Digital Total in Eigenregie
Pionier Andreas Dörr auf den DLG-Unternehmertagen 2024
Wie die Digitalisierung von Daten und deren intelligente Vernetzung das Betriebsmanagement erleichtert und effizienter gestaltet, erprobt Andreas Dörr auf dem Ackerbaubetrieb seiner Familie in der Rhön. Der Diplom-Agraringenieur hat dazu eigene Apps ausgetüftelt und testet gemeinsam mit Herstellern innovative Lösungen. Auf den DLG-Unternehmertagen 2024 zeigt er, welches Potenzial in smarten Technologien steckt.
„Ich habe kein System auf dem Markt gefunden, das meinen Bedürfnissen entsprochen hat.“ So beschreibt Andreas Dörr die Motivation, den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie in Südthüringen und Nordbayern weitestgehend auf eigene Faust zu digitalisieren.
Heute hat der Diplom-Agraringenieur auf dem 1.450 ha großen Ackerbaubetrieb unter anderem ein selbstentwickeltes und cloudbasiertes Planungstool für die Bewirtschaftung der Flächen im Einsatz, mit App für Smartphone und Tablet. Eine ebenfalls in Eigenregie ausgetüftelte Lager-App erfasst zudem sämtliche Warenein- und -ausgänge im Silo und die Bestände in den Lagerhallen in Echtzeit. Und in der Arbeitsorganisation kommt eine selbst erstelle Zeiterfassungs-App zum Einsatz.
Mit KI zur maßgeschneiderten App
„Ich war schon immer technikbegeistert“, beschreibt Andreas Dörr sich selbst. Diese Eigenschaft sei bei dem Vorhaben, den Familienbetrieb mit 1.000 ha Ackerland und 450 ha Grünland komplett digital zu managen, sicher hilfreich gewesen, sagt der Geschäftsleiter. Zusätzlich habe es ihm der digitale Fortschritt leicht gemacht: „Mit KI-Lösungen und dem Office-365-Paket muss man nicht einmal selbst programmieren können, um eine gute App zu erstellen“, sagt Dörr.
Seine App zur Lagerverwaltung etwa habe er an zwei Abenden erstellt. Ein hilfreiches Tool: Fährt ein Mitarbeiter einen Hänger voll Weizen oder Braugerste aus der Ernte zum Silo, sind Erntevorgang und Frucht sowie die Waage bereits mit der App verknüpft: „Der Mitarbeiter muss lediglich die Lager-App auf seinem Smartphone öffnen und den Füllstand an der vorgesehen Stelle eintragen“, sagt Dörr. Die Daten seien dann über die Cloud in Echtzeit für alle autorisierten Personen im Betrieb einsehbar: „Ich muss keine Zettel mehr händisch in ein Planungstool übertragen, wir arbeiten ohne Papierlisten“, betont der Betriebsleiter.
Das ebenfalls selbst entwickelte Planungstool für die Bewirtschaftung des Betriebs bildet alle Feld- und Flurstücke digital ab. Auch Geo-Daten von Behörden laufen in der Web- und App-basierten Lösung zusammen und sind mit den einzelnen Schlägen verknüpft. „Steht ein Fahrer mit der Maschine am Feldrand und will Pflanzenschutz ausbringen, zeigt die App ihm an, ob und in welcher Weise es Auflagen wie Abstände zu Gewässern zu beachten gibt“, beschreibt Dörr. Da es sich bei der App um eine cloudbasierte Lösung handele, können Mitarbeitende zudem aktuelle Informationen in Echtzeit mit ihren Kollegen und dem Betriebsmanagement teilen. So wisse jeder sofort Bescheid, wenn nach einem Unwetter abgeknickte Äste auf einem Feld liegen und vor dem nächsten Arbeitseinsatz erst geräumt werden müssen. Oder wenn auf einem Schlag Getreide ins Lager gegangen sei.
