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Teil A: Futter, Fütterung und Faserstoffversorgung

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DLG-Merkblatt 463

1. Auflage, Stand: 07/2021

Autoren

Eine Information des DLG-Arbeitskreises Futter und Fütterung 

  • Herbert Nehf, BayWa, München
  • Dr. Gerhard Stalljohann, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Bad Sassendorf
  • Carsten Pohl, Bio Eichenmühle, Stavenhagen/Basepohl
  • Georg Riewenherm, Deutsche Tiernahrung Cremer, Düsseldorf
  • Bernhard Feller, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Bad Sassendorf 
  • Dr. Detlef Kampf, DLG e.V., Frankfurt am Main

1. Tierwohl

Tierwohl kann im weiteren Sinn als Balance zwischen den Bedürfnissen der Tiere und der Möglichkeit gesehen werden, diese zu befriedigen. Insgesamt umfasst Wohlbefinden die Abwesenheit negativer und das Auftreten positiver Einflüsse. Ausgehend davon, dass Tierhaltung aber unvermeidbar Einschränkungen für die Tiere mit sich bringt, bedeutet die Förderung von Tierwohl, ein Gleichgewicht zwischen Tier und Haltungsumwelt zu gestalten. Damit soll gewährleistet werden, dass heutige Schweineherkünfte positive Verhaltensmuster ausleben können (z. B. Fressen, Bewegen, Beschäftigen, Ruhen) und gleichzeitig physiologische Körperfunktionen nicht überfordert werden.

Futter und Fütterung nehmen die Schlüsselrolle bezüglich Wohlbefinden und Verhalten beim Schwein ein!

Moderne Fütterungsstrategien orientieren sich an den Vorgaben für eine bedarfsgerechte Versorgung mit Nähr-, Mineral- und Wirkstoffen. In den letzten 20 Jahren entwickelte sich der Fokus stärker in Richtung Effizienz, ressourcenschonende Fütterung und Nachhaltigkeit sowie die Herstellung hochwertiger Lebensmittel. Neueste Aspekte der Fütterungslehre berücksichtigen darüber hinaus noch intensiver die Auswirkungen der Fütterung auf das Tierwohl bzw. das Wohlbefinden der Tiere. 
Die Beurteilung der Wirkung von Futter und Fütterung auf Verhalten und Wohlbefinden wird oft aus Sicht des Menschen durchgeführt, eine fachlich fundierte Bewertung kann aber nur auf Basis wissenschaftlich belegter Kriterien zum Tierwohl erfolgen. 

Im Folgenden wird der aktuelle Wissensstand zu fütterungsbedingten Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung von Tierwohlindikatoren aufgezeigt und Ansätze geliefert, die in der Praxis angewandt werden können. Es wird dargestellt, wie Futter und Fütterung möglichen Verhaltensstörungen entgegenwirken können. 

1.1 Verhalten

1.1.1 Normales Verhalten

In diesem Zusammenhang kann das Verhalten der Wildform unserer Nutztiere herangezogen werden, um das „normale“ Verhalten von Nutztieren zu reflektieren. Nutztiere verhalten sich anders als ihre Ahnen, so dass sich ursprüngliche Verhaltensarten und Fressweisen nur von Wildformen ablesen lassen. Schweine haben mit ihrer hoch entwickelten Erkundungsmotivation fein abgestimmte Fähigkeiten entwickelt, die Nährstoffe in ihrer Ernährung mit der Wahl verschiedener verfügbarer Futtermittel auszugleichen. Bei unzureichender Nahrungsgrundlage erhöht sich daher die Suchaktivität nach Futter. Dieses Verhalten kann unter intensiveren Haltungsbedingungen zur Entwicklung abnormaler und stereotyper Verhaltensweisen führen (FAO, 2012). 

Bei der Futtermittelwahl passen sich Wildscheine dem Umgebungs- und dem jahreszeitlich bedingten Angebot an. Die Nahrungssuche und Futteraufnahme ist bei Wildschweinen sehr zeitintensiv und nimmt zwischen 25 bis 59 % des Tages in Anspruch. Während der Futtersuche treten verschiedene Verhaltensweisen wie Wühlen oder Scharren auf. Schweine besitzen als Allesfresser Zähne, die das Aufbrechen von Früchten und Samen sowie das Fangen und Töten wirbelloser Tiere gestatten. Dies ermöglicht ihnen aber auch, sich in der Konkurrenz um knappe Ressourcen gegenseitig Verletzungen zuzufügen. Um dieses Risiko zu minimieren, bilden Schweine genau definierte Gruppenhierarchien, die die Priorität des Zugriffs ohne offensichtliche Aggression festlegen . Beim Aufeinandertreffen  auf gruppenfremde Artgenossen wird die relative Dominanz neu geordnet. Dies kann zu Tierwohlproblemen führen, wenn Haltungsbedingungen vorliegen, die eine soziale Instabilität verursachen (FAO, 2012). 

Abbildung 1: Zu befriedigende Verhaltensmuster aus Futter, Fütterung und Stoffwechsel (Quelle: Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen)

Das Hausschwein verfügt – ähnlich dem Wildschwein – über ein umfangreiches Verhaltensrepertoire, das mehr als 100 verschiedene Verhaltenselemente umfasst. Ein Großteil der Tagesaktivität entfällt dabei auf die Futteraufnahme/-suche bzw. Funktionen, die der Nahrungsaufnahme zugeordnet werden können (Abbildung 1; Kamphues und Rieger, 2018). Hierbei sind insbesondere das Grasen, Wühlen und die Fortbewegung zu nennen, die wie bei anderen soziallebenden Tierarten gleichzeitig in Gruppen ausgeführt werden (Zwicker et al., 2015). Ähnliches gilt auch für die Futteraufnahme selbst (Kamphues und Rieger, 2018). 

Da Tierwohl von zahlreichen Faktoren abhängt, müssen mehrere in sich greifende Kriterien (wie z. B. das Zusammenspiel von Tierwohl mit Tiergesundheit und Verhalten und den Einflüssen von Management, Tierherkunft, Haltungsbedingungen, Stallklima sowie Wasser- und Futterversorgung) betrachtet werden.

Auszug aus dem Tierschutzgesetz:
„Wer ein Tier hält oder betreut, muss … das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend ... ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen … Eine artgerechte Tierhaltung setzt die Bedürfnisse der Tiere um und schränkt die Bewegungsfreiheit der Tiere nicht ein.“ 

Neben den im deutschen Tierschutzgesetz zugrunde gelegten einschlägigen Kenntnissen zu Futter und Fütterung gewinnen inzwischen auch die Nebeneffekte der Fütterung, die sich auf das Tierwohl und das Verhalten von Tieren auswirken können, stark an Bedeutung. Eine gute Tierhaltung unterteilt Tierwohl nach deutschem Tierschutzgesetz (2020) bzw. beispielhaft nach einem internationalen wie dem britischen Farm Animal Welfare Council (2009) wie folgt:

Deutsches TierschutzgesetzBritish ´Farm Animal Welfare Council´
angemessen ernähren, pflegen und verhaltens­gerecht unterbringenAbwesenheit von Hunger und Durst 
Bewegungseinschränkung nur ohne Schmerzen oder
vermeidbare Leiden oder Schäden möglich
Abwesenheit von Unwohlsein durch die Umgebung
Erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten zur Pflege und verhaltensgerechten Unterbringung des Tieres 

Abwesenheit von Schmerzen und Schäden (wie z. B. Erkrankungen und Wunden)

Abwesenheit von Leiden, Angst und Stress

 

1.1.2 Messung von „normalem“ Verhalten

Zur objektiven Beobachtung von „normalem“ Verhalten und Verhaltensabweichungen werden u. a. folgende Mess- und Zählmethoden eingesetzt:

  • Verhaltensfrequenzen messen
  • Futtermengen erfassen 
  • Verhalten gegenüber Artgenossen
  • Erfahrungen/Versuche – Neugruppierungen von Tieren
  • Quantifizierung von äußeren Verletzungen
  • Schlachthofbefunde
  • Stress z. B. mit Hormonprofilen erfassen

1.2 Verhaltensabweichungen

Zu den Verhaltensabweichungen werden bei Schweinen u. a. Zungenrollen, übermäßiges Lecken, Wandlecken, Leerkauen, Schaumkauen, Hundesitzigkeit, Aggressivität, Tränkespiele, Stangenbeißen sowie Schwanz-, Ohr-, Flanken-, Penis- und Vulvabeißen gezählt. In welchem Ausmaß diese Verhaltensabweichungen auch fütterungsbedingte Ursachen haben, kann im Einzelfall nicht immer erklärt werden. Aus dem Englischen haben sich Begriffe zu fütterungsbedingten Verhaltensanomalien wie „Feeding frustration“, „Frustration of feeding motivation“ etabliert. Überdies werden krankheitsbedingte oder durch Reizarmut ausgelöste Abweichungen z. B. mit „Sickness behavior“ bzw. „Boring environment“ umschrieben.

