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Koschere Lebensmittel: Koscher Markt – Religiöse Hintergründe – Zertifizierung

DLG-Expertenwissen 09/2015


Einleitung

Zahlreiche Lebensmittel, Getränke und Speisen besaßen und besitzen in vielen Religionen eine tiefgehende Bedeutung, weshalb sie oft auch mehr oder weniger intensiven Vorschriften unterworfen sind. Die wohl genauesten und strengsten Speisevorschriften finden sich im Judentum, wodurch Sakrales und Profanes auf innigste miteinander verknüpft werden. Lebensmittel, die den Juden nach den jüdischen Speisegesetzen erlaubt sind, werden als „koscher“, d. h. „rein“ oder „geeignet“ bezeichnet, wobei sich dieser Begriff jedoch nicht nur auf Lebensmittel bezieht.

Verbreitung des Judentums

Verlässliche Religionsstatistiken sind generell schwierig zu erstellen, doch scheint die statistische Erhebung des jüdischen Volkes eine besondere Herausforderung zu sein. Begründet wird dies u.a. mit Ungenauigkeiten aufgrund von Schätzungen mit unüberprüfbaren Aussagen, mit Mischehen, Zweitwohnsitzen und Immobilienbesitzen von Juden, mangelnder Ortsgebundenheit sowie Uneinigkeit in Bezug auf die Definition von „Jude“. Einige ultraorthodoxe Juden behindern zudem jede Datenerhebung, da sie Volkszählungen in Anlehnung an 2. Samuel 24 als Sünde einstufen (11). Vor diesem Hintergrund berichtete die „Jewish Agency“, dass es am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes „Rosch HaSchanah“ (29.09.2008) weltweit 13,3 Millionen Juden gab (7). Davon lebten 5,5 Millionen in Israel, womit dort zum ersten Mal mehr Juden lebten als in den USA, wo die Zahl zum Stichtag mit 5,3 Millionen angegeben wurde. Gefolgt werden die USA von Frankreich mit 490.000, Kanada mit 375.000, Großbritannien mit 295.000, Russland mit 215.000 und Argentinien mit 183.000 Juden. Auf den nächsten Plätzen folgen Deutschland mit 120.000 Juden, Australien mit 107.000 und Brasilien mit 96.000 Juden. Die kleinste jüdische Gemeinde wurde in Afghanistan gefunden - sie besteht aus nur einem Menschen (8). Weltweit gesehen hatte die Zahl der Juden gegenüber dem Vorjahr leicht zugenommen, allerdings wesentlich weniger als die Gesamtweltbevölkerung. Bezogen auf die Weltbevölkerung machen die Juden einen Anteil von etwa 0,2 Prozent aus.

Informationen zum Koscher-Markt

Hinsichtlich des weltweiten Marktvolumens koscher produzierter Lebensmittel liegen im Grunde keine belastbaren Zahlen vor. Allerdings zeigt der Blick auf den US-amerikanischen Koscher-Markt interessante Aspekte auf: Laut dem Marktforschungsunternehmen Mintel erreichte der Absatz von koscheren Lebensmitteln in den USA im Jahr 2008 ein Volumen von US$ 12,5 Milliarden (4). Doch ist dies nur ein kleiner Anteil am Gesamtmarkt. Von dem jährlichen Umsatz mit Lebensmitteln, der mit etwa 500 Milliarden US$ angegeben wird, entfallen Waren im Wert von rund 200 Milliarden US$, d.h. etwa 40 %, auf den Verkauf von koscheren Lebensmitteln (5). Zwischen 2003 und 2008 wiesen diese jährlich ein Wachstum von 12,5 % auf und stellten damit den am schnellsten wachsenden Sektor in der US Lebensmittelwirtschaft dar. Um objektiv zu bleiben, muss aber darauf hingewiesen werden, dass es sich in vielen Fällen um die erstmalige Zertifizierung bereits bestehender Produkte handelte (6).

