DLG-Merkblatt 502
1. Auflage, Stand: 05/2025
Autoren:
- Dr. Norbert Uppenkamp
- Prof. Dr. Ludwig Volk
unter Mitwirkung des DLG-Ausschusses für Technik in der Pflanzenproduktion
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Auswirkungen eines angepassten Reifenfülldrucks
2. … auf dem Acker
2.1.1 … auf den Boden
2.1.2… auf die Spurtiefe
2.1.3… auf Zugkraft und Schlupf
2.2… auf der Straße - Anforderungen an Reifendruckverstelleinrichtungen
- Bauarten von Reifendruckverstelleinrichtungen
4.1 Luftdruckverstellung am stehenden Fahrzeug
4.2 Luftdruckverstellung während der Fahrt - Entwicklungstendenzen
- Literatur
1. Einleitung
Der Reifen ist nach wie vor die dominierende Verbindung zwischen landwirtschaftlichen Maschinen und dem Boden. Der Luftdruck im Reifen (= Reifenfülldruck oder Reifeninnendruck oder Reifendruck) ist dabei von entscheidender Bedeutung. Im DLG-Merkblatt 344 „Bodenschonender Einsatz von Landmaschinen“ [1] sind die Einflüsse auf den Boden, im DLG-Merkblatt 356 „Reifen richtig wählen und einsetzen“ [2] auf die Reifeneigenschaften und im DLG-Merkblatt 461 „Maßnahmen zur Optimierung der Traktion“ [3] auf die Kraftübertragung und den Schlupf näher beschrieben.
Im vorliegenden Merkblatt fassen wir die Einflüsse unterschiedlicher Reifenfülldrücke bei der Straßenfahrt und bei der Arbeit auf dem Feld zusammen und zeigen technische Lösungen für die Veränderung des Reifenfülldruckes. Denn die Ansprüche an den Reifen sind bei Fahrten auf befestigtem Untergrund gegenüber nachgiebigem Acker- und Grünlandboden häufig gegensätzlich. Für die sichere Straßenfahrt gilt beim Lkw und beim Schlepper: hoher Luftdruck im Reifen verbessert Lenk- und Bremsfähigkeit, mindert den Rollwiderstand, den Dieselverbrauch, die CO2-Freisetzung, den Reifenabrieb, damit auch die Feinstaubfreisetzung und verbessert die Transportleistung. Auf Acker und Wiese sorgt ein niedriger Luftdruck im Reifen für eine höhere Zugkraft bei gleichem Schlupf oder für geringeren Schlupf bei gleicher Zugkraft. Als weitere Vorteile kommen ein geringerer Kraftstoffverbrauch, eine höhere Flächenleistung sowie eine bessere Schonung des Bodens hinzu.
2. Auswirkungen eines angepassten Reifenfülldrucks
Landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren sind im Unterschied zu vielen anderen Fahrzeugen sowohl auf Straßen mit fester Fahrbahn als auch auf porendurchzogenem Acker und Grünland mit stark wechselnden Bodeneigenschaften unterwegs. Eine besondere Problematik ergibt sich daraus, dass mitunter mehrmals pro Stunde zwischen der festen und der nachgiebigen Fahrbahn gewechselt werden muss.
2.1 … auf dem Acker
Straßen haben die Aufgabe, eine wetterunabhängige, tragfähige Fahrbahn für den Transport von Menschen und Material zu bilden. Sie sind deshalb für Transporte optimiert. Landwirtschaftlich genutzte Böden sind dagegen viel stärker naturbelassen und deshalb sehr viel variabler und vielfältiger als Straßen. Sie dienen auch dem Personen- und Materialtransport, primäre Aufgabe ist allerdings die Pflanzenproduktion. Menschliche Eingriffe in den Boden zielen also darauf ab, optimale Bedingungen für das Pflanzenwachstum, nicht aber eine Fahrbahn für den Transport zu schaffen. Die Fahrwerke landwirtschaftlicher Maschinen müssen daher so angepasst und eingesetzt werden, dass das vorrangige Ziel des ungestörten Wurzel- und Pflanzenwachstums durch das Befahren möglichst wenig beeinträchtigt wird.