Grundsätzlich ist die Futteraufnahme mit dem darauf folgenden Sättigungsgefühl eine elementare Befriedigung einer hormonell gesteuerten Verhaltenskaskade. Diese Kaskade sollte weitgehend ungestört im Rahmen der Futteraufnahme und des weiteren Verdauungsvorganges durchlaufen werden können.
 

2. Fütterung, Futter, Nährstoffe, Verdauung, Verwertung und Verhalten – Interaktionen und Empfehlungen zur Vermeidung von Abweichungen

2.1 Futtervorlagestrategien

Es gibt verschiedene Futtervorlagestrategien, die unterschiedliche (Aus-)wirkungen auf das Verhalten und Wohlbefinden von Schweinen haben. 

Wirkung von zusätzlichem Milchangebot durch technische Anlagen bei hohen Ferkelzahlen:

  • Reduzierung von Stress und aggressivem Verhalten bei der Futteraufnahme der Ferkel in den ersten Lebenswochen 
  • Bedarfsgerechte Versorgung der Ferkel bei gleichzeitiger homogenerer Entwicklung der Würfe 
  • Vitalere und gesündere Ferkel haben weniger Risiko für die Entstehung von Verhaltensanomalien

Wirkungen der Futtervorlagestrategien auf Futteraufnahme und Verdauung: 

  • Ausreichender Fressplatz und ausreichende Fresszeiten
  • Regelmäßige Fütterung mit verlässlicher guter und gleichbleibender Schmackhaftigkeit
  • Futterzeiten anders setzen bei z. B. hohen bzw. stark schwankenden Umgebungstemperaturen (Hitzestress)

Wirkungen der Futtervorlagestrategien zur Verlängerung der Beschäftigungszeit mit Futter:

  • Vorlage von Mehlfutter
  • Grobfuttermittel/faserstoffreiche Futtermittel 

Wirkungen der Futtervorlagetechnik:

  • Trockenfutter führt zu längeren Fresszeiten, mehr Beschäftigung, stressfreieres Fressen bei ausreichend Fressplätzen
  • Breifütterung führt zu kürzeren Fresszeiten bei gleichzeitig schnellerer Futteraufnahme, weniger Beschäftigung, stressfreieres Fressen bei ausreichend Fressplätzen
  • Flüssigfütterung führt zu kurzen Fresszeiten mit hohem Stresspotential vor der Fütterung, insbesondere bei wenig Fressplätzen. Die hohe Menge an Flüssigfutter bewirkt gute Sättigung der Tiere.

Wirkung der Gestaltung von Futterwechseln zwischen den Haltungsabschnitten:

  • Fließende Übergänge zwischen Futterphasen entlasten die Verdauung
  • Abgestimmte Rohwarenzusammensetzungen von Schweinefutter zwischen den Futterphasen entlasten die Verdauung und führen zu weniger Stress als Ursache für negative Verhaltensmuster
  • Bedarfsgerechte Inhaltsstoffe in den Futterphasen sorgen für altersgerechte Versorgung und vermeiden Mangelsituationen als Auslöser für Verhaltensabweichungen
  • Nährstoffverdaulichkeiten sowie Futterakzeptanz in aufeinanderfolgenden Leistungsabschnitten bzw. -stadien stets durch Auswahl geeigneter Komponenten und Zusatzstoffe zu berücksichtigen 
  • Die frühzeitige Anfütterung der Ferkel bereits ab dem 5. – 10. Lebenstag führt zu einer frühen Futter- und Wasseraufnahme und der notwendigen Enzymausschüttung 
  • Eine gleichmäßige Futteraufnahme beugt Nährstoffimbalancen u. a. mit möglichen Verhaltensänderungen vor
  • Höhere Absetzgewichte durch eine frühzeitige Futtergewöhnung und -aufnahme während der Säugephase erleichtern ein gleichmäßiges Weiterfressen nach dem Absetzen
  • Futter- und Wasserdarreichungsform möglichst nicht ändern

Wirkungen der Futtervorlagestrategien zur Erhöhung des Reizumfeldes:

  • Dessert-Effekt/Highlight Effekt: Leckerbissen anbieten 
  • Mögliche Ansätze, um für das Schwein interessante Futtermittel anzubieten 
    • andere Struktur
    • andere Konsistenz
    • Wahlmöglichkeit einräumen (z. B. Beschäftigungsmaterial/-Futter, siehe Kapitel 3)
    • konstante Vorlage = Verlässlichkeit 
    • Veränderbarkeit (Abbau von langsam zunehmenden Triebkräften) 
    • Beispiele: Weichholz, Leckmasse, Grobfutter 

2.2 Wasserversorgung

Mit einer guten Wasserverfügbarkeit und Wasserqualität fängt alles an …

Wasseraufnahme beachten
Ein Tier sollte pro Tag mindestens die doppelte Menge an Wasser im Vergleich zum Futter (bezogen auf 88 % Trockenmasse, TM) aufnehmen. Bei einer zu geringen Wasserverfügbarkeit bei z. B. verschmutzten oder fehlenden Tränkemöglichkeiten führen auftretende Konkurrenzsituationen zu aggressivem Verhalten. Neben der Wassermenge/-aufnahme ist die Wasserqualität maßgebend, Vitalität, Leistungsfähigkeit und damit auch das Verhalten der Schweine zu verbessern. Ein weiterer Aspekt zur Optimierung der Wasseraufnahme ist, die gleiche Tränketechnik in verschiedenen Aufzuchtphasen und Stallabteilen einzusetzen.

Mikrobiologie und chemische Zusammensetzung checken!
Mangelnde Wasserqualitäten führen zu stark reduzierter Wasser- und Futteraufnahme! Ein regelmäßiger Wassercheck zur chemischen Zusammensetzung und zur Mikrobiologie von der Quelle bis zur Tränke ist mindestens einmal jährlich zwingend erforderlich.
 
Biofilm in Wasserleitungen systematisch vorbeugen 
Durch ausgeprägte Biofilme kann es zu geschmacklichen Veränderungen des Tränkwassers kommen, wodurch die Tiere weniger Wasser zu sich nehmen. Neben dem Einfluss auf die Leistung steigt damit das Risiko von Infektionen mit pathogenen Keimen und Unruhe. Ebenso tragen eine hohe Stalltemperatur, eine geringe Fließgeschwindigkeit und vor allem Standwasser insbesondere in Stichleitungen zu einer Keimvermehrung bei. 

Mehr Informationen: DLG-Merkblatt 464 „Fütterung und Tierwohl beim Schwein – Teil B: Wasserversorgung und Futterhygiene“

2.3 Futter- und Fütterungshygiene

… „spiegelt“ sich u. a. in Futterakzeptanz, -bekömmlichkeit und Wohlbefinden wider …, denn „der Geruch, das Anwühlen (Futterschieben für intensiveres Erkunden), das Auge, der Geschmack (fr)essen mit“

Der Erreichung bzw. Stabilisierung eines hohen Hygienestatus im Futter selbst und natürlich auch in den Fütterungsanlagen ist die gleiche Bedeutung wie einer hinreichenden und exakten Energie-, ­Nähr-, Mineral- und Wirkstoffversorgung der Tiere beizumessen. 

Die Beurteilung des Hygienestatus in Futter und Fütterung kann über Verunreinigungen des Futters mit Sand, Erde, Spreu, Keimlingen, Nagerkot usw. als auch über Mutterkorn-, Unkrautsamen-, Vorratsschädlingsbesatz, Anteil geschädigter Körner, Mikrobenbesatz bis hin zu Toxinen von Mikroorganismen erfolgen. 
Ein Teil dieser Faktoren lässt sich durch sensorische Prüfungen – Befühlen, Betrachten, Riechen, Schmecken – begutachten. Für eine weiterreichende Überprüfung sind Laboruntersuchungen notwendig, die auf jeden Fall bei Verdacht auf Hygienemängel i. d. R. eine sichere Einstufung ermöglichen. Neuere Analysenmethoden können zum Teil sicherlich schnelle Ergebnisse liefern, nach Möglichkeit sollte eine Normierung neuer Nachweisverfahren erfolgen.  

