Haltbarkeitstests aus sensorischer Sicht
Teil 1: Sensory Shelf Life Testing (SSLT) – Einführung und Methodenüberblick
DLG-Expertenwissen 04/2021
1. Auflage, Stand 04/2021
Autorinnen:
- Dr. Birgit Beneke,
Fachtierärztin für Lebensmittel, Dezernentin Tierische Lebensmittel, Feinkost (310), Chemisches- und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe (CVUA-OWL) AöR, Detmold
birgit.beneke@cvua-owl.de - Bettina Krämer
Site QEHS Specialist Sensory, Arla Foods GmbH, Pronsfeld
bettina.kraemer@arlafoods.com
- 1. Hintergrund und Zielsetzung
- 2. Abkürzungen
- 3. Allgemein: Haltbarkeit von Lebensmitteln und Abgrenzung der Begrifflichkeiten
- 4. Wann sollte das Haltbarkeitsdatum von Produkten überprüft werden?
- 5. Alterungsprozess bei Lebensmitteln und Einflüsse auf das Shelf life von Lebensmitteln
- 6. Shelf life Testing (SLT) speziell Sensory Shelf life Testing (SSL)
- 7. Checkliste zur Durchführung von Shelf life Tests
- 8. Fazit
- Literatur
1. Hintergrund und Zielsetzung
Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), welches seit 1981 in Deutschland und seit 2014 EU-weit verpflichtend ist, wird seit vielen Jahren intensiv diskutiert. Es gibt an, wie lange ein Lebensmittel bei fachgerechter Aufbewahrung verzehrsfähig bleibt, ohne seine qualitativen (auch sensorischen) Eigenschaften zu verlieren oder sogar gesundheitsgefährdend zu werden. Nach Zahlen des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts fallen jährlich bis zu 12 Mio. Tonnen Lebensmittelabfälle an (vgl. Abbildung 1). Die Zahlen werden allerdings auch immer wieder kritisch beleuchtet und ihre Richtigkeit in Frage gestellt, denn die Erfassung der Lebensmittelverschwendung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ist äußerst schwierig.
Um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken, verfolgt die Bundesregierung eine nationale Strategie zur Reduktion von Lebensmittelabfällen, welche im Juni 2020 durch 16 Unternehmen des LEHs in einer Beteiligungserklärung unterschrieben wurde.
Eine Rolle in dieser Thematik spielt auch das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), denn häufig wird die Bedeutung dieses Datums missverstanden. Häufig wird es mit einem Verbrauchsdatum gleichgesetzt, welches den letzten Tag der Haltbarkeit angibt, denn danach muss das Produkt aus dem Verkehr genommen werden. Im Gegensatz dazu sind Lebensmittel nach Ablauf ihres MHD durchaus noch zum Verzehr geeignet. Sie dürfen im Verkehr bleiben, allerdings unterliegen sie dann einer erhöhten Sorgfaltspflicht seitens des Inverkehrbringers. Sie werden oftmals unnötigerweise entsorgt. Auch hier versuchen bereits viele Lebensmittelhersteller und Händler gegenzusteuern, in dem sie die Kampagne „Too Good To Go“ unterstützen oder auf den Verpackungen in der Nähe der MHD-Angabe den Hinweis „Oft länger gut“ aufbringen. Dieser soll Verbraucher ermutigen, ihre Sinneswahrnehmung zur Beurteilung der Haltbarkeit bzw. der Genießbarkeit des Lebensmittels einzusetzen. Denn ein abgelaufenes Datum ist nicht gleichzusetzen mit „schlecht“ oder „gesundheitsschädlich“.
Aber was steckt wirklich alles hinter dem Begriff des „Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD)“? Welche Faktoren bestimmen die Haltbarkeit und wie lässt sich ermitteln, bis zu welchem Datum (wie lange) ein Produkt seine spezifischen, insbesondere sensorischen Eigenschaften behält? Worin liegen die Herausforderungen für Konsumenten mit einer Sinnesschwäche, z. B. einer Seh-, Geruchs- oder Geschmacksstörung? Eine Hilfestellung liefert die „Checkliste zur Beurteilung der Verzehrtauglichkeit von Lebensmitteln“ der Verbraucherzentrale Hamburg. Abbildung 2 zeigt einen Auszug daraus.