2.1.1 … auf den Boden
Ein wesentliches Merkmal fruchtbarer Böden ist ein ausreichendes Porenvolumen mit hoher Porenkontinuität, das einen ausgewogenen Luft- und Wasserhaushalt ermöglicht. Durch das Befahren wird allerdings unausweichlich ein Druck auf den Boden ausgeübt, der das Porenvolumen verringert (s. Abbildung 1).
Wie stark das Porenvolumen reduziert wird, hängt zum einen von der Aggregatstabilität des Bodens, zum anderen vom Druck durch das Fahrwerk ab. Dieser Druck kann bei Reifenlaufwerken durch den Luftdruck im Reifen entscheidend beeinflusst werden. Wird dieser Luftdruck reduziert, federt der Reifen ein und die Kontaktfläche mit dem Boden wird länger und dadurch größer (Abbildung 2).
Messungen von Weißbach [5] zeigen, dass durch die größere Kontaktfläche bei gleicher Reifenlast der Druck auf den Boden in ähnlicher Größenordnung verringert wird (Abbildung 3). Der Bodendruck in 10 cm Tiefe entspricht in etwa dem Reifenfülldruck.
Messungen von Weißbach [5] zeigen, dass durch die größere Kontaktfläche bei gleicher Reifenlast der Druck auf den Boden in ähnlicher Größenordnung verringert wird (Abbildung 3). Der Bodendruck in 10 cm Tiefe entspricht in etwa dem Reifenfülldruck.
Die größere Aufstandsfläche kann nicht nur durch geringeren Luftdruck im Reifen, sondern auch durch breitere Reifen oder durch mehr Räder erreicht werden. Eine relativ einfache Möglichkeit sind Zwillingsräder. Dadurch wird die Achslast nicht nur auf zwei, sondern auf vier Räder verteilt und die Radlast wird halbiert. Wenn der Reifenfülldruck entsprechend der geringeren Radlast abgesenkt wird, wird auch der Bodendruck deutlich verringert (Abbildung 4).
Wird allerdings der hohe Reifenfülldruck der traktornahen Reifen beibehalten, reduziert sich der bodenschonende Effekt der Zwillingbereifung unter diesen Reifen deutlich (Abbildung 5).
Zwillingbereifung hat allerdings den generellen Nachteil, dass die Fahrzeugbreite zunimmt und i. d. R. die zulässige Fahrzeugbreite für das Fahren auf öffentlichen Straßen übersteigt. Insbesondere bei landwirtschaftlichen Anhängern, die sowohl auf der Straße als auch auf dem Acker fahren müssen (z. B. Güllefässer, Ladewagen), werden deshalb häufig Tandem- oder Tridemachsen eingesetzt. Auch hier zeigen Messungen von Weißbach, dass der Bodendruck nur dann entscheidend reduziert wird, wenn der Reifenfülldruck auf den vom Reifenhersteller für die Last und die Geschwindigkeit freigegebenen Minimalwert reduziert wird (Abbildung 6).
2.1.2 … auf die Spurtiefe
Durch das Befahren mit Reifen auf nachgiebigem Untergrund entstehen zwangsläufig Spuren. Diese Spuren erhöhen Zugkraftbedarf, Dieselverbrauch sowie Arbeitszeitbedarf und erfordern unter Umständen einen erhöhten Aufwand bei der Bodenbearbeitung zur Lockerung und Einebnung der Bodenoberfläche (Abbildung 7).
Durch Absenken des Luftdrucks im Reifen und größere Bereifung mit entsprechend geringerem Reifenfülldruck kann die Spurtiefe deutlich verringert werden (Abbildung 8, Abbildung 9).
2.1.3 … auf Zugkraft und Schlupf
Mit niedrigem Reifenfülldruck vergrößert sich die Reifen/Boden-Kontaktfläche und mehr Reifenstollen können sich mit dem Boden verzahnen. Durch die wirksamere Verzahnung von Reifen und Boden steigt bei gleichem Schlupf die Zugkraft (Abbildungen 10 und 11).
Wenn bei gleichem Schlupf eine größere Zugkraft möglich ist, heißt das im Umkehrschluss, dass bei gleichem Zugkraftbedarf der Schlupf geringer ist und die tatsächliche Fahrgeschwindigkeit steigt. Die Flächenleistung nimmt zu, der Dieselverbrauch sinkt und der Boden wird geschont. In Abbildung 12 sind die Versuchsergebnisse aus Abbildung 11 etwas anders dargestellt.