Merke: Der tägliche Check der Futter- und Wasseraufnahme trägt maßgeblich zur Steigerung des Tierwohls bei!

Mehr Informationen: DLG-Merkblatt 464 „Fütterung und Tierwohl beim Schwein – Teil B: Wasserversorgung und Futterhygiene“ 

2.4 Einfluss von Einzelfuttermitteln

Die Verdauungsvorgänge sind beim Ferkel zunächst auf die besondere Zusammensetzung der Sauenmilch ausgerichtet. Der Verdauungstrakt passt sich mit steigendem Alter der Ferkel langsam an Futtermittel mit abfallenden Verdaulichkeiten der organischen und anorganischen Inhaltsstoffe an. Es ist wichtig, die Enzymausstattung und das -training bei Jungtieren und besondere Eigenschaften der Einzelkomponenten, wie den Gehalt an sekundären, die Verdaulichkeiten herabsetzenden Substanzen, entwicklungsabhängig zu berücksichtigen. Sauenmilch verfügt z. B. über eine Nähr-, Mineral- und Wirkstoffverdaulichkeit von über 95 %, wohingegen unbehandelte, pflanzliche Proteine teils Verdaulichkeiten von deutlich unter 70 % aufweisen und z. T. antigene Wirkungen entfalten, die zur Ausbildung von späteren abweichenden Verhaltensmustern beitragen können.
Einzelfuttermittel werden generell in Konzentratfuttermittel, Grob- und Saftfuttermittel unterschieden. Verarbeitungs- bzw. Koppelprodukte aus der Lebensmittelherstellung und der Bioenergieproduktion, die nicht in direkter Konkurrenz zur Humanernährung stehen, nehmen eine besondere Bedeutung in der Nutztierfütterung ein und gewähren eine notwendige und sinnvolle Verwertung dieser Nebenprodukte.

Mischfuttermittel bestehen aus mehreren Einzelfuttermitteln, die sich unterschiedlich auf die Schmackhaftigkeit und die Verdauungsabläufe auswirken. Beispielsweise kann eine zu hohe Ureaseaktivität beim Sojaextraktionsschrot ein Anzeiger sein, dass die Verdaulichkeit herabgesetzt ist, eine ausreichende Hitzebehandlung kann diese Effekte weitestgehend aufheben. Rapsextraktionsschrot kann die Futteraufnahme begrenzen, durch eine druckhydrothermische Behandlung kann dieser Effekt weitestgehend aufgehoben und die Faser- und Nährtoffverdaulichkeit durch das Aufbrechen von Zellwandstrukturen deutlich verbessert werden, was wiederum die Futteraufnahme fördert. Negative ­Eigenschaften einzelner Komponenten können somit durch weitere Behandlungsschritte teilweise aufgehoben oder die Verdaulichkeiten einer Komponente unter anderem auch durch die Zerkleinerungsintensität, enzymatische Behandlung oder gezielte Fermentation deutlich gesteigert werden. Ein weit verbreitetes Beispiel ist die Erhöhung des Stärkeaufschlussgrades (beispielsweise aufgeschlossenes Getreide oder Mais) durch geeignete Behandlungsverfahren. Auch Zusatzstoffe bieten für einzelne Sonderwirkungen Lösungsansätze und können negativ wirkende Stoffe wie z. B. Mykotoxine binden und aus dem Organismus ausschleusen und damit negative Effekte auf das Verhalten abmildern.

Tabelle 1: Futterwert, Besonderheiten und Wirkungen auf Tierwohl oder Verhalten sowie Einsatzempfehlungen ausgewählter Einzelfuttermittel (nach LfL, 2018; LfL, 2020, Stalljohann et al., 2020a)

1 bakteriell fermentierbare Substanz [BFS = verdauliche N-freie Extraktstoffe (g) + verdauliche Rohfaser (g) – (Stärke (g) + Zucker (g))]
2 WHC Wasserhaltevermögen nach Dusel (2014), errechnete ca.-Werte aus LUFA-Untersuchungen
3 Einsatzraten ergeben sich auch aus den Empfehlungen für Rohfaser, aNDFom, ADFom (siehe Tabelle 5)
o. E. = ohne Restriktion, allerdings ergibt sich für eine ausgewogene Tagesration ein Maximalgehalt, wenn Inhaltsstoffvorgaben eingehalten bzw. Rohstoffanforderungen erfüllt werden sollen/müssen
k. A. = keine Angaben

Einzelfuttermittel können also je nach Behandlungsgrad und Eigenschaften wie z. B. Inhaltsstoffe, Struktur, Schmackhaftigkeit positive als auch negative Effekte auf Leistung, Wohlbefinden und im weitesten Sinn damit auch auf das Verhalten der Tiere haben. In Tabelle 1 sind die Einsatzbereiche in den verschiedenen Haltungsabschnitten von Schweinen für die gängigen Einzelfuttermittel dargestellt, in deren Bereich mit keinen negativen Einflüssen gerechnet werden muss, wobei zu beachten ist, dass Kombinationseffekte auftreten können. So ist z. B. beim gleichzeitigen Einsatz von Roggen und Triticale (Kreuzung aus Weizen und Roggen mit etwa 50 % der Eigenschaften von Roggen) eine Gewöhnung notwendig. In der praktischen Rationsgestaltung dürfen in einem solchen Fall nicht die in der Tabelle 1 aufgeführten Obergrenzen addiert werden, es ist viel mehr die Summe der Wirkung zu betrachten und eine entsprechend niedrigere Obergrenze zu wählen. Auch bei Rapsextraktionsschrot und -kuchen, sowie den verschiedenen Kleberfuttern können nicht einfach die Obergrenzen addiert werden, hier bestimmt die jeweilige Obergrenze der einzelnen Komponente die Obergrenze für die Summe der jeweiligen Gruppe. Gleiches gilt für Ackerbohnen und Erbsen, wobei ohne ausreichende Hitzebehandlung bei diesen Mittelproteinen die Obergrenzen nicht immer ausgeschöpft werden sollten, da sekundäre Inhaltsstoffe nur durch diese Behandlung weitgehend deaktiviert werden. Obergrenzen können auch technische Gründe haben, so zum Beispiel beim Einsatz von Gerste. Die Struktur der Gerstenspelzen kann bei sehr hohen Einsatzraten Probleme mit der Fließfähigkeit der fertigen schrotförmigen Mischung durch Brückenbildung im Silo oder Futterautomaten verursachen, was wiederum zu Stress durch Futtermangel führen kann. Durch eine vielfältige Mischung verschiedener Einzelfuttermittel in Mischfuttermitteln und in Eigenmischungen können somit positive Wirkungen auf die Verdauung verstärkt und negative mit weiteren Auswirkungen auf das Verhalten abgeschwächt werden. Damit können auch unvermeidliche Nährstoffschwankungen bei den Einzelkomponenten in ihrer Wirkung ausgeglichen werden. Die angegebenen Werte in Tabelle 1 sind als Orientierungswerte zu verstehen, einzelbetrieblich können abweichende Einsatzraten aufgrund der gegebenen Qualitäten möglich oder notwendig sein.

2.5 Einfluss von Rohnährstoffen

2.5.1 Energieversorgung

Eine eingeschränkte Futterzugänglichkeit/-verfügbarkeit aufgrund technischer Mängel oder Rangordnungen stellt für Tiere einen enormen Stressfaktor dar. Je jünger die Tiere sind, umso wichtiger ist eine kontinuierliche und ausreichende Futter-, besser Energieaufnahme zur Ausbildung und Aufrechterhaltung von Verdauungs- und Stoffwechselvorgängen für die Vermeidung von Hunger und dauerhaftem Auslösen aggressiver Verhaltensmuster. Zur Feineinstellung von Futtergehalten und -vorlagen werden Energiemaßstäbe herangezogen, die auf der Basis der Energie liefernden Nährstoffe Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße basieren. Tabelle 2 zeigt die Unterschiede in der energetischen Verwertung verschiedener Rohnährstoffe.