Im nachfolgenden DLG-Expertenwissen „Haltbarkeitstests aus sensorischer Sicht – Teil 1: Sensory Shelf Life Testing (SSLT) – Einführung und Methodenüberblick“ werden die wesentlichen Aspekte dargestellt, die bei Lager- bzw. Haltbarkeitstests, insbesondere hinsichtlich der Sensorik, zu berücksichtigen sind. Teil 2 der DLG-Expertenwissen-Reihe fokussiert Methoden und Fallbeispiele rund um „Beschleunigte Haltbarkeitstests aus sensorischer Sicht“. Aufgrund der Komplexität des Themas werden einige Punkte nur kurz erläutert und es wird zudem auf entsprechende Literatur verwiesen.
Ziel dieses Expertenwissens ist es, eine allgemeingültige Basis zum Einstieg in das sehr komplexe Thema zu schaffen und aufzuzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, die sensorische Mindesthaltbarkeit von Produkten zu ermitteln. Zur Veranschaulichung des Themas wurden exemplarisch Fallbeispiele aus der Praxis eingebunden. Aufgrund der Heterogenität konnten hierbei zunächst nicht alle Produktgruppen gleichermaßen berücksichtigt und thematisch umfassend bearbeitet werden. Dies ist Gegenstand weiterer Facharbeiten.
2. Abkürzungen
Da rund um die Thematik häufig sehr viele Abkürzungen verwendet werden, sind diese zunächst in einer Übersicht zusammengestellt:
- SOL – Start of Life: Produktionsdatum
- EOL – End of life oder EoSl – End of Shelf life
- MHD – Mindesthaltbarkeitsdatum (siehe Text)
- Cut off Point: Toleranzgrenze bzw. Toleranzwert in der Analytik
- OSL – Open Shelf life: Informationen auf der Verpackung, bis wann das Lebensmittel nach dem Öffnen der Verpackung noch verwendbar ist (unter Berücksichtigung der Lebensmittelsicherheit und -funktionalität)
- SL – Shelf life (siehe Text)
- Primäres Shelf life: Haltbarkeit einer verschlossenen Verpackung
- Sekundäres Shelf life: Haltbarkeit einer geöffneten Verpackung
- SSLT – Sensory Shelf life Testing bzw. SSL – Sensory Shelf life
- Use by – Verbrauchsdatum: für in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderbliche Lebensmittel
- RSLT – Real Shelf life Testing: realer umfassender Haltbarkeits-(Lager)test
- ASLT – Accelerated Shelf life Testing: verkürzter Haltbarkeits-(Lager)test
Quellen: ASTM E2454-05 (2011); sowie Hough, G. (2010)
3. Allgemein: Haltbarkeit von Lebensmitteln und Abgrenzung der Begrifflichkeiten
Nachfolgend zunächst eine Abgrenzung und Erläuterung der verschiedenen Begriffe:
Mindesthaltbarkeitsdatum Definition und Bedeutung:
EU-weit ist die Angabe eines Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) „mindestens haltbar bis…“ rechtlich vorgeschrieben. Gemäß Art. 2 Absatz 1 Buchst. r der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV; VO-EU 1169/2011) ist das „Mindesthaltbarkeitsdatum eines Lebensmittels das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält“.
