Künstliche Intelligenz kann viel – aber wer managt sie eigentlich? Jemand, der es wissen muss, ist Dr. Philipp Schlenkhoff vom AI Transformation Institute. Der Experte macht Arbeitskräfte fit für die Herausforderungen des KI-Zeitalters. Mit uns sprach er über die neue Position des KI-Managers in der Food-Branche – und warum jetzt die Zeit ist, die entsprechende Kompetenz im Umgang mit KI aufzubauen.
Herr Dr. Schlenkhoff, wenn wir auf die Lebensmittelindustrie schauen – welche Rolle wird KI dort künftig spielen?
Der Druck, Prozesse effizienter zu gestalten, nimmt für die Unternehmen in der gesamten Branche zu. Wir stehen hier vor einer wachsenden Komplexität und zunehmenden regulatorischen Anforderungen. KI kann hier ein wesentliches Tool im Werkzeugkasten sein. Vor allem im Zusammenspiel mit Robotik bekommt der Einsatz dieser Technologie noch einmal eine neue Dynamik. Und dafür braucht es auch die entsprechende Fachkompetenz in den Unternehmen – also Menschen, die neue Technologien sinnvoll integrieren und echten Mehrwert von Hype unterscheiden können.
Hype oder nachhaltiger Trend, wie schätzen Sie die derzeitige Entwicklung der Technologie ein?
Vor etwa zwei Jahren dachten viele Experten, dass eine Art Leistungsplateau erreicht worden sei. Mehr Daten oder Rechenleistung führten nicht mehr automatisch zu spürbaren Fortschritten. Einige erwarteten dann, dass der Gartner Hype Cycle einsetzt – also die Ernüchterung nach dem Hype. Aber was tatsächlich passierte: Die Leistung der Technologie wurde weiter verbessert, und zwar sehr schnell. Ich rechne deshalb nicht mit einem Einbruch, sondern mit einem stetigen Fortschritt, der direkt in die Unternehmen hineinwirkt.
Was heißt das konkret?
Selbst wenn die Technologie sich ab heute nicht mehr weiterentwickeln würde, wäre das Potenzial für ihre Anwendung noch enorm. Da sie sich aber weiterentwickelt, und zwar rasant, müssen sich Unternehmen überlegen, wie sie diese sinnvoll einsetzen. Das betrifft auch die Mitarbeitenden. Wer sich nicht mit der Technologie auseinandersetzt, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren, sowohl individuell als auch unternehmerisch. Ich bin überzeugt, dass KI die Wirtschaft auf breiter Front verändern wird.
Ein wichtiges Signal auch an junge Nachwuchskräfte …
Ja, ganz klar. Wir können KI nicht aufhalten, wir müssen sie gestalten. Und dafür brauchen wir Kompetenz – um zu verstehen, was KI kann, wo ihre Grenzen liegen, und wie sie funktioniert. Das wird auch für junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt entscheidend sein. Wer heute KI-Kompetenz aufbaut, verbessert seine Jobchancen massiv. Wer früh lernt, mit diesen Technologien zu arbeiten, bleibt gefragt.
Dr. Philipp Schlenkhoff
ist Mitgründer des AI Transformation Institute und begleitet Unternehmen bei der Integration von KI. Nach Stationen in Beratung und Führung gründete er zwei Spin-offs, darunter eines am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Heute entwickelt er als Berater, Speaker und Trainer praxisnahe Weiterbildungsformate für Teams und Führungskräfte im KI-Kontext.
Viele Unternehmen in der Lebensmittelindustrie tun sich noch schwer mit dem Einsatz von KI. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Ich sehe zwei zentrale Gründe: Erstens die fehlende Akzeptanz bei den Mitarbeitenden. Und zweitens: der Zugang zu den eigenen Daten. Wenn ich mit KI arbeiten will, muss ich an die Daten ran – und das funktioniert nur, wenn sie strukturiert und zugänglich aufbereitet verfügbar sind. Aktuell ist das vielerorts häufig noch ein Durcheinander aus Excel-Tabellen, die auf irgendeinem Fileserver liegen, und keiner weiß so recht, was eigentlich wo ist.
