Voraussetzungen für eine praxisgerechte Umsetzung von Autonomie

Technologie trifft Mensch: Geduld und Lernbereitschaft als Schlüssel zur Robotik-Revolution 

Autonome Systeme und Robotik gelten als zentrale Zukunftstechnologien für die Landwirtschaft. Sie versprechen, Arbeitsprozesse zu erleichtern, den Fachkräftemangel abzufedern, Ressourcen effizienter einzusetzen und einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit zu leisten. Doch wie gelingt der Sprung aus der Forschung in die breite Praxis – und welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden?

Fragen zu Arbeitsprozessen, Ressourceneinsatz und den Voraussetzungen für den Betrieb von Roboter-Technologie standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion mit Experten und Praktikern. Dr. Markus Gandorfer vergleicht an der LfL in Bayern u.a. Feldroboter und gibt Einblicke in aktuelle Entwicklungen und wissenschaftliche Erkenntnisse. Landwirt Jan Obermeier sowie sein Berufskollege, Bio-Landwirt Mathias Lenk, teilen ihre Erfahrungen aus dem praktischen Einsatz von Robotik im Betriebsalltag und berichten über Chancen, Grenzen und offene Fragen. Paul Bühnemann von Agrarvis bringt die Perspektive aus Vertrieb und Markteinführung ein: Wie können neue Technologien marktfähig werden, welche Anforderungen stellen Landwirte, und welche Rahmenbedingungen sind entscheidend? Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Dorothee Schulze Schwering von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

 

Die Feldrobotik ist längst in der Landwirtschaft angekommen: Wir werden zukünftig noch viel mehr davon sehen.
Paul Bühnemann
 

„Digitale und autonome Technologien versprechen den Landwirtinnen und Landwirten vor allem eines: Effizienz und Unabhängigkeit. Da ist Skepsis vorprogrammiert. Wie erleben Sie als Vertreter der Wirtschaft die Spannung zwischen technologischem Anspruch und der Realität?“, richtete die Moderatorin ihre erste Frage an Paul Bühnemann: „Skepsis ist immer gesund – sie muss aber auch berechtigt sein. Meine Einschätzung ist, dass Robotik in der landwirtschaftlichen Praxis definitiv angekommen ist.“ Mathias Lenk, der bereits einen AgBot auf seinem Betrieb im Einsatz hat, sagte zum Thema Skepsis: „Ich denke, die Robotik ist für uns jetzt genau dasselbe wie für meine Großeltern damals, als der erste Trecker kam und nicht mehr mit Pferden geackert wurde. Der Fortschritt kommt – zwar langsam, aber er kommt definitv, ob wir das nun wollen oder nicht. 2020 habe ich angefangen, mich mit dem Thema Robotik zu beschäftigen. Es nützt nichts, sich vor den neuen Wegen zu verschließen.“ Dr. Markus Gandorfer erklärte: „In Bayern wird die Feldrobotik bereits speziell gefördert, wenn es um den Aspekt der Unkrautbekämpfung geht. Das ist eine Lösung, die bisher gut funktioniert und auch in der Praxis akzeptiert wird – ich muss aber betonen, dass das momentan hauptsächlich für Nischenprodukte gilt.“ 

 

Die gesellschaftliche Akzeptanz für die Feldrobotik ist sehr gut.
Dr. Markus Gandorfer

 

Die Kosten-Nutzen-Rechnung muss aufgehen

Ob die Anforderungen an den Feldroboter, den er im Einsatz hat, auch zur Realität im Betriebsalltag passen, beantwortete Landwirt Jan Obermeier: „Technisch sind wir auf einem guten Weg. Eine Herausforderung ist derzeit noch die Schlagkraft, denn die Kosten-Nutzen-Rechnung muss am Ende natürlich aufgehen.“ Da ergänzte Bühnemann: „Auch der Mitarbeiter, der den Roboter einstellt und bedient, muss entsprechend geschult sein, um die Effizienz erhalten zu können. Wir bieten bereits Lösungen für die unterschiedlichsten Bedürfnisse in der Landwirtschaft an. Die Agritechnica bietet eine großartige Chance, um sich umfassend zu informieren, was in Sachen neuer Technologien gerade passiert – Stichwort Lasertechnik – und was sich in den kommenden Jahren auf dem eigenen Betrieb umsetzen lässt.“ Ein großes Interesse an den neuen Technologien und Maschinen sei schon auf den Feldtagen der LfL zu spüren gewesen, berichtete Gandorfer, und „dort, wo der Roboter zur Farmstruktur passt, funktioniert der Einsatz dieser Technik bereits sehr gut. In Zukunft wird es gerade für größere Betriebe wohl in die Richtung des autonomen Traktors gehen.“ 