Erfordern Lebensmittel besondere Aufbewahrungs- und/oder Verwendungsbedingungen, müssen diese beschrieben werden. Deren Einhaltung soll die angegebene Haltbarkeit gewährleisten. Ferner heißt es in Art. 25 der LIMV: „Um eine angemessene Aufbewahrung oder Verwendung nach dem Öffnen der Verpackung zu ermöglichen, müssen gegebenenfalls die Aufbewahrungsbedingungen und/oder der Verwendungszeitraum angegeben werden.“
Bei diversen Lebensmitteln ist eine Angabe des MHD nicht erforderlich, wie beispielsweise:
- Frisches Obst und Gemüse, sofern nicht geschält, geschnitten oder auf ähnliche Weise behandelt
- Wein, weinähnliche Erzeugnisse sowie Getränke mit einem Alkoholgehalt über 10 Vol%
- Backwaren, die normalerweise innerhalb von 24 Stunden nach Herstellung verzehrt werden
- Essig; Speisesalz; Zucker in fester Form; Kaugummi.
Gemäß Zipfel/Rathke (Kommentar zur LMIV) werden die spezifischen Eigenschaften eines Lebensmittels durch seinen Wert, insbesondere durch seinen Nähr- oder Genusswert und seine Brauchbarkeit bestimmt. Diese sind beeinträchtigt, wenn sich die Zusammensetzung eines Lebensmittels im Hinblick darauf nicht unerheblich verändert hat und das Produkt so für die Verwendung durch den Verbraucher ungeeignet wird. Bei Verlust dieser spezifischen Eigenschaften handelt es sich um Produktabweichungen, die durch den Durchschnittsverbrauchers wahrnehmbar sind; hier kann nicht auf organoleptisch geschulte Spezialisten abgestellt werden. Eine Ausnahme besteht, soweit für die Beurteilung der spezifischen Eigenschaften eines Lebensmittels Vorschriften bestehen. Dann sind diese maßgebend. Das trifft z. B. für Butter zu. Die Mindesthaltbarkeit der Deutschen Markenbutter endet, sobald sie nicht mehr gemäß § 9 Butter-Verordnung für jede der in § 7 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 genannten Eigenschaften (Geruch, Geschmack, Textur, Wasserverteilung, Streichfähigkeit) mit 4 Punkten zu bewerten ist. Ähnliche Bestimmungen gelten gemäß Käse Verordnung für Frischkäse und Käseerzeugnisse. Für den Genusswert sind insbesondere Geruch und Geschmack maßgebend, aber auch das Aussehen sowie die Konsistenz. Diese können aufgrund physikalischer, chemischer, mikrobiologischer oder enzymatischer Einflüsse verändert bzw. beeinträchtigt werden. Die Brauchbarkeit besteht insbesondere in den technologischen Eigenschaften und ist deshalb für solche Lebensmittel eine spezifische Eigenschaft, die weiterverarbeitet werden (z. B. Backeigenschaften von Fetten, Triebfähigkeit von Hefe). Dieses allerdings bedarf der fachlichen Beurteilung. (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke, 177. EL Juli 2020, LMIV Art. 24 Rn. 11-20)
Verbrauchsdatum:
Das Verbrauchsdatum ist gemäß Art. 24 LMIV bei in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblichen Lebensmitteln anzugeben; auch hier folgt der Angabe „zu verbrauchen bis…“ eine Beschreibung der einzuhaltenden Aufbewahrungsbedingungen. Diese Erzeugnisse können nach kurzer Zeit (i.d.R. nach zwei bis drei Tagen) eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Der Begriff „Verbrauchsdatum“ ist in der LMIV nicht definiert. Erfasst sind nur Lebensmittel, die aufgrund mikrobiologischer Vorgänge verderben können; das trifft nicht für Lebensmittel zu, die infolge physikalischer oder chemischer Veränderungen, wie z. B. Oxidation, verderben, z. B. Butter, zerkleinerte Nüsse oder Kokosraspel, die ranzig werden (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke, 177. EL Juli 2020, LMIV Art. 24 Rn. 30/32 und 57/58).
