Smart und revolutionär

Smart und revolutionär

In der Produktion von morgen überwachen smarte Sensoren jeden Schritt – vom Mischen der Zutaten bis zur fertigen Verpackung. Vernetzte Maschinen senden Echtzeitdaten sicher in die Cloud und maschinelles Lernen prognostiziert, wann eine Anlage gewartet werden muss. Immer mehr Hersteller setzen auf diese digitale Revolution – und machen die Branche mit dem Einsatz neuer Technologien zukunftsfähig.

Intelligente Sensoren
Intelligente Sensoren, KI oder vernetzte Produktionsanlagen revolutionieren die Lebensmittelindustrie. © Danone

Bei Dr. Oetker rollen täglich Tausende Pizzen vom Fließband. Damit bei der Hochgeschwindigkeitsproduktion alles rundläuft, setzt das Bielefelder Unternehmen auf Digitalisierung. Künftig sollen smarte Sensoren tiefe Einblicke in den Herstellungsprozess ermöglichen. „Wir wollen unsere objektiven Qualitätskomponenten durch datengestützte Analysen weiterentwickeln und sensorbasierte Systeme anwendungsorientiert im Produktionsprozess einbinden“, erklärt Dr. Christian von Twickel, Mitglied der internationalen Geschäftsführung von Dr. Oetker. Unterstützung erhält das Unternehmen dabei von der Future Food Factory OWL in Lemgo. Die Forschenden an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe widmen sich gezielt dem Einsatz digitaler Tools in der Lebensmittelindustrie und der Nutzung von Echtzeitdaten. Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang übernehmen Cyber-Physische Systeme, kurz CPS, welche Informationen aus Sensortechnik, Sensorfusion und hochdatenintensiven Sensoren nutzen. Dabei liefern die Sensoren Mess- und Maschinendaten aus der physischen Welt und leiten diese an eine Software weiter, die sie in Echtzeit verarbeitet. Nachdem die Daten gesammelt und verarbeitet wurden, können daraus im nächsten Schritt Qualitätsparameter abgeleitet werden, die für die Prozesssteuerung genutzt werden.

Smarte Sensoren

So wie Dr. Oetker setzen immer mehr Lebensmittelproduzenten auf smarte Technologien. Der technologische Fortschritt ist die Folge eines grundlegenden Wandels der Branche – angetrieben durch Klimawandel, steigende Verbraucheransprüche, strengere Regularien und einen zunehmenden Fachkräftemangel. Genau hier setzen Digitalisierungskonzepte wie Industrie 4.0 oder Industrial IoT an. Sie eröffnen der Lebensmittelbranche neue Horizonte – ob Großkonzern oder mittelständisches Unternehmen. Vor allem der Integration von Sensoren, deren Aufgabe es ist, Prozessgrößen zu erfassen und diese über Schnittstellen an die übergelagerten Automationssysteme zu übertragen, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Was sie erfassen, sind zum Beispiel:

  • Daten zur Produktion, 
  • Maschinendaten,
  • physikalische und chemische Größen.  

Cloud-Computing

Diese Daten für Anlagenkomponenten digital und jederzeit verfügbar zu machen – das ist die Grundidee des Cloud-Computing. Ziel ist es, die Sensoren der Feldebene, die etwa die Temperatur oder den Druck innerhalb eines Prozesses erfassen oder die Vibrationen und die Stromaufnahme einer Anlage überwachen, als Grundlage für Big-Data-Algorithmen an die virtuelle Auswerteplattform – die Cloud – anzubinden. Dank digitaler Kommunikation via AS-Interface und IO-Link kann der gesamte Prozess im Werk im Blick behalten werden. Bei Danone etwa werden so unter anderem Durchfluss, Druck und Temperatur via IO-Link übermittelt. Die stetig wachsende Nachfrage der Verbraucher nach Getränken auf pflanzlicher Basis veranlasste den Anbieter von Molkereiprodukten dazu, eines seiner größten Werke in Frankreich auf die Herstellung von Hafer-Drinks umzurüsten. Thierry Pasquet, Direktor des Danone-Werks in Villecomtal-sur-Arros, zu den Gründen: „80 Prozent unserer Kunden sagen, dass sie ihre Ernährung von tierischen auf pflanzliche Proteine umstellen möchten. Dem möchten wir mit einer höheren Kapazität zur Produktion von Haferdrinks natürlich Rechnung tragen. Zudem trägt die Entscheidung auch zu den globalen Unternehmenszielen von Danone bei, den CO2-Ausstoß und den Wasserbedarf um 80 Prozent zu senken.“ Von Lagertanks über Rohrleitungen, Ventilinseln und CIP-Anlagen: Alles wurde von Milch auf Hafer umgestellt. Bei der Digitalisierung setzte das Team von Peres auf zwei Technologien der ifm electronic GmbH: AS-Interface (AS-i) und IO-Link. Sensoren und Aktuatoren können mit AS-i-Modulen an beliebiger Stelle angebunden werden.