Hier wird deutlich, dass durch den geringeren Luftdruck im Reifen der Schlupf fast halbiert wird und dementsprechend die Flächenleistung steigt.
Beim DEULA-Effizienz-Training in der DEULA Warendorf wurde beim Grubbern eine Vielzahl von Parametern erfasst, so dass die Auswirkungen der Senkung des Reifenfülldruckes von 1,6 bar auf 0,6 bar bis hin zu den Verfahrenskosten dargestellt werden können (Abbildung 13).
Ein praxisnaher Vergleichstest von Weißbach zeigt, wie stark die Flächenleistung durch die Art der Bereifung mit entsprechend unterschiedlichen Reifenfülldrücken (Varianten A bis D: jeweils geringstmöglicher Reifenfülldruck) beeinflusst werden kann (Abbildung 14).
Wenn gezogene Geräte und Anhänger auf dem Feld eingesetzt werden, führt ein hoher Reifenfülldruck zu einer tieferen Spur und damit zu einem erheblich größeren Zugkraftbedarf (Abbildung 15).
2.2 … auf der Straße
Bei der Straßenfahrt werden landwirtschaftliche Güter transportiert oder Maschinen und Geräte zum Einsatzort gebracht. Die Minimierung des Zeitaufwandes und des Kraftstoffverbrauchs sind vorrangige Ziele. Deshalb wird in der Regel mit relativ hohen Geschwindigkeiten gefahren und Transportfahrzeuge und Traktoren mit Anbaugeräten weisen hohe Achslasten auf. Eine hohe Radlast bei hoher Fahrgeschwindigkeit erfordert zwangsläufig bei den landwirtschaftlichen Standardreifen einen hohen Reifeninnendruck. Neben schwer messbaren Kriterien, wie gute Fahrstabilität vor allem in Kurven und längere Haltbarkeit des Reifens dank geringeren Reifenabriebs und geringerer Reifenerwärmung, ist die Kraftstoffeinsparung ein entscheidendes Argument für einen möglichst hohen Reifenfülldruck. In mehreren Testfahrten ist der Einfluss des Reifenfülldrucks auf den Kraftstoffverbrauch gemessen worden.
Bei einem Test der Zeitschrift top agrar im Jahr 2019 mit Straßenfahrten auf einer 45,93 km langen Teststrecke wurde bei Transportfahrten mit einem Traktor und einem Tandemachs-Abschiebewagen der Kraftstoffverbrauch gemessen (Claas Axion 870 und Brandtner Abschiebewagen mit Tandemachse (4 t Stützlast, 24 t Ges.Gew.), 40 km/h, Ges.Gew. des Zuges: 34 t). Als der Reifenfülldruck vom technisch möglichen Minimum auf den Maximalwert erhöht wurde, sank der Kraftstoffverbrauch um 5,34 l/100 km bzw. 7,3 % (s. Abbildung 16).
Bereits 2015 wurde die gleiche Teststrecke zu einem Vergleich unterschiedlicher Reifenfülldrücke in den Reifen eines Zweiachsanhängers mit Implementbereifung genutzt (s. Abbildung 17).
Es zeigte sich, dass auf der gesamten Teststrecke 5 % Diesel eingespart wurde, wenn der Reifenfülldruck in den Anhängerreifen von 2,6 auf 3,5 bar erhöht wurde. Betrachtet man nur die Streckenabschnitte, auf denen mit der Maximalgeschwindigkeit von 40 km/h gefahren werden konnte („Bundesstraße“), erhöht sich das Einsparpotenzial sogar auf 10 %.
Bei ähnlichen Vergleichsmessungen mit unterschiedlichen Reifenfülldrücken bei Transportfahrten konnten Einsparpotenziale in gleicher Größenordnung gemessen werden (s. Abbildung 18).
In den letzten Jahren sind neben den Standardreifen mit AS-Profil weitere Reifenbauarten und Reifenprofile für Traktoren auf den Markt gekommen. Auch hier zeigt sich, dass durch einen hohen Reifenfülldruck der Kraftstoffverbrauch z.T. deutlich gesenkt werden kann (Abbildung 19).
Vermehrt werden Traktorreifen mit einem deutlich höheren Stollenanteil in der Lauffläche angeboten, die ursprünglich für den überwiegenden Straßeneinsatz entwickelt wurden. Diese weisen gegenüber herkömmlichen AS-Reifen generell einen geringeren Kraftstoffverbrauch bei der Straßenfahrt auf (Abbildung 20).
