Magdalena Höwer, Projektleiterin Netzwerkkoordination und Öffentlichkeitsarbeit am Internationalen DLG-Pflanzenbauzentrum (IPZ) der DLG hatte auf der DLG-Studio Stage im Rahmen der Agritechnica Tristan Sammer von der Gönnataler Agrar eG zu Gast. Gemeinsam sprachen sie über Fachkräftemangel, die Vor- und Nachteile der Ausbildung auf dem eigenen Betrieb und wie man junge Menschen für landwirtschaftliche Berufe gewinnen kann.
Die Gönnataler Agrar eG wurde vor zwei Jahren bester Ausbildungsbetrieb im Thüringer Saale-Holzland-Kreis: „Die Lehrlinge wählen den Betrieb, der diese Auszeichnung erhält. Deshalb sind wir besonders stolz darauf“, erzählte Sammer. Doch was macht dieser Betrieb anders? „Das Wichtigste ist der positive Ruf, den wir uns über die Jahre aufgebaut haben. Wir bilden inzwischen Landmaschinenmechatronikerinnen und -mechatroniker, Landwirtinnen und Landwirte sowie Tierwirtinnen und Tierwirte aus.“ In diesem Jahr hat die Gönnataler Agrar eG insgesamt 13 Lehrlinge, davon einen Mechatroniker, zwei Tierwirte und zehn Landwirtinnen und Landwirte.
Ausbildung sichert Fachkräfte
„Ganz sicher ist, dass die Ausbildung uns den Fachkräftenachwuchs sichert, den wir dringend brauchten. Gegenwärtig sind zehn von unseren insgesamt zwölf Mitarbeitenden ehemalige Auszubildende. Ich denke, das sagt schon einiges aus“, berichtet Sammer. Auf Höwers Frage, wie die Ausbildung im Betrieb ablaufe, erklärte er: „Wir haben zwar einen Mitarbeiter, der sich für die Ausbildungsthemen verantwortlich zeichnet, aber jede und jeder Angestellte nimmt die jungen Leute in seinem jeweiligen Aufgabengebiet mit. Die einzelnen Personen haben natürlich alle ihren individuellen Stil, um den Lehrlingen etwas beizubringen – und von jedem einzelnen können die jungen Leute viel lernen.“ Bemerkenswert sei, dass die Bewerbungen um Ausbildungsplätze in den letzten Jahren zurückgegangen sind, das bedeutet, dass sich „allein dadurch die Auswahlmöglichkeiten, wem wir einen Ausbildungsplatz anbieten, schon verringert hat. Grundsätzlich ist es aber so, dass wir keine Bewerberin bzw. keinen Bewerber ablehnen. Nur, weil man in der Schule vielleicht nicht ganz so gute Noten hatte, heißt das nicht, dass man für den Beruf des Landmaschinenmechatronikers, des Tierwirts oder des Landwirts nichts taugt. Wir hatten schon ein paar Kandidatinnen und Kandidaten, die nicht das beste Zeugnis vorweisen konnten und dann eine unglaubliche Leidenschaft für ihren Beruf entwickelt haben, sodass das Lernen plötzlich viel leichter fiel.“
„Sicherlich ist es Arbeit, jemanden auszubilden – aber ich sehe es als Investition in meinen Betrieb.“
Tristan Sammer
Wie Sammer Berufskollegen begegnet, die sich immer wieder über den Fachkräftemangel beschweren? „Ich frage dann: Bildet ihr aus? Wenn ich auf die Frage nur Schulterzucken und die Antwort bekomme, dass es einiges an Arbeitskapazität binde man am Ende ja nicht mal wisse, ob der Azubi als Arbeitskraft dem Betrieb erhalten bleibe, ist das für mich nicht nachvollziehbar. Sicherlich ist es Arbeit, jemanden auszubilden – aber ich sehe es als Investition in meinen Betrieb.“ Selbst wenn nur 10% der Lehrlinge sich zum Ende ihrer Ausbildung für die Arbeit in ihrem Ausbildungsberuf entscheiden, „so habe ich immer noch eine 10%ige Chance auf einen qualifizierten Mitarbeiter.“ Und die ist der Gönnataler Agrar eG einiges wert: „Wir fördern den Erwerb des Führerscheins bei unseren Lehrlingen mit 1.000 Euro. Zusätzlich zahlen wir einen Förderzuschuss für Nachhilfeleistungen, wenn der Notendurchschnitt unter 3 liegt, von 50 Euro pro Monat“, berichtet Sammer. Zudem werden nach Absprache auch die Kosten für Maschinenführerscheine und entsprechende Lehrgänge für die Azubis vom Betrieb übernommen.
Viele Anreize geboten
Doch es gibt nicht nur monetäre Anreize für die jungen Menschen: „Wir stellen ein eigenes Feld nur für unsere Lehrlinge zur Verfügung. Darauf bekommt jeder eine eigene Parzelle, ca. 300 bis 40 qm, auf der er sich austoben kann: Was wird angebaut, womit wird gedüngt, wann wird geerntet? Jeder entscheidet individuell. Wer den höchsten Ertrag erwirtschaftet, gewinnt.“ Diese Option steht auch Lehrlingen aus Partnerbetrieben offen: „Wir arbeiten mit anderen Ausbildungsbetrieben zusammen, sodass wir die Lehre so vielfältig wie möglich gestalten können.“ Wer von weiter her kommt, aber dennoch gern bei der Gönnataler Agrar eG seine Ausbildung absolvieren möchte, kann in der betriebseigenen Lehrlingsunterkunft wohnen.
Selten gibt es eine Stellenausschreibung, die unbeantwortet bleibt – und die Abbrecherquote liegt auf Sammers Betrieb bei überschaubaren 10 bis 15%: „Das sind meistens diejenigen, die mit den Arbeitszeiten nicht zurecht kommen“, erklärt der Landwirt.
„Landwirtschaft ist Leidenschaft – die müssen wir in jungen Menschen wecken.“
Tristan Sammer
Wo Sammer und seine Kollegen die neuen Lehrlinge akquirieren? „Wir sind regelmäßig auf Berufs- und Ausbildungsmessen unterwegs, machen Aushänge für Praktika in Real-, Berufsschulen und Gymnasien. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit für Schulklassen, am Wandertag zu uns auf den Hof zu kommen und die Landwirtschaft hautnah zu erleben.“ Auch an ihrer Social-Media-Präsenz arbeitet die Gönnataler Agrar eG derzeit intensiv.
Junge Menschen begeistern
Abschließend fasste Sammer zusammen: „Die Landwirtschaft ist nicht einfach nur ein Beruf: Landwirtschaft ist Leidenschaft. Unsere Aufgabe als Ausbilder ist es, diese Leidenschaft in den jungen Menschen zu wecken. Wenn uns das gelingt, dann stehen die Chancen gut, dass ein Lehrling ein Leben lang in diesem Berufsfeld erfolgreich und zufrieden sein wird – und wir eine wertvolle Fachkraft dazu gewonnen haben.“