SPA-Projekt: Welche Verpackung ist nachhaltig – und warum?
Verbundprojekt SPA der HS Albstadt-Sigmaringen, Universität Stuttgart und DLG – Entwicklung praxistauglicher Methodik für Bewertung von Lebensmittelverpackungen – Projektkoordinatorin Alina Siebler im Interview
Wann ist eine Lebensmittelverpackung nachhaltig – und wie lässt sich das beurteilen? Im Verbundprojekt SPA (Sustainable Packaging Assessment) entwickeln die Hochschule Albstadt-Sigmaringen, die Universität Stuttgart und die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) gemeinsam eine praxisnahe Methodik zur ganzheitlichen Bewertung von Verpackungen. Ziel ist es, ökologische, ökonomische und soziale Aspekte systematisch zu erfassen und verständlich darzustellen. Im Interview erklärt Projektkoordinatorin Alina Siebler vom Sustainable Packing Institute (SPI) der Hochschule Albstadt-Sigmaringen die Hintergründe, die Ziele und die sogenannte „Mind-Behavior-Gap“ – die Diskrepanz zwischen nachhaltiger Haltung und tatsächlichem Verhalten.
DLG: Frau Siebler, vor welchem Hintergrund wurde das Verbundprojekt SPA ins Leben gerufen?
Alina Siebler: Lebensmittelverpackungen stehen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern oft in der Kritik, obwohl sie entscheidend dazu beitragen können, die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln zu erhalten und damit Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Aus Nachhaltigkeitssicht ist das besonders wichtig, da mit den Lebensmitteln selbst meist deutlich mehr ökologische und ökonomische Ressourcen verbunden sind als mit der Verpackung. Auch aus ethischer Sicht ist die Entstehung von Lebensmittelabfällen nicht vertretbar. Deshalb sollte eine ganzheitlichere Nachhaltigkeitsbewertung von Lebensmittelverpackungen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte der Verpackung und deren Einfluss auf verpackungsbedingte Lebensmittelabfälle berücksichtigen. Bisherige Nachhaltigkeitsbewertungsmethoden betrachten jedoch meist nur die Verpackung selbst und nicht deren Schutzfunktion und den damit einhergehenden Einfluss, zum Beispiel auf die Haltbarkeit von Lebensmitteln. Dadurch bleiben zentrale Nachhaltigkeitsaspekte unberücksichtigt. Das Verbundprojekt SPA hat deshalb das Ziel, eine praxisnahe Methodik zu entwickeln, mit der sich Lebensmittelverpackungen ganzheitlicher – also ökologisch, ökonomisch, sozial und funktional – bewerten lassen. Auf diese Weise sollen Unternehmen künftig fundierte Entscheidungen über nachhaltigere Verpackungslösungen treffen können. Gleichzeitig soll damit ein Beitrag zur Reduktion von Lebensmittelabfällen und potenziellen Umweltwirkungen geleistet werden.
Wie tragen die angestrebten Projektziele konkret zur Umweltentlastung bei?
Die übergeordnete Maßnahme zur Umweltentlastung durch das Verbundprojekt SPA ist, dass Lebensmittel zukünftig nur noch so wenig wie möglich und so viel wie nötig verpackt sind, um sie bestmöglich zu schützen. Das entlastet in zweierlei Hinsicht die Umwelt, weil sich einerseits verpackungsbedingte Lebensmittelabfälle reduzieren lassen und anderseits so wenig wie möglich Verpackung eingesetzt wird. Konkret lässt sich zum Umweltentlastungspotenzial von optimierten Verpackungen sagen, dass der Umweltnutzen durch vermiedene Lebensmittelabfälle, insbesondere bei ressourcenintensiven Lebensmitteln wie bspw. tierischen Produkten, etwa fünf bis zehn Mal höher ist als die Umweltbelastung durch die Verpackung, wie die Ergebnisse des österreichischen Forschungsprojekts „stop waste save food“ zeigen.
Beim Lebensmittel selbst heißt es „Customer-Citizen-Gap“: Die Kaufentscheidung fällt an der Ladentheke anders aus als noch vor dem Supermarkt angegeben. Gibt es etwas Vergleichbares hinsichtlich der Wahl eines Lebensmittels gegenüber eines anderen, weil die Verpackung als besonders nachhaltig empfunden wird?
Die „Mind-Behavior-Gap“ – wie wir in unseren Konsumentenforschungen ein ähnliches Prinzip bezeichnen – lässt sich tatsächlich über den Einkauf von Lebensmitteln hinaus feststellen. Beim Thema „nachhaltigere Verpackungen“ ist außerdem oft zu beobachten, dass sich die Wahrnehmung von Verbraucherinnen und Verbrauchern deutlich von den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Nachhaltigkeit von Verpackungen unterscheidet. Die Nachhaltigkeit von Verpackungen ist ein wichtiges Thema – die Wissenslage hierzu jedoch teilweise von Falschannahmen oder Pauschalisierungen geprägt. Entgegen dieser Pauschalisierungen stellen die Packstoffe Papier, Pappe, Karton und Kunststoff häufig die nachhaltigere Alternative im Vergleich zu Glas dar, was sich häufig allein durch die höhere Materialdichte, also das Gewicht, erklären lässt. Allerdings möchte ich pauschale Aussagen grundsätzlich gerne vermeiden, denn bei der Nachhaltigkeit von Verpackungen, insbesondere für Lebensmittel, kommt es immer auf den Einzelfall an.
Das ausführliche Interview mit Alina Siebler lesen Sie hier: https://www.dlg.org/magazin/interview-zur-betriebsuebernahme-mut-gehoert-dazu
Weitere Informationen zum Verbundprojekt SPA – Sustainable Packaging Assessment
Übergeordnetes Ziel des Projektvorhabens, angelegt als Verbundprojekt der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, der Universität Stuttgart und der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) ist es, eine ganzheitlichere Methodik zur praxisgerechten und systematischen Nachhaltigkeitsbewertung von Lebensmittelverpackungen zu entwickeln. Lebensmittel sollen zukünftig nur mit so viel Verpackung wie nötig und so wenig wie möglich verpackt werden. In den Anwendungsfällen, in denen Verpackungen eine Funktion erfüllen und nicht vermeidbar sind, sollen die Materialien effektiv und effizient eingesetzt und der Ansatz einer kreislauforientierten Bioökonomie verfolgt werden. Eine zu erarbeitende Zertifizierungssystematik sowie eine entsprechende Auslobung sollen auch die Verbraucherschaft informieren und bei nachhaltigeren Kaufentscheidungen unterstützen.
Mehr Informationen: https://www.hs-albsig.de/forschungsdetailseite/spa/
Foto: Privat
Referentenfoto_Kleiner, Alina_quer.jpgPM Projekt SPA_Interview Siebler_20251104 FINAL.pdf