Landwirte profitieren vom harten Wettbewerb

Christoph Kempkes, RWZ CEO, zu möglichen Allianzen und Abrechnungskriterien von Weizen

Die Transformation in der Landwirtschaft trifft auch den Agrarhandel. Die RWZ AG, Köln, baut in ihrem Arbeitsgebiet die Zusammenarbeit mit Partnern aus und hilft dem Landwirt bei der Bewältigung bürokratischer Lasten und effizienter Betriebssteuerung. Über Kampfpreise und den harten Wettbewerb informierte RWZ CEO Christoph Kempkes auf der Wintertagung des Frankfurter Landwirtschaftlichen Vereins (FLV) und stellt sich weiteren Fragen im folgenden DLG-Interview.

DLG: Was macht das Agrargeschäft heutzutage so unberechenbar?

Christoph Kempkes: Zwei wesentliche Punkte: Klima und Geopolitik. Wetterkapriolen und Energiewende belasten. Konflikte stören Lieferketten, treiben Inflation, verändern eingefahrene Warenströme und führen zu kaum mehr an Fundamentaldaten orientierten Preisen. Im Ergebnis erodiert eine gesunde Betriebswirtschaft für alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette. Das gilt für landwirtschaftliche Betriebe und Agrarhändler gleichermaßen. Einen ‚Königsweg‘ als Problemlösung gibt es nicht.

In welcher Phase befindet sich die Transformation im deutschen Agrarhandel? 

Die Erkenntnis, dass es notwendig werden wird, im Lichte perspektivisch großer Herausforderungen Geschäftsmodelle zu ‚transformieren‘ und auch durch Kooperation Synergien zu erzielen, reift, aber sie reift langsam. Wir als RWZ verfolgen seit Jahren den Weg, zumindest durch Allianzen in ausgewählten Geschäftsbereichen mehr ‚Fleisch an den Knochen‘ zu bekommen und haben inzwischen ein respektables Netzwerk für zumindest punktuelle Zusammenarbeit, zum Beispiels bei Betriebsmitteln und in der Agrartechnik. Da wäre aber noch mehr möglich.

Hoher Anpassungsdruck erfordert Veränderungsbereitschaft. Risiken, aber auch Chancen. Inwieweit kann die RWZ als Agrarhandel ihren Kunden Sicherheit geben?

Konsolidierung und – mit Blick auf unsere Bezugsmärkte – beinahe eine ‚Oligopolisierung‘ erfordert Anpassung, primär mit Blick auf Einkaufskompetenz und Strukturkosten. Veränderungsbereitschaft ist immer gut, braucht aber eine Richtung – diesbezüglich sind die politischen Vorgaben verwirrend. Die Mehrzahl der Agrarhändler steht unter Druck. Hartes Kostenmanagement wird zur Notwendigkeit. Alle ringen um Mengen in abnehmenden Märkten. Hier profitiert die Landwirtschaft zumindest in der kurzen Frist von einem harten Wettbewerb zwischen den Händlern. Deren Funktion im Einkauf – Volumina bündeln, um dann den Landwirten zu vernünftigen Bezugspreisen und unterstützenden Serviceangeboten zu verhelfen –, bleibt allerdings hoch relevant. Auch die RWZ muss kämpfen. Wir erleben in Bezug auf unser Ziel, das Unternehmen zu dynamisieren, einen Dämpfer. Nicht genug herausstreichen kann ich aber unsere finanzielle Solidität. Wir haben über Jahre konsequent Schulden gesenkt und Eigenkapital dazugewonnen. Das zahlt sich jetzt aus. Deshalb kann man sich auf uns verlassen.

 

Das Bäckerhandwerk legt die geforderten Backeigenschaften für Mehl fest und dekliniert diese via Mühlen zu uns und wir dann zum Landwirt herunter.

Handel und Landwirtschaft entwickeln Hand in Hand neue Konzepte. Welche Kooperation ist Ihr Favorit?