Initiativbewerbungen statt Fachkräftemangel
Die digitale Vernetzung, Aufbereitung und Organisation von Daten ermögliche effiziente Arbeitsabläufe – mit Blick auf Mitarbeiter-Kapazitäten, den Einsatz von Maschinen oder Betriebsmitteln: „Wir kommen mit sehr wenigen Schlepperstunden aus“, betont Dörr.
Der Betrieb der Dörrs, der mit Anbietern von Landtechnik und landwirtschaftlicher Software sowie Hochschulen zusammenarbeitet, um neueste Innovationen zu testen und weiterzuentwickeln, ist nach Angaben des Geschäftsführers auch für Nachwuchskräfte attraktiv: „Wir bekommen Initiativbewerbungen. Ich spüre auf unserem Betrieb nichts vom Fachkräftemangel – im Gegenteil: Wir haben mehr Bewerber für freie Posten als wir anstellen können“, sagt Andreas Dörr. Seine Philosophie: „Unsere Mitarbeiter sollen nicht bloß Traktoristen sein. Sie sollen sich in die Planung von Betriebsabläufen aktiv einbringen.“ Auch dabei unterstützt die digitale Innovation.
Text: Stefanie Pionke, DLG-Newsroom
Der digitale Betrieb auf den DLG-Unternehmertagen 2024
Auf den DLG-Unternehmertagen 2024 vom 10. bis 11. September 2024 in Oldenburg stellt Andreas Dörr sein Konzept des digitalen Betriebs live vor im Forum der Jungen DLG mit dem Titel „Digital von A(brechnung) bis Z(ertifizierung) – Wie kann Digitalisierung Bürokratie abbauen?“. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der DLG-Unternehmertage haben dort Gelegenheit, beim Networking mit Andreas Dörr Fragen rund um die digitale Betriebsorganisation zu besprechen. Mehr Informationen zu den DLG-Unternehmertagen 2024 mit dem Leitthema „Bürokratie Managen – Freiraum schaffen“ finden Sie hier.
Zur Person
Andreas Dörr ist im Jahr 2006 in die Geschäftsleitung des Familienbetriebs Dörr-Agrar eingestiegen. Dörr hat sein Studium der Agrarwissenschaften an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf im Jahr 2008 als Diplom-Ingenieur abgeschlossen. Im Mai 2023 wurde er mit dem Zweiten Platz des Bayerischen Digitalpreises ausgezeichnet. Mit dem Preis würdigt die bayerische Landesregierung besondere Verdienste um die digitale Transformation. Im Fall des Familienunternehmens Dörr-Agrar bestehen diese Transformationsleistungen in der Entwicklung der Apps zur Steuerung der Arbeitsabläufe rund um den Hof sowie dem Aufbau eines digitalen Zwillings des Betriebs, also einer virtuellen und dreidimensionalen Kopie.
Der Betrieb
Der Ackerbaubetrieb Dörr-Agrar Pflanzenbau GmbH in der Rhön (Thüringen und Nordbayern) umfasst 1.450 ha, davon 1.000 ha Ackerland und 450 ha ökologisch bewirtschaftetes Grünland. Weizen, Futtergerste und Braugerste sowie Raps und Energiepflanzen zählen zur Fruchtfolge. Auf Pachtflächen werden Kartoffeln erzeugt. Die Braugerste wird an regionale Brauereien vermarktet. Außerdem ist das Unternehmen an einer örtlichen Biogasanlage beteiligt. Auf dem Betrieb, den Andreas Dörr gemeinsam mit seinem Vater Hubert Dörr leitet, sind gegenwärtig vier Mitarbeiter beschäftigt. Dörr-Agrar testet regelmäßig innovative Technologien in Kooperation mit beispielsweise Anbietern von Landtechnik und Software. Zudem ist der Betrieb am Deep Farming Forschungsprojekt der Universität Gießen beteiligt. Das Projekt Deep Farming wird mit EU-Mitteln gefördert und hat zum Ziel, den aktuell bestmöglichen Stand der Technik zur teilflächenspezifischen Düngung von Qualitätsweizen in der Praxis zu erproben.