Tabelle 2: Energetische Verwertung der Umsetzbaren Energie (ME) aus verschiedenen Nährstoffgruppen im Stoffwechselprozess (nach Susenbeth, 2005)
NährstoffgruppeStärke/ZuckerProteinFett
Energetische Verwertung (%)75,762,385,9
Wärmeverluste (%)24,337,714,1

Besonders in Jahreszeiten mit anhaltend hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit kann die Futteraufnahme drastisch sinken und Aggressionen auslösen. Mit einer gezielten Nährstoffgestaltung der Futtermischungen kann diesem Hitzestoffwechselstress entgegengewirkt werden. So führen beispielsweise höhere Mengen Stärke und v. a. Protein über das Futter zu einer höheren Menge nicht nutzbarer Verdauungsenergie bei höheren Temperaturen. Demzufolge sind überhöhte Stärke- und Proteingaben in diesen Phasen kontraproduktiv – demgegenüber zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass gewisse Fettzulagen, z. B. statt 2 % Fett auf 4 % Fett, eher entlastend wirken, wobei es bei Mehlfutter gegenüber pelletiertem Futter technische Grenzen gibt. Zum Wohlbefinden gehört auch ein Sättigungseffekt durch eine adäquate Füllung des Magen-Darm-Trakts im Zusammenhang mit einer über das Hormonsystem signalisierten Sättigung. In diesem Zusammenhang muss die Energiefreisetzung im Zeitverlauf über die Betrachtung des Blutglukose- und Insulinspiegels berücksichtigt und die Sättigung auch über einen längeren Zeitraum gezielt gesteuert werden. Eine gezielte Nutzung von Energiequellen mit schnell gegenüber langsam freigesetzter Energie aus der Dickdarmfermentation ist insbesondere in der Sauenfütterung der Schlüssel. In anderen Untersuchungen wurde beobachtet, dass Tiere mit einer ausreichenden Versorgung mit Gesamtzucker „gelassener“ auf äußere Eindrücke reagieren, andererseits bei Mastschweinen sehr hohe Stärke- (über 50 %) und Gesamtzuckeranteile (über 8 %, außer Laktose) aus verschiedenen Gründen (z. B. Verdauungsstörungen) nicht zu empfehlen sind. 

Bei Ausgestaltung von Futterkonzeptionen ist die Abstimmung der Nährstoffgruppen aufeinander wichtig. So hat sich beispielsweise die Angabe der Konzentration an Lysin je Energieeinheit in Abhängigkeit vom Leistungsniveau bewährt. 

2.5.2 Protein- und Aminosäureversorgung

Die Protein- und Aminosäureversorgung von Schweinen muss bedarfsgerecht sein und orientiert sich wie bei den anderen Nährstoffen und der Energie an den Vorgaben der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE, 2006). Die Empfehlungen sind für Fitness und Ausschöpfung des genetischen Leistungspotentials ausreichend, sowie mit gewissen Reserven für praktische Verhältnisse ausgestattet. Bei den Aminosäuren stehen die essentiellen Aminosäuren Lysin, Methionin, Threonin, Tryptophan, Valin, Leucin, Isoleucin und Histidin im Vordergrund, wobei die fünf erstgenannten heute standardmäßig dem Futter zugesetzt werden. In der Futteroptimierung entspricht die Berücksichtigung der dünndarmverdaulichen (praecaecal verdaulich, pcv) Aminosäuren einer guten fachlichen Praxis. Bei übermäßigen Gaben an Futterprotein werden Aminosäuren energetisch verwertet, was zu einer unnötigen Belastung des Leberstoffwechsels (Abbau des überschüssigen Stickstoffs über Ammonium – als starkes Zellgift Schädigung endständiger Kapillaren und Reizung der Atemwege – zu Harnstoff) führt. Die Schweine müssen dafür mehr Wasser aufnehmen, um die anfallenden harnpflichtigen Substanzen über Leber und Niere auszuscheiden. Um die Stoffwechselbelastung so gering wie möglich zu halten, muss die Proteinversorgung an das von der Genetik und der Tiergesundheit vorgegebene Leistungsniveau fortwährend angepasst werden. Genau wie die Über- kann eine Unterversorgung der Schweine mit Aminosäuren, insbesondere bei abgesenkten Proteingehalten, darmflora- und stoffwechselausgelösten Stress verursachen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die ausgewogene Versorgung auch mit nicht essentiellen Aminosäuren zu achten, die durchaus auch in Mangel geraten können und damit leistungsbegrenzend und indirekt auf das Verhalten wirken.

Die intensive Betrachtung der ersten 8 limitierenden Aminosäuren hilft dabei, die Umsetzung einer stark und sehr stark N- und P-reduzierten Fütterung voranzutreiben (Abbildung 2). 

Abbildung 2: Das DLG-Merkblatt 418 und das dazu gehörige DLG-kompakt beschreiben die Vorgaben, die Umsetzung und die plausible Dokumentation N- und P-reduzierter Fütterungsverfahren bei Schweinen (DLG, 2019; DLG, 2020)

Bei den Aminosäuregehalten sind nicht nur die absoluten Gehalte sowie das Verhältnis zur ME von Bedeutung, sondern auch die Verdaulichkeiten und Verhältnisse der wertbestimmenden Aminosäuren zueinander zu berücksichtigen, um Imbalancen in der Versorgung zu vermeiden (Tabellen 3 und 4).

Tabelle 3: Angestrebte verdauliche Aminosäureverhältnisse in Schweinefuttermischungen (nach GfE, 2006; Stalljohann et al., 2015; Stalljohann et al., 2020b)
LM = Lebendmasse
Produktionsphasepcv Lysin:MELys:Meth+CysThrTryValLeuIleHis
Zuchtsauen:
niedertragend0,34 – 0,381 :0,620,660,160,651,000,500,33
hochtragend0,34 – 0,381 :0,590,640,190,701,060,510,33
laktierend0,54 – 0,581 :0,580,640,190,701,180,560,40
Zuchtläufer und Jungsauen:
bis 60 – 65 kg LM 1 :0,540,630,180,651,030,500,33
ab 60 – 65 kg LM 1 :0,560,650,180,651,020,520,33
Ferkelaufzuchtfutter I bzw. II:
7,5 – 15 kg LM 1:0,530,630,180,621,000,500,33
15 – 30 kg LM 1:0,530,630,180,621,000,500,33
Mastschweine mit hohem Proteinansatz sowie hohem Protein- und geringem Fettansatz:
Mast bis 60 – 65 kg LM 1 :0,540,630,180,651,030,500,33
Mast ab 60 – 65 kg LM 1 :0,560,650,180,651,020,520,33
Tabelle 4: Empfehlungen zur Energie- und Lysinversorgung für Mastschweine mit hohem Proteinansatz (28/30 – 120 kg Lebendmasse) (nach GfE, 2006; Stalljohann et al., 2020b)
LM-Abschnittkg28/30405060708090100 – 120
 durchschnittliche Tageszunahmen 850 g/Tag (hoher Proteinansatz)
Zunahmeg/Tag7508509501.000950900800800
pcv Lysin : MEg/MJ0,770,680,640,580,55(0,54)(0,53)(0,52)
 durchschnittliche Tageszunahmen 950 g/Tag (hoher Proteinansatz)
Zunahmeg/Tag8509501.0501.1001.0501.000900900
pcv Lysin : MEg/MJ0,780,690,660,600,57(0,56)(0,55)(0,54)
 durchschnittliche Tageszunahmen 1.050 g/Tag (hoher Proteinansatz)
Zunahmeg/Tag9501.0501.1501.2001.1501.1001.0001.000
pcv Lysin : MEg/MJ0,790,700,680,620,59(0,58)(0,57)(0,56)

Unter den erstlimitierenden Aminosäuren hat das Tryptophan besonderen Einfluss auf das Tierverhalten. Mit seiner Funktion bei der Serotoninausschüttung wird Tryptophan im Allgemeinen eine beruhigende Wirkung auf das Tierverhalten nachgesagt. Li et al. (2006) belegen, dass eine 2- bzw. 4-fach über dem Bedarf liegende Tryptophan-Zulage zu mehr Ruhe in der Tiergruppe führt. Koopmans et al. (2006) wiesen bei einer Tryptophanzulage von 5 g/kg Futter ebenso positive Effekte auf die Gesundheit von Absetzferkeln nach (gesteigerte Hypothalamus-Serotoninausschüttung, Reduktion des Cortisol-Gehaltes im Speichel, verbesserte Magen-Darm-Stabilität). Im Versuch von Jensen et al. (1993) führte eine nicht bedarfsgerechte Aminosäuren-Ausstattung (gering: 122 g RP/kg; mittel: 206 g RP/kg; hoch: 240 g RP/kg) bei ad libitum-Fütterung zu einem signifikanten Anstieg der Verhaltensweisen ‚stehen‘, ‚laufen‘, ‚wühlen‘ und unterstützt die These, dass das Futtersuchverhalten durch Mängel in der Rationsgestaltung verstärkt wird. Aus der Aminosäure Phenylalanin entstehen sogenannte Katecholamine (z. B. Adrenalin, Dopamin, etc.). Diese Botenstoffe wirken stark anregend, zudem muss Phenylalanin energieaufwendig in harnpflichtige Substanzen überführt werden.

