
Satelliten und Sensoren halten Einzug in die Landwirtschaft – mit dem Ziel, Ertrag und Ressourcenschutz besser zu verbinden. Doch wie viel bringt die digitale Präzision wirklich? Ein Blick auf Chancen und Grenzen.
Satellit und Sensor: Digitale Werkzeuge für eine nachhaltige Landwirtschaft
Angesichts wachsender Anforderungen an Ertrag, Umweltschutz und Klimaanpassung rücken digitale Technologien zunehmend ins Zentrum moderner Agrarstrategien. Besonders zwei Instrumente versprechen weitreichende Möglichkeiten: satellitengestützte Ortungssysteme und optische Sensoren. Doch unter welchen Bedingungen zahlt sich ihr Einsatz tatsächlich für mehr Nachhaltigkeit aus? Florian Schiller, Digitalisierungsexperte der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), formuliert es nüchtern: „Digitalisierung ist kein Allheilmittel, aber ein wertvolles Werkzeug, um Flächen gezielter zu bewirtschaften und Ressourcen effizienter einzusetzen.“
Von der Pionierarbeit zum Standard: Wie GPS das Precision Farming möglich machte
Schon in den frühen 1990er-Jahren begann die Landwirtschaft, GPS-Systeme für Ertragsmessungen und Flächenmanagement zu nutzen – lange vor deren Durchbruch im Straßenverkehr. Trotz anfänglich unpräziser Positionsdaten entstand daraus das Konzept des Precision Farming: die teilflächenspezifische Bewirtschaftung auf Basis digitaler Geodaten.
Digitalisierung ist kein Allheilmittel, aber ein wertvolles Werkzeug, um Flächen gezielter zu bewirtschaften und Ressourcen effizienter einzusetzen.
DLG-Digitalisierungsexperte Florian Schiller
Heute gehören automatische Lenksysteme, teilflächengesteuerte Applikation und Echtzeit-Datenübertragung in vielen landwirtschaftlichen Betrieben zur Grundausstattung. GNSS-Sensoren, die GPS-Empfänger, steuern dabei nicht nur Fahrzeuge, sondern liefern auch die Grundlage für Prozessoptimierung, Dokumentation und Analyse. Doch trotz aller Technik bleibt die Umsetzung komplex – und erfordert Know-how, Zeit und Systemintegration.
Zwischen Effizienz und Nachhaltigkeit: Neue Perspektiven auf Produktivität
Auf den Unternehmertagen 2025 hat die DLG ihr neues Leitbild der „Nachhaltigen Produktivitätssteigerung” vorgestellt. Es zielt darauf, klassische Erfolgskennzahlen wie Ertrag und Wirtschaftlichkeit mit Umweltfaktoren wie Klimaschutz, Biodiversität und Ressourcenschonung zu verbinden. „Nachhaltige Produktivität bedeutet, dauerhaft mehr mit weniger zu erreichen“, so Schiller. Es gehe nicht nur um maximalen Output, sondern um eine Produktion, die ökologische Faktoren gleichwertig berücksichtigt.