Moderatorin Schulze Schwering sprach Lenk auf die konkreten Vorteile im Alltag an: „Für mich hat der Roboter im Grunde das Problem einer weiteren Arbeitskraft gelöst. Am Anfang habe ich sehr viel Arbeitszeit in den Roboter investiert, bis ich mich richtig in die Bedienung eingefuchst hatte.  Sobald ich wusste, wie er richtig funktioniert, habe ich mir sehr viel Zeit gespart.“ So lange die Technik zuverlässig funktioniere, berichtete Lenk, sei der Feldroboter genau die Maschine, die er im Betrieb brauche. „Wenn dann noch die Zuverlässigkeit stimmt, bin ich sehr zufrieden.“

 

„Robotik ist schon längst in der praktischen Landwirtschaft angekommen: Melkroboter beispielsweise gibt es schon lange, für die Arbeit unter freiem Himmel zieht die Technik jetzt nach.“
Jan Obermeier

 

Obermeier ergänzte seine Erfahrungswerte: „Ich war einer der ersten konventionellen Betriebe, der einen Feldroboter angeschafft hat – er stellte für mich einen sinnvollen Baustein in der Unkrautbekämpfung dar, um Resistenzen gegen Unkrautbekämpfungsmittel vermeiden zu können. Die Herausforderungen sehe ich momentan noch darin, dass die Maschinen stark spezialisiert sind – ich kann Unkraut hacken oder säen – und ihr Einsatz ist hochgradig wetterabhängig: Wenn es drei Wochen nach der Rübenaussaat regnet, sind die Unkräuter anschließend zu groß für den Roboter.“

 

Lernbereitschaft und Geduld als Schlüssel

Bühnemann erläuterte: „Es ist ein Lernprozess, auf den ich mich als Landwirtin oder Landwirt einlassen muss. Je mehr Erfahrung eine Person im Einsatz mit dem Roboter gesammelt hat, desto effizienter ist er. Je mehr Lernbereitschaft und Geduld sie mitbringt, desto zufriedener wird sie mit der Leistung sein und desto besser und reibungsloser wird auch der Roboter funktionieren.“ Außerdem konnte er beruhigen: „Viele Praktikerinnen und Praktiker haben noch immer Sorge, dass der Roboter auf die Straße oder den Gehweg fährt – das passiert der Robotik im Jahre 2025 nicht mehr.“ Als größte Herausforderungen beschrieben Lenk und Obermeier eine instabile Netzabdeckung und den langwierigen Umbau des Roboters von Hack- zu Aussaatfunktion. Gandorfer berichtete außerdem von Problemen mit der Sensorik, insbesondere auf Ackerflächen neben Blühstreifen, und des Spurversatzes: „Es ist nur schlecht möglich, mit dem Roboter zu hacken und ein anderes System zur Aussaat einzusetzen.“ Dagegen sei die Wartung des Roboters denkbar einfach: „Mit einem Schraubenschlüssel lässt sich die Maschine nahezu komplett zerlegen; bei Softwareproblemen reicht meistens ein Anruf beim Hersteller aus“, zeigte sich Obermeier zufrieden.
 

Ich sehe in der Feldrobotik mit die größte Chance, um Bodenverdichtung zu reduzieren und so den Boden zu schonen.
Mathias Lenk
 

Als Verbesserung wünschten sich die Landwirte eine größere Maschine, die ohne Umbau säen oder hacken kann, eine Arbeitsbreite von sechs Metern und eine verbesserte Zuverlässigkeit: „Mehr als eine halbe Stunde Arbeitszeit pro Tag darf mich der Roboter nicht kosten, um wirklich effizient zu sein“, so Lenk. Gandorfer wagte einen Blick in die Zukunft: „Vollautonome Traktoren werden vielleicht in 15 Jahren der Standard sein. Dahingehend sind wir sehr optimistisch, da wir nicht erwartet haben, dass sich in den besprochenen Nischen der Einsatz von Feldrobotern so rasant entwickelt.“

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