollte man die veganen Pflanzendrinks in künftigen Prüfungen nach Rohstoffbasis gemischt probieren – oder lieber getrennt nach Soja-, Hafer- oder Mandeldrinks? Sollte man die Drinks auch mit Kaffee vermischt verkosten?
Wachsende Vielfalt im Markt
Gesprächs- und der Informationsbedarf sind hoch. Einer der teilnehmenden Prüfer ist Produktentwickler bei einer Molkerei. Er nehme an der Auftakt-Veranstaltung zur Überarbeitung des DLG-Prüfschemas für vegane Alternativerzeugnisse teil, weil es noch viel zu klären gebe hinsichtlich der Beurteilung der Erzeugnisse und der dazu erforderlichen Kriterien, sagt der Branchenexperte, der lieber anonym bleiben möchte. Sein Unternehmen beschäftige sich ausführlich mit veganen Alternativprodukten. „Es kommt sukzessive mehr Vielfalt in den Markt“, ist er überzeugt.
Am Ende der Veranstaltung ist DLG-Bereichsleiterin Janna Künzel zufrieden: „Wir haben viele Erkenntnisse gewonnen und somit eine gute Basis, um die Prüfungen für vegane Milchprodukt-Alternativen weiterzuentwickeln“, ist sie optimistisch.
Text: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom