DLG-MERKBLATT 380

Das Tier im Blick – Legehennen

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DLG-Merkblatt 380
3. Auflage, Stand: 09/2018

Autoren:

Einleitung

  • Dr. Lars Schrader, Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), Institut für Tierschutz und Tierhaltung
Eine Vielzahl Hühner in einem Stall

1. Einleitung

Was ist tiergerecht? Zur Beantwortung der Frage, ob eine Haltung dem Tier gerecht wird, muss von der Biologie der Tiere ausgegangen werden: von ihren Ansprüchen und ihrer Anpassungsfähigkeit gegenüber der Umwelt. Erfüllt die Haltung bestimmte Ansprüche der Tiere nicht, kann ihre Anpassungsfähigkeit überfordert werden. In der Folge kommt es zu Schmerzen, Leiden oder Schäden sowie einer Einschränkung des Wohlergehens der Tiere.

Die Ansprüche von Nutztieren und ihre Reaktionen, wenn die Ansprüche nicht erfüllt werden, sind nicht so deutlich zu erkennen wie beim „Fisch auf dem Trockenen“. Es gibt aber wissenschaftliche Methoden, ihre Ansprüche und eine überforderte Anpassungsfähigkeit zu erkennen. Mit diesen wird untersucht, ob sie ihre biologischen Funktionen aufrechterhalten können oder es etwa zu Erkrankungen oder Stressreaktionen kommt. Geprüft werden kann, ob die Tiere ihr arteigenes Verhalten zeigen können oder ob es zu starken Verhaltensabweichungen oder -störungen kommt.

Um ein vollständiges Bild der Auswirkungen einer Haltung auf die Tiere zu erhalten, müssen in der Regel mehrere Indikatoren berücksichtigt werden. Die Auswirkungen einer Haltung lassen sich also direkt anhand von derartigen tierbezogenen Indikatoren erkennen.

Die Kontrolle von Legehennenbeständen unterscheidet sich grundlegend von der Kontrolle von Großtieren, da Legehennen in sehr großen Gruppen und in sehr komplex strukturierten Systemen untergebracht sind. Allerdings sind Legehennenställe meist mit umfangreichen technischen Einrichtungen ausgestattet. Der hohe Mechanisierungsgrad (Futter- und Wasserversorgung, Eiersammeln, Kotbeseitigung) spart Arbeitskräfte ein und sollte dazu genutzt werden, die Tiere sorgfältig zu beobachten. Neben der direkten Beobachtung können auch technische Hilfsmittel genutzt werden, die Hinweise auf Risiken für das Tierwohl geben können.
Wie sich eine Haltung auswirkt, hängt dabei von vielen Faktoren ab. Grundsätzlich kommt es hier einerseits auf die Haltungstechnik an, beispielsweise auf die Ausgestaltung von Tränken oder auf die Bodenqualität. Andererseits spielt das Management eine entscheidende Rolle. Stimmt beispielsweise das Futter nicht, ist die Klimaführung schlecht eingestellt oder werden Fehler bei der Behandlung der Tiere gemacht, kann selbst ein ansonsten optimales Haltungssystem sich negativ auf die Tiere auswirken. Erkennen lässt sich dies nicht an der Haltungstechnik, sondern an den Tieren: An ihrem Verhalten und an ihrer Gesundheit.

Dieses Merkblatt möchte daher Hinweise geben, anhand welcher Indikatoren Sie an den Tieren erkennen können, ob alles in Ordnung ist und wo Haltungstechnik besser justiert oder Sie ihr Management optimieren können. In Anbetracht des weitgehenden Verzichts auf Schnabel kupieren bei Legehennen wird dem Erkennen von Federpicken und Kannibalismus eine besondere Bedeutung beigemessen.

2. Tierbeobachtung: Fehler erkennen – Ursachen finden

Bei routinemäßigen Kontrollgängen kann das allgemeine Verhalten der Tiere erfasst werden. So kann zum Beispiel festgestellt werden, ob die Tiere ruhig, apathisch, scheu oder nervös sind. Der Kontrollgang reicht jedoch nicht aus, um das Verhalten der Tiere genauer zu erfassen, da die Tiere durch den Betreuer abgelenkt werden. Es ist deshalb notwendig, dass sich der Beobachter für eine gewisse Zeit (15 – 20 min) ruhig an einem Ort aufhält. Erst nach dieser Zeit gewöhnen sich die Tiere an seine Anwesenheit und gehen zum normalen Verhalten über. Neben den Beobachtungen während der Tageszeit ist es auch angezeigt, in gewissen Abständen, eine nächtliche Kontrolle durchzuführen. Dabei kann kontrolliert werden, ob die Sitzstangen genutzt werden oder ob die Tiere gegebenenfalls in den Nestern oder auf dem Kotgitter übernachten.

Eine umfassende Tierbeobachtung sollte daher zu einer regelmäßigen und standardisierten Arbeitsroutine werden.

Dabei sind die Verhaltensmerkmale folgender Funktionskreise zu berücksichtigen:

  • Futteraufnahme
  • Fortbewegung
  • Sozialverhalten
  • Eiablage
  • Ruhen

3. Futteraufnahmeverhalten

Futter sollte ständig zur Verfügung stehen. Unter dieser Bedingung fressen nicht alle Tiere gemeinsam. Das gesetzlich vorgeschriebene Fressplatzangebot von 10 cm in der Bodenhaltung und 12 cm in der Kleingruppenhaltung reicht aus, um ein ungestörtes Fressen zu sichern. Auch in der Fütterungszeit, d. h. beim Laufen der Futterketten, werden lediglich 70 – 80 % der Tiere an den Trögen angetroffen. Meist fressen die Tiere nicht über lange Zeit am gleichen Platz, sondern wechseln den Futtertrog oder wechseln vom Trog zur Tränke. Drängen sich dennoch sehr viele Tiere an den gleichen Futtertrögen oder -bereichen, muss geprüft werden, ob Teile des Fütterungssystems ausgefallen oder nicht zugänglich sind. Das Futteraufnahmeverhalten wird auch durch eine attraktive, d. h. trockene und lockere Einstreu gefördert. Das Verteilen von Körnern in der Einstreu regt zum Picken an und kann zur Reduktion des Federpickens beitragen. Auch Heukörbe und Picksteine regen zum Picken an und lenken vom Federpicken ab.

Tabelle 1: Wichtige Indikatoren im Funktionsbereich Futteraufnahme

IndikatorBeobachtungs­zeitpunktJaNeinMögl. Ursachen
Zusammendrängen an einzelnen Trögen

Während der Fütterung
:-( :-)Futterzufuhr blockiert
Extremes Strecken des Halses:-( :-)Troghöhe falsch ­eingestellt
Häufiges aggressives ­Hacken und Ausweichen:-( :-)Troganzahl und -maße ­unzureichend

:-) = optimal  :-( = suboptimal

3.1 Schwachstellen erkennen

4. Fortbewegungsverhalten

5. Sozialverhalten

6. Ruheverhalten

7. Ausscheidungsverhalten

Legehennen setzen im Abstand von ca. 2 h Kot ab. Das Verhalten an sich ist schwer zu beobachten. Es ist jedoch zu empfehlen, täglich eine bestimmte Anzahl frischer Kothäufchen zu beurteilen. Abweichungen der Kotkonsistenz, insbesondere flüssiger oder gelblich-grün gefärbter Kot weisen auf Krankheiten hin. Blutspuren im Kot weisen auf Kokzidiose hin.

Tabelle 5: Wichtige Indikatoren im Funktionsbereich Ausscheidungsverhalten

IndikatorBeobachtungs-
zeitraum
JaNeinMögl. Ursachen
Feuchte Einstreu Plattenbildung


jederzeit

:-(

 

 :-)Kotgrubenmaße, Tränken-
und Troganordnung, Wasseraufnahmeverhalten
Kotreste im Nest, auf Scharrmatten und Sitzstangen:-(:-)Austriebsystem,
Kotkonsistenz im Nest
Verschmutztes Gefieder:-(:-) Sitzstangenanordnung, Kotmanagement

:-( = optimal  :-) = suboptimal

7.1 Schwachstellen erkennen

Bei zu knapp bemessener Kotgrubenfläche wird zu viel Kot im Einstreubereich abgesetzt und die Einstreu lässt sich nicht trocken halten. Es bilden sich Platten, die regelmäßig gelockert werden müssen. Tröge und Tränken sollten prinzipiell über der Kotgrube bzw. in den Volierenetagen positioniert werden. Nippeltränken mit Wasserauffangschalen verhindern Tropfwasser. Feuchter, unstrukturierter Kot entsteht durch erhöhte Wasseraufnahme. Ursache können beispielsweise erhöhte Mineralstoffgehalte (z. B. Natrium) infolge einer Entmischung mehlförmigen Futters sein. Schmieriger Kot haftet auf Scharr- und Nestmatten sowie auf Sitzstangen und trocknet schlecht ab.

Kot wird von den Hennen auch während des Sitzens auf den Sitzstangen abgesetzt. Daher müssen diese so angebracht werden, dass kein Kot durch den Boden auf die darunter gelegenen Ebenen fallen kann, sondern in den Kotkasten bzw. auf das Kotband unter den Volierenetagen. Sitzstangen im bzw. oberhalb des Einstreubereiches werden daher nicht anerkannt. 

8. Körperhaltung

Gesunde Hennen tragen den Kopf hoch und beobachten aufmerksam ihre Umgebung. Kranke Hennen sind apathisch, ziehen den Kopf ein, knicken in den Sprunggelenken ein oder bleiben bei Annäherung sitzen. Das Gefieder ist häufig leicht gesträubt. Dieses Verhalten wird von Legehennenhaltern als „trauern“ bezeichnet.

Tabelle 6: Wichtige Indikatoren im Bereich Körperhaltung

IndikatorBeobachtungszeitraumJaNeinMögl. Ursachen
„Trauern“jederzeit:-(:-)Krankheit, Verletzungen

:-( = optimal  :-) = suboptimal

8.1 Schwachstellen erkennen

Kranke und verletzte Tiere ziehen sich oft an schwer einsehbare Orte zurück. Nester und Ecken sind deshalb täglich zu prüfen.

9. Komfortverhalten

Zum Komfortverhalten gehören Federputzen, Federschütteln, Flügel- und Beinstrecken sowie das Sandbaden. Komfortverhalten tritt oft zwischen den Fressphasen und in den Ruhephasen auf. Diese Verhaltensweisen deuten auf einen ungestörten Zustand der Herde hin.

Tabelle 7: Wichtige Indikatoren im Funktionsbereich Komfortverhalten

IndikatorBeobachtungszeitraumJaNeinMögl. Ursachen
Wenig sich-putzende Hennen
Nach der Fütterung
:-(:-)Krankheit, Unruhe in der Herde
Wenig sandbadende Hennen:-(:-)Qualität des Einstreumaterials,
Krankheit, Unruhe in der Herde

:-( = optimal  :-) = suboptimal

9.1 Schwachstellen erkennen

Außerhalb der Haupt-Futteraufnahmephasen sind regelmäßig sich putzende Hennen und sand­badende Hennen anzutreffen. Dieses Verhalten wird in nervösen, unruhigen Herden unterdrückt. Die Ursachen für die Unruhe können Krankheiten oder starker Milbendruck sein.

10. Unspezifische Verhaltensäußerungen

Abbildung 5: regelmäßige Beurteilung von Befierderung, Kämmen und Füßen ermöglichen Rückschlüsse auf Federpicken, Agressionen und Fußgesundheit in der Herde

11. Technische Hilfen

Abbildung 7: Durch einfache und kostengünstige Milbenfallen lässt sich die Entwicklung der Milbenpopulation in der Herde verfolgen und eine effiziente Behandlung durchführen

12. Weiterführende Literatur

DLG-Merkblatt 405 (2014): Legehennenhaltung
DLG-Merkblatt 343 (2007), 1. Auflage 2007: Legehennenhaltung

Jeroch, H. und S. Dänicke (2016) Faustzahlen zur Geflügelernährung.
Geflügeljahrbuch 2016, Verlag Ulmer, Stuttgart, 192 – 231.

13. Anhang

Checkliste Legehenne I

IndikatorBeobachtungszeitpunktJaNeineigene Bemerkungen
Funktionsbereich Futter- und Wasseraufnahme
Zusammendrängen an ­
einzelnen Trögen/Tränken


Während der Fütterung
:-(:-) 
Extremes Strecken des Halses:-(:-) 
Häufiges aggressives Hacken und Ausweichen:-(:-) 
Funktionsbereich Fortbewegung
Gestörte Fortbewegung ­zwischen Trögen, Tränken sowie NesternNach Lichtbeginn und Fütterung:-(:-) 
Etagenwechsel ist gestört; langes Zögern der Tiere vor dem AbfliegenNach Lichtbeginn und vor Dunkelperiode:-(:-) 
Unsicheres Laufen und Ausrutschen auf den SitzstangenTagsüber:-(:-) 
Knochenbrüche durch Abstürze aus den oberen EtagenNach Lichtbeginn:-(:-) 
Funktionsbereich Sozialverhalten
Häufiges Hacken und Flüchten,
Unruhe in der Herde

2 – 4 h nach Lichtbeginn
:-(:-) 
Hackstellen am Kamm:-(:-) 
Leistungsminderung:-(:-) 
Funktionsbereich Ruheverhalten
Geringe Nutzung der
Sitzstangen (nachts < 80 – 90 %)
Nachtphase:-(:-) 
Unsicheres Laufen auf den
Sitzstangen ( Ausrutschen)
Vor Ende der Lichtpause:-(:-) 
Fußballenveränderungenjederzeit:-(:-) 
Befall mit Vogelmilbenjederzeit:-(:-) 

Checkliste Legehenne II

IndikatorBeobachtungszeitpunktJaNeineigene Bemerkungen
Funktionsbereich Ausscheidungsverhalten
Feuchte Einstreu,
Plattenbildung


jederzeit
:-(:-) 
Kotreste im Nest,
auf Scharrmatten und Sitzstangen
:-(:-) 
Verschmutztes Gefieder:-(:-) 
Funktionsbereich Körperhaltung
"Trauern"jederzeit:-(:-) 
Funktionsbereich Komfortverhalten
Wenig sich putzende Hennen
Nach der Fütterung
:-(:-) 
Wenig sandbadende Hennen:-(:-) 
Bereich unspezifischer Verhaltensäußerungen
Fehlende Gakellaute

jederzeit
 
:-(:-) 
Häufig sich steigerndes
lautes Gackern
:-(:-) 
Kopfschütteln:-(:-) 
Bereich sonstiges Verhalten
Häufiges Bepicken
von Gruppengenossen
Nach Fütterung:-(:-) 
Federn fressenNach Fütterung   
Gefiederschäden und
Wunden
jederzeit   
Keine Federn am Bodenjederzeit   

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