Die EFSA hat ein Instrument entwickelt, mit dem Lebensmittelunternehmen entscheiden können, ob sie ihre Produkte mit einem Verbrauchsdatum oder einem Mindesthaltbarkeitsdatum kennzeichnen: https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/6306 – Guidance on date marking and related food information: part 1 (date marking). Das Instrument ist als Entscheidungsbaum aus einer Reihe von Fragen aufgebaut, die Lebensmittelunternehmen beantworten müssen, um entscheiden zu können, ob ein Verbrauchsdatum oder ein Mindesthaltbarkeitsdatum erforderlich ist. Die Fragen beginnen damit, ob die Datumsangaben für eine Lebensmittelkategorie bereits gesetzlich geregelt sind, ob ein Produkt einer Behandlung zur Ausschaltung von Gefahren unterzogen wird und ob es vor der Verpackung erneut berührt wird, und reichen bis zu seinen Eigenschaften und Lagerbedingungen. Das EFSA-Gremium für biologische Gefahren wird 2021 ein weiteres Gutachten zu diesem Thema veröffentlichen. Dabei wird der Schwerpunkt auf den Informationen liegen, die den Verbrauchern über Lagerungsbedingungen und Verbrauchsfristen nach dem Öffnen und Auftauen zur Verfügung gestellt werden. Nach seiner Beschaffenheit ist ein Lebensmittel mikrobiologisch leicht verderblich, wenn die mikrobiologischen Prozesse mit der Gewinnung, Herstellung und Fertigstellung des Lebensmittels oder kurz danach einsetzen und nach der Art und Zweck des Lebensmittels nicht unterbunden werden sollen oder können, z. B. Hackfleisch, frisches Gemüse, Salat, Obst, Rohmilch. In der Regel kann also davon ausgegangen werden, dass Lebensmittel leicht verderblich sind, wenn sie nicht durch Konservierung, Art der Verpackung oder auf andere Weise (Tiefgefrieren) für einen längeren Zeitraum haltbar gemacht sind. Da es für „leicht verderbliche Lebensmittel“ keine abschließende Definition gibt, entscheidet der Lebensmittelunternehmer, ob er sein Produkt mit einem Mindesthaltbarkeits- oder mit einem Verbrauchsdatum in den Verkehr bringt. Aufgrund seiner eigenen Produktionsfaktoren und den zu erwartenden Lagerungs- und Vermarktungsbedingungen, muss er als Kennzeichnungspflichtiger feststellen, ob das von ihm in den Verkehr gebrachte Lebensmittel nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit darstellen kann und damit nach seiner Beschaffenheit sehr leicht verderblich ist (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke Art. 24 Rn. 61, 67, 68).
Während viele Lebensmittel nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch verzehrfähig sind und im Verkehr bleiben dürfen, gelten Lebensmittel nach Überschreiten des Verbrauchsdatums als nicht sicher im Sinne von Artikel 14 Absätze 2 bis 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Lebensmittelbasisverordnung). Sie müssen aus dem Verkehr genommen werden.
Shelf life:
Der Begriff Shelf life (SL) wird heute verwendet und mit dem Begriff des MHD gleichgesetzt. Prüft man jedoch die Bedeutung wird schnell klar, dass es keine einheitliche Abgrenzung gibt. Gemäß dem Institute of Food Science and Technology (IFST, 1993) gilt: „Shelf life is defined as the time during which the food product will: remain safe, be certain to retain desired sensory, chemical, physical and microbiological characteristics, comply with any label declaration of nutritional data. The Shelf life of food depends on its nature, the preservation treatments it has been subjected to, and its packaging. Producers must determine and assign the Shelf life of their product, noting the legal requirements that a food must be of the nature, substance and quality expected by the consumer; and not injurious to health.“ Als Haupteinflussfaktoren für die Festlegung des Shelf lifes lassen sich demnach zusammenfassen: die Art der Zusammensetzung, die Art der Haltbarmachung und die Art der Verpackung eines Lebensmittels. Dabei ist die mikrobiologische Beschaffenheit (Stabilität) von besonderer Bedeutung, neben der Funktionalität und den sensorischen Eigenschaften des Produktes. Die Abbildung 3 gibt einen Überblick über die drei wesentlichen Faktoren zur MHD Festlegung.
