Fachkräftemangel in der Landwirtschaft
Auswirkungen und Lösungsstrategien
Bereits seit einigen Jahren beschäftigt der Fachkräftemangel die landwirtschaftliche Branche. Betrifft dieses Thema auch mich? Oder bleibe ich als Familienbetrieb weitestgehend unberührt? Welche Lösungsstrategien gibt es – und worin sehen betroffene Landwirtinnen und Landwirte entsprechendes Potential zur Umsetzung auf ihren Betrieben? Die Ergebnisse zu diesen Fragen lassen sich an den nachfolgenden Grafiken ablesen.
Die aktuellen Grafiken in diesem Monat, abgeleitet aus der letzten DLG-Agrifuture-Insights-Umfrage, thematisieren den Fachkräftemangel in der Landwirtschaft. Die Antworten der Teilnehmenden auf die Frage: „Gehen Sie davon aus, dass der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren Auswirkungen auf Ihren Betrieb/Ihr Unternehmen haben wird?“, ist in Grafik 1 und 2 dargestellt.
Erwartete Auswirkungen auf den Betrieb durch Fachkräftemangel
Betrachtet man dabei Grafik 1, wird deutlich, dass die landwirtschaftlichen Betriebe mit 45 % deutlich weniger Auswirkungen auf ihren Betrieb durch den Fachkräftemangel erwarten als die Teilnehmer aus den Bereichen Industrie/Handel/ Verarbeitung, aber auch weniger als aus der Wissenschaft und Beratung. Beim Blick auf die Grafik wird der Grund direkt ersichtlich: Mit 33 % ist der Anteil an Familienbetrieben und Einzelunternehmen relativ hoch, sodass schlichtweg neben dem Betriebsleiter und den Familienarbeitskräften keine Fachkräfte benötigt werden. Ähnliches, wenn auch nicht in gleicher Größenordnung, ist bei der Beratung zu beobachten. Hier erwarten 60 % einen Einfluss durch den Fachkräftemangel. 23 % gaben an, keinen Einfluss zu erwarten, da es sich um ein Einzelunternehmen handelt.
Auswirkungen abhängig von Betriebsgröße
Ein vertiefender Blick auf die landwirtschaftlichen Betriebe unterschiedlicher Größe macht deutlich, dass die Einschätzung je nach Betriebsgröße unterschiedlich ausfällt.
Während bei kleinen Betrieben bis 50 ha lediglich 26 % der Befragten Auswirkungen erwarten, sind es bei mittleren Betrieben 46 %, wie Grafik 2 zeigt. Knapp die Hälfte der Betriebe mit einer Fläche bis 50 ha werden als Einzelunternehmen oder Familienbetrieb geführt. Bei den Betrieben zwischen 51 und 300 ha liegt deren Anteil noch bei 36 %. Größere Betriebe ab 301 ha schätzen die Auswirkungen des Fachkräftemangels auf ihren Betrieb ähnlich ein, wie die Teilnehmer aus dem Bereich Industrie/Handel/Verarbeitung: Hier gehen rund 70 % davon aus, dass sie Auswirkungen bemerken werden. Allerdings liegt der Anteil derer, die keine Auswirkungen erwarten, mit 25 % höher als bei der Industrie (19%). Insbesondere die kleinen Betriebe, die teilgenommen haben, sind als Einzelunternehmen oder Familienbetrieb strukturiert und damit nicht vom Fachkräftemangel betroffen.
Fachkräftelücke: nicht überall spürbar, dennoch real
Dennoch ist das Thema für die landwirtschaftlichen Betriebe und die Wertschöpfungskette der Land- und Lebensmittelwirtschaft von großer Bedeutung. Dies zeigen auch zahlreiche Studien, wie beispielsweise die von der VDL veröffentlichte Untersuchung „Fach- und Führungskräftebedarf in der Agrarbranche 2024“. Sie zeigt eindrücklich, dass die Fachkräftelücke in allen relevanten Bereichen der grünen Berufe mit rund 116.000 fehlenden Arbeitskräften eine erhebliche Herausforderung darstellt. Dies entspricht fast 25 % der gesamten Fachkräftelücke in Deutschland.
Welche Lösungsstrategien haben Potenzial?
Die Teilnehmer wurden außerdem gefragt, welche Strategien sie sehen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dabei waren Mehrfachantworten möglich. Die Befragten blicken insgesamt positiv auf das Thema. Lediglich ein kleiner Teil ist der Ansicht, dass es keine Möglichkeiten gibt oder eine Verkleinerung des Betriebes/Unternehmens eine passende Strategie wäre, um dem Fachkräftemangel zu begegnen (Grafik 3).
Die größte Chance, dem Fachkräftemangel zu begegnen, sehen sowohl Landwirte (51 %) als auch Vertreter aus Industrie und Handel (61 %) in der Ausbildung. Damit wird die Qualifizierung neuer Arbeitskräfte als zentraler Hebel zur Sicherung des Personalbedarfs betrachtet.
Für Landwirte steht an zweiter Stelle die Bindung von Fachkräften durch flexible Arbeitszeiten. Mit 39 % wird auch in der Einsparung von Fachkräften durch Automatisierung und durch den Einsatz von Technik ein großes Potenzial gesehen. Weitere 36 % sehen im Angebot von Weiterbildungsmöglichkeiten und der Übertragung von Verantwortung wichtige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung.
In der Industrie, im Handel und in der Verarbeitung werden flexible Arbeitszeiten sowie Weiterbildung und Verantwortungsübernahme jeweils von rund 50 % der Teilnehmenden als gleichwertige Strategien zur Fachkräftebindung genannt (siehe Grafik 4).
Das Anwerben über Netzwerkkontakte und Werbung spielen in der Industrie eine größere Rolle als auf den landwirtschaftlichen Betrieben. Auch Teamevents werden dort häufiger als Bindungsinstrument genannt.
Dagegen spielt für die Landwirte die Auslagerung von Tätigkeiten in der Produktion, z.B. über Lohnunternehmer, mit 21% eine größere Rolle als in der Industrie, um dem Fachkräftemangel zu begegnen (Grafik 3).
Auch das Halten von Fachkräften durch Lohnanreizsysteme oder Benefits spielt für die Befragten eine bedeutende Rolle. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die transparente Kommunikation, die von 32 % der befragten Landwirte als Strategie angesehen wird (Grafik 4).
Eine gute interne Kommunikation gilt als Schlüsselfaktor für den betrieblichen Erfolg: Nur, wenn Mitarbeitende die Ziele und Entwicklungen des Unternehmens kennen, können sie ihren Beitrag zum Erfolg erkennen und wertschätzen. Diese Themen wurden auch in einem Beitrag der DLG-Mitteilungen vertiefend behandelt (nur für Abonnenten zugänglich).
DLG-Agrifuture Insights
DLG-Agrifuture Insights ist die DLG-Wissensmarke und -plattform für internationale Trendanalysen im Agrarsektor. Sie untersucht das Geschäftsumfeld in der Landwirtschaft in Deutschland und weltweit. Hierfür werden jährlich Landwirte und Personen aus dem Agribusiness, der Wissenschaft und der Beratung zu ihren Einschätzungen zur wirtschaftlichen Situation und Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe, sowie zu Techniktrends und Innovationen in den einzelnen Betriebszweigen befragt. An der aktuellen Befragung im Frühjahr 2025 nahmen insgesamt 2.184 Personen teil.