So digital sind moderne Geflügelställe

Hightech in der Geflügelhaltung: Dahin geht die Reise

In Geflügelbeständen, hier im Bild zu sehen Hähnchen, können KI gestützte Lösungen, etwa zum Monitoring von Bewegungsaktivitäten der Tiere, Management-Entscheidungen unterstützen. Foto: Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V.

Professionelle Geflügelhaltung im 21. Jahrhundert ist ohne digitale Systeme kaum vorstellbar: Tierwaagen in Geflügelställen, minutiöse Klimasteuerung und Milligramm-genaue Verwiegung von Futter sowie zahlreiche Sensoren, um bspw. den Arbeitsprozess zu optimieren und das Tierwohl zu verbessern. Welche Technik ist mittlerweile state of the art und was ist noch Zukunftsmusik? Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (KI) in den Ställen? Ein Überblick über die wichtigsten Fragestellungen. 

Dr. Kathrin Toppel, Team Schwerpunkt Angewandte Geflügelwissenschaft (StanGe) der Hochschule Osnabrück,  erklärt zunächst den Unterschied zwischen Digitalisierung und reinen KI-gestützten Systemen: „Wir haben den Digitalisierungsgrad in der Nutzgeflügelhaltung stark ausgeweitet. Die Betriebe arbeiten mit einer relativ hohen Dichte an sensorgestützten Techniken, beispielsweise für die Lüftung, bei der Fütterung oder bei der Ermittlung der Tiergewichte. Aber auch bildgebende Systeme werden in der Praxis immer häufiger eingesetzt, auch wenn die absoluten Zahlen noch sehr eingeschränkt sind. Im Gegensatz zu reinen KI-gestützten Systemen ist es aber in der landwirtschaftlichen Praxis nicht der Computer, sondern der Landwirt, der die Management-Entscheidungen trifft. Ohne qualifiziertes Personal können die hochtechnisierten Betriebe nicht effizient geführt werden.“

 

Porträt von Frau, Dr. Kathrin Toppel.
Dr. Kathrin Toppel, Team Schwerpunkt Angewandte Geflügelwissenschaft (StanGe) der Hochschule Osnabrück, sieht Potenzial in der digitalen Tierdatenerfassung. Foto: StanGe Osnabrück

Welche Lösungen sind bereits verbreitet?

Kathrin Toppel schildert die am Markt verfügbaren Lösungen für die Geflügelhaltung: „In den Ställen läuft sehr viel digital - automatische Fütterung, Wassersteuerung, Tierwaage, Lüftungssteuerung, Stallcomputer etc. nutzen mittlerweile nahezu 100 Prozent der konventionellen Betriebe. Über entsprechende mobile Apps überprüfen zahlreiche Betriebsleiter mehrmals am Tag die Stall- und Tierdaten. Controlling-Programme helfen dabei, die betriebsindividuellen Daten bewerten zu können, um bei Bedarf frühzeitig gegenzusteuern und den Erfolg von Maßnahmen direkt zu überprüfen.“
 

Welche digitalen Anwendungen sind auf dem Vormarsch?

Wie Kathrin Toppel beschreibt, sind bildgebende Systeme in den letzten zwei Jahren stark fortgeschritten. „Bislang wurde die Umwelt betrachtet, jetzt erhalten wir Daten vom Tier. Das betrifft zunächst nur die reine Erfassung vom Bestand und von der Identifizierung von Bewegungsaktivitäten. Managemententscheidungen fällt nicht der Computer, Schlussfolgerungen aus den Bildern müssen die Landwirte eigenständig ziehen. Großes Potential zeigt sich beispielsweise auch in der Lebendgewichterfassung der Tiere. Diese wird sich, sobald sie praxisreif ist, monetär für die Betriebe lohnen. Der Geschlechtsdimorphismus, also die geschlechtsspezifischen Unterschiede, werden berücksichtigt, was die Aussagekraft zur Herdenuniformität und somit hinsichtlich des Tierschutzes verbessert. Zudem kann durch die digitale Erfassung der optimale Schlachttermin der Tiere ermittelt werden, so sparen die Betriebe Futterkosten – und das Wertschöpfungsnetz wird ressourceneffizienter.“

 

Wo liegen die größten Chancen digitaler Systeme für die Geflügelhaltung?

Von der Verknüpfung der Daten verspricht sich Toppel viel für die Weiterentwicklung der Geflügelhaltung, da sie zukünftig auch sichere Prognosen zur Bestandsentwicklung und somit auch für Managemententscheidungen liefert. Die Wissenschaftlerin betont den Vorteil einer digitalen, objektiven und präzisen Tierdatenerfassung: „Abweichungen werden frühzeitig aufgezeigt. Die Sensoren übermitteln uns die Daten bzw. Informationen für den Bestand 24 Stunden lang an sieben Tagen die Woche. Auf diese Weise lassen sich etwa Verhaltensabweichungen oder Krankheiten der Tiere frühzeitig erkennen und beheben. Dies ist im Sinne der Tiergesundheit und des Tierwohls.“
 

Werden digitale Systeme den Tierbetreuer ersetzen?

Im Umgang mit Tieren bleibt gut geschultes Fachpersonal laut Toppel unverzichtbar: „Digitale Systeme helfen uns im Management des Betriebes, zu wissen, was im Haltungssystem, im Stall und im Bestand los ist. Dafür liefern sie eine Fülle unterschiedlicher Daten, die zu Informationen verknüpft werden. Es ist die Aufgabe des Herdenmanagers, diese Zahlen einzuordnen und die Entscheidung zu fällen, was zu tun ist. Daher ist es so wichtig, dass Daten valide sind, Tools mit offenen Schnittstellen angeboten werden und Digitalisierung in der Ausbildung der Landwirtschaft ein deutlich stärkeres Gewicht bekommt.“
 

Das sind die Stellschrauben aus Sicht des ZDG

„Der Landwirt weiß heute vom Computer aus schon recht gut Bescheid, wie das Stallklima ist“, beschreibt der Geschäftsführer des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), Wolfgang Schleicher, den Status quo im modernen Geflügelstall. Technisch möglich wäre aber inzwischen viel mehr. Wichtig sei hier aber die Bezahlbarkeit künstlicher Intelligenz, damit sie sich auch in der Breite durchsetzen könnte. „Die Technik muss sich am Ende des Tages für den Landwirt finanziell lohnen, sonst wird niemand investieren“, macht Schleicher deutlich. 
 

Text: Agnes Michel-Berger, freie Autorin

Zum Thema

DLG-Agrifuture Insights: Hohe Investitionsbereitschaft in turbulenten Märkten
Tierhaltung

Ideales Konzept für Direktvermarkter

Mobile Schlachtung
Medaillenregen zur EuroTier und Energy Decentral
Insekten als alternative Proteinquelle