Testfahrten mit diesen Reifen zeigen, dass auch mit diesen Reifen durch einen hohen Reifenfülldruck Kraftstoff eingespart werden kann (Abbildung 21 und Abbildung 22).

Das Fahren mit konstant hohem Druck hat bei Straßenfahrt die Vorteile eines geringen Kraftstoffverbrauchs und geringen Reifenverschleißes bei einer stabilen Straßenlage. Auf dem Feld ist der hohe Druck nur bei sehr tragfähigen, trockenen Böden vertretbar, wenn die Gefahr dauerhafter Bodenverdichtungen auszuschließen ist. In allen anderen Situationen ist der hohe Druck nachteilig.
Der konstant niedrige Druck schont den Boden und spart Kraftstoff auf dem Feld. Um den Reifen nicht zu stark zu belasten, muss auf der Straße mit geringer Radlast oder mit geringer Geschwindigkeit gefahren werden. Diese Strategie kommt daher nur für arrondierte Betriebe in Betracht.
Die Druckanpassung erfordert zusätzlichen Aufwand, ermöglicht aber die beste Reifen- und Bodenschonung, den höchsten Fahrkomfort und den geringsten Aufwand für Arbeitszeit und Kraftstoff (Abbildung 23). Je häufiger die Druckanpassung nötig ist, desto höher kann auch der Aufwand für die Druckanpassung sein.
Die Arbeitsgänge unterscheiden sich deutlich bei der Häufigkeit der Druckverstellung. Der notwendige Reifenfülldruck ist von der Radlast und der Fahrgeschwindigkeit abhängig. Ändert sich einer der beiden Faktoren, muss der Reifenfülldruck u. U. angepasst werden. In Abbildung 24 ist beispielhaft dargestellt, wie sich Fahrgeschwindigkeit, Radlast und notwendiger Reifenfülldruck im Laufe eines Vormittags beim Pflügen oder Säen mit Anbaupflug oder Anbau-Drillkombination ändern.
Beim Start um 8.00 Uhr morgens fährt der Traktor mit dem ausgehobenen Anbaupflug zum Feld. Bei hoher Hinterachslast und hoher Geschwindigkeit ist ein hoher Reifenfülldruck von 1,6 bar nötig. Auf dem Feld wird die Hinterachse bei abgesenktem Pflug entlastet und wegen der geringen Fahrgeschwindigkeit kann mit dem für Zugarbeiten angegebenem Mindestluftdruck gefahren werden. Am Vorgewende steigt zwar die Hinterachsbelastung, wegen der geringen Fahrgeschwindigkeit reicht aber der Mindestluftdruck aus. Eine Druckanpassung muss erst wieder bei der Rückfahrt zum Hof erfolgen.
Ein anderes Bild ergibt sich bei der Gülleausbringung vom Hof zum Feld (Abbildung 25). Der Luftdruck in den Reifen des Güllefasses muss deutlich häufiger, nämlich zweimal bei jeder Tankfüllung verändert werden.
Das Fahren mit hoher Last bei hoher Fahrgeschwindigkeit (Hinfahrt zum Feld mit vollem Tank) wechselt bei jeder Fuhre mit abnehmender Radlast bei geringer Fahrgeschwindigkeit (Ausbringung auf dem Feld) und geringer Radlast bei hoher Fahrgeschwindigkeit (Rückfahrt mit leerem Tank zum Hof). Dabei ist nur bei der Hinfahrt zum Feld der hohe Reifenfülldruck nötig (Abbildung 26). Die Anforderungen an die Kompressorleistung sind relativ gering, da für die Erhöhung des Reifeninnendrucks die Zeit der Rückfahrt vom Feld zum Hof und die Zeit für das Befüllen am Hof zur Verfügung stehen.
Bei Erntetransporten, wie z. B. der Einsatz des Ladewagens, wird im Unterschied zur Gülleausbringung der hohe Reifenfülldruck bei der Rückfahrt vom Feld zum Hof benötigt (Abbildung 27). Hierdurch ergibt sich das Problem, dass beim Wechsel vom Feld auf die Straße der Reifenfülldruck sehr schnell erhöht werden muss.
