DLG kompakt 08/2019
1. Auflage, Stand 08/2019
Einführung
Die Anforderungen an die Ausbringung von Gülle sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und ein Ende dieser Entwicklung ist derzeit nicht abzusehen. Aus pflanzenbaulicher Sicht ist eine angepasste, möglichst zu jedem Zeitpunkt der Entwicklung optimale Versorgung der Pflanzen gewünscht. Ähnliches gilt aus Umweltaspekten, denn während ein Mangel an Nährstoffen die Entwicklung behindert und die zu erwartende Ernte verringert, sind Nährstoffüberschüsse vor allem deshalb unerwünscht, weil sie unter Umständen Grundwasser und Oberflächengewässer schädigen können. Dem wird in den rechtlichen Regelungen, z. B. in der Düngeverordnung (DüV) Rechnung getragen. In dieser sind aus Gründen des Grund- und Oberflächenwasserschutzes beispielsweise Grenzwerte für die Ausbringmenge und Beschränkungen der Ausbringzeiten enthalten. Insgesamt führt dies zu steigenden Anforderungen auch an die Erfassung und die Dokumentation der Nährstofffrachten.
Hinzu kommt, dass sich die Zusammensetzung von Güllen in vielen Bereichen der Landwirtschaft in den letzten Jahren sehr verändert hat. Durch Veränderungen bei den Fütterungskonzepten in der konventionellen und der biologischen Tierhaltung (z. B. N- und P-reduzierte Fütterung), Vergärung von Gülle und Festmist in Biogasanlagen, Separation und das Vermischen von Güllen ist inzwischen eine hohe Varianz an Nährstoffen anzutreffen. Aufgrund der fortschreitenden Diversifizierung wird sich dieser Trend weiter fortsetzen.
Bisher können die Nährstoffgehalte entweder aus Standard-Tabellen in die Dokumentation bzw. Bilanzierung übernommen oder durch wissenschaftlich anerkannte Methoden ermittelt werden. Die Werte aus den Standard-Tabellen bilden aber in der Regel die hohe Varianz der Nährstoffzusammensetzung auf den Betrieben nicht mehr ab. Für die Laboranalyse werden zufällige Einzelproben am Vorratsbehälter entnommen und zu einer Mischprobe zusammengeführt. Diese Mischprobe wird dann in ein geeignetes Gefäß umgefüllt und oft mit Zeitverzug an ein Labor geschickt. Die Länder geben hierzu Empfehlungen für die Vorgehensweise, um den Probennahmefehler zu reduzieren. Nach der Untersuchung der Probe im Labor, die mit verschiedenen Methoden erfolgen kann, werden nach einigen Tagen die Ergebnisse an den Landwirt zurückgegeben, der den Laborbericht dann zu Dokumentationszwecken abheftet.
Dieser Prozess von Probennahme bis Ergebnisdokumentation ist mit einigen, in Summe aber bedeutsamen Fehlerquellen behaftet – von einer unvollständigen Homogenisierung der Gülle im Lagerbehälter vor der Entnahme der Probe, über Nährstoffverluste während des Versands bis hin zu Unterschieden in den Ergebnissen zwischen verschiedenen Laboren. Hinzu kommt der Zeitfaktor, denn manchmal ist die Gülle bereits ausgebracht, bevor das Ergebnis der Untersuchung vorliegt, obwohl die aktuell gültige Düngeverordnung aus 2017 eine Analyse der Gülle vor der Ausbringung fordert. Somit müsste man die Gülle mit entsprechend zeitlichem Vorlauf vor der Ausbringung separat homogenisieren und beproben. Die oben genannten Anforderungen werden also mit den derzeit üblichen Vorgehensweisen nicht immer in ausreichender Weise erfüllt. Seit kurzem aber sind neue Technologien auf dem Markt verfügbar, die Messungen der Nährstoffgehalte von flüssigen Wirtschaftsdüngern während der Befüllung oder der Ausbringung ermöglichen, z. B. mit Nahinfrarotsensorik (NIRS).
Analysen mit NIR-Spektrometrie (NIRS)
NIRS hat sich mittlerweile in der Laboranalytik etabliert. Schüttgüter, Flüssigkeiten, Gase, ja sogar Früherkennung von Bränden: Seit der Einführung der Infrarottechnologie lassen sich viele Mess- und Analyseprozesse automatisieren, für die vorher eine aufwändige, oft nasschemische Laboranalyse vonnöten war. Im industriellen Umfeld sind kontinuierliche Messungen an vorbeiströmenden Gütern mittels Nah-Infrarot-Sensoren (NIR-Sensoren bzw. NIRS) – ob auf Förderbändern oder in Rohrleitungen – inzwischen Stand der Technik. Die Einsatzgebiete sind dabei von der einfachen Feuchtebestimmung bis hin zu komplexen Fragestellungen, wie den Gehalten an bestimmten Inhaltsstoffen (z. B. Chemikalien, Protein- oder Fettgehalte), weit gefächert.
Auch im Agrarbereich wird NIRS seit vielen Jahren routinemäßig bei der Bestimmung von Inhaltsstoffen in Ernteprodukten und Futtermitteln im Labor eingesetzt. NIRS hat sich inzwischen auch als Verfahren für die Online-Analytik auf Maschinen entwickelt, z. B. bei der Feuchtebestimmung von Erntegütern am Feldhäcksler.
Hinzugekommen ist nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Anforderungen im Umgang mit flüssigen Wirtschaftsdüngern die Bestimmung von Inhaltsstoffen in vorbeiströmender Gülle. Mit der Nutzung der NIRS-Technologie ist es nun möglich, die wertbestimmenden Inhaltsstoffe von Wirtschaftsdüngern, wie Rinder- und Schweinegülle oder flüssigen Gärresten, am Ort des Geschehens und mit einer Genauigkeit zu messen, die – zumindest über den Gesamtprozess der Inhaltsstoffbestimmung von der Probennahme bis zum Laborergebnis betrachtet – das bisherige Methodenspektrum erweitert und zu einer Reduzierung der Messungenauigkeiten beitragen kann. Spektrometrie bedeutet, dass ein Stoff beziehungsweise seine chemischen Bindungen zugeführte Energie wie Wärme, Licht oder andere elektromagnetische Wellenstrahlung teilweise aufnimmt, also absorbiert und teilweise reflektiert. Die so ins System eingespeiste Energie bleibt allerdings nicht dauerhaft dort, sondern wird in der Regel sofort wieder emittiert, das heißt abgegeben.
Dabei erfolgt sowohl die Absorption als auch die Emission in einem für den Stoff spezifischen Frequenzbereich des Lichts. Es entsteht also eine messbare Farbverschiebung zwischen dem eingestrahlten und reflektierten beziehungsweise wieder emittierten Licht. Die Abkürzung für NIR steht hier für Nah-Infrarot als Angabe dafür, dass NIR-Messgeräte Lichtspektren im Nahinfrarot-Bereich auswerten. Die Auswahl der entsprechenden Filter und die mathematischen Algorithmen bestimmen die Möglichkeiten der überwachten Parameter.
Die Funktion eines NIR-Sensorsystems ist in Abbildung 1 dargestellt. Das vorbeiströmende Gut ist vom eigentlichen Sensor durch ein NIR-durchlässiges Saphirglas getrennt. Das Gut wird mit einer NIR-Lichtquelle mit Nahinfrarotlicht mit bekanntem Spektrum bestrahlt und das reflektierte bzw. re-emittierte Lichtspektrum des Guts detektiert. Über eine Auswerteeinheit werden die Messdaten aufbereitet und im Microcomputer mithilfe entsprechender, für die zu bestimmenden Kenngrößen hinterlegten Kalibrierkurven in die richtigen Einheiten und Zahlenwerte überführt bzw. umgerechnet.
Einsatz in Gülle
Die Sensoren können für den Einsatz in Gülle in das vorhandene Rohrsystem nahezu jeder Behälterentnahmestelle, Pumpstation oder auch jedes Gülletankwagens bzw. Transport-LKWs eingebaut werden. Der Messvorgang erfolgt kontinuierlich an dem vorbeiströmenden Wirtschaftsdünger. Im Messmodus werden Messwerte im Sekundentakt ausgegeben. Je nach Bedarf können die aktuellen Werte in Echtzeit oder Mittelwerte für anwenderbestimmte Zeitintervalle angezeigt werden.
