DLG-MERKBLATT 419

Das Tier im Blick – Pferde

Download Druckversion:

DLG-Merkblatt 419
1. Auflage, Stand 10/2016

Autoren:

1. Einleitung

Was ist tiergerecht? Zur Beantwortung der Frage, ob eine Haltung dem Tier gerecht wird, muss von der Biologie der Tiere ausgegangen werden: von ihren Ansprüchen und ihrer Anpassungsfähigkeit gegenüber der Umwelt. Erfüllt die Haltung bestimmte Ansprüche der Tiere nicht, kann ihre Anpassungsfähigkeit überfordert werden. In der Folge kommt es zu Schmerzen, Leiden oder Schäden sowie einer Einschränkung des Wohlergehens der Tiere.

Die Ansprüche von Nutztieren und ihre Reaktionen, wenn die Ansprüche nicht erfüllt werden, sind nicht so deutlich zu erkennen wie beim „Fisch auf dem Trockenen“. Es gibt aber wissenschaftliche Methoden, ihre Ansprüche und eine überforderte Anpassungsfähigkeit zu erkennen. Mit diesen wird untersucht, ob sie ihre biologischen Funktionen aufrechterhalten können oder es etwa zu Erkrankungen oder Stressreaktionen kommt. Geprüft werden kann, ob die Tiere ihr arteigenes Verhalten zeigen können oder es zu starken Verhaltensabweichungen oder -störungen kommt. Oder es wird getestet, ob physiologische oder Verhaltensreaktionen auf negative Empfindungen wie Schmerzen und Frustration hinweisen. Um ein vollständiges Bild der Auswirkungen einer Haltung auf die Tiere zu erhalten, müssen in der Regel mehrere Indikatoren berücksichtigt werden.

Die Auswirkungen einer Haltung lassen sich also direkt anhand von derartigen tierbezogenen Indikatoren erkennen. Wie sich eine Haltung auswirkt, hängt dabei von vielen Faktoren ab. Grundsätzlich kommt es hier einerseits auf die Haltungsbedingungen an, beispielsweise auf die Ausgestaltung von Boxen und Auslaufmöglichkeiten. Andererseits spielt das Management eine entscheidende Rolle. Stimmt beispielsweise das Futter nicht, ist das Stallklima schlecht oder werden Fehler bei der Behandlung der Tiere gemacht, kann selbst eine ansonsten optimale Haltung sich negativ auf die Tiere auswirken. Erkennen lässt sich dies nicht an den Haltungsbedingungen, sondern an den Tieren: An ihrem Verhalten und an ihrer Gesundheit.
Dieses Merkblatt möchte daher Hinweise geben, anhand welcher Indikatoren Sie an den Tieren erkennen können, ob alles in Ordnung ist und wo Haltungsbedingungen besser justiert oder das Management optimiert werden können.

2. Management

Das Management umfasst alle Maßnahmen zur Versorgung und Betreuung von Pferden sowie den Umgang mit Pferden in den alltäglichen Abläufen einer Pferdehaltung. Ein besonderes Merkmal der Pferdehaltung ist die überwiegend anzutreffende Situation, dass der Pferdebesitzer sein Pferd nicht selbst hält, sondern in einen Pensionsstall einstellt.

Daraus ergeben sich besondere Anforderungen an den verantwortlichen Pferdehalter. Er hat die Sachkunde zur guten fachlichen Praxis und auf der anderen Seite begegnen ihm die individuellen Ansprüche der Pferdebesitzer. Er muss diese Ansprüche wahrnehmen und fachlich beurteilen, ob sie umsetzbar sind.

Im Vordergrund steht immer das Wohl des Pferdes, welches der sachkundige qualifizierte Pferdehalter im Blick haben muss.

Grundsätzlich ist die Qualität des Managements von der Qualifikation des Pferdehalters und Pferdebesitzers sowie deren Kenntnissen und Erfahrungen mit Pferden geprägt. All diese Fähigkeiten beruhen auf dem Wissen und dem Verständnis um die Grundbedürfnisse von Pferden und ihres Verhaltens. Die Nutzung von Pferden setzt ihre Gesunderhaltung, physisch und psychisch, voraus. Das Wohlbefinden der Pferde ist auch Ausdruck eines erfolgreichen Managements.