Die Konflikte zwischen Ökonomie und Ökologie sind nicht neu – doch die Herausforderungen wachsen: Klimawandel, Artenverlust und geopolitische Unsicherheiten machen ein Umdenken dringlicher denn je. Der europäische Green Deal bleibt bislang hinter seinen Zielen zurück, insbesondere bei Emissionsreduktion und Biodiversität. Gleichzeitig hemmen umweltpolitische Auflagen die Wettbewerbsfähigkeit, ohne dass ökologische Verbesserungen im nötigen Maß erkennbar wären.
Satellitenbasierte Systeme: Präzision auf großer Fläche
Satellitenbasierte Lenksysteme sind auf vielen Betrieben bereits Standard. Sie ermöglichen eine exakte Spur- und Applikationsführung, was sich direkt auf die Ressourceneffizienz auswirkt. „Durch die Einführung satellitengestützter Lenksysteme lassen sich im Schnitt rund 20 Prozent an Betriebsmitteln einsparen", so Schiller. Das betreffe sowohl Kraftstoff als auch Dünger und Pflanzenschutzmittel. Darüber hinaus werden Satellitendaten genutzt, um sogenannte Biomasse- und Ertragspotenzialkarten zu erstellen. Diese zeigen, wo sich Hoch- und Niedrigertragszonen innerhalb eines Feldes befinden. Schiller betont jedoch: „Digitalisierung führt nicht automatisch zu Einsparungen. Sie hilft uns, die Heterogenität unserer Flächen besser zu verstehen und gezielt zu reagieren.”
Die Daten werden im 7-Tage-Rhythmus erhoben. Voraussetzung für deren Nutzung ist allerdings ein wolkenfreier Himmel – sonst fehlen entscheidende Informationen für die Flächenbewertung. Neben klassischen Anwendungsfeldern wie Applikationstechnik oder Ertragserfassung werden Satellitendaten in Zeiten immer häufigerer Wetterextreme zunehmend auch zur Optimierung der Bewässerung eingesetzt. Eine gezielte, satelliten- und sensorgestützte Bewässerung ermöglicht es, Wasser dort einzusetzen, wo es tatsächlich gebraucht wird, und so die Effizienz der Wassernutzung deutlich zu steigern.
Die Digitalisierung hilft uns, die Heterogenität unserer Flächen besser zu verstehen und gezielt zu reagieren.
DLG-Digitalisierungsexperte Florian Schiller
Optische Sensoren: Vom Pflanzenbestand zum digitalen Blick
Während Satelliten großräumige Muster erfassen, erlauben optische Sensoren eine kleinteilige Analyse bis hin zur Einzelpflanze. Besonders etabliert ist der Einsatz im Bereich der stickstoffbasierten Düngung. Sensoren messen den aktuellen Versorgungszustand einer Pflanze, etwa über deren Chlorophyllkonzentration, und passen die Düngerzufuhr während der Überfahrt automatisch an. Auch Drohnentechnologien kommen zum Einsatz: Mit multispektralen Kameras lassen sich kleinste Abweichungen im Pflanzengewebe erfassen, lange bevor Symptome mit dem bloßen Auge sichtbar sind. In dem DLG-Projekt „NaLamKI" (Nachhaltige Landwirtschaft mit künstlicher Intelligenz) wurde beispielsweise die frühzeitige Erkennung von Gelbrost in Weizen untersucht. „Wir konnten pilzliche Infektionen im multispektralen Bereich erkennen, noch bevor sie sichtbar ausgebrochen waren", berichtet Schiller. Diese Frühdiagnostik bietet enormes Potenzial für einen gezielten Pflanzenschutz.
Punktgenauer Pflanzenschutz: Spotspraying mit Kameratechnik
Ein besonders effizienter Anwendungsbereich optischer Sensorik ist das sogenannte Spotspraying. Hierbei wird durch Kameras zwischen Nutzpflanzen und Unkräutern unterschieden, sodass Herbizide nur punktuell appliziert werden. „In Reinkulturen wie Mais oder Zuckerrüben sind Einsparungen, wenn es die klimatischen Bedingungen zulassen, von bis zu 70 Prozent möglich", erklärt Schiller. Schwieriger sei der Einsatz in Bestandskulturen wie Getreide, wo die Unterscheidung ähnlicher Gräserarten komplexer ist. Um diese Herausforderung zu meistern, werden KI-gestützte Trainingsdatensätze genutzt. Dafür sind tausende, exakt annotierte Bilddaten erforderlich. „Wir brauchen hochgenaue Datensätze. Sonst trainieren wir die KI falsch", so Schiller. Auch wenn hier vieles noch in der Entwicklung ist, sei das Potenzial enorm.

Nachhaltiger mit Digitalisierung? Eine Frage der Umsetzung
Digitale Systeme können einen relevanten Beitrag zum Umweltschutz leisten. Durch differenzierte Applikation lassen sich Überdosierungen vermeiden und Nährstoffeinträge reduzieren. „Wenn ich Hoch- und Niedrigertragszonen unterschiedlich behandle, kann ich Öko-Bilanzen verbessern", sagt Schiller. Doch gesetzliche Vorgaben stehen dem oft entgegen. „Die aktuelle Gesetzgebung verlangt eine gleichmäßige Düngung pro Hektar. Das ist mit den realen Bedürfnissen der Fläche nicht immer vereinbar." Auch klimatische Extreme wie Frühjahrstrockenheit können die Aussagekraft optischer Sensoren einschränken. Chlorophyllsensoren etwa könnten eine trockenheitsgestresste Pflanze als unterversorgt deuten, obwohl schlicht Wasser fehlt. Allerdings warnt Schiller: „Nicht alles, was technisch möglich ist, funktioniert auch in jedem Jahr.“
Komplexität als Hemmnis: Interoperabilität bleibt Herausforderung
Ein zentrales Problem in der Praxis ist die mangelnde Kompatibilität vieler Systeme. „Viele Start-ups haben großartige Ideen, aber ihre Software lässt sich nicht immer in bestehende Systeme ohne größeren Aufwand integrieren", kritisiert Schiller. Ein digitales Werkzeug sei aber nur dann wertvoll, wenn es reibungslos in den Betriebsalltag passt. „Wenn Schnittstellenprobleme gelöst sind, wird die Bereitschaft zur Nutzung deutlich steigen." Gleichzeitig verweist Schiller auf die Bedeutung betrieblicher Kompetenzen: „Wer digitale Systeme einsetzen will, braucht eine gewisse Affinität zum Datenmanagement und digitalen Technologien. Ohne das bleibt der Nutzen begrenzt."
Fazit: Fortschritt braucht Integration – und Veränderungsbereitschaft
Digitale Technologien bieten enorme Chancen, die Landwirtschaft effizienter, ressourcenschonender und resilienter zu gestalten. Doch ihr Erfolg steht und fällt mit einer durchdachten Umsetzung. „Wer sich aktiv mit den Herausforderungen seiner Flächen auseinandersetzt, kann mit digitalen Tools viel erreichen – aber sie sind kein Selbstläufer“, bringt es Schiller auf den Punkt.
Das Konzept der nachhaltigen Produktivitätssteigerung macht deutlich: Es braucht Offenheit für Innovation – und den Mut, Zielkonflikte zwischen Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz aktiv zu gestalten. Die Zukunft der Landwirtschaft liegt nicht in der Abkehr von Effizienz, sondern in deren intelligenter Verbindung mit Verantwortung.
Text: Agnes Michel-Berger, freie Autorin DLG-Newsroom
Nachhaltige Produktivitätssteigerung
Die DLG stellt ihre Facharbeit ab sofort unter das Leitbild „Nachhaltige Produktivitätssteigerung“. Ausgangspunkt für das neue Fortschrittsverständnis: Die EU-Strategie des Green Deal, der wirtschaftlichen Entwicklung unter dem einseitigen Primat der ökologischen Nachhaltigkeit, ist an der Realität vielfältiger globaler und geopolitischer Krisen gescheitert. Das neue Leitbild der DLG versteht Produktivitätssteigerung und den Schutz natürlicher Ressourcen hingegen als Einheit. Nachhaltige Produktivitätssteigerung bezieht zentrale Nachhaltigkeitsziele wie Klimaschutz, Biodiversitätserhalt und Tierwohl, erstmalig explizit in die Bemessung von Produktivität mit ein.
Mehr Informationen bietet das DLG-Diskussionspapier zur Nachhaltigen Produktivitätssteigerung