Derzeit verkaufen in den USA rund 16.000 Unternehmen koscher-zertifizierte Lebensmittel, deren Zahl heute mit etwa 110.000 Produkten angegeben wird – und jährlich kommen rund 3.000 dazu. Interessant sind in diesem Zusammenhang aber noch zwei weitere Details: Konsumenten koscherer Lebensmittel geben durchschnittlich 47 % mehr für Lebensmittel aus als Konsumenten nicht-koscherer Lebensmittel. Und im Supermarkt verkaufen sich koschere Produkte bei gleicher Regalplatzierung um 20 % besser als nicht-koschere Wettbewerbsprodukte (13). Bezüglich der Frage, wie die offensichtliche Diskrepanz zu erklären ist, sei auf den letzten Abschnitt dieses Beitrages verwiesen. 

Religiöser Hintergrund

Das Judentum ist die älteste der so genannten abrahamitischen Religionen, jene monotheistischen Religionen, welche sich auf Abraham (2000 – 1800 v.Chr.), den Stammvater der Israeliten (Torah, Gen 12,1-3) bzw. den Ibrahim des Koran und seinen Gott beziehen. Grundlage des Judentums ist die Torah (= Weisung, auch „schriftliche Torah“ genannt) sowie die diese erläuternden rabbinischen Schriften, die teilweise auch als „mündliche Torah“ oder „Talmud“ bezeichnet werden. Die Torah wiederum bildet den ersten Teil des Tanach, der hebräischen Bibel und besteht aus den fünf Büchern Mose, die das Volk Israel gemäß der Torah am Berg Sinai erhalten hat. Der Talmud enthält selbst keine Gesetzestexte, sondern zeigt auf, wie die Regeln der Torah im praktischen Alltag umgesetzt werden sollen. Er besteht wiederum aus zwei Teilen, nämlich der älteren Mischna und der jüngeren Gemara.

Die Gesamtheit der Ge- und Verbote der mündlichen und schriftlichen Überlieferung, also das gesamte gesetzliche System des Judentums, wird als Halacha bezeichnet. In ihr spiegeln sich die unterschiedlichen Meinungen der Rabbiner, Weisen und Gelehrten wider, so dass sie im Laufe ihrer Geschichte einem steten Wandel unterworfen war. Die Halacha zielt auf Verhaltensregeln ab, die das gesamte Leben der Gläubigen betreffen - eine Trennung zwischen Säkularem und Religiösem besteht nicht. Eine der Säulen der Halacha bildet die Kaschrut (hebräisch:  ‏כַּשְרוּת‎), die Gesamtheit der religionsgesetzlichen Vorschriften für die Zubereitung und den Genuss von Speisen und Getränken. Danach werden Lebensmittel in solche eingeteilt, die für den Verzehr erlaubt sind, als„koscher“ bezeichnet und in solche, welche nicht für den Verzehr erlaubt sind, „treife“ oder „nicht koscher“ genannt. Die Einhaltung der 613 göttlichen Gebote, von denen sich mindestens 50 mit Tischsitten beschäftigen, führt in der Vorstellung der Juden zur Harmonie zwischen Körper und Seele. Der heutige Umgang von Juden mit der Kaschrut ist sehr unterschiedlich und reicht von striktester Einhaltung durch orthodoxe Juden bis hin zur völligen Nichtbeachtung durch säkulare Juden.

In der Kaschrut sind drei Aspekte als grundlegend anzusehen:

  1. Die Unterscheidung zwischen erlaubten und nicht erlaubten Tieren.
  2. Das absolute Verbot des Genusses von Blut.
  3. Die Aufteilung in „fleischige“, „milchige“ und „neutrale“ Lebensmittel.

In der jüdischen Vorstellung ist die Küche nicht nur ein Ort der Zubereitung von Speisen, sie ist vielmehr das geistige Zentrum des Haushaltes und das Einhalten der Speisevorschriften ist ein Akt, den Alltag zu heiligen. Durch das Erfüllen der göttlichen Gebote (der Mizwot), wird auch eine so alltägliche und gewöhnliche Tätigkeit wie die Zubereitung von Speisen zum Dienst an Gott erhoben, der Tisch in der Küche wird praktisch zum Altar. Dadurch fällt der Kaschrut die Aufgabe zu, den Dualismus von Physischem und Geistigem, Alltäglichem und Geheiligtem zu überbrücken.

Erlaubte und nicht erlaubte Tiere

Im 3. Buch Mose wird an verschiedenen Stellen zwischen Tieren unterschieden, welche koscher und damit zum Essen erlaubt sowie solchen, die nicht koscher und damit nicht zum Essen erlaubt sind.
Von den Säugetieren sind nur solche koscher, die beide Koscher-Merkmale besitzen, nämlich zweigespaltene Hufe haben und gleichzeitig Wiederkäuer sind. Dies trifft beispielsweise auf Kühe, Ziegen und Schafe zu, nicht aber etwa auf Schweine, Pferde, Kamele oder Hasen. Unter den Vögeln eindeutig in der Torah verboten sind Raubvögel. Schwieriger wird es bei der Beurteilung anderer Vögel, so dass heute nur solche als koscher angesehen werden, die bereits von früheren Generationen jüdischer Gemeinden gegessen wurden, nämlich Hühner, Truthähne, Enten, Gänse, Schwäne, Tauben und Wachteln. Aus dem Wasser kommend sind nur Fische erlaubt, die sowohl Flossen als auch Schuppen haben. Alle anderen Meeresfrüchte wie Hummer, Langusten, Muscheln, Tintenfische und Schnecken sowie auch Amphibien sind verboten. Gemäß der halachischen Regel: „Was aus dem Reinen hervorgeht, ist rein“ sind Rogen von koscherem Fisch koscher, solche von nicht koscherem Fisch sind verboten (9). 

Koschere Tiere (ausgenommen Fische) dürfen aber nur dann gegessen werden, wenn sie auch entsprechend den jüdischen Speisegesetzen geschlachtet, d. h. geschächtet wurden.
Beim Schächten handelt es sich um ein unabänderliches religiöses Gebot des Judentums, das auf eine Anweisung im 5. Buch Mose, Kapitel 12, Vers 21 zurückgeführt wird: „…du kannst von deinen Rindern und Schafen, – die der Herr dir gegeben – schlachten auf eine Weise, wie ich dir befohlen habe …“ Diese Art des Schlachtens, das Schächten (hebräisch: schechita), wird detailliert im Talmud und in den nachfolgenden rabbinischen Gesetzeskodizes beschrieben. Danach besteht das Schächten in einem Halsschnitt zur Durchtrennung von Halsschlagader, Speise- und Luftröhre, wodurch das Tier infolge rascher Ausblutung ohne Leiden stirbt. Der Schnitt muss mit einem äußerst scharfen, absolut schartenfreien Messer und ohne die geringste Unterbrechung, in einem Zuge durchgeführt werden (1). 

Vor dem Schächten muss der Schächter (der Schochet) einen Segensspruch sprechen und er muss sowohl vor als auch nach dem Schächten die Schächtmesser peinlich genau hinsichtlich etwaiger Scharten prüfen. Weisen die Messer Fehlstellen auf, so verliert das Fleisch seinen koscheren Charakter und ist nicht mehr zum Verzehr geeignet. Das Schächten selber ist nur einem theoretisch und praktisch ausgebildeten, geprüften und aufgrund seines ganzen religiösen, ethischen Lebenswandels vertrauenswürdigen Familienvater gestattet (1).

Verbot des Genusses von Blut

Nach biblischer Vorstellung ist das Blut der Sitz der Seele, weshalb es grundsätzlich nicht verzehrt werden darf: „Denn die Seele des Fleisches ist im Blut, und Ich gab es euch auf dem Altar, um für eure Seele Sühne zu tun“ (Lev 17,11) und in Dt 12,23 steht „Du sollst nicht die Seele mit dem Fleisch essen“. Aus den diversen Stellen der Thora hat das rabbinische Judentum für das Schlachten, die Aufarbeitung und die Zubereitung von Fleisch weitreichende Vorschriften deduziert. Damit das Blut nach dem Schlachten möglichst vollständig aus den Schlachtkörpern herausfließt, müssen die Tiere geschächtet werden. Damit aber nicht genug: Vor der weiteren Verwendung beziehungsweise der Zubereitung ist das Fleisch zu wässern, zu salzen und nachzuspülen, damit das am Fleisch anhaftende Blut möglichst weitgehend entfernt wird. 

Fleischig – parve – milchig

Die Kaschrut verlangt eine strenge räumliche und zeitliche Trennung zwischen Speisen, die Fleisch enthalten und „fleischig“ (hebräisch: basari) genannt werden sowie solchen, die Milch enthalten und „milchig“ (hebräisch: chalawi) genannt werden. Produkte, die weder Fleisch noch Milch enthalten, werden als „neutral“ (hebräisch: parve) bezeichnet. Neutrale Lebensmittel dürfen sowohl zusammen mit Milchspeisen als auch mit Fleischspeisen verzehrt werden. Das Verbot gilt nicht nur für Fleisch und Milch per se, sondern vielmehr auch für alle Produkte, die daraus hergestellt oder daraus gewonnen werden, also beispielsweise auch für Gelatine, Fette, Milchpulver oder Milchzucker. 

Hintergrund für das Verbot des Mischens von Fleisch und Milch ist die dreifache Nennung des Satzes „Du sollst ein Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen.“ in Ex 23,19 und 34,26 sowie in Dt 14,12. Diese dreifache Nennung wird durch die Rabbiner als drei eigenständige Verbote interpretiert, nämlich das Verbot des Essens, Nutznießens und Kochens von Milchprodukten zusammen mit Fleisch.

In der Praxis bedeutet dies nicht nur ein Verbot des Vermischens während der Herstellung von Lebensmitteln oder bei der Zubereitung in der Küche, vielmehr müssen auch Wartezeiten eingehalten werden, wenn fleischige (etwa 6 Stunden) oder milchige (etwa eine halbe Stunde) Produkte gegessen wurden, bevor dann das jeweilige Gegenstück verzehrt werden darf. Die Trennung ist selbst bei Maschinen und Geräten zu beachten, so dass orthodoxe Familien auch über zwei voneinander getrennte Küchen mit entsprechendem Besteck und Porzellan verfügen, um die Trennung absolut sicher vollziehen zu können.

Pflanzliche Lebensmittel

„Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen.“ (Gen 1,29). Bezug nehmend auf diese Stelle der Torah werden pflanzliche Lebensmittel (Obst, Gemüse und Getreide) im allgemeinen als koscher und parve angesehen. Bei entsprechenden Lebensmitteln aus Israel ist dabei aber zusätzlich zu beachten, dass diese nicht aus dem Schabbatjahr (jedes siebte Jahr) stammen dürfen, da der Boden dann nicht bearbeitet werden darf und sich erholen soll. Eine besondere Stellung nehmen die Weintrauben und daraus hergestellte Lebensmittel, insbesondere der Wein ein – siehe diesbezüglich den Abschnitt „Alkohol – Wein“.

Früchte werden in der Praxis oft zur Verbesserung der Haltbarkeit und des Aussehens sowie zum Schutz vor Austrocknung und Schädlingsbefall mit einer Schutz- bzw. Wachsschicht versehen, die aus nicht koscheren Bestandteilen bestehen können (z. B. Schellack, verbotene Fette), wodurch das jeweilige Produkt dann auch nicht mehr koscher ist.

Da Insekten (Sonderfall Heuschrecken) und Würmer nicht gegessen werden dürfen, müssen Früchte und Gemüse, aber zum Beispiel auch das Mehl, vor der Verwendung bzw. vor dem Essen sorgfältig hinsichtlich Würmern und Insekten untersucht werden.

Reine Kräuter und Gewürze sind Pflanzenteile und von daher generell koscher und parve. In der frischen Form gilt auch hierbei, dass sie vor dem Verzehr hinsichtlich des Vorkommens von Insekten und Würmern zu untersuchen sind. Werden beim Trocknen von Kräutern und Gewürzen Insekten zufällig mit getrocknet, so werden sie laut Halacha nicht mehr als Insekten, sondern vielmehr als Verschmutzung angesehen und gelten dann nicht mehr als verboten (2). 

Während die Sonnentrocknung in den Ursprungsländern von Kräutern und Gewürzen zumeist als unproblematisch angesehen wird, ist bei der industriellen Trocknung, insbesondere aber bei der Gefriertrocknung sicher zu stellen, dass auf der Anlage keine nicht koscheren Produkte getrocknet wurden – ggf. müssen sie entsprechend kascherisiert werden (2).

Alkohol – Wein

Grundsätzlich ist den Juden der Genuss von Alkohol erlaubt, alkoholische Getränke sind also koscher. Eine besondere Situation ergibt sich jedoch bei Weinen und allen Getränken, die aus vergorenen Trauben hergestellt werden, z. B. Most, Champagner und Cognac. Diese sind nur dann koscher, wenn die Trauben unter Aufsicht geerntet und verarbeitet wurden. Hintergrund hierfür ist, dass Wein aus Trauben in anderen Religionen eine rituelle Bedeutung hatte und hat und dass daher grundsätzlich die Gefahr besteht, dass dieser im Rahmen von Götzendiensten verwendet wird. Um diese Gefahr auszuschließen, kann nur Wein als koscher zertifiziert werden, der von hierfür beauftragten Juden überwacht aus koscher produzierten Trauben hergestellt wird. Das gleiche gilt für alle Produkte, die aus Weintrauben hergestellt werden, z. B. Traubensaft, Lebensmittel, die Traubensaft oder -wein enthalten, Weinessig sowie für aus Weintrauben isolierte Stoffe wie Taubenanthocyane, Weinsäure oder Alkohol.   

Die koschere Produktion von Weintrauben setzt die Einhaltung vielfältiger Vorgaben voraus: So darf in den Weinbergen zwischen den Weinstöcken weder Obst noch  Gemüse wachsen. Trauben aus Neuanpflanzungen dürfen erst im vierten Jahr nach der Pflanzung zu Wein verarbeitet werden. Während der beiden letzten Monate vor der Ernte darf nicht mehr organisch gedüngt werden. Alle sieben Jahre, d. h. im so genannten  Schabbatjahr, müssen die Felder und Weinberge zur organischen Regeneration ruhen (Schmittah), weshalb die Trauben in diesem Jahr nicht für die Weinproduktion verwendet werden dürfen.

In den Kellereien sind ebenfalls vielfache Vorschriften zu beachten, deren Einhaltung durch ausgebildete Rabbiner kontrolliert wird. Zu diesen Vorschriften zählt, dass in der Weinproduktion nur männliche Juden arbeiten dürfen, die den Sabbat einhalten. Alle Produktionsanlagen und verwendete Werkzeuge müssen intensiv gereinigt und sterilisiert sein, damit der Wein nicht durch Fremdkörper verunreinigt wird. Zum Klären und Filtern dürfen nur koschere Stoffe nicht tierischen Ursprungs wie Bentonit sowie Filter aus Papier verwendet werden. Der Einsatz von Enzymen und Starterkulturen ist nicht gestattet. Nicht zuletzt muss die Maaser-Zeremonie durchgeführt werden, d. h., dass 1 % der gesamten Produktionsmenge vernichtet werden muss, womit an die Zeit des Ersten und Zweiten Tempels erinnert werden soll, als der Zehnte an die Hohepriester abzugeben war.

Nach den Kaschrut-Gesetzen verliert ein geöffneter Wein, der von einem Nicht-Juden berührt wird, seine Reinheit, d.h. seine koscheren Eigenschaften. Dies ist nicht der Fall bei so genanntem Mewuschal Wein, das ist Wein der kurzzeitig gekocht (80 – 90 °C) wurde. Da gekochter Wein früher als ungeeignet für Opferituale angesehen wurde, konnte er auch nicht mehr im Namen eines nicht-jüdischen Gottes gesegnet werden, so dass er entsprechend rein blieb. Ein ursprünglich nicht-koscherer Wein kann durch Kochen jedoch nicht koscher gemacht werden. Mewuschale Weine wirken geschmacklich meist etwas anders als ihre ungekochten Pendants und sehen etwas dunkler und trüber aus.

Kosher für Pessach (Passover)

Das Pessach-Fest, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und damit aus der ägyptischen Sklaverei erinnert, ist eines der wichtigsten Feste des Judentums. Es wird in der Woche vom 15. bis 22. Nisan, in Israel bis zum 21. Nisan (erste Woche des religiösen Kalenders; nach gregorianischem Kalender Mitte März) als Familienfest mit diversen Riten gefeiert. Hierzu gehört auch der einwöchige Verzehr von Matzen, weshalb das Fest auch als „Fest des ungesäuerten Brotes“ bezeichnet wird.    

Am Pessach-Fest sind nicht nur Sauerteigbrote sondern auch alle anderen Lebensmittel verboten, welche „gehen“ könnten. Dies betrifft alle Getreideerzeugnisse wie Brot, Backwaren, Mehl, Getreidestärken sowie aus Getreide gewonnene Getränke wie Bier oder Whiskey sowie alle Lebensmittel, die mit einem dieser Produkte in Berührung gekommen sind. Produkte, die Hülsenfrüchte, Reis, Mais oder Soja enthalten, sowie Lebensmittel, die mit diesen in Berührung gekommen sind, sind für die Pessachwoche nur bedingt zulässig und müssen deshalb als solche gekennzeichnet werden.

Maschinen und Geräte die während der Passover-Produktion und -Verpackung mit dem Produkt in Berührung kommen, müssen vor Aufnahme der Produktion unter rabbinischer Aufsicht gereinigt werden. Koscher-für-Passover-Produkte werden gesondert als solche gekennzeichnet.

Theologische Begründung der Speisegesetze

Die Betrachtung der Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahre 587 v.Chr. und des darauf folgenden Exils in Babylon (bis 539 v. Chr.) als göttliches Gericht hatte die Besinnung auf vor allem drei entscheidende biblische Grundgebote zur Folge: Die Einhaltung des siebenten Tages als vollkommener Ruhetag, die Beschneidung und die Speisegetze sollten nicht nur Israel in Brauchtum und Lebensweise von seiner jeweiligen Umgebung unterscheiden, sondern vor allem zum Garanten für Israels eigene Existenz werden. Mit der Einhaltung dieser Gebote war auch der Rahmen geschaffen, der dem späteren Judentum die Möglichkeit gab, seinen Erwählungsauftrag zu erfüllen und sein Überdauern in der Geschichte zu erleichtern (10).

Im Laufe der Zeit wurden immer wieder Versuche unternommen, Erklärungen für die Speisegesetze zu finden. So sah der Religionsphilosoph Moses Maimonides (1135/1138 – 1204) darin einen Weg, seine Lust zu meistern. Die Lust am Essen sollte nicht als Zweck der menschlichen Existenz betrachtet werden. Zudem hatten seiner Meinung nach alle in der Tora verbotenen Speisen eine schlechte bzw. schädigende Wirkung auf den menschlichen Körper (10).

Auf Nachmanides (1194 – 1270) geht dann die Einsicht zurück, dass die verbotenen Speisen nicht körperlich, sondern vielmehr seelisch schaden. So gewöhne der Genuss von Blut an Grausamkeit und fördere mörderische, zerstörerische Sitten.

Reinheit und Unreinheit haben im Judentum immer eine spirituelle oder moralische Bedeutung. Das he­bräische Wort „tameh“ = „unrein“ bedeutet stets einen Zustand der moralischen oder religiösen Unreinheit, die die Seele oder den Charakter des Menschen negativ beeinflusst. Daraus resultiert, dass sich koscher nicht auf eine hygienische oder medizinische, sondern auf eine spirituelle Reinheit bezieht. Nahrung, die koscher ist, hat also nicht nur den Sinn und Zweck, den Körper physisch zu nähren, sie soll auch die spirituelle Reinheit von Körper, Geist und Seele des Juden ermöglichen (12).

Die Regeln des Kaschrut können nicht losgelöst von allen anderen Gesetzen im Judentum gesehen werden, da sie alle dasselbe Ziel verfolgen: die Unterscheidung zwischen Rein und Unrein, die Unterscheidung zwischen Richtig und Falsch, zwischen Profan und Heilig, um so das Leben auf eine höhere, transzendente Stufe zu heben (12).

Koscher-Zertifizierung

Um sicher zu stellen, dass ein gekauftes Lebensmittel koscher ist und damit den jüdischen Speisegesetzen entspricht, haben sich in den letzten Jahrzehnten entsprechende Zertifizierungen, so genannte Hechscharim etabliert. Die Zertifizierung ist in Israel und in den USA wie ein Siegel auf den Verpackungen angebracht oder in entsprechenden Geschäften wie Bäckereien und Metzgereien ausgehängt. In Ländern wie Deutschland werden die entsprechenden Lebensmittel in einer offiziellen Liste zusammengefasst und publiziert (9).

Die Überwachung der religiösen Vorschriften wird von einem Maschgiach vorgenommen und von einem Rabbinat verantwortet. Hechscharim, also Zertifikate, werden von zahlreichen Rabbinaten vergeben und können sich gegenseitig Konkurrenz machen. Um ein Zertifikat zu erhalten müssen zusammengefasst folgende Bedingungen erfüllt sein (3):

  • Dem Zertifizierer muss eine Liste von allen Zutaten und deren Lieferanten vorgelegt werden.
  • Alle Zutaten müssen ein Koscher-Zertifikat haben.
  • Der zuständige Rabbiner soll die Produktionsanlage besichtigen. 

Für Lebensmittel, die nach Israel exportiert werden sollen sind nur das Israelische Oberrabbinat bez. die bei ihm akkreditierten europäischen Rabbiner dazu befugt, Zertifikate zu erteilen. In besonderen Fällen kann dies auch die ultraorthodoxe Kaschrut-Organisation Badaz bez. die bei ihr akkreditierten Rabbiner übernehmen, welche sogenannte „Super-koscher Zertifikate“ ausstellen (3).