Wir haben viel und teuer experimentiert, beispielsweise mit ‚Klima-Weizen‘, Nachhaltigkeitsinitiativen, Sortimenten für eine regenerative Landwirtschaft – das hat alles nicht richtig gezogen. Nun geht der Fokus dahin, dem Landwirt bei der Bewältigung bürokratischer Lasten und einer effizienteren Betriebssteuerung zu helfen. Unser Agrar-/Winzerbüro unterstützt bei dokumentarischen und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen, Ackerprofi hilft beim Betriebsmanagement, AARI Forest kartiert Wälder bis hin zum einzelnen Baum und prognostiziert die nachwachsende Holzsubstanz, Vineyard Cloud hilft beim Weinberg-Management, auf der Bestellplattform akoro kann man 24/7 seine Routineeinkaufsbedürfnisse abdecken und auf BartsParts bekommt man Ersatzteile für Landmaschinen. 

Wie nimmt die RWZ die Landwirte bei der Energiewende mit? Was leistet die RWZ, wenn Landwirte den Anbau von Biomasse ausdehnen?

Gas- oder Methanproduktion aus Tierexkrementen, nachwachsenden Rohstoffen oder Übermengen bzw. Abfallprodukten halte ich für sehr sinnvoll. Die Infrastruktur ist schon da, die Praxis geübt. Jüngste Studien unterstützen das. Die RWZ prüft aktuell entsprechende Engagements. Einzig die Politik springt noch nicht beherzt darauf an. Bezüglich Windenergie und PV helfen wir bei der Flächenvermarktung und sind bei kleineren Projekten am Ball – Projektierungen im großen Stil machen wir mit Blick auf unsere Risikotragfähigkeit aber nicht.

Welche Auswirkungen hat die Schieflage bei der Baywa auf den deutschen Agrarhandel?

Banken und Kreditversicherer schauen skeptischer hin. Bestände kommen zu Kampfpreisen auf den Markt und erodieren Margen. Ich drücke der BayWa die Daumen und wünsche mir im deutschen Agrarhandel erfolgreiche Leitunternehmen – das ist für alle gut und gibt auch für uns als mittelgroßen Spieler Orientierung und Inspiration.

Zum Schluss eine Frage, die jeder Landwirt nach der Ernte stellt: die Bezahlung der Weizenqualität erfolgt nach dem Eiweißgehalt. Wieso rücken angesichts der strengen Vorgaben der Düngeverordnung nicht andere Kriterien wie beispielsweise der Feuchtklebergehalt in den Fokus?

Das ist eine berechtigte Frage – allerdings an den Falschen. Denn nicht wir, sondern zum Beispiel das Bäckerhandwerk legt die geforderten Backeigenschaften für Mehl fest und dekliniert diese via Mühlen zu uns und wir dann zum Landwirt herunter.

RWZ CEO Christoph Kempkes. Foto: RWZ

Hartes Kostenmanagement wird zur Notwendigkeit. Alle ringen um Mengen in abnehmenden Märkten. 

Zum Unternehmen

Die Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main AG (RWZ) ist eines der ältesten und größten Agrarhandelshäuser
Deutschlands mit Schwerpunkt westliche Bundesländer und auch mit Aktivitäten im benachbarten Ausland. Als
Konzern erzielt die RWZ mit 2.700 Mitarbeitenden an rund 180 Standorten einen Jahresumsatz von 3 Mrd.
€. In der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette bündelt der RWZ-Konzern als Großhändler Einkaufsund
Verkaufsmengen von Ernteprodukten wie Getreide, Ölsaaten oder Kartoffeln sowie von Betriebsmitteln
und Technik für Landwirtschaft, Weinbau, Gartenbau und Forstwirtschaft. Als Einzelhändler bietet er alles an
Produkten, Dienstleistungen und Expertise, was Landwirte, Winzer, Gartenbauer und Waldbesitzer für die
Erzeugung von Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln brauchen. Darüber hinaus ist der RWZ-Konzern auch für
Privatkunden als Betreiber von Haus- und Gartenmärkten, als Händler für Autos und Nutzfahrzeuge sowie als
Anbieter von Brenn- und Baustoffen aktiv. Das Kartoffelgeschäft wird im RWZ-Konzern von den Gesellschaften Wilhelm Weuthen GmbH & Co. KG, Schwalmtal und Strahmann Potato betrieben.