Düngerproduzenten sind auf eine verlässliche Energiepolitik angewiesen. Über den aktuellen Düngermarkt informiert Antje Bittner, Geschäftsführerin SKW Piesteritz im folgenden DLG-Interview.
DLG: Ein Grund für die Drosselung der Düngemittelproduktion von SKW im Januar war die Gasspeicherumlage. Hat sich die Situation mit
der neuen Bundesregierung verändert?
Antje Bittner: Die Situation hat sich mit der neuen Bundesregierung grundsätzlich verbessert. Gleichwohl bleiben die Herausforderungen bestehen, denn zur Verbesserung braucht es konkrete Handlungen seitens der Politik und nicht nur Sympathiebekundungen. Ein Beispiel: Die Gasspeicherumlage, die bei voller Produktionsauslastung allein rund 40 Millionen Euro gekostet hätte, wird zum 1. Januar 2026 abgeschafft. Das war ein wichtiger Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie – und damit auch der Düngemittelproduktion – nicht weiter zu schwächen.
Reichen die Maßnahmen für eine wirtschaftliche Produktion aus?
Nein, aber es ist ein guter Anfang. Nötig wäre eine Streichung der Gasspeicherumlage für das laufende Jahr 2025 gewesen. Allerdings bleiben die Gaspreise in Deutschland im europäischen Vergleich weiterhin hoch und sehr volatil, was die Produktion hierzulande im Vergleich zum globalen Wettbewerb erschwert. Eine nachhaltige Entlastung kann nur über eine langfristige Energie- und Rohstoffpolitik gelingen, die auf Versorgungssicherheit und bezahlbare Preise setzt. Hier ist auch die europäische Ebene zu schnellem Handeln gefordert. Stichworte sind dabei Zölle, Anti- Dumping-Maßnahmen und das europäische Emissionshandelssystem, kurz ETS.
Welche Folgen haben die Zölle auf russische Düngemittel?
Die von der EU-Kommission am 1. Juli 2025 eingeführten Zölle von 40 bis 45 Euro je Tonne Importe russischer und weißrussischer Düngemittel sind ein wichtiges Signal, da Europa so die Finanzierung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine durch europäische Verbraucher erschwert. Jedoch wurden noch im Juni 2025 rund 911.000 Tonnen Düngemittel aus Russland importiert, auf die noch kein Zoll bezahlt worden ist. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2025 rund 3,25 Millionen Tonnen Mineraldünger aus Russland in die EU importiert, was einem Anstieg von plus 48 Prozent gegenüber Vorjahr entspricht.
Die Gasspeicherumlage, die bei voller Produktionsauslastung
allein rund 40 Millionen Euro gekostet hätte, wird zum 1. Januar 2026 abgeschafft.
Welche Umweltstandards gelten für Importe?
Bittner: Wir erfüllen die europäischen Umweltschutzstandards und investieren in Energieeffizienz und Emissionsminderung. Deswegen sind unsere Produkte zwar umweltfreundlicher, aber eben auch teurer. Mit dem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) unternimmt die EU-Kommission den Versuch, dass Importeure ebenfalls Kosten für CO2 tragen müssen. Leider ist der Mechanismus weder ausgereift noch betrugssicher. Geht der Versuch der EU-Kommission schief, dann bedeutet dies den Verlust der Düngemittelproduktion in Europa.
Sind die Sorgen der Landwirte über steigende
Düngemittelpreise berechtigt?
Die Sorgen der Landwirte nehmen wir ernst. Alle Marktteilnehmer, sowohl die Landwirtschaft als auch die Düngemittelindustrie, brauchen fairere Wettbewerbsbedingungen. Hier sind ganz klar die nationalen Regierungen und die EU-Kommission gefordert. Die Düngemittelpreise sind das Ergebnis von Wettbewerb auf der Anbieterseite. Scheiden die europäischen Produzenten aus, dann haben ausländische Anbieter eine höhere Preissetzungsmacht. Europäische Produzenten sind also quasi der Garant, dass die Preise nicht durch die Decke gehen und der Landwirt die bestmöglichen Konditionen vorfindet. Wenn europäische Hersteller wieder kontinuierlich auf optimaler Last produzieren können, profitieren auch die Landwirte von einer verlässlichen und regionalen Versorgung mit qualitativ hochwertigen und umweltfreundlichen Düngemitteln.
Wie bewerten Sie aktuell die Einlagerung
von Stickstoffdüngern?
Aktuell wird in Summe deutschlandweit von einer Stickstoff-, kurz N, Deckungsquote von etwa 40 Prozent der in der Saison 2026 benötigten Stickstoffdünger ausgegangen. In der Vergangenheit wurde durchschnittlich zu diesem Zeitpunkt ein höherer Einlagerungsbedarf erreicht. Die Gründe resultieren größtenteils aus den schlechten Erzeugerpreisen für die Landwirtschaft. Das zurückhaltende Kaufverhalten ist absolut verständlich, führt jedoch dazu, dass mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von einer Unterdeckung an N-haltigen Düngemitteln zum Saisonstart 2026 ausgegangen werden muss.
Wohin geht die Richtung beim Preis?
Für die nahende Saison stehen alle Zeichen auf steigende Preise. Wir als SKW Piesteritz werden alles tun, um unsere Kunden, die seit Jahren auf uns als lokalen Produzenten setzen, pünktlich mit den bestellten Düngemitteln zu versorgen. Produktionsseitig können wir Deutschland mit dem benötigten Dünger auch 2026 versorgen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dafür setzen wir uns bei der Politik ein. Über logistische Engpässe möchten wir nicht spekulieren. Nach Aussagen des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung bestehen große Engpässe bei der Verfügbarkeit von Lkw-Fahrern. Wir sehen uns konfrontiert mit steigenden Frachtkosten. Der Frachtraum für verpackte Ware sowie die Schieneninfrastruktur müssen sehr kritisch betrachtet werden.
Das zurückhaltende Kaufverhalten ist absolut verständlich, führt jedoch dazu, dass mit Unterdeckung an N-haltigen Düngemitteln zur Saison ausgegangen werden muss.
Zum Unternehmen
Die SKW Stickstoffwerke Piesteritz, SKW, produzieren seit 1993 in Lutherstadt Wittenberg Stickstoffdünger und Industriechemikalien. Die Jahresproduktion beträgt rund 4 Mio. t Ammoniak und Harnstoff. Eigentümer von SKW ist die tschechische Agrofert-Gruppe zu der auch Düngerwerke Duslo a.s. in der Slowakei und Lovochemie in Tschechien gehören sowie die Großbäckerei Lieken GmbH. Der Agrarhandel Agrofert betreibt die Annahme und Lagerung von Getreide, Raps und Düngemittel in Bischofswerda, Drebkau und Reichenbach.