Koschere Lebensmittel – nicht nur für Juden interessant

Auf der Grundlage der hier dargestellten religiösen Hintergründe sowie der konkreten jüdischen Speisegesetze kann nun auch die oben dargestellte Diskrepanz zwischen dem eigentlichen Markt für koschere Lebensmittel und deren tatsächlichen Produktion erklärt werden: Koscher zertifizierte Lebensmittel sind nämlich nicht nur für Juden sondern auch für viele andere Konsumenten interessant (5). Hierzu zählen zum einen Muslime, deren Speisegesetze vielfache Überschneidungen mit denen der Juden haben. Da die jüdischen Speisegesetze im Wesentlichen strenger sind als die der Muslime, können Muslime sich mit vielen Produkten versorgen, wenn keine halal-Lebensmittel zur Verfügung stehen. Eine weitere Gruppe häufiger Koscher-Käufer sind Vegetarier, die aufgrund der strengen Trennung von „milchigen“ und „fleischigen“ sowie den als „neutral“ gekennzeichneten Lebensmitteln sicher sein können, nur Produkte zu kaufen, die ihrer Weltanschauung entsprechen. Aus demselben Grunde greifen aber auch Laktose intolerante Konsumenten gerne zu koscheren Produkten, da sie hierbei sicher sein können, wirklich laktosefreie Produkte zu bekommen. Ein Lebensmittel, das koscher zertifiziert ist, wurde letztlich unter der Aufsicht einer Koscher-Agentur, teilweise sogar unter rabbinischer Aufsicht hergestellt und musste dabei zahlreichen Kontrollen und Regeln entsprechen, um seinen koscheren Status zu gewährleisten. Es ist daher kein Wunder, dass das Siegel „koscher“ in den USA vielfach als ein Qualitätssiegel angesehen wird, das einen höheren Grad an Lebensmittelsicherheit verspricht, als es staatliche Vorgaben und Kontrollen zu garantieren vermögen.  

Literatur

1.    Berger J.: Grundlagen des Schächtens: Die jüdische Sicht. In: Buckenhüskes HJ [Hrsg.]. Symposium Ethische und ethnische Aspekte bei der Auswahl und der Herstellung von Lebensmitteln. Bonn: GESELLSCHAFT DEUTSCHER LEBENSMITTELTECHNOLOGEN e.V. (GDL); 2004

2.     Blech ZY.: Kosher food production. Ames: Blackwell Publishing Professonal; 2004

3.    Hod T.: Koscher-Informationsblatt für die europäische Lebensmittelindustrie. kosher-germany.com/koshergermany/de/koscher-informationsblatt

4.    Kosher Foods - U.S. – January 2009 report by Mintel.

http://store.mintel.com/kosher-foods-us-january-2009

5.    Mayefsky C.: The buying power of the Kosher consumer. 22.11.2011. http://www.brandchannel.com/features_effect.asp?pf_id=533

6.    Miehlke S.: Der US-Markt für koschere Lebensmittel - Ein Marktüberblick. Vortrag auf dem IHK „Food Forum - Globale Wachstumsmärkte für die Lebensmittelindustrie und den Lebensmittelhandel - Bio, Halal, Koscher“ am 03.02.2011 in Hannover

7.    NN. http://www.aref.de/news/allgemein/2008/israel_juden_statistik.htm

8.    NN. Anzahl der Juden in ausgewählten Ländern im Jahr 2008. http://de.statista.com/statistik/printstat/37092/

9.    NN. ORD: Die neue Koscherliste ist da. http://www.hagalil.com/archiv/2010/07/02/koscherliste/

10.    Reiss J.: Jüdische Speisegesetze und daraus resultierende Konsequenzen für die Auswahl und die Herstellung von Lebensmitteln. In: Buckenhüskes HJ [Hrsg.]. Symposium Ethische und ethnische Aspekte bei der Auswahl und der Herstellung von Lebensmitteln. Bonn: GESELLSCHAFT DEUTSCHER LEBENSMITTELTECHNOLOGEN e.V. (GDL); 2004

11.    Taber W.: Die geographische Verteilung der Juden in der Welt. Kol Hesed Nr. 4 (24); 2011

12    Spiegel P.: Was ist koscher? Jüdischer Glaube – jüdisches Leben. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH; 2005 

13.    Stegmeier M.: Die amerikanische Lebensmittelindustrie – Marktüberblick und Vertriebswege. Vortrag auf dem IHK „Food Forum USA 2012“ am 14.06.2012 in Hannover

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