Merke: Bedarfsgerechte Aminosäurenangebote und -relationen auf Basis der praecaecal verdaulichen Aminosäuren sind die Voraussetzung für ruhige, widerstandsfähige und vitale Tiere insbesondere in den frühen Wachstumsphasen und wirken so positiv auf das Wohl der Tiere. Hierbei nimmt beispielsweise Tryptophan eine besondere Rolle ein.

Merke: Bedarfsgerechte Aminosäurenangebote und -relationen auf Basis der praecaecal verdaulichen Aminosäuren sind die Voraussetzung für ruhige, widerstandsfähige und vitale Tiere insbesondere in den frühen Wachstumsphasen und wirken so positiv auf das Wohl der Tiere. Hierbei nimmt beispielsweise Tryptophan eine besondere Rolle ein.

2.5.3 Fett und mittelkettige Fettsäuren

Fette und Öle sind mit ihrer sehr hohen Energiedichte sowie einer geringeren Verdauungswärme gegenüber z. B. Stärke unter Hitzestress vorteilhafter. Langkettige und mehrfach ungesättigte Fettsäuren können Stressreaktionen abschwächen und die Abwehrkraft stärken. Hier sind insbesondere die Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren und deren Verhältnis zu nennen, die eine beruhigende Wirkung haben können.

Auch aus mittelkettigen Fettsäuren können im Organismus beruhigend wirkende Botenstoffe hergestellt werden. Laurinsäure hat zudem eine antimikrobielle Wirkung gegen grampositive Erreger, die das Tierwohl nachteilig beeinflussen. Durch ihre besonderen physikalischen Eigenschaften können sie die Zellmembran der Bakterien durchdringen und im Zellinneren durch einen pH-Wert-Abfall die Bakterien schließlich an der Vermehrung hemmen. 

Gerade in der Ferkelaufzucht spielen Streptokokken, Clostridien und Staphylokokken eine große Rolle im Krankheitsgeschehen. Sie sind zwar allesamt Bestandteile der natürlichen Keimflora des Schweins, aber grampositive Bakterien zeichnen sich durch ihre dicke, schützende Mureinschicht aus, wodurch sie sehr robust und schwierig zu bekämpfen sind. Am Beispiel Streptokokken treten Probleme auf, wenn sie über die Blutbahn in unterschiedliche Organe, das Gehirn oder in die Gelenke der Tiere gelangen. Dort vermehren sie sich und führen zu Entzündungsprozessen, die für das typische Krankheitsbild der Streptokokkeninfektion mit zentralnervösen Störungen und Koordinationsproblemen verantwortlich sind. Untersuchungen zeigen, dass mit einer Kombination aus verschiedenen mittelkettigen Fettsäuren die besten Wirkungen erzielt werden. In der Praxis kann so eine deutliche Reduktion des Streptokokkendrucks erreicht werden.

2.5.4 Mineral-, Vitamin- und Wirkstoffversorgung

Das Tierwohl von Schweinen wird neben den Hauptnährstoffen des Futters auch von der Ausstattung an Vitaminen, Mengen- und Spurenelementen sowie weiteren Wirkstoffen beeinflusst. 

Mineralstoffe
Bei stärkeren Aggressionen im Bestand kann dem Futter im Einzelfall Viehsalz zugesetzt werden. Neben dem Stillen des Verlangens nach Salzigem kann dadurch auch eine höhere Wasseraufnahme erwartet werden, die einen „Spüleffekt“ nach sich zieht, der den Tieren hilft, Schadstoffe auszuscheiden. Neben Natrium sollte auch der Magnesiumgehalt im Futter beachtet werden. Das Mengenelement ist relevant für die Erregbarkeit von Nerven und so an der Reizübertragung zum Gehirn beteiligt. Resultierend daraus können die Tiere schneller einen Biss von Artgenossen wahrnehmen und sich von diesen isolieren. Dementsprechend kann ein Zusatz hochverdaulicher Magnesiumverbindungen bei Kannibalismus im Stall hilfreich sein. Allerdings sollte dieser zeitlich begrenzt werden, da die Futteraufnahme der Tiere deutlich sinken kann. Futtermischungen müssen dazu zwingend auf Basis vom verdaulichen Phosphor optimiert werden (Nethe et al., 2013).

Vitamine
Betrachtet man zunächst die Ausstattung mit Vitaminen, so ist festzustellen, dass insbesondere eine hinreichende Vitamin E Ausstattung eine antioxidative Wirkung im Zellstoffwechsel übernehmen kann. Stress, sei es durch Artgenossen, Futterumstellungen oder mangelndes Management, bringen freie Radikale hervor, die die Zellmembranen angreifen. Das fettlösliche Vitamin kann dabei helfen, die oxidationsempfindlichen Phospholipide der Zellmembranen vor allem in Muskulatur und Herz zu schützen. An dieser Stelle setzt auch das Spurenelement Selen an, das als Bestandteil des Enzyms Glutathion­peroxidase zur Vitamin E Ergänzung unerlässlich ist. Dieses Enzym ist ähnlich wie Vitamin E ein starkes Antioxidans, das oxidativen Stress reduzieren kann und so den Organismus vor Schädigungen schützt. Um das Triplett der antioxidativ wirkenden Substanzen im Körper zu vervollständigen, sollte auch Vitamin C betrachtet werden. Das Vitamin hat durch seine Wasserlöslichkeit eine andere Reichweite als Vitamin E, das eher in fettigen Arealen des Körpers aktiv ist. Vitamin C wird bei Schweinen zwar endogen in der Leber synthetisiert, eine Zugabe über kürzere Perioden kann aber gerade in bestimmten Stresssituationen sinnvoll sein, um das Tier bestmöglich zu unterstützen. 

Zusätzlich dazu ist auch das Vitamin K für das Wohlbefinden der Tiere wichtig. Es ist an den Vorgängen zu Bildung der Blutgerinnungsfaktoren beteiligt und kann demnach Störungen der Blutgerinnung verhindern. Kommt es zu Beißereien im Stall, gerinnt das Blut schneller und die Schweine nehmen weniger Blut ihrer Artgenossen auf. Denn der Geschmack von Blut animiert Schweine maßgeblich dazu, weiter zu beißen. Ein Grund dafür ist, dass Blut insgesamt recht salzig schmeckt und die Tiere das Bedürfnis verspüren, Salz aufzunehmen. 

Antioxidantien sichern auch Stoffwechselvorgänge im Gehirn ab. Falls diese Antioxidantien (z. B. Vitamin A, D, E, etc.) nicht vorliegen, kann es zu Schäden am Gehirn führen. Hinweise zu positiven Effekten auf das Verhalten liegen u. a. für Vitamin B6, B12 und Folsäure vor.