Stilisierte Cloud
© LuckyStep – stock.adobe.com

O-Link

Spezielle feldtaugliche IO-Link-Master bündeln die digitalen Signale der Sensoren und leiten diese an die AS-i-Ebene weiter. „Die IO-Link-Sensoren bieten uns viel mehr Diagnosemöglichkeiten als herkömmliche Automatisierungssysteme, das schafft eine hohe Prozesstransparenz“, betont Peres. Viele der verbauten Sensoren übermitteln neben dem eigentlichen Messwert zusätzliche Daten. Ein Drucksensor kann beispielsweise zusätzlich die Temperatur an der Messstelle erfassen. Durchflusssensoren übermitteln neben der aktuellen Durchflussmenge den Druck, die Temperatur des Mediums und den Gesamtdurchfluss als digitale Messwerte. Sämtliche Informationen können an zentraler Stelle in Echtzeit überwacht werden. „Dank der Digitalisierung sind wir über sämtliche Prozesse und Kennwerte informiert. So können wir auf Abweichungen schnell reagieren“, sagt Sébastien Peres. 

Industrial IoT (IIoT) 
steht für Industrial Internet of Things – also das Internet der Dinge im indus­triellen Kontext. Es beschreibt die Vernetzung von Maschinen, Sensoren, Anlagen und anderen physischen Geräten über das Internet beziehungsweise industrielle Netzwerke, um Daten in Echtzeit zu erfassen, auszuwerten und zu nutzen.

KI lagert ein und aus

Ein weiterer Trend ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in industriellen Anwendungen, etwa bei per Bildverarbeitung gesteuerten Robotern in der Warenannahme und Lagerkommissionierung. Reibungslose Abläufe spielen in diesen Bereichen der Intralogistik eine entscheidende Rolle. Der gesamte Prozess, aber auch Arbeitsplätze, Fördersysteme und Lagerflächen sollten so gestaltet sein, dass eine schnelle und effiziente Abfertigung der Waren möglich ist. Leistungsfähige KI-Funktionen können diese Prozesse einfacher gestalten. Konkret bedeutet das:

  • Nutzung von maschinellem Lernen, um Muster zu erkennen und Abläufe zu verbessern.
  • Echtzeit-Interpretation von Kameradaten, um auf Veränderungen in der Umgebung zu reagieren.

Zu den wichtigsten technologischen Innovationen für die Food-Branche zählen etwa Roboter in der Warenan­nahme, Verpackung und Lagerkommissionierung. Vor allem Lebensmittelproduzenten profitieren im Umgang mit dem zunehmenden Personalmangel und der steigen­den Nachfrage nach Flexibilität von Maschinen, die sich schnell an unterschiedliche Anforderungen anpassen lassen.
© Surasak – stock.adobe.com

Maschinen lernen dazu

Ausgestattet mit KI-Objekterkennung und innovativer Greifertechnologie sorgen fortschrittliche Pick-&-Place-Systeme in der Kommissionierung für eine schonende Handhabung. Die eingebundene Software erkennt die Einzelteile sicher und fehlerfrei und ermittelt den idealen Greifpunkt, um die Artikel schließlich platzsparend abzulegen. Statt fingergeformter Greifer kommen kompakte Saugnäpfe für das Handling zum Einsatz. Hinzu kommt: Durch Methoden des Machine Learning lernt das System fortlaufend dazu und baut so eine umfangreiche Wissensdatenbank auf. Siemens beispielsweise stattet Kommissionierroboter mit KI-Technologie aus. Die Simatic Robot Pick AI ermöglicht Robotern das Greifen beliebiger Artikel unabhängig von Form und Größe. Ein vortrainierter Deep-Learning-Algorithmus steuert diese Fähigkeit, um 3D-Positionen für die Entnahme zu identifizieren. Die Berechnung zuverlässiger Entnahmeposen gewährleistet den hohen Durchsatz ohne Kollisionen.