Die mit den Online-Verfahren gemessenen Werte liegen sofort verfügbar digital vor und die Protokolle können direkt für zum Beispiel Dokumentationszwecke weiterverwertet oder weitergeleitet werden. Die Kenntnis der aktuellen Nährstoffgehalte beim Ausbringen der Gülle erlaubt es zudem, regelnd einzugreifen, sprich in Abhängigkeit vom flächenbezogenen Nährstoffbedarf den Volumenstrom oder die Vorfahrtsgeschwindigkeit (TIM) anzupassen oder aber gezielt einzelne, im Limit befindliche Nährstoffe aus separaten Tanks beizumengen. In Kombination mit GPS-Systemen und Applikationskarten werden somit punktgenaue Nährstofffrachten planbar und realisierbar.
Der „wahre“ Nährstoffgehalt – Messgenauigkeit und Messunsicherheit Vergleich NIRS und herkömmliche Verfahren
Die Vorteile der NIRS-Technologie liegen in der Häufigkeit der Messungen, im geringen Aufwand und vor allem auch in der sofortigen Verfügbarkeit und Dokumentation der Ergebnisse vor Ort. Zudem wird durch die kontinuierlichen Messungen mit einer hohen Anzahl an Messwerten während der kompletten Befüllung oder Entladung sichergestellt, dass die ausgegebenen Werte auch repräsentativ für die betrachtete Fuhre sind. Bei den herkömmlichen Verfahren kann ein großer Unsicherheitsfaktor nämlich bereits durch die Entnahme einer Einzelprobe am Vorratsbehälter entstehen. Güllen und flüssige Gärreste neigen dazu, sich zu entmischen. Feste Bestandteile setzen sich ab oder schwimmen in einer abtrocknenden Schwimmschicht auf. Selbst durch intensives Aufrühren von Güllelagern, teilweise über Tage, ist oft keine vollständige Homogenisierung möglich. Dadurch weisen Güllen und Gärreste im Lager zonal in der Regel merkliche Unterschiede in den Nährstoffgehalten auf. Das erschwert eine für das Güllelager repräsentative Probenentnahme.
Aus dieser inhomogenen Gülle wird herkömmlicherweise eine einzige Probe genommen, diese in ein geeignetes Gefäß umgefüllt und anschließend wird die Probe dann möglichst zeitnah an ein Labor geschickt. Die Nährstoffgehalte in den Proben können sich aber während der Zwischenlagerung und dem Probenversand verändern, wenn hier nicht gewisse Regeln eingehalten werden. Diese möglichen Fehlerquellen werden durch die hochfrequenten Online-Sensormessungen ausgeschaltet, was zu einer erheblichen Reduzierung der Messunsicherheit führt (siehe Abbildung 3).
Auch der Umgang mit den Proben im Labor beeinflusst das spätere Analyseergebnis. Zudem werden teilweise unterschiedliche Analyseverfahren in den verschiedenen Laboren eingesetzt. Das können aufwändige nasschemische Verfahren, aber auch physikalische Schnellmethoden sein, wenn im Auftragsschreiben nicht explizit bestimmte Analysemethoden vorgegeben werden. Ringversuchähnliche Voruntersuchungen des DLG-Testzentrums im Rahmen der Methodenentwicklung zeigen, dass trotz extrem sensiblem Umgang mit den Gülleproben (intensivste Homogenisierung, Tiefkühllagerung und Tiefkühltransport der Proben zu den Laboren) und vorgegebenen Analysemethoden (amtlich zugelassene, vorzugsweise nasschemische Verfahren) nicht unbeträchtliche Schwankungen auch in den Ergebnissen der verschiedenen beteiligten, fachkompetenten und akkreditierten Labore auftreten können (siehe Abbildungen 4 bis 8 aus der DLG-Versuchsreihe 2017).