Wirkstoffe
Eine bestimmte Gruppe von Mineralstoffen, die Tonererden (z. B. Bentonite, Kieselgur und Klinoptilolithe, etc.), ist futtermittelrechtlich unter der Rubrik der Mykotoxinbinder/Fließhilfsverbesserer bei den Zusatzstoffen zu finden. Allen diesen Mineralstoffen ist gleich, dass weder Rohnährstoffe noch Mengenelemente wie Calcium, Natrium, usw. in nennenswerten Mengen enthalten sind. Feinstofflich besteht diese Gruppe i. d. R. aus unverdaulichen Silikaten. Wegen der großen inneren reaktionsfreudigen Oberfläche von Silikaterden sind diese in der Lage, enorme Mengen an Flüssigkeiten zu binden: Kot und Einstreu werden trockener (Einsatz gegen dünnflüssigen Kot). Wegen der Unverdaulichkeit der Produkte nimmt im Laufe des Verdauungskanals die Konzentration dieser Stoffe – ähnlich wie bei unverdauten Faserstoffen – stark zu. Neben der großen Oberfläche wirken auch physikalische Mechanismen wie Adsorption und Ionenaustausch. Je nach innerer Struktur des Silikates kann so z. B. Ammoniak in Form des Ammoniumkations gebunden werden. Darüber hinaus können unerwünschte Futterinhaltsstoffe (z. B. Mykotoxine) gebunden werden. Diskutiert wird weiterhin, dass bestimmte Vertreter dieser Gruppe Endotoxine binden, überschüssige Magensäure abpuffern und einen Cleanupeffekt auf die Darmzotten und Darmschleimhaut – ähnlich wie bei unverdaulichen Faserstoffen – haben können. In Praxisbetrieben ist bei Einsatz die Linderung von Verhaltensanomalien beobachtet worden.

Es gibt darüber hinaus noch andere Produkte, auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen werden kann.

2.5.5 Faserstoffe und Versorgung mit Faserstoffen

Eine hinreichende Versorgung mit Faserstoffen kann nachfolgende Punkte positiv beeinflussen:

  • das Fressverhalten
  • das Sättigungsgefühl
  • die Verdauungsvorgänge
  • die Mikrobiota (speziesspezifische Mikroorganismen des Darmes (Besiedler))
  • den Immunstatus
  • die Stoffwechselvorgänge

In Abbildung 3 werden die Interaktionen dargestellt.

Abbildung 3: Zusammenspiel von Ernährung, Immunsystem und Darm­flora (Stalljohann et al., 2021, verändert nach Pluske, 2007)
2.5.5.1 Faserstoffe einteilen und bewerten

Die Rohfaser beschreibt eine Nährstofffraktion der Weender Futtermittelanalyse, welche zusammen mit einem Teil der N-freien Extraktstoffe die Zellwandbestandteile in Futtermitteln darstellt und damit futtermittelrechtlich maßgebend und bei Mischfuttern deklarationspflichtig ist (Abbildung 4). Praktische Erfahrungen und Versuchsergebnisse veranlassten Futterexperten und innovativ ausprobierende Schweinehalter schon vor Jahrzehnten, die Bedeutung der Faserstoffversorgung intensiver zu hinterfragen. Dabei wurde, wie im Humanbereich üblich, die Optimierung des Ballaststoffangebotes mitbetrachtet und die besonderen Effekte gezielter Gaben schwer- und leichtverdaulicher Kohlenhydrate mit Blick auf einen genügenden Anteil an Bakterienernährung im hinterem Teil des Verdauungstraktes mit bakteriell fermentierbaren Substanzen (BFS) einbezogen. Hierbei standen die Substanzen im Fokus, die von körpereigenen Enzymen nicht gespalten werden konnten (Bach-Knudsen, 2018; Jarrett und Ashworth, 2018).

Die BFS (Formel) ist sehr hilfreich, in Mischfuttermitteln aber analytisch kaum überprüfbar. Daher wird zur Beurteilung der Faserfraktionen in der praktischen Futteroptimierung für Schweine aNDFom (amylasebehandelte, in organischer Masse befindliche Neutral-Detergenzien-Faser) und ADFom (in organischer Masse befindliche Säure-Detergenzien-Faser), wie bei Milchkühen schon etabliert, verwendet.

Da sich die Wirkung von Faserbestandteilen auf deren Eigenschaften im Verdauungstrakt der Tiere unterscheidet, wird wissenschaftlich häufig zwischen löslichen und unlöslichen Faserbestandteilen unterschieden. Unlösliche Faserbestandteile sind entweder nicht oder nur im Blind- und Dickdarm fermentierbar, dementsprechend beeinflussen sie die Mikrobiota im Dünndarm weniger stark. 

Abbildung 4: Chemische Inhaltsstoffe eines Futtermittels nach der Weender Analyse und weiteren Analyseschritten
2.5.5.2 Wirkung und Abbau von Faserstoffen

Futtermittel mit hohen Fasergehalten verfügen i. d. R. über ein hohes Quellvermögen bzw. eine hohe Wasserhaltekapazität und können damit sättigend wirken. Dies erfordert eine differenzierte Betrachtung wachsender Tiere gegenüber Sauen. Während die Quellung in der Magenpassage wirkt, findet die Verdauung der Faserstoffe überwiegend in den hinteren Darmabschnitten durch Mikroorganismen statt. 

Bei dieser bakteriellen Fermentation von Faserbestandteilen im Verdauungstrakt werden u. a. organische Säuren wie Milch-, Essig-, Butter- und Propionsäure gebildet, die sowohl auf das Tier als auch auf die im Darm angesiedelte Mikrobiota und das darmassoziierte Immunsystem wirken und von älteren Tieren ebenso zur Energiegewinnung genutzt werden (Blaut, 2014). Dies führt zu einer positiven Beeinflussung des Darmmilieus und kann zu ruhigeren Tieren beitragen (Stalljohann und Patzelt, 2009).

Faserstoffe führen auch zu einer Erhöhung des Kotvolumens, einer erhöhten Mukusproduktion (Schutz-Schleimhaut, besonders bei unlöslicher Faser) und beschleunigen die Passage durch den Blind- und Dickdarm (Stimulation Peristaltik). Die Stimulation der Darmperistaltik wird v. a. bei Sauen um die Geburt genutzt, um hier Verstopfungen zu vermeiden. Während die Passage im Dünndarm von unlöslichen Faserfraktionen erhöht wird, können lösliche Faserstoffe durch eine Erhöhung der Chymusviskosität zu einer verlangsamten Dünndarmpassage führen – was eine besondere Herausforderung bei der Ferkelfutteroptimierung bedeutet. Um mögliche negative Effekte auf die Verdaulichkeit der Ration und damit die Leistung der Tiere zu vermeiden, sollte prinzipiell eine Versorgung mit leicht fermentierbaren Faserbestandteilen angestrebt werden. Bestimmte Faserkomponenten bewirken eine erhöhte Darmperistaltik, wodurch schädliche Keime schneller ausgeschieden werden können. Dazu wird die Darmwand umgebene Lymphflüssigkeit in den Lymphbahnen infolge einer erhöhten Darmperistaltik zum Abtransport von Stoffwechselprodukten angeregt (Stalljohann et al., 2009).

Im Dickdarm verstoffwechseln Dickdarmbakterien die bis dahin unverdauten Faserfraktionen z. B. zu flüchtigen Fettsäuren, wodurch eine spezifische Darmflora aufgebaut werden kann. Neueste Erkenntnisse der Human- und Tiermedizin zeigen, dass sich Umsetzungsprodukte der Darmflora auf das Verhalten und dessen Ausprägung beim Wirtsorganismus auswirken und sehr rohfaserarme Rationen zu Dysbiosen des Dickdarms führen können (Stalljohann und Patzelt, 2009; Stalljohann und Patzelt, 2010).

Ein übermäßiges Faserangebot führt zur Verdünnung der Energie- und Nährstoffkonzentration der Ration und zu einer Erhöhung der endogenen Nährstoffverluste. Es ist wichtig, je nach Produktionsabschnitt die Versorgung mit Faser, entsprechend dem Angebot anderer Nährstoffe, zu optimieren und „das richtige Maß“ zu finden. Die sich aus Versuchen und der Praxis abgeleiteten Orientierungswerte für Haupt- bzw. Alleinfutter, die hinsichtlich der Gehalte an Faserstoffen ausgeglichen ausgestattet sein sollten, sind Tabelle 5 zu entnehmen. Sie sollen dazu dienen, weitere Erfahrungen bei systematischer Anwendung zu sammeln, um definierte Werte zur Erstellung von Empfehlungen zu generieren. 

Veränderungen im aNDFom-Gehalt einer Ration spiegeln sich nicht proportional im Rohfasergehalt wider (Tabelle 5). Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, weitere Analysen neben der Rohfaseranalyse zu betrachten.