4. Wann sollte das Haltbarkeitsdatum von Produkten überprüft werden?
Seit dem 1. Januar 2006 sind für Unternehmer in der Lebensmittelbranche Eigenkontrollen i.S.d. VO (EG) 852/2004 bezüglich der Lebensmittelhygiene verpfl ichtend. Durchgeführte und dokumentierte Kontrollen dienen als Nachweis der Sorgfaltspflichten im Umgang mit Lebensmitteln. Dazu zählen auch regelmäßige Untersuchungen zur Überprüfung der Haltbarkeit, die gegenüber der Lebensmittelüberwachung als Nachweise vorliegen müssen. Im Rahmen der Eigenkontrollen umfasst ein Haltbarkeitstest am Tag des festgelegten Mindesthaltbarkeitsdatums, nach standardisierter Lagerung (abhängig von der Kühlbedürftigkeit) in der Regel sowohl eine sensorische als auch eine mikrobiologische Analyse. Denn neben den spezifischen (sensorischen) Eigenschaften müssen auch die mikrobiologischen Anforderungen bis zum Ende der Haltbarkeit erfüllt werden. Im Fall von sensorischen Abweichungen, z. B. Verderb, lässt sich dann auch erkennen, ob Mängel in der Guten Hygienepraxis vorliegen.
Das gilt auch bei Neuentwicklungen in Bezug auf das Produkt, den Prozess oder die Verpackung.
Produktneuentwicklungen:
Die Ermittlung eines MHDs erfolgt i. d. R. bei neuen Produkten ohne konkreten Hinweis auf die mögliche Haltbarkeit oder dient ggf. auch zur Überprüfung der Angaben zur Haltbarkeit bzw. zum MHD schon existierender und der Neuentwicklung ähnlicher Produkte.
Bei neuen Produkten kann ein Lagertest notwendig sein, um folgende Parameter zu überprüfen:
- die physikalische Stabilität (z. B. bei Milchprodukten: Absetzen, Aufrahmen, Überprüfung der Stabilisierungssysteme) aber auch:
- die sensorische Stabilität (z. B. bei Einsatz geschmacklich relevanter Zutaten wie z. B. Zucker/ Süßungsmittel, Aromakomponenten, Kulturen etc. oder auch infolge von Rezeptur- oder Lieferantenänderungen bei kritischen Zutaten mit großem Einfl uss auf die Lagerstabilität)
- die mikrobiologische Stabilität (z. B. bei Joghurt bei Anwendung neuer oder Kombination verschiedener Mikroorganismen-Kulturen)
Monitoring:
Ergänzende Überprüfungen im Verlaufe der Haltbarkeit (Monitoring) sollten erfolgen, wenn Produkt-/Qualitätsschwankungen auftreten. Weiterhin sollte das MHD überprüft werden, sofern Veränderungen von Verpackungsmaterialien bzw. Neueinführungen von Verpackungsmaterial mit neuen oder unbekannten Eigenschaften, z. B. Barriere-Eigenschaften erfolgen, eine Einführung neuer Technologien oder eine Veränderung der Prozessparameter mit hohem Einfluss auf die Produktqualität stattgefunden hat, oder wenn die Fermentationsbedingungen verändert wurden, z. B. neue Kulturen bei Joghurt. Grundsätzlich empfi ehlt es sich, ein entsprechendes Monitoring-System aufzubauen (Hinweise zu möglichen Prüfintervallen und Bewertungskriterien erfolgen unter Punkt 6).
Weitere Gründe zur Durchführung und Verankerung von Haltbarkeitstests im QM-System wären: Vermeidung von Recalls/ Reklamationen, Sicherung der Marke und Reputation, Profi tabilitätssteigerung, Konsumentenschutz und, um regelmäßig das festgelegte MHD zu validieren, Sicherstellung der Qualität, Monitoring/ Sammlung von Validierungsdaten, Änderung von Lieferanten. (Quelle: Meier, J., Praxishandbuch Sensorik in der Produktentwicklung und