IPZ: Internationales DLG-Pflanzenbauzentrum
Das IPZ ist ein moderner Ackerbaubetrieb am Südrand der Magdeburger Börde. Neben praxisnaher Forschung engagiert sich das Team am IPZ als Initiator und Partner in zahlreichen Projekten rund um Ackerbau, Digitalisierung und Netzwerkkoordination.
Im Fokus stehen Themen wie die Integration von Biodiversitätselementen in den Ackerbau oder der Einsatz von NIR-Sensoren zur präzisen Ausbringung flüssiger Wirtschaftsdünger. Die gewonnenen Erkenntnisse werden aktiv kommuniziert – sowohl an landwirtschaftliche Betriebe als auch an nationale und internationale Partner im DLG-Netzwerk.

Agritechnica Ramp Up
Von KI-gestützter Landtechnik bis zu den Messeneuheiten der Agritechnica 2025:
Mit dem "Agritechnica Ramp Up" zeigen die DLG-Mitteilungen, welche Innovationen
die Landwirtschaft der Zukunft prägen werden, wie Deutschland als landtechnische
Innovationsschmiede im internationalen Vergleich dasteht und welche Fragen zu Strom,
Netz und Datenhoheit jetzt beantwortet werden müssen.

AGRITECHNICA 2025: Touch Smart Efficiency
Unter dem Leitthema „Touch Smart Efficiency“ öffnet die AGRITECHNICA 2025 vom 9. bis 15. November 2025 Besuchern den direkten Zugang zu innovativen, vernetzten landwirtschaftlichen Systemen, die durch digitale Technologien Effizienz, Nachhaltigkeit und Produktivität steigern. Treffen Sie Global Player, Hidden Champions, Innovatoren und Visionäre. Sie alle präsentieren Lösungen für die Herausforderungen der weltweiten Pflanzenproduktion.


DLG-Podcast Agrar - Lantechnik aufs Ohr: Drohnen in der Landwirtschaft
Wie von Geisterhand gesteuert fliegen Drohnen über unsere Felder und führen pflanzenbauliche Maßnahmen durch. Georg Schuchmann aus dem DLG-Fachzentrum Landwirtschaft und Lebensmittel diskutiert in zwei Episoden der DLG-Podcast-Reihe “Landtechnik aufs Ohr” mit unterschiedlichen Experten Anwendungsbereiche von Drohnen in der Landwirtschaft. Was der Unterschied zwischen Multirotorsystemen und Starrflüglern ist und, wie sie typischerweise in der Landwirtschaft anzuwenden sind, ist ebenso Thema der Podcast-Episoden wie die Aussaat mit der Drohne. Außerdem geben die Experten Landwirten Tipps, was beim Kauf einer Drohne beachtet werden sollte und welche rechtlichen Rahmenbedingungen bei ihrem Einsatz eingehalten werden müssen.
Podcast-Episode “Drohnen in der Landwirtschaft (Teil 1)” anhören
Podcast-Episode “Drohnen in der Landwirtschaft (Teil 2)” anhören