Tabelle 5: Aus Praxiserfahrungen abgeleitete Orientierungswerte für den Gehalt an Rohfaser, Neutral-­Detergenzien-Faser nach Amylasebehandlung und Veraschung (aNDFom) und Säure-Detergenzien-Faser nach Veraschung (ADFom) in Alleinfuttermitteln für Sauen, Ferkel und Mastschweine
KategoriePhaseRohfaser g/kgaNDFom g/kgADFom g/kg
SauenTragend≥ 70≥ 200≤ 80
 Laktierend≥ 45≥ 160≤ 70
Ferkel ≥ 35≥ 110≤ 70
Mastschweine ≥ 35120 – 140≤ 70

Höhere Fasergehalte wirken sich auf die Organmasse des Verdauungstraktes aus. Jorgensen et al. (1996) bestätigte in Versuchen mit 5,2 % gegenüber einem extrem hohen 23,5 % Rohfasergehalt in der Ration, dass die Lebendmassen der faserreichen Tiere erheblich höher und die Unterschiede bei gleichen Schlachtkörpermassen nur durch die höheren Darm- und Magenmasse und die höhere Futterdurchlaufmenge der faserreich gefütterten Tiere zu erklären war. 

2.6 Futterstruktur

2.6.1 Vermahlungsgrad

Der Vermahlungsgrad des Futters hat neben der Verdaulichkeit Einfluss auf die Dauer der Futteraufnahme und die Magengesundheit. Je gröber das Futter ist, desto mehr muss es im Maul zerkleinert werden und desto länger sind die Tiere mit dem Fressen beschäftigt. Das Einspeicheln im Maul führt zur ersten Aufspaltung der Kohlenhydrate. Auch die Schichtung im Magen wird positiv beeinflusst, sodass der empfindliche Mageneingang besser vor der aggressiven Magensäure geschützt ist und das Auftreten von Magengeschwüren reduziert werden kann. Das Vorhandensein von Magengeschwüren kann zu Todesfällen führen und wird auch mit dem Auftreten von Kannibalismus in Verbindung gebracht. Gleichzeitig gilt aber auch, dass die Verdaulichkeit des Futters mit größeren Partikeln abnimmt. Je größer die einzelnen Bestandteile des Futters sind, desto schwieriger wird es für die Enzyme im Magenbrei, an ihren Wirkort zu gelangen. Die Futterverwertung nimmt ab, sodass die Umweltbilanz verschlechtert wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, einen Kompromiss aus Tierwohl (Magengesundheit und Beschäftigung) und Tierleistung (Verdaulichkeit und Futtereffizienz) zu finden. 

Zur Verbesserung der Verdaulichkeit der Nährstoffe werden die Futtermittel mit unterschiedlichen Techniken wie Hammermühlen oder Walzenstühlen zerkleinert und ein Großteil der industriell hergestellten Futtermittel zusätzlich aufgrund der besseren technischen Eigenschaften und der noch einmal erhöhten Futterverwertung in pelletierter Form oder als Granulat an die Tiere verfüttert. 

Grundsätzlich gilt, dass zu grobe und zu feine Futter aus finanziellen bzw. Gründen der Magengesundheit unerwünscht sind. Zum Erreichen unterschiedlicher Strukturen stehen verschiedene technische Möglichkeiten zur Verfügung.

  • regelmäßige Überprüfung von Fressverhalten, Futterverbräuchen, Kotkonsistenz, Beimengungen im Kot (insbesondere ganze Körner und Blut)
  • regelmäßige sensorische und analytische Überprüfung von Fein- und Grobanteilen 
  • regelmäßige Kontrolle und Austausch von Verschleißteilen (insbesondere Siebe und Schlägel)
  • Scheibenmühlen statt Hammermühlen
  • drehzahlgesteuerte Hammermühlen
  • Komponentenbezogener Einsatz von Walzenstühlen

2.6.2 Wasserhaltevermögen

Das Wasserhaltevermögen von Futtermitteln wirkt sich auch auf Wohlbefinden und Verhalten von Schweinen aus. Je mehr Wasser je Zeiteinheit vom Futter zu dessen Quellung gebunden bzw. festgehalten wird, desto mehr Raumfüllung beansprucht das gequollene Futter – das bewirkt die Sättigung.

Zu noch in der wissenschaftlichen Bearbeitung befindlichen Methoden (parallele Prüfung auf Durchführbarkeit, Praktikabilität und Standardisierungsmöglichkeiten) existieren bereits Werte zum Wasserhaltevermögen. In der Tabelle 1 sind solche nach einer von Dusel et al. (2014) vorgeschlagenen Methode aufgeführt und ermöglichen eine erste, aber bereits gute Orientierung für Praxis und Beratung (Stalljohann et al., 2020a).

3. Zusätzliches Beschäftigungsmaterial und Beschäftigungsfutter

Bislang wurden Futter und Futtermischungen für unterschiedliche Einsatzzwecke unterschieden. Zukünftig werden Futtermittel für zwei weitere Einsatzzwecke, nämlich Beschäftigung (nach Vorgabe der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung) und Tierwohlsteigerung (nach Vorgabe der Initiative Tierwohl) hergestellt und gezielt verfüttert.

In der Abbildung 5 sind die nach Einsatzzweck, differenzierten Futter bzw. Futtermischungen aufgeführt.

Abbildung 5: Eingruppierung der Futtermittel für unterschiedliche Einsatzzwecke (verändert nach Stalljohann et al., 2021)

Bei Alleinfuttermischungen handelt es sich um sogenannte fertige, mit Nähr-, Mineral- und Wirkstoffen ausgestattete Futtermischungen, die auf die Versorgungsansprüche von Schweinen in unterschiedlichen Wachstums- und Leistungsstadien optimiert werden und die Haupternährung ausmachen. Sie können als industriell hergestellte Futter zugekauft oder auf Basis selbst angebauter und aufbereiteter Ernteerzeugnisse, wie Getreide und Mais, mit ebenfalls teils selbst erzeugtem oder zugekauftem Eiweißträger sowie Mineralstoff- und Wirkstoffträger in schweinehaltenden Betrieben zusammengemischt werden.

Neben einzelnen Eiweißträgern und Mineralfuttern wird auch in vielen Fällen der Einsatz von eiweiß- und mineralstoffhaltigen Ergänzungsfuttern aus industrieller Herstellung mit unterschiedlichen Mischungsanteilen durchgeführt.

Betriebe, die aufgrund der Ernte und Konservierung von feuchteren Ernteprodukten, wie z. B. CCM, die Fütterung mit Fließfuttern durchführen, erweitern die Vielfältigkeit des Nähr-, Mineral- und Wirkstoffangebotes und die Futterbekömmlichkeit durch einen gezielten Einsatz von Koppelprodukten, die aus der Lebensmittelverarbeitung bzw. -herstellung und der Erzeugung von Energien aus nachwachsenden Rohstoffen stammen. Prozessbedingt handelt es sich sowohl um mehr Energie oder Eiweiß liefernde Koppelprodukte. Neben einer nachhaltigen Verwertung dieser Futter versuchen Schweinehalter durch deren gezielten Einsatz eine höhere Futtereffizienz und Ökonomie zu erreichen.

Nach den Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sind Futter dann als Beschäftigungsmaterialien geeignet, wenn jedes Schwein jederzeit Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem und in ausreichender Menge vorhandenem organischen und faserreichen Beschäftigungsmaterial hat, dass das Schwein untersuchen und bewegen kann und vom Schwein veränderbar ist und damit dem Erkundungsverhalten dient. Es werden insbesondere Stroh, Heu, Sägemehl oder Mischungen beispielhaft daraus hervorgehoben, jedoch auf Erweiterungsmöglichkeit hingewiesen.

Bei der Initiative Tierwohl werden zum Grundfuttereinsatz nähere Ausführungen gemacht, wobei genau genommen besser vom Beschäftigungsfuttereinsatz die Rede sein sollte, denn neben den zu Grobfuttern zählenden Futtermitteln wie z. B. Stroh, Heu, Heulagen sind zur Steigerung des Tierwohls auch faserstoffreiche Einzelkomponenten, wie z. B. Grasgrünmehl, Heupellets, Trockenschnitzel, Biertreber geeignet (Tabelle 6; Abbildung 6), wobei ein Mindestgehalt von 20 % Rohfaser vorgegeben wird.