Die verfügbare Zeitspanne für das Aufpumpen ist kurz und stellt hohe Anforderungen an die Förderleistung des Kompressors. Hier kann die Installation eines Druckbehälters und/oder eines zusätzlichen Kompressors sinnvoll sein, der während der Fahrt mit leerem Ladewagen und auf dem Feld aufgefüllt wird (Abbildung 28).
Der oder die Druckbehälter können kurzfristig viel Luft bereitstellen und den Kompressor entlasten.
4. Bauarten von Reifendruckverstelleinrichtungen
4.1 Luftdruckverstellung am stehenden Fahrzeug
Die preisgünstigste, aber auch arbeitsaufwändigste Form der Reifenluftdruckverstellung erfolgt im Stand mit dem auf dem Hof vorhandenem Kompressor oder dem Kompressor der Druckluft-Bremsanlage des Traktors. Investitionen fallen nicht an, der Zeitaufwand ist allerdings sehr hoch.
Deutlich schneller geht es mit einem preisgünstigen Reifenfüll- und Schnellentlüftungs-Set, das auch als „AirBooster“ oder „Traktionsbox“ bezeichnet wird (Abbildung 29 links). Hierin finden sich vier Schnellentlüftungsventile, eine Druckluftleitung mit Manometer und Absperrhahn sowie der Anschluss für die Druckluftbremse des Traktors.
Komfortabler ist die von der Firma PTG angebotene AIRBOX/mobil für den Druckwechsel im Stand (Abbildung 29 rechts). In dem Koffer sind zwei Druckschläuche, so dass zwei Reifen gleichzeitig be- oder entlüftet werden können. Zudem schaltet die Luftzufuhr selbsttätig ab, wenn ein vorgewählter Solldruck erreicht wird. Das Be- und Entlüften muss also nicht ständig beaufsichtigt werden.
Diese Möglichkeiten bieten sich an, wenn nicht innerhalb eines Arbeitszyklus häufig der Druck geändert werden muss. Beispiele sind reine Feldarbeiten (Pflügen, Säen, Bodenbearbeitung) auf größeren Schlägen und in weitgehend arrondierten Betrieben.

4.2 Luftdruckverstellung während der Fahrt
Bei allen Ausbringarbeiten vom Hof zum Feld (z. B. Gülle- oder Stalldungausbringung, Pflanzenschutz) und Erntetransporten vom Feld zum Hof ändern sich Fahrgeschwindigkeiten und Radlasten sehr häufig innerhalb eines Tages. Entsprechend oft muss der Reifenfülldruck geändert werden. Hierfür werden Reifendruckregelanlagen angeboten, die es ermöglichen, den Reifenfülldruck während der Fahrt anzupassen ohne den Traktor verlassen zu müssen.
Die wichtigsten Bauteile für Reifendruckregelanlagen im Schlepper oder der Maschine sind:
- Druckerzeuger (= Verdichter) als Kompressor für Bremsen und variablen Reifendruck
- Leitungen vom Kompressor zur Ventilbox und zu den Reifen
- Drehdurchführungen (Drehübertrager)
- Ventile, elektrisch, pneumatisch oder manuell bedient, am Chassis (= Rahmen) oder Rad
- Steuergerät, Kabel und Stecker zu Drucksensoren und zum Terminal (= Anzeige) in der Kabine.
Für die Druckerzeugung wird entweder der Kompressor der Druckluft-Bremsanlage des Traktors oder ein spezieller Zusatzkompressor am Traktor oder am Gerät (z. B. Güllefass) eingesetzt. Die serienmäßigen Traktorkompressoren sind Einzylinder-Kolbenkompressoren mit einer Förderleistung von etwa 200 bis 250 l/min (Abbildung 30). Die Firma Fendt bietet für die Druckluftversorgung der Bremse und der Reifendruckregelanlage VarioGrip einen zahnradgetriebenen, wassergekühlten Zweikolbenkompressor mit einem Fördervolumen von 750 l/min an.
Mit dem üblichen serienmäßigen Bremsenkompressor dauert das Aufpumpen aller vier Reifen eines etwa 250 bis 300 PS starken Traktors um 1 bar etwa 15 bis über 17 min [7]. Es wird im Stand und im Fahren aufgepumpt; also können die letzten Bahnen in der Bodenbearbeitung und das Säubern der Anbaumaschine auf dem Feld für die Druckerhöhung genutzt werden.