Im § 11 des Tierschutzgesetzes ist die betriebliche Eigenkontrolle eine Forderung, um die „Gute Fachliche Praxis“ der eigenen Tierhaltung zu überprüfen. Dazu kann dieses Merkblatt ebenfalls genutzt werden.

3. Das Pferd in seiner Umwelt verstehen (Verhalten von Pferden) – Tierbeobachtung

4. Wie sieht das Normalverhalten aus?

4.1    Funktionskreis: Futter- und Wasseraufnahmeverhalten

Als ehemaliger Steppenbewohner hat sich das Verdauungssystem des Pferdes auf die Verwertung von fasserreichen, energiearmen Pflanzen spezialisiert. In freier Wildbahn sind Pferde etwa 12 – 18 Stunden täglich mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt. Hierbei bewegen sie sich langsam im Schritt grasend vorwärts. Die Futteraufnahme erfolgt innerhalb der Herde zeitgleich in etwa 15 – 20 Perioden, zwischendurch werden Fresspausen eingelegt. Diese Fresspausen dauern dabei nie länger als max. vier Stunden an. Während die Tiere fressen, halten sie einen Abstand zueinander ein, sie wahren damit eine Individualdistanz.

Die Wasseraufnahme erfolgt in freier Wildbahn in der Regel einmal täglich, wobei meist weite Strecken zur Wasserquelle zurückgelegt werden. Befindet sich die Wasserquelle jedoch in nächster Nähe, so werden mehrmals täglich kleinere Mengen Wasser aufgenommen. In natürlicher Trinkhaltung bilden Kopf und Hals des Pferdes eine Linie und sind nach unten gestreckt, wobei das Pferd einen Ausfallschritt macht.

Abbildung 1: Natürliche Fresshaltung des Pferdes - Normalverhalten der Futter- und Wasseraufnahme unter natürlichen Haltungsbedingungen (Quelle: Schneider)

Funktionsbereich: Fressplatz und Tränke

Pferde sollten anhand ihres Alters, ihrer Größe, ihres Typs und ihrer Nutzungsintensität mit darauf abgestimmtem Futter versorgt werden.
Die Gesamtfuttermenge ist auf mehrere kleine Portionen aufzuteilen, Futterpausen von mehr als vier Stunden sind zu vermeiden.
Heu sollte immer ausreichend, mindestens 1,5 kg/100 kg Körpergewicht gefüttert werden. Darüber hinaus dient sauberes Stroh als Raufutter zur Beschäftigung (aus Einstreu oder als zusätzliches Raufutterangebot in Späneboxen).
In der Gruppenhaltung sind die Möglichkeit der ungestörten Futteraufnahme und die Einhaltung der Individualdistanz bei der Futteraufnahme zu beachten. Fressstände für Pferde sollten folgende Funk­tionsmaße nicht unterschreiten: In der Breite ca. 80 cm und in der Tiefe mindestens 1,8 x Widerristhöhe der Pferde.
Dann ist ein ungestörtes Fressen für das Einzeltier möglich, ohne aus dem Fressstand verdrängt zu werden. Sichtmöglichkeiten in den seitlichen Trennwänden (außer im Trogbereich) gewähren den Pferden soziale Sicherheit und Ruhe bei der Futteraufnahme.

Bei automatischen Fütterungssystemen sind diese Anforderungen durch das Tier/Fressplatz-Verhältnis und zusätzliche Raufutterangebote in der Nähe der Futterstationen zu gewährleisten, um zeitgleiches Fressen zu ermöglichen.

Die Fütterung aus Raufen und Heunetzen verlängert die Futteraufnahmezeiten und die Beschäftigung mit dem Raufutter einerseits und kann andererseits helfen, Futterverluste und -verunreinigungen zu minimieren. Die Anbringung von Raufen und Netzen ist, um der natürlichen Fresshaltung des Pferdes zu entsprechen, bodennah vorzunehmen.

Das Verletzungsrisiko bei Raufen durch Hineintreten oder Hängenbleiben von Hufen ist dabei zu beachten. Entsprechende Gitterabstände (≤ 5 cm bei Großpferden) und Rohrstärken (3/4 – 1 Rohrzoll) sind einzuhalten. Eingebaute Raufen in der Boxenfront lassen sich gut von der Stallgasse befüllen und reduzieren die Boxengröße nicht.

Wasser muss im Stall, im Auslauf und auf der Weide, abhängig von der Aufenthaltsdauer, in sauberer und gesundheitlich unbedenklicher Qualität vorhanden sein. Pferde bevorzugen frisches, sauberes, geschmacks- und geruchsneutrales 9 – 12 °C kaltes Wasser.

Um die natürliche Trinkhaltung des Pferdes zu gewährleisten, sollte eine Höhe des Wasserspiegels von ca. 0,7 x Widerristhöhe nicht überstritten werden.

Pferde bevorzugen Tränken mit offener Wasseroberfläche. Die Durchflussmenge der Tränken sollte 10 – 20 l/Minute betragen.

Um Verletzungen zu vermeiden, müssen Tränken an übersichtlichen und gut zugänglichen Stellen angebracht werden.

In Offenstallhaltung empfiehlt es sich, Tränken möglichst weit entfernt von Ruhe- und Fressbereichen zu installieren, um zusätzliche Bewegungsanreize zu schaffen.

In der Boxenhaltung sollte die Tränke ebenfalls getrennt vom Futtertrog angebracht werden, um eine Verschmutzung durch Futterreste zu verhindern. Schutzbügel um das Tränkebecken verhindern das Festklemmen von Gliedmaßen beim Ausschlagen oder Wälzen in der Box.

Werden Pferde per Hand getränkt, z. B. aufgrund einer kalten Witterung, muss das Wasser mindestens dreimal täglich bis zur Sättigung verabreicht werden.

Abbildung 2: Praxistypische Fressstände, Raufe und Tränke (Quellen: Kneilmann und Reiter Revue International)

4.2 Funktionskreis: Bewegungsverhalten

Neben der Futteraufnahme, mit der Pferde unter naturnahen Bedingungen bis zu 18 Stunden beschäftigt sind, ist die damit einhergehende Bewegung im Schritt verbunden. Darüber hinaus hat jedes Pferd Bedarf an freier Bewegung in allen Grundgangarten.

Unter Haltungsbedingungen wird diesem Bedarf am besten dadurch entsprochen, indem jedem Pferd täglich freie Bewegung in einem Auslauf oder auf der Weide geboten wird. Die Weide bietet – sofern sie in ausreichender Qualität und Fläche zur Verfügung steht - zusätzlich den Vorteil, dass ein Teil der Futteraufnahme den physiologischen Anforderungen entsprechend erfolgt, wie z.?B. der langsamen Futteraufnahme in der Vorwärtsbewegung.

Neben den Vorteilen der frei gewählten Bewegung tragen die Orientierung und die Möglichkeit der Wahrnehmung von Umgebungsreizen zur Entspannung bei. Der Auslauf in Gruppen ermöglicht vermehrten Sozialkontakt bzw. das Ausleben des arteigenen Sozialverhaltens.

Abbildung 3: Bewegungsmöglichkeiten im Einzel- und Gruppenauslauf mit Sozialkontakt auf befestigtem Untergrund (Quelle: Müller und Reiter Revue International)

Funktionsbereich: Bewegungsflächen

Alle Bewegungsflächen im Innen- und Außenbereich sollten ausreichend groß sein, um Bewegung in allen drei Grundgangarten zu ermöglichen. Die Auslaufflächen sollten mindestens einzelne Trab- und Galoppsprünge ermöglichen. Die Mindestgröße für einen Auslauf sollte laut „Leitlinien zur Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten“ ca. 150 qm für zwei Pferde und für jedes weitere Pferd ca. 40 qm sein (BMELV 2009).

Der Boden muss trittsicher und rutschfest sein. Alle Begrenzungen müssen für die Pferde sichtbar sein und als Begrenzung wahrgenommen werden. Abgestellte Gegenstände gehören nie auf eine Bewegungsfläche!

Die Gestaltung des Auslaufes muss sich an der Nutzungsintensität orientieren. Wetterfeste Ausläufe in ausreichender Größe, um Trab und Galopp zuzulassen, brauchen einen befestigten Untergrund und eine sichere Einzäunung. Je nach Auf­ent­halts­dauer (länger als 4 Std.) sind Raufuttervorlagen zu berücksichtigen.

Tabelle 2: Tierbezogene Indikatoren für das Bewegungsverhalten

IndikatorjaneinMögliche Ursachen
Tägliches Bewegungsangebot/Pferd:-):-(Art und Dauer der Bewegung?
Trab und Galopp möglich?
Sommerhalbjahr?
Winterhalbjahr?
Kontrollierte Bewegung (Training):-):-(Reiten, Fahren, Longieren, Führen,
Führ­maschine, Laufband
Freie Bewegung
(mind. 2 Stunden pro Tag)
:-):-(Laufenlassen nach dem Training, ­Bewegungshalle, Auslauf oder Weide, ­mangelnde Bewegung/Bewegungsstau
Schritt beobachtet:-):-(Keine Trittsicherheit; glatter, rutschiger ­Boden; nur befestigter Boden, wie Beton oder Pflaster (für Pferde ohne Eisen nicht geeignet); zu tiefer und matschiger Boden; Lahmheit
Trab beobachtet:-):-(siehe Ursachen Schritt sowie zu kleines ­Flächenangebot
Galopp beobachtet:-):-(siehe Ursachen Schritt und Trab
Bodengestaltung in Ordnung
(z. B. Rutschfestigkeit und Trittsicherheit, Trockenheit und Sauberkeit)
:-):-(Unbefestigt, nicht wetterfest, Tretschicht

Schwachstellen erkennen

Die Anforderung, allen Pferden täglich ausreichend Bewegung zu bieten, wird einerseits durch die kontrollierte Bewegung (Reiten, Fahren, Longieren, Führmaschine, Laufband u. ä.) erfüllt und andererseits durch die freie Bewegung in allen drei Gangarten im Auslauf oder auf der Weide ermöglicht. Der Zeitraum der Bewegung soll mindestens zwei Stunden pro Tag betragen (Quelle: Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten).

Ein zu kleines Flächenangebot lässt keine freie Bewegung zu, ein für die Ausübung der Gangart Galopp geeigneter Auslauf erfüllt diese Funktion.

Regelmäßige, tägliche freie Bewegung beugt Bewegungsstau und spontanen Bewegungsausbrüchen vor.
Matsch und Morast sind saison- und wetterabhängig oft nicht zu vermeiden und vorübergehend (mehrere Stunden) unschädlich. Längerfristiger Aufenthalt in Matsch und Morast kann indes zu schlechter Hornqualität und Mauke führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Bereiche zusätzlich mit Kot und Urin verschmutzt sind. Stark benutzte Bereiche (Übergänge, Raufen, Tränken) sollten befestigt sein.

Zäune und Abgrenzungen dürfen keine Verletzungsrisiken darstellen, abgestellte Gerätschaften gehören in keinen Auslauf!

Wenn kein Gruppenauslauf möglich ist, müssen die Pferde im Auslauf mindestens Sichtkontakt zu Artgenossen haben.

Ein Minimum an freier Bewegung ist auch das Laufenlassen nach dem Training.
Die vorhandenen unterschiedlichen Haltungsformen und -verfahren zeichnen sich häufig durch spezifisch defizitäre Auswirkungen auf Gesundheit und Verhalten als Folge mangelnder Bewegung aus.

Der Anbau von Kleinpaddocks an Außenboxen trägt zwar zur allgemeinen Verbesserung der Haltungsbedingungen bei, bietet aber keine Möglichkeit, freie Bewegung auszuüben. In der Box mit angeschlossenem Kleinpaddock werden nur vermehrte Seit- und Drehbewegungen sowie verkürzte Schrittlängen ausgeübt.

Das Anbieten von graslosen Ausläufen zur freien Bewegung wiederum bietet nur dann Bewegungsanreize, wenn sie entsprechend groß sind (mindestens 150 m² für bis zu 2 Pferde, dann 40 m² für jedes weitere Pferd) oder wenn der Auslauf in Gruppen oder zumindest in Gesellschaft erfolgt (benachbarte Ausläufe).
Bei Laufstallhaltungen, in denen die Funktionsbereiche weitläufig angelegt sind, um die Pferde zur Bewegung zu veranlassen, ist auf die Bodengestaltung sowie auf die damit einhergehende Hufabnutzung zu achten.

Abbildung 4: Ruhen im Liegen in Brustlage und Seitenlage, sowie Dösen im Stehen (Quelle: Reiter Revue International)

4.3 Funktionskreis: Ruheverhalten

Abbildung 5: Eingestreute Außenbox mit angeschlossenem Auslauf; eingestreuter Einraumlaufstall: eingestreuter Liegeraum mit mehreren Zugängen (Quelle: Reiter Revue International)

4.4 Funktionskreis: Sozialverhalten

Als Sozialverhalten werden alle Verhaltensweisen beschrieben, die zur Kommunikation mit Artgenossen dienen. Dazu zählen Ausdrucksverhalten von Gesicht, Ohrenspiel, Augen, Maul, Körperhaltung und -spannung.
Soziale Fellpflege, Lauf- und Bewegungsspiele oder gemeinsames Stehen und Ruhen sind Ausdruck von Wohlbefinden.

Rangordnungskämpfe, Abwehrreaktionen und Meideverhalten werden ebenfalls in jeder Pferdegruppe ausgeübt und tragen zur Festigung eines sozialen Gefüges bei.

Das Pferd als nach wie vor grundsätzlich im Gruppenverband lebendes Tier, lernt vom Fohlenalter an das Verhalten gegenüber Artgenossen. Zuerst lernt das Fohlen in der (Ver-)Bindung zur Stute. Später, durch Erweiterung der Distanz zur Mutter, lernt das Fohlen von den unterschiedlich alten Mitgliedern des Herdenverbandes. Der Umgang bzw. die spielerische Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen bildet in der Ausprägung des Sozialverhaltens nur eine Teilkomponente.

Funktionsbereich: Ausübung des Sozialverhaltens

Bei allen Varianten der Einzelhaltung sind die Trennwände durchlässig zu gestalten, damit die Orien­tierung und Kontaktaufnahme zu Artgenossen im Stall über Sehen, Hören, Riechen und möglichst auch Berühren ausgeübt werden kann.

Tabelle 4: Tierbezogene Indikatoren für das Sozialverhalten

Indikatorjaneinmögliche Ursachen
Soziale Interaktionen (z. B. Möglichkeiten der Ausübung, Anzahl Interaktionen, Aus­einandersetzungen, soziale Fellpflege):-):-(Kein Sicht-, Hör- und Geruchskontakt in der Box, keine Öffnungen in Trennwänden zum Beschnuppern oder zur Fellpflege, im Einzelauslauf keine Kontaktmöglichkeiten über die Einzäunung z. B. wegen Elektrozaun
Kein Abwehrverhalten gegenüber Artgenossen (im Stall oder beim Füttern) beobachtet:-):-(„Futterneid“ weil nicht ausreichend Menge oder Zeit zur Futteraufnahme für jedes Pferd in der GH vorhanden ist. Fressstände entsprechen nicht im Funktionsmaß mind. 1,8 x Wh inkl. Krippe, 80 cm breit. In der EH Sichtschutz im Trogbereich, unverträgliche Pferde als Nachbarpferde
Ausweichverhalten möglich:-):-(Enge Wege zu Ressourcen, nur ein Zugang zu Futter, Wasser oder Liegefläche
Zeitgleiche Ausübung von Verhalten, wie Fressen, Ruhen, Bewegen, Spielen in der Gruppe:-):-(Zu geringe Anzahl Fressplätze oder zu kurze Futteraufnahmezeiten in der GH, nicht strukturierter Liegebereich in der GH, keine ausreichende Bewegungsfläche in der GH oder im Auslauf

Schwachstellen

Isolierte Haltung einzelner Pferde durch geschlossene Boxenwände und -fronten hindern die Tiere am Kontakt zu Artgenossen. Falsche Gitterabstände im Kopfbereich oder unteren Schlagbereich sind zu vermeiden (Empfehlungen der Leitlinien und Orientierungshilfen beachten). Zu hohe Besatzdichten in Laufställen oder nicht ausreichender Zugang zu Futter und Wasser führen zu weiteren Stress­situa­tionen. Ebenso nicht ausreichende Ruheplätze für alle Pferde sowie fehlende Ausweichmöglichkeiten für rangniedrige Tiere.

Nicht ausreichend Ruheplätze für alle Pferde und keine Ausweichmöglichkeiten für rangniedere Tiere vorhanden.

Abbildung 6: Soziale Auseinandersetzungen von Junghengsten; soziale Fellpflege; Zusammensein von Pferden als Ausdruck von sozialem Miteinander (Quelle: Reiter Revue International)

4.5 Funktionskreis: Komfortverhalten und Erkundungsverhalten

Das Komfortverhalten umfasst das Scheuern, Knabbern, Wälzen, Kratzen mit den Hinterhufen, den Kontakt zu Außenklima sowie Baden und Schütteln. Letzteres dient zur Abwehr von lästigen Insekten, wie auch Muskelzucken und Schweifschlagen.

Zu Zeiten des Fellwechsels besteht ein höherer Bedarf an Fellpflege, durch eigene oder soziale Fellpflege.
Die gegenseitige Fellpflege dient der Kommunikation. Sie stärkt die gegenseitigen Beziehungen innerhalb der Rangordnung. Dabei werden die schwer erreichbaren Körperteile Mähne, Widerrist, Rücken und Kruppe von vorn nach hinten „durchgearbeitet“.

Nach der Nutzung – nicht nur, wenn das Pferd geschwitzt hat – besteht beim Pferd ein besonderes Bedürfnis zum Wälzen. Dieses Wälzen hat auch einen positiven psychologischen Effekt für das Wohlbefinden des Pferdes.
Das Erkundungsverhalten des Pferdes war immer überlebenswichtig. Die sensible Wahrnehmung und Beobachtung der Umgebung bringt Sicherheit oder löst den Fluchtinstinkt aus. Wird das Erkundungsverhalten durch das Haltungssystem unterdrückt, löst dies beim Pferd Unsicherheit, Nervosität und Angst aus. Es zuzulassen versetzt das Pferd in die Lage, seine Umgebung wahrzunehmen und sich sicher zu fühlen.

Funktionsbereich: Komfortverhalten

Die Boxengröße soll mindestens (2 x Wh)2 groß sein, um ein Wälzen in der Box zu ermöglichen. Außerdem muss die Box dafür ausreichend gut eingestreut sein und eine Öffnung zur Außenseite haben, um den Außenklimareiz zu gewähren.

Boxentrennwände sollten so gestaltet sein, dass sie zusätzlich zu den Mindestanforderungen (sehen, riechen, hören), die gegenseitige Körperpflege ermöglichen. Abwehrreaktionen zwischen unverträglichen Nachbarpferden müssen durch Umstellen unterbunden werden.

Für Auslaufhaltungen empfiehlt sich das Anlegen sogenannter unbefestigter Wälzplätze (5 x 5 m).
Im Auslauf oder auf der Weide ermöglichen Bäume, fest im Boden eingelassene Holzstämme oder mit Bürsten versehene Einrichtungen dem Pferd Scheuermöglichkeiten.

Abbildung 7: Wälzen und gestreckte Seitenlage; Sonnen und Erkundungsverhalten, Reaktion auf Umgebungsreize (Quelle: Reiter Revue International)

4.6 Funktionskreis: Ausscheidungsverhalten

Das Absetzen von Urin und Kot dient zunächst der Ausscheidung von Endprodukten des Stoffwechsels. Daneben spielen Ausscheidungen eine Rolle bei der Kommunikation innerhalb der Spezies.
Kot wird i.d.R. im Stehen ausgeschieden. Durch äußere Einflüsse hervorgerufen kann der Kotabsatz auch in Bewegung erfolgen. Das Pferd setzt Kot acht bis zwölf Mal über den Tag verteilt ab. Wobei ein Fohlen relativ wenig und ein Hengst, im Vergleich zu ausgewachsenen Wallachen und Stuten, täglich relativ häufig Kot absetzt („äppelt“).

Urin wird etwa alle vier Stunden und nur im Stehen abgesetzt. Eine Ausnahme bildet das sogenannte Urinspritzen der Stute während der Rosse.

Konsistenz, Menge, Farbe und Geruch sind primär abhängig vom Futter. Es gibt aber auch individuelle Unterschiede. Stress und Aufregung beeinflussen das Absetzen von Kot und die Kotkonsistenz.
Evolutionsgenetisch hat das Pferd kein spezielles Kot- und Urinabsatzverhalten entwickelt, da es ursprünglich als frei umherziehendes Herdentier keine besonderen Orte zur Verrichtung seiner Ausscheidungen aufsuchte. Auffallend ist das Absetzen von Kot und Urin entlang der häufiger genutzten Wanderwege, welches eine Bedeutung im Sinne der Territoriumsabgrenzung hat.

Funktionsbereich: Kotabsetzen und Harnlassen

Unter Einzelhaltungsbedingungen im Stall sind, besonders hinsichtlich hygienischer Aspekte, die eng benachbarten Funktionsbereiche Futterplatz, Liegeplatz sowie Kot- und Harnabsetzplatz sorgfältig und konsequent sauber zu halten. Einstreu wird im Liege- und Kot-/Harnabsetzbereich gebraucht, das Pferd setzt nur Harn auf Flächen ab, bei denen ihm der Harn nicht an die Hintergliedmaßen spritzt. Dies ist auch bei der vorübergehenden Unterbringung z.?B. auf dem Transporter zu berücksichtigen.
Bei der Unterbringung im Auslauf oder auf der Weide, in fest vorgegebenen Arealen, muss das Pferd seine Ausscheidungen an bestimmten Plätzen verrichten. Da es eine Abneigung hat, in der Nähe dieser Ausscheidungen zu fressen, entstehen insbesondere auf Weiden die sogenannten Geilstellen mit hohem Bewuchs.

Schwachstellen

Bei der Boxenhaltung ist das Pferd dazu genötigt, in unmittelbarer Nähe zu seinen Ausscheidungen zu fressen und ruhen.
Die Gesundheitsrisiken, die sich aus dieser Art der Haltung ergeben, sind allgemein bekannt. Sie treten insbesondere dann auf, wenn die Einstreu nicht konsequent genug gepflegt bzw. hygienisch „einwandfrei“ und ausreichend vorhanden ist.

Tabelle 6: Tierbezogene Indikatoren für das Ausscheidungsverhalten

Indikatorjaneinmögliche Ursachen
Regelmäßiges Kot absetzen beobachtet:-):-(Futter- und Wasserangebot überprüfen. ­Besonders bei Strohfütterung und wenig Grasbewuchs; Falsches Beschäftigungsmaterial (z. B. Baumrinde) mit Gefahr für Verstopfung (Kolik)
Regelmäßiges Harnlassen beobachtet:-):-(Kein unbefestigter Boden, fehlende oder schlechte Einstreu
Geringer Verschmutzungsgrad der Pferde:-):-(Zu geringe Einstreu, schlechte Saugfähigkeit der Einstreu, zu geringe Pflege der ­Böden oder Einstreu; Ernährung beachten (Kotwasser und Durchfall)

Einstreulose Haltung auf Gummimatten ist aus mehreren Gründen nicht geeignet:

  • Die Aufnahme von Feuchtigkeit durch Ausscheidungen ist nicht ausreichend gewährleistet
  • Die Bildung und Freisetzung von Schadgasen (insbes. Ammoniak) ist erhöht
  • Die Pferde legen sich ungern oder gar nicht ab – insbesondere nicht mit atypischen Bewegungsabläufen
  • An exponierten Stellen der Gliedmaßen können Druckstellen, haarlose oder blutige Stellen durch Abrieb oder Belastung auftreten.

Fehlende und/oder mangelhafte Einstreu sind Auslöser für schlechte Hornqualität, Strahlfäule und erhöhen die Parasitenbelastung.

Die Parasitenbelastung ist auf stark genutzten Flächen besonders hoch. Weiden müssen vor dem Abschleppen von Kot gereinigt werden, sonst dient dies lediglich der Verteilung und damit der Erhöhung der Parasitenlast.

Grundsätzlich empfehlen sich zur verbesserten Weidenutzung, Wechselweiden und die gemeinsame Nutzung mit anderen Tierarten, insbesondere mit Rindern.

Das Tierwohl der Pferde in einem Bestand ist an der beschriebenen artspezifischen Ausübung des Verhaltens und dem Gesundheitszustand erkennbar. Abweichungen oder Merkmale der Schädigung der Gesundheit sind nach Absprache mit dem Pferdebesitzer unter Hinzuziehung eines Tierarztes zu bewerten und abzustellen. Maßnahmen zur Gesundheitsprophylaxe im Bestand (z.B. Entwurmen und Impfen) müssen regelmäßig vom Pferdehalter initiiert werden. Die Umsetzung von Biosicherheitsmaßnahmen im Pferdebetrieb zum Schutz vor der Einschleppung ansteckender Krankheiten gewinnt weiter an Bedeutung.

5. Literatur

5. Literatur

Tierschutzgesetz

Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten (BMELV 2009)

Handbuch Pferdeverhalten (Zeitler-Feicht, Margit 2015)

Orientierungshilfen Reitanlagen und Stallbau (FN-Verlag 2009)

FN-Kennzeichnung von Pferdehaltungen (Grundschild) APO 2014

Eckdaten Pferd, Haltung (FN Verlag 2003)

Gestaltung von Pferdeausläufen (DLG Merkblatt 342)

DLG Merkblatt Tiergerechtheit auf dem Prüfstand (2012)

Pferde im Laufstall – Planungshilfen für die artgerechte Haltung (LAG 2009)

Wasserversorgung in der Pferdehaltung (KTBL)

AID Heft Pferdefütterung 2014

6. Anhang

Checkliste Pferd I

 

Indikatorjaneineigene Bemerkungen
Tierbezogene Indikatoren für das Futter- und Wasseraufnahmeverhalten
Ruhige Futter-/Wasseraufnahme   
Entspannte Körperhaltung   
Kein Futterauswurf aus dem Trog   
Kein Einweichen des Futters in der Tränke   
Kein Wickelkauen, langsam Fressen, nicht Auffressen   
Kein Husten während der Futteraufnahme   
Kein Spielen an der Tränke   
Kein Boxenschlagen, Stangenwetzen, Holz­nagen, Scharren, allg. Unruhe   

Checkliste Pferd II

Indikatorjaneineigene Bemerkungen
Tierbezogene Indikatoren für das Bewegungsverhalten
Tägliches Bewegungsangebot/Pferd   
Kontrollierte Bewegung (Training)   
Freie Bewegung beobachtet
(Dauer mind. 2 Stunden pro Tag)
   
Schritt beobachtet   
Trab beobachtet   
Galopp beobachtet   
Bodengestaltung in Ordnung
(z. B. Rutschfestigkeit und Trittsicherheit, Trockenheit und Sauberkeit)
   
Tierbezogene Indikatoren für das Ruheverhalten
Ruhen im Stehen   
Ruhen im Liegen   
Gestreckte Seitenlage   
Zeitgleiches Ruhen/Liegen   
Pferdetypisches Abliegen/Aufstehen   
Zugang zu Liegeflächen   
Sichtkontakt zu Artgenossen (soziale ­Sicherheit)   
Frei von haarlosen Stellen, Abschürfungen
an Gliedmaßen (z. B. Sprunggelenken)
   

Zum vollständigen Anzeigen Tabelle nach rechts scrollen

Checkliste Pferde III

Indikatorjaneineigene Bemerkungen
Tierbezogene Indikatoren für das Sozialverhalten
Soziale Interaktionen (z. B. Möglichkeiten der Ausübung, Anzahl Interaktionen, Aus­einandersetzungen, soziale Fellpflege)   
Kein Abwehrverhalten gegenüber Artgenossen (im Stall oder beim Füttern) beobachtet   
Ausweichverhalten möglich   
Zeitgleiche Ausübung von Verhalten, wie Fressen, Ruhen, Bewegen, Spielen in der Gruppe   
Tierbezogene Indikatoren für das Komfortverhalten
Wälzen   
Scheuern   
Außenklimareize   
Anwesenheit von Artgenossen   
Sauberkeit der Pferde   
Tierbezogene Indikatoren für das Erkundungsverhalten
Orientierung im Haltungsumfeld   
Optische Wahrnehmung von Umgebungsreizen   
Tierbezogene Indikatoren für das Ausscheidungsverhalten   
Regelmäßiges Kot absetzen beobachtet   
Regelmäßiges Harnlassen beobachtet   
Geringer Verschmutzungsgrad der Pferde   

Nach oben

Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder (auch für den Zweck der Unterrichtsgestaltung) sowie Bereitstellung des Merkblattes im Ganzen oder in Teilen zur Ansicht oder zum Download durch Dritte nur nach vorheriger Genehmigung durch DLG e.V., Servicebereich Marketing, Eschborner Landstraße 122, 60489 Frankfurt am Main, Tel. +49 69 24788-209, M.Biallowons@DLG.org 

Kontakt

DLG e.V. • Michael Biallowons • Tel.: +49 69 24 788-209 • M.Biallowons@DLG.org