Tabelle 6: Charakterisierung von Grundfuttermitteln in der Schweinefütterung
FutterformWirkung beim Tier
 
  • voluminös, sperrig, inhomogen 
  • große Qualitätsschwankungen 
  • (Nährstoffe, ­Hygiene …)
  • sehr feucht bis sehr trocken 
  • (unterschiedliche TM-Gehalte)
  • zellwandreich (NDF) 
  • geringe Nährstoffkonzentration 
  • geringe Verdaulichkeit der 
  • organischen Substanz
 
 
  • Neugierde, Riechen, Betasten, Sortieren, Bekauen, Zerkleinern
  • Einspeicheln, Enzym- und Hormonausschüttung
  • langsames Abschlucken bei hohen TM-Gehalten
  • Magenschichtung/-füllung (pH-Gradient)
  • geringe Verdaulichkeit der organischen Substanz im Chymus
  • Stabilisierung Darmwand- bzw. Darmzotten
  • Nährstoffquelle für Dickdarmbewohner
  • fördert u. a. Milchsäure-/Bifidobakterien
  • Wirkung auf Peristaltik und Kotkonsistenz
 

 

Abbildung 6: Würfelförmig gepresste Luzerne (etwa 5 x 5 x 5 cm) und Luzernefaserpellets (ca. 6 mm Durchmesser bzw. gemörsert) mit einem Rohfasergehalt von etwa 28 bis 30 % als Beispiele für Beschäftigungsfutter (Quelle: C. Pohl)

3.1 Faserstoffangebot und Beschäftigungseffekte

Faserträger üben unterschiedlich starke Einflüsse auf das Verhalten aus. Die Möglichkeit zur Ausübung des Dranges zur Futtersuche bzw. dem Wühlen nach Futter ist beim domestizierten Hausschwein i. d. R. nur bedingt gegeben, was das Risiko von aggressivem Verhalten gegenüber Artgenossen (z. B. Schwanzbeißen) erhöht. Soll der Wühl- und Futtersuchtrieb der Tiere im Stall befriedigt werden, so muss dies mit Materialien geschehen, die manipulierbar, bei der oralen Aufnahme nicht gesundheitsbedenklich für das Tier sind und die Produktqualität nicht negativ beeinflussen. Daher bietet es sich an, den durch die längere Futteraufnahme bedingten Beschäftigungseffekt von fasereichen Futtermitteln zu nutzen. Das zusätzliche Anbieten von Faserträgern hat in Versuchen nicht, wie zu erwarten wäre, die Aufnahme des Mischfutters reduziert, sondern teilweise sogar gesteigert. Negative Auswirkungen auf die Futteraufnahme sind daher im Allgemeinen nicht zu erwarten. Eine besondere Überwachung der Futteraufnahme und des Verhaltens ist bei der Einführung von faserreichen Futtermitteln trotzdem anzuraten. Anhand der vorläufigen Orientierungswerte für die tägliche Zufuhr an NDF bzw. an aNDFom ergeben sich die in Tabelle 7 dargestellten Orientierungswerte für die tägliche Grundfuttergabe.

Tabelle 7: Orientierungswerte für die zusätzliche tägliche Gabe an Grobfutterkomponenten* an Sauen und Mastschweine (nach Scholz et al., 2016)
GrobfuttermittelSinnvolle Grobfuttermenge zur Beschäftigung (in g/Tier/Tag)
 Sauen tragendSauen säugendMastschweine < 60 kg LMMastschweine > 60 kg LM
Stroh2501001530
Heu3501503060
Grassilage75020060150
Maissilage800250100250

* grundsätzlich kann das Grobfutter durch faserhaltige Mischfuttermittel ersetzt werden

3.2 Technik zum Verabreichen von Beschäftigungsfutter

Neben der rechtlichen Forderung nach Beschäftigungsmaterial wird auch zur Steigerung des Tierwohls der Einsatz von Beschäftigungsfutter auf freiwilliger, vertraglicher Basis vorgeschlagen (ITW). In schweinehaltenden Betrieben wird die Akzeptanz des Einsatzes von organischem Material deutlich gesteigert, wenn es gelingt die Vorlage zu technisieren. Wesentlich ist, dass der Einsatz von organischem Material nur dann in großem Umfang durchgeführt wird, wenn die Frage nach mechanischer Ver- und Entsorgung der Ställe gelöst ist. Die Industrie bietet Lösungen an, die eine Technisierung der Arbeitsabläufe erlauben. Vieles davon sind keine Neuentwicklungen, sondern werden in anderen Tierhaltungszweigen eingesetzt, und müssen für die Schweinehaltung allenfalls abgewandelt werden.

Das Einbringen von Stroh in Schweineställen als Einstreu und begleitend als Beschäftigungsmaterial ist abhängig von den verwendeten Haltungsverfahren. 

Die Entwicklung von Systemen zur Förderung, zum Verteilen und zur Zuteilung von Beschäftigungsfutter steht noch am Anfang. Viele Hersteller von Fütterungsanlagen beschäftigen sich mit der Entwicklung von entsprechenden Systemen. Die Hersteller bieten Weiterentwicklungen entsprechender Systeme an, mit denen Beschäftigungsfutter in unterschiedlichen Mengen in einzelne Buchten ge­fördert werden kann. Diese Systeme sind in der Regel auf geschnittenes oder gehäckseltes Stroh angewiesen. Für den Einsatz von faserreichen Beschäftigungsfuttern in Pelletform kann auf herkömmliche Automatensysteme zurückgegriffen werden. Mit einer Menge von 20 – 30 Gramm faser­reichem Beschäftigungsfutter je Tier und Tag wird eine deutliche Verbesserung des Wohlbefindens und des So­zial­verhaltens der Tiere erreicht (Feller, 2018). 

Abbildung 7 setzt das Tierwohl und das Verhalten der Tiere in den Mittelpunkt. Auch wenn der äußere Habitus der Tiere (weißer Kreis) in Ordnung ist, müssen alle Beeinflussungen des Tieres über Haltung, Herkunft, Management und Fütterung bis hin zu genetisch bedingten Einflüssen im Eigeninteresse genau bedacht und systematisch kontrolliert und gesteuert werden!

Abbildung 7: Checkliste zur Erkennung und Zuordnung von Aggressionen beim Schwein und zur Intensivierung von Vorbeugemaßnahmen (Quelle: Stalljohann et al., 2017)

4. Fazit und Ausblick

Ausgeklügelte Futter, Fütterungsstrategien und Rationszusammenstellungen wirken sich auf das Tierwohl und das Verhalten von Schweinen aus. Ziel der Tierernährung ist es, mit ausgewogenen, auf die Erhaltung von Gesundheit und Leistungsbereitschaft der Tiere abgestimmten Futtermitteln ebenso für ein gutes Wohlbefinden des Tieres zu sorgen. Auch müssen Tierwohl mindernde Inhaltstoffe einzelner Komponenten berücksichtigt und dürfen die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Inhaltstoffen und Zusatzstoffen nicht unterschätzt werden. Neben einer optimalen Wasserqualität ist die Form der Futteraufbereitung und der Erhalt eines hygienisch einwandfreien Futtermittels vom Acker bis in den Trog beim Tier ein weiterer Baustein für mehr Tierwohl. Zusätzlich zu wertbestimmenden Inhaltsstoffen wie Aminosäuren, Mineralstoffen und Vitaminen spielt insbesondere die breite Palette von Kohlenhydraten, die als Nichtstärkepolysaccharide und Faserstoffe bekannt sind, einschließlich Pektine, Cellulose, Hemicellulose, β-Glucane und Fructane sowie Oligosaccharide und Stärke, die nicht im Dünndarm abgebaut werden, eine herausragende und zunehmend entscheidende Rolle für das Wohlbefinden des Tieres. Diese Erkenntnisse werden bereits in der Praxis in größer werdenden Umfang beim Einsatz von Beschäftigungsfutter neben dem eigentlichen Hauptfutter umgesetzt. 

Die weitere Untersuchung und Offenlegung der einzelnen Zusammenhänge muss allerdings Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein. Es wird hier insbesondere darum gehen müssen, breitere und dennoch genauere Erkenntnisse zu den Interaktionen zwischen den altersabhängigen Vorgängen in den einzelnen Abschnitten des Verdauungstraktes und dem Verhalten des Tieres zu erlangen, um diese anschließend in exakteren Beratungsempfehlungen umsetzen können.

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5. Quellen

Literaturverzeichnis

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