Wegen der geringen Förderleistung der Standard-Bremsenkompressoren, wird bei häufigem Druckwechsel und großem Reifenvolumen ein Zusatzkompressor benötigt. Es kommen dabei Kolben-, Schrauben- oder Vielzellenkompressoren zum Einsatz (Abbildung 31, Abbildung 32 und Abbildung 33).
Kolbenkompressoren werden in großen Stückzahlen gebaut und sind preisgünstig. Sie benötigen allerdings relativ viel Bauraum. Deshalb werden häufig Schraubenverdichter und vereinzelt Drehschieberkompressoren eingesetzt. Sie sind zwar teurer, laufen aber leiser und benötigen im Vergleich zum Kolbenkompressor deutlich weniger Bauraum.

Abbildung 32: Prinzip des Schraubenkompressors: 2 angetriebene Schrauben fördern und verdichten Luft von der Ansaugseite (links) auf die Druckseite (rechts) (© www.kompressor.one)

Abbildung 33: Vielzellenkompressoren (Drehschieberkompressor) werden aktuell von der Firma PTG für die Druckluftversorgung an Güllefässern eingesetzt (© de.wikipedia.org/wiki/Drehschieberpumpe)
Kompressoren in der Fronthydraulik können mechanisch über die Frontzapfwelle oder hydraulisch angetrieben werden (Abbildung 31 links und Abbildung 35). Der mechanische Antrieb ist bei vorhandener Frontzapfwelle preisgünstiger, der hydraulische Antrieb ist vielseitiger. Er stellt keine besonderen Ansprüche an den Anbauraum, allerdings sollte eine Ölförderleistung von mindestens 60 Liter/Minute für den Hydraulikmotor verfügbar sein.
Vom Kompressor gelangt die verdichtete Luft über zumeist fest verlegte Leitungen zur Ventilbox (Abbildung 36).
Hier wird die Druckluft auf die einzelnen Achsen oder Räder verteilt und der Druck wird entsprechend dem eingestellten Sollwert eingestellt. Die Druckmessung in der Druckluftleitung hat den Nachteil, dass die Füll- und Entleerzeiten ansteigen. Denn für eine exakte Messung darf die Luft nicht strömen, so dass der Befüll- und Entleervorgang während der Messung unterbrochen werden muss. Daher bieten die Hersteller vermehrt eine separate Druckmessung in der Felge an. Bluetooth-Technik und Funksensorik für die Signalübertragung erspart separate Leitungen. Dadurch kann kontinuierlich gemessen und überwacht werden und der Sollwert wird exakter eingehalten.
Bei den Leitungen zu den Rädern gibt es Unterschiede zwischen Einleiter- und Zweileiter-Anlagen. Bei Einleiter-Anlagen wird die Luft über eine Druckleitung zu den Rädern geführt und in den Reifen eingeleitet. Bei diesem System steht die gesamte Leitung von der Ventilbox bis zum Rad ständig unter Druck. Für den Fall, dass eine Leitung defekt ist, wird in der Radfelge ein handbetätigter Kugelhahn angebracht. Bei Zweileiter-Anlagen ist an der Felge ein pneumatisch betätigtes Ventil angebracht, das die Leitung nur dann öffnet, wenn der Reifenfülldruck verändert wird. Zur Betätigung dieses Ventils wird eine zweite kleinere Leitung zu dem Radventil gelegt. Wenn der Druck nicht verändert wird, ist die Leitung von der Ventilbox zum Rad drucklos.
Zwischen Ventilbox und Rad sorgt die Drehdurchführung für die möglichst verlustfreie Luftübertragung zum drehenden Rad.
Bei angetriebenen Achsen erfolgt dies am preiswertesten von außen über eine Drehdurchführung an der Radnabe (Abbildung 37).
Die Zuleitung erfolgt über die Kotflügel des Traktors. In der 55. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist festgelegt, dass Schläuche und Leitungen von Reifendruckregelanlagen an jeder Seite bis zu 70 mm überstehen dürfen. Sie werden bei der Messung der Fahrzeugbreite nicht berücksichtigt.