Maschinelles Lernen 
beschreibt die Fähigkeit eines Systems, eigenständig aus Daten zu lernen. Die Grundlage dafür bilden statistische Algorithmen.

Kollegen aus Metall

Mecalux hat auf Basis von Simatic Robot Pick AI zwei kollaborative Kommissionierlösungen auf den Markt gebracht: einen Cobot, der so programmiert ist, dass er den Arbeitsplatz sicher mit den Bedienern teilt, und einen weiteren Cobot, der autonom in der Kommissionierstation arbeitet. Eine Kamera, die über der Kommissionierbox des Cobots positioniert ist, nimmt ein 3D-Bild der Ware auf, um die Aufträge zusammenzustellen. Sobald der Artikel ausgewählt wurde, legt der Cobot ihn mit hoher Präzision in der Box ab. Ein eigens entwickelter Algorithmus sorgt dafür, dass der Cobot die Waren genau an der richtigen Stelle platziert. „Auswirkungen des Arbeitskräftemangels können somit abgefedert werden und gleichzeitig die betriebliche Effizienz in den Lagern gesteigert werden“, erklärt Dr. Alexander Bollig, Vice President für den Bereich Intralogistik bei Siemens Digital Industries.

Cobot 
ist die Kurzform für Collaborative Robot – also ein kollaborativer Roboter, der so entwickelt wurde, dass er sicher mit Menschen zusammenarbeiten kann, ohne dass zwingend ein Sicherheitskäfig oder eine trennende Schutzvorrichtung nötig ist.

Effizienter mit No-Code-Apps

Doch nicht nur bei wiederkehrenden Tätigkeiten in der Intralogistik wie das Kommissionieren sehen Experten großes Digitalisierungspotenzial. Geht es etwa nach Sven Zuschlag und Thomas Schwarz, sollen sämtliche Dokumentationen, die heute noch analog und händisch abgewickelt werden, künftig via App erfolgen. Bestes Beispiel ist die Warenannahme. Erfolgt diese per Tablet oder Smartphone, lassen sich die erfassten Daten nahtlos in Folgeprozesse überführen. Technisch basiert der Ansatz der beiden smapOne-Gründer auf der generativen KI GPT, die es den Nutzern ermöglicht, mit einfachen Prompts, also Textanweisungen oder Prozessbeschreibungen, Prototypen von Apps zu entwickeln. Statt eine App auf Basis von No Code aus Bausteinen Stück für Stück aufzubauen, ergibt sich aus den eingegebenen Prompts ein voll funktionsfähiges Template, das lediglich in seinen Details angepasst werden muss. „Die Integration von KI in unsere No-Code-Plattform führt zu einer immensen Effizienzsteigerung, mit der die Nutzer maßgeschneiderte digitale Anwendungen noch schneller und einfacher entwickeln können“, erklärt CEO Sven Zuschlag. „Im Grunde ist text-to-smap eine krea­tive Lösung, die die Hemmschwelle für die Erstellung von Apps weiter senkt und somit die Tür zu innovativen Business-Anwendungen für eine noch breitere Nutzerbasis öffnet.“

Generative KI-Modelle

Ein mit KI generierter App-Prototyp benötigt nur wenige Sekunden bis zur Fertigstellung. So ist umgehend sichtbar, ob die eigene Idee tragbar ist und wo Optimierungsbedarf besteht. Digitalisierungsmaßnahmen lassen sich auf diese Weise schnell umsetzen. Einen weiteren Vorteil sieht Thomas Schwarz im Domänenwissen großer generativer KI-Modelle: „KI übernimmt hier nicht nur die technische Umsetzung der App-Entwicklung, sondern bringt gleichzeitig auch eine ganze Menge praktisch nutzbares Prozesswissen und Best Practices mit“, so der CTO von smapOne. „So profitieren die Nutzer vom Wissen der KI über Prozesse oder regulative Vorgaben, die automatisch in die App-Erstellung miteinfließen. Durch den maßgeblich reduzierten Rechercheaufwand werden Entwicklungszyklen verkürzt und Projekte in wenigen Augenblicken realisiert. Schneller und einfacher geht’s nicht!“

Generative Künstliche Intelligenz 
ist eine Form der KI, die durch Eingabe von Aufforderungen (Prompts) neue Inhalte selbstständig erzeugen kann – zum Beispiel Texte Bilder oder Videos. Sie basiert auf Machine-Learning-Modellen, die Muster in großen Datenmengen lernen und daraufhin neue Inhalte generieren.

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