Nicht alle Nährstoffe, die in der Gülle enthalten sind, lassen sich mit gleich niedrigen Messunsicherheiten messen. Die Messunsicherheiten sind methodenabhängig und werden vom einzelnen Inhaltsstoff, aber auch von der Umgebungsmatrix, also der gesamthaften Zusammensetzung der Probe (zum Beispiel über die Zusammensetzung der Gülle, die Gülleart) beeinflusst. Beim Stickstoff werden beispielsweise unterschiedliche Stickstoffverbindingen detektiert. In der Regel nimmt man im Labor hierfür die Kjeldahl- oder Dumas-Methode. In der Getreide- / Malzanalytik ist aber auch schon NIR etabliert. Alle drei Methoden erfassen unterschiedlich stark ausgeprägt neben dem Proteinstickstoff auch andere Nicht-Eiweißstickstoffverbindungen. Auch die Höhe der absoluten Nährstoffgehalte beeinflusst die Messunsicherheiten. Bei sehr geringen Nährstoffgehalten, wie z. B. bei Phosphor, steigen in der Regel die Messunsicherheit und damit die Relativabweichungen an. Dies betrifft sowohl die nasschemischen Analyseverfahren im Labor als auch die physikalischen Analyseverfahren, ob im Labor oder im mobilen Einsatz.
Unter Berücksichtigung der ganzen Prozesskette inklusive der Fehlerquellen beim Probennehmen und Probenversand sowie vor dem Hintergrund der relativen Abweichungen beim Vergleich der Labormesswerte hat die DLG-Prüfungskommission ein darauf abgestimmtes Bewertungsschema erarbeitet (siehe Tabelle 1).
Das DLG-Bewertungsschema beinhaltet trotz der darin eingeräumten, zulässigen Toleranzen anspruchsvolle Anforderungen, die den heutigen Stand der Technik, aber auch die Messunsicherheiten bei den derzeit üblichen Verfahren berücksichtigt. Dies wird zum Beispiel dadurch erkennbar, dass auch nicht immer jedes, in den DLG-Versuchen beauftragte, akkreditierte Labor für jeden Inhaltsstoff in den unterschiedlichen Güllearten die DLG-Prüfung für mobile Online-Sensoren bestanden hätte (siehe Tabelle 2).
Bei optischer Messtechnik, also auch bei der NIR-Spektrometrie, handelt es sich um eine Sekundärmethode, die eine andere Analysetechnik als Referenz-/Primärmethode voraussetzt (z. B. nasschemische Analyse bei Feststoffen und Flüssigkeiten und Gaschromatografie bei Gasen). Die Präzision der Sensorergebnisse hängt also immer auch von der Genauigkeit der Referenzmethode ab und kann für die Analyse einer Einzelprobe nie genauer sein als die Methode, die zur Entwicklung der Kalibrationsmodelle herangezogen wird. Für die Genauigkeit der Sekundärmethode ist es also entscheidend, dass geeignete und passende Kalibrierkurven und -modelle hinterlegt sind.
Durch die inzwischen vielfach durchgeführten Vergleichsmessungen der DLG wird bestätigt, dass dies möglich ist. Die Prüfberichte aller DLG-ANERKANNTEN NIR-Sensoren sind unter www.DLG-test.de kostenfrei zugänglich.
Wie oben bereits beschrieben, kann die Sekundärmethode darüber hinaus in manchen Fällen auch Schwächen bei den Referenzverfahren aufdecken.
Ein großer Vorteil der Online-Messung mit dem Sensor besteht darin, dass im Gegensatz zur Laboranalyse eine kontinuierliche Messung stattfindet. Hierdurch wird die gesamte Menge der ausgebrachten Gülle analysiert, und nicht nur ein Bruchteil, wie bei den herkömmlichen Verfahren. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Zusammensetzung an Nährstoffen bei flüssiger Gülle und Gärresten auch innerhalb einer Gülleart stark variieren kann. In Untersuchungen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen werden beispielsweise beim Ammonium Stickstoff-Schwankungsbreiten mit den Faktoren 2,9 für Schweinegülle und 8,7 für flüssige Gärreste ermittelt. Die Schwankungen in den Gehalten an Phosphat und Kalium liegen in der Untersuchung noch höher (siehe Abbildungen 9 und 10).