Die überstehenden Leitungen können allerdings leicht beschädigt werden. Nach Erfahrungen aus der Praxis kommen Beschädigungen relativ selten auf dem Feld vor, wo dann möglichst schnell der Absperrhahn am Rad betätigt werden muss. Häufiger sind Beschädigungen auf dem Hof (z. B. beim Rangieren in der Scheune oder bei der Futterentnahme im Fahrsilo), die zumeist relativ einfach vor Ort repariert werden können. Drehdurchführungen sind ebenfalls gefährdet, wenn die Radnabe bis nahe an die Radaußenkante reicht (z. B. Allrad-Vorderachse). Hierfür bietet die Firma TerraCare eine extra flache Drehdurchführung (Drehübertrager) an (Abbildung 38).
Die Beschädigungsgefahr ist bei innenliegender Luftzufuhr deutlich geringer. Bei nicht angetriebenen Achsen (z. B. Güllefass, Ladewagen) lässt sich das relativ einfach über gebohrte Achsen erreichen. Die Achsenhersteller bieten dafür ab Werk vorgebohrte Achsen an (Abbildung 39).
Bei Triebachsen ist die innenliegende Drehübertragung generell problematischer. Es gibt aber Lösungen sowohl für Steck- wie auch für Flanschachsen (Abbildung 40)
Diese Drehdurchführungen und die Leitungen zur Felge liegen zwar gut geschützt und sicher vor Beschädigungen, sind aber nur mit relativ hohem Aufwand zu reparieren.
Zur Bedienung der Reifendruckregelanlage werden je nach Hersteller vollintegrierte Terminals, separate Terminals oder ISOBUS-Anzeigen im Traktorterminal eingesetzt. (Abbildung 41).
Separate Terminals haben den Vorteil, dass sie einfach zu bedienen sind und auch ungelernte Aushilfsfahrer schnell in die Bedienung eingeführt werden können.
Zudem werden die wichtigen Werte ständig an ein und derselben Position angezeigt und können daher sehr schnell gefunden und abgelesen werden.
Die Anbindung an den ISOBUS des Traktors ermöglicht auf dem großen Bildschirm komplexere Anzeigen mit mehr Informationen und auch die Bedienung über die Tasten des Traktor-Joysticks.
Ein weiterer Vorteil ist der Zugriff auf Sensoren des Traktors.
5. Entwicklungstendenzen
Schwerpunkt der Entwicklungen ist die Nutzung externer Informationsquellen zur Verringerung von Bedienfehlern und zur Automatisierung der Einstellung. So erlaubt z. B. die Kenntnis der Fahrgeschwindigkeit einen Warnhinweis, wenn auf der Straße vergessen wurde, den Druck zu erhöhen. Mit Hilfe des GPS-Signals kann der Reifenfülldruck beim Wechsel zwischen Feld und Straße automatisch verändert werden. Wiegeeinrichtungen in Anhängern (z. B. Ladewagen, Dungstreuer) geben Auskunft über die Radlast und in Verbindung mit Fahrgeschwindigkeit und Reifentabelle kann der richtige Reifenfülldruck ermittelt und automatisch eingestellt werden.
Einen Schritt weiter gehen Assistenzsysteme, die z. Zt. von Fendt und Claas in Verbindung mit werkseitig eingebauten Reifendruckregelanlagen angeboten werden.
Das ältere der beiden Systeme ist der „Grip-Assistant“ der Firma Fendt (Abbildung 42). Hierbei bekommt der Landwirt Empfehlungen zur Einstellung des Reifendrucks, der Ballastierung und der Fahrgeschwindigkeit für unterschiedliche Arbeiten unter Berücksichtigung der Anhängung, der Bereifung und der Bodenfeuchte.
Einen etwas anderen Weg geht die Firma Claas beim CEMOS für Traktoren (Abbildung 43). Dieses DLG-anerkannte umfassende Assistenzsystem dient zur Optimierung von Traktor, Gerät und der Traktor-Geräte-Kombination bei fast allen Arbeiten [8]. Neben umfangreichem Datenbankwissen wird interaktiv auch die Beurteilung von Änderungsvorschlägen des Systems durch den Fahrer in den Optimierungsprozess einbezogen.