Viele denken bei KI zunächst an Chatbots oder Textgenerierung, aber die Auswirkungen sind viel breiter …
Absolut. Gerade wenn man auf den regulatorischen Druck in der Food-Branche schaut: Rückverfolgbarkeit, Nachhaltigkeit, Qualitätsmanagement sind sehr dokumentationsintensive Aufgaben, bei denen KI sehr hilfreich sein kann.
Und hier kommt der KI-Manager, gegebenfalls auch als neue Position im Unternehmen, ins Spiel. Welche Fähigkeiten braucht es dafür?
Der Beruf erfordert technisches Verständnis kombiniert mit der Fähigkeit, das auf die eigenen Unternehmensprozesse zu übertragen. Man muss nicht aus der Industrie kommen, aber verstehen, wie man KI in den konkreten Kontext bringt.
Was genau bedeutet technisches Verständnis in diesem Kontext?
Wenn man von technischem Verständnis bei KI-Managern spricht, ist in der Regel nicht gemeint, dass sie selbst programmieren oder neuronale Netze bauen müssen. Stattdessen meint „technisch“ hier: Einschätzen können, was KI leisten kann und was noch nicht. Dazu zählt etwa das Wissen um Grenzen, Risiken und typische Fehlerquellen. Nur so kann man mit Entwicklerteams auf Augenhöhe sprechen, realistische Ziele setzen und Projekte erfolgreich steuern.
Im AI-Institut bieten Sie verschiedene KI-Programme zur Weiterbildung. Wie ist der Ablauf?
Wir starten zunächst mit zwei Tagen Präsenz in Berlin, immer in kleinen Gruppen mit etwa zehn Teilnehmenden. Da geben wir einen Überblick, wie KI funktioniert. Was kann sie, was nicht? Wie sieht eine sinnvolle KI-Strategie aus? Danach gehen wir mit den Teilnehmenden in die nächste Phase: Welche konkreten Anwendungsfälle gibt es im eigenen Unternehmen? Im Anschluss folgt über zwei Monate hinweg ein Mix aus Online-Terminen, in denen wir tiefer einsteigen. Es geht dann um Datengrundlagen und verschiedene KI-Modelle, auch über das aktuell dominierende Thema Transformer-Modelle hinaus. Parallel dazu arbeiten wir mit Praxisbeispielen aus den Bereichen Text, Bild, Netzwerke und Prozessautomatisierung. Den Abschluss bilden zwei weitere Präsenztage in Berlin, mit rechtlichen Rahmenbedingungen, Change Management und der Präsentation der eigenen KI-Strategie und Anwendungsfälle.
Die Teilnehmenden erarbeiten sich also eine eigene KI-Strategie?
Richtig. Sie sollen in der Lage sein, ihre Ideen auch intern weiterzugeben und umzusetzen, inklusive Mitarbeiterbeteiligung und rechtlicher Einschätzung.
Mit der neuen Nachweispflicht für KI-Kompetenz in Unternehmen dürfte der Bedarf an Schulungen bei Ihnen steigen, oder?
Auf jeden Fall. Natürlich ist das ein Eingriff, den man auch kritisch sehen kann – ein Stück weit Bevormundung durch den Staat. Aber wenn ich mir das Thema KI-Schattennutzung anschaue, also die Nutzung von „kostenlosen“ Angeboten von privaten Accounts für die Arbeit – praktisch erlebe ich das häufiger auch in höchsten Management-Kreisen – muss ich zugeben: KI-Kompetenz für alle, die es nutzen, macht wirklich Sinn. Und um ganz ehrlich zu sein: Als Schulungsanbieter hat’s mich natürlich eh gefreut.
Kann ich mit der erworbenen Kompetenz auch den Arbeitgeber wechseln oder sogar in eine andere Branche gehen?
Diese KI-Kompetenz ist sehr vielseitig einsetzbar. Wir sehen das auch, denn viele unserer Teilnehmenden kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Wichtig ist, wie bereits erwähnt, dass man eine gewisse technische Affinität mitbringt. Und man sollte neugierig sein, wie Dinge funktionieren.
Wie kommt das Thema in der Food-Branche an?
Manche Unternehmen sind schon sehr weit, andere haben noch gar nicht angefangen. Das hängt nicht unbedingt von der Größe ab. Es gibt zum Beispiel kleine Mittelständler, die das Thema vorantreiben. Und es gibt große Konzerne, bei denen man sich fragt, was sie in den vergangenen zwei Jahren gemacht haben.