Aber auch innerhalb eines Betriebes, eines Güllelagers oder einer Tankladung können sich die Nährstoffgehalte erheblich unterscheiden, wie Abbildung 11 verdeutlicht.
Solche Schwankungen können auch durch ein intensives Aufrühren des Güllelagers nicht abgestellt werden. Wird aus einem Güllelager nach dem derzeit üblichen Verfahren eine relativ kleine Probe für die Laboranalyse entnommen, muss in Frage gestellt werden, ob diese Probe die Nährstoffzusammensetzung des Güllelagers auch repräsentiert. Wird beispielsweise eine 2 l Mischprobe aus einem relativ kleinen Güllelager von 100 m³ erstellt, ergäbe sich daraus eine analysierte Menge von weniger als 0,00002 % der Gesamtmenge. Bei Schwankungen der Nährstoffgehalte innerhalb des Lagers bis zu 23 % ist leicht nachvollziehbar, dass das Ergebnis aus der späteren Laboranalyse die tatsächliche Situation nicht ausreichend genau und vor allem sicher wiedergeben kann. Durch eine kontinuierliche Messung der gesamten Menge an vorbeiströmender Gülle, kann die Gefahr einer Fehleinschätzung deutlich reduziert werden. Online-Sensoren haben an dieser Stelle also einen ganz entscheidenden Vorteil.
Ein weiterer großer Vorteil der Online-Messung mit dem Sensor besteht darin, dass der komplette Prozess von Probennahme bis zur Analyse im Gegensatz zu den Laboranalysen in einem kontinuierlichen Prozess und in Echtzeit stattfindet. Hierdurch werden Veränderungen in der Güllezusammensetzung, die zwischen Probennahme für die Laboranalyse und späterem Transport bzw. Ausbringen durch z. B. NH3 Emission und Entmischung entstehen können, eliminiert.
Die Vorteile bei der nasschemischen Analyse liegen derzeit mit gewissen Einschränkungen darin, dass die Umgebungsmatrix vergleichsweise geringen Einfluss auf das Analyseergebnis nimmt. Für Güllen mit Zusätzen oder sehr außergewöhnliche Güllen und Gärreste existieren derzeit häufig noch nicht vollständig entwickelte Kalibrationsmodelle, was zu fehlerhaften und unplausiblen Sensorwerten führen kann.
Ein direkter Vergleich zwischen nasschemischer Laboranalyse und Sensormessung unter „sterilen“ Laborbedingungen muss theoretisch häufig zu Ungunsten des Sensors ausfallen.
Wird im Zusammenhang mit der Bestimmung von Inhaltsstoffen in Güllen allerdings eine vergleichende Gesamtbetrachtung über die Prozesskette durchgeführt, kann sich die Situation umkehren. Beim Vergleich herkömmlicher Verfahren von der Probennahme bis zum Laborergebnis vs. Online-Sensormessung an der tatsächlichen Fuhre (Prozess-Messunsicherheitsbetrachtung), kann geeigneten und dahingehend geprüften Sensoren eine genauso gute Annäherung an den tatsächlichen Gehalt der Probe bzw. der Fuhre zugesprochen werden, wie dem Wert, der für die Fuhre aus einem einzelnen Laboranalyseergebnis angenommen wird. Beim herkömmlichen Verfahren ist die fehlende Kenntnis zur Sorgfalt bei Probennahme und Probenhandling eine weiter bestehende Unbekannte mit erheblichem Einfluss auf das Analyseergebnis. Beim Online-Verfahren, z. B. NIRS, muss das System aus Sensor und Kalibrationsmodel für die Gülleart eingerichtet sein und dies durch entsprechende Überprüfungen nachgewiesen haben.
Wegen der Vielfalt der verschiedenen flüssigen Wirtschaftsdünger ist das eine große Herausforderung für die Entwickler und Hersteller solcher Sensoren. Nicht jedes System ist für alle Anwendungen geeignet. Der Anwender muss sich also im Vorfeld darüber informieren, ob die Technik seinen Einsatzbereich auch abdeckt.
DLG-Prüfverfahren
Zur Bestimmung der Messgenauigkeit der NIR-Sensoren werden je Wirtschaftsdüngerart fünf einzelne, möglichst unterschiedliche Güllen auf verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben gemessen und beprobt. Hierfür wird aus dem zuvor aufgerührten Güllelager jeweils eine Teilmenge von 3-5 m³ in einen Zwischentank (Abbildung 12) gepumpt.
Am Zwischentank verbaut sind eine Pumpe und ein praxisübliches Rohrleitungssystem mit einem oder mehreren zu prüfenden Sensoren, ein Durchflussmengenmesser zur Kontrolle der Fließgeschwindigkeiten sowie ein Bypass zur Probenentnahme.
Nach einer Vorlaufphase zur intensiven Homogenisierung werden die von den Sensoren für diese Fracht ermittelten Sensorwerte erfasst und bei Aufrechterhaltung des geschlossenen Kreislaufs Proben über den Bypass genommen. Die Proben werden gekennzeichnet und sofort für die Zwischenlagerung tiefgefroren. Von jeder Gülle werden auf diese Weise mindestens fünfzehn Einzelproben hergestellt. Anschließend werden von jeder Gülle jeweils drei Proben anonymisiert an fünf fachkompetente Labore zur Analyse geschickt. Bei der Zwischenlagerung und dem Transport muss gewährleistet sein, dass die Proben nicht auftauen. Die beauftragten Labore müssen die Analysen mit anerkannten, vorzugsweise nasschemischen Analyseverfahren durchführen. Aus den daraus resultierenden fünfzehn Einzelergebnissen je Gülle und Inhaltsstoff wird dann ein Labormittelwert berechnet, welcher als Referenzwert für die Bewertung der Sensoren herangezogen wird.
Liegt die Vergleichbarkeit zwischen dem Labormittelwert und dem Sensorwert innerhalb einer zulässigen Toleranz, spricht die DLG spezifisch für die Gülleart und die zu bestimmenden Nährstoffe eine DLG-Anerkennung aus.
Die DLG-Anerkennung für Sensoren zur Ermittlung der Inhaltsstoffe in vorbeiströmenden Wirtschaftsdüngern beinhaltet ein mehrstufiges Bewertungssystem (siehe Tabelle 1) und kann für einzelne Güllearten und Inhaltsstoffe vergeben werden. Mindestens müssen aber die Anforderungen für die Bestimmung des Gesamtstickstoffgehalts erfüllt werden.
Fazit und Ausblick
Über den Einsatz von NIR-Sensoren zur Bestimmung der Inhaltsstoffe von Wirtschaftsdüngern steht der landwirtschaftlichen Praxis ein System zur Verfügung, das über die gesamte Prozesskette betrachtet der herkömmlichen Vorgehensweise mit Probennahme am Güllelager, Probenversand und Laboranalyse mindestens ebenbürtig ist.
Die großen Vorteile der Sensortechnologie liegen in der sofortigen Verfügbarkeit der Messwerte, der hohen Anzahl an Messwerten und der darüber realistischeren Abbildung der tatsächlichen Nährstofffrachten einer Fuhre.
Wird die Dokumentation der Gülle- und Gärreste-Inhaltsstoffe über eine entsprechende Sensorik gesetzlich anerkannt, wie dies in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bereits der Fall ist, wird das System gerade im hochprofessionellen, d. h. auch im überbetrieblichen Einsatz und/oder bei einer Verbringung von Güllen aus viehstarken in viehschwache Regionen entscheidende Impulse setzen.
Vieles spricht aus fachlicher Sicht für die Zulassung von geprüften Sensorsystemen als anerkannte Methode für Dokumentationszwecke in der Düngeverordnung.
Die aktuellen Vorschriften in der DüV (2017) fordern, dass die Gehalte an Gesamtsticksoff, verfügbarem Stickstoff oder Ammoniumstickstoff und Gesamtphosphat vor dem Aufbringen bekannt sind oder ermittelt wurden (§3, Absatz 4). Zulässig sind hierbei die Verwendung von Einzelergebnissen aus Laboranalysen oder das Ansetzen von Tabellenwerten.
Mit dem herkömmlichen und zugelassenen Verfahren werden also die Dokumentationspflichten erfüllt, auch wenn die erhobenen Daten auf nur einer Probennahme pro Betrieb oder gar auf Tabellenwerten basieren. Den hohen Schwankungen der Nährstoffgehalte wird damit nur sehr eingeschränkt Rechnung getragen. Mit geprüften und anerkannten Sensorsystemen zur kontinuierlichen Nährstoffbestimmung würde es aber möglich werden, eine viel höhere Repräsentativität zu erreichen, und eine exakte Nährstoffbestimmung für jedes Güllelager und jede Güllefuhre herbeizuführen. Darüber hinaus ermöglichen solche Sensorsysteme eine konkrete und feinstrukturierte räumliche Zuordnung der ausgebrachten Nährstofffrachten, also eine echte Nährstoffbilanzierung auf einzelnen Schlägen bis hin zu einer Applikationskarte.
Durch eine kontinuierliche Messung in Echtzeit sind die Nährstoffgehalte in der Gülle sofort verfügbar und unterliegen keinen Störungsgrößen durch Probennahme und Probenhandhabung bis zur Laboranalyse. Auch bei der Ausbringung sind die aktuellen Nährstoffgehalte in der Gülle bekannt, wodurch steuernd eingegriffen und die tatsächlich applizierte Nährstofffracht dem Bedarf der behandelten Schläge auch kleinflächig angepasst werden kann.
Gerade im Hinblick auf anzunehmende weitere Verschärfungen der Regelungen bieten die Sensortechnologien also zukünftig die Möglichkeit, Nährstoffbilanzen auf Schlagebene zu bestimmen und zu optimieren.
Nicht zuletzt können die mit den Sensoren erhobenen Daten nicht nur für Steuerungsprozesse zur Regelung der Nährstofffrachten beim Ausbringen der Güllen genutzt, sondern auch direkt einer Weiterverarbeitung in Dokumentations-, Planungs- und Managementsystemen zugeführt werden. Die hierfür erforderlichen Techniken stehen bereits zur Verfügung.
Voraussetzung hierfür ist aber der verantwortungsvolle Umgang mit den Sensoren durch den Anwender. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass die Systeme für den Einsatzbereich, sprich die Güllearten geeignet sind, und regelmäßig gewartet werden, um die Funktionstüchtigkeit sicherzustellen.
Es ist anzunehmen, dass die Online-Sensormessungen durch die stetige Weiterentwicklung der Kalibrationsmodelle weiter verbessert werden. Hinzu kommt außerdem die Möglichkeit, dass auch andere Messverfahren das Potenzial haben, auf eine kontinuierliche Messung von Nährstoffen in Gülle in Echtzeit hin adaptiert zu werden (z. B. NMR - nuclear magnetic resonance). Die nasschemische Laboranalyse verliert hierdurch aber nicht an Bedeutung, denn sie ist als Referenzmethode für die Entwicklung von Kalibrationsmodellen und für die Prüfung der Funktionalität von Online-Sensoren auch in Zukunft unabdingbar.
Online-Sensoren: Die Vorteile auf einen Blick
- Messergebnisse sind sofort online verfügbar
- 100 % kontinuierliche Messung statt Stichprobe von 0,00002 % im Beispiel eines 100 m³-Lagers
- Messgenauigkeit entspricht mindestens dem Niveau der herkömmlichen Verfahrenskette
- Messergebnisse sind für die nährstoffbasierte und sogar georeferenzierte Gülleausbringung nutzbar
- Das System ist durch den Nutzer kaum manipulierbar
- Deutlich vereinfachte Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Nährstoffbewegungen
- Transparenz durch die Erfassung der Nährstoffe in den gesamten Mengen für abgebende und aufnehmende Betriebe
- Kein Verbrauchsmaterial und Einsparung der Versand- sowie Laborkosten
- NIRS Messung von Nährstoffgehalten erlaubt die Messung von N, P und K zur Applikation von kg Nährstoff/ha anstatt m³ Gülle/ha
- Eine Messung bei der Ausbringung ermöglicht zusätzlich die Messung in Echtzeit um auf Schwankungen der Nährstoffgehalte im Fass zu reagieren
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