Vorschläge zur Optimierung der Zugarbeit werden nicht nur für den Reifendruck und die Ballastierung, sondern auch für gerätespezifische Parameter, wie z. B. den Druck im Zugkraftverstärker, gemacht. Wenn die Vorschläge des Assistenzsystems vom Fahrer umgesetzt werden, kann der Fahrer anhand einer visuellen Darstellung die Auswirkungen der Änderung beurteilen. Entsprechend den Beurteilungen des Fahrers schlägt das System nächste Schritte vor. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine fortlaufende Anpassung an die jeweiligen Arbeitsverhältnisse.
Der Optimierungsprozess basiert auf 3 Phasen:
Phase 1. Vorbereitung auf dem Hof.
Ausgehend von dem gewählten Anbaugerät und dem beabsichtigten Feldeinsatz schlägt CEMOS dem Fahrer schon auf dem Hof die notwendige Ballastierung und den optimalen Reifenfülldruck vor. Das dynamisch lernende System sammelt weitere Messwerte während der Arbeiten und passt seine Vorschläge für den nächsten Einsatz an.
Phase 2. Basiseinstellung auf dem Feld.
Die integrierte Wissensdatenbank von CEMOS erklärt die Grundeinstellung von Anbaugeräten Schritt für Schritt mit bebilderten Anleitungen. Das Angebot an unterstützten Anbaugeräten wird dabei kontinuierlich ausgebaut.
Phase 3. Optimierung während der Arbeit.
Der Optimierungsdialog wird vom Fahrer auf dem Feld gestartet. CEMOS überprüft alle Grundeinstellungen und macht Vorschläge zu den Zielgrößen „Leistung“ oder „Effizienz“, die der Fahrer annehmen oder ablehnen kann. Nach jeder Einstellungsänderung signalisiert CEMOS nach einer Messfahrt, ob und wie sehr sich Flächenleistung und Dieselverbrauch verbessert haben.
6. Literatur
[1] Brandhuber, R.; Demmel, M.; Koch, H.-J.; Brunotte, J.: Bodenschonender Einsatz von Landmaschinen. DLG-Merkblatt 344 (2008)
[2] Uppenkamp, N.; Weißbach, M., Heitmann, G.: Reifen richtig wählen und einsetzen. DLG-Merkblatt 356 (2009)
[3] Uppenkamp, N.; Volk, L., Weißbach, M.: Maßnahmen zur Optimierung der Traktion. DLG-Merkblatt 461 (2020)
[4] VDI: Richtlinie 6101 „Maschineneinsatz unter Berücksichtigung der Befahrbarkeit landwirtschaftlich genutzter Böden“; 2007
[5] Weißbach, M.: Landtechnische Untersuchungen zur Wirkung bodenschonender Fahrwerke an Schleppern und Arbeitsmaschinen mit verschiedenen Radlasten. Habilitationsschrift, Kiel (2003)
[6] Stirnimann, R.; Ursachen und Wirkung erkennen. Lohnunternehmen 2023, 8, S. 40 – 47
[7] Wilmer, H.: Luftwechsel gefällig? – Reifendruck-Verstellanlagen im Vergleich. Profi, 3/2022, S. 14 – 27
[8] DLG: DLG Prüfbericht 7096 CEMOS TRAKTOR; Groß-Umstadt 2020
[9] Internet: ch.terranimo.world; App: AgroTyrePressure
Weiterführende Literatur
Brunotte, J.; Demmel, M.; Fröba, N.; Uppenkamp, N.; Volk, L., Weißbach, M.: Boden schonen und Kosten senken. KTBL-Heft 89 (2011)
Berning, F.: Wieviel Diesel sparen Straßenreifen? top agrar 8/2016, S. 92 – 93
Tastowe, F.: Mit Straßenprofil auf den Acker; top agrar 7/2020, S. 86 – 89
Söhne, W.: Druckverteilung und Bodenverformung unter Schlepperreifen. Grundlagen der Landtechnik 5,1953, S. 49 – 63
Volk, L.; Rose, S.: Steigerung der Dieseleffizienz, Landtechnik, 2, 2011, S. 2 – 5
Volk, L.; Reifendruck optimal regeln, Getreide Magazin, 6/2012, S. 27 – 29
Volk, L.; Mehr Bodenschutz, mehr Fahrkomfort und mehr Dieseleffizienz, Mais, 4/2012, S. 170 – 173
Volk, L.; Bodenschutz und Zugkraft durch variablen Reifendruck, Land + Forst, 8/2014, S. 24 – 26
Smartphone-App für IOS oder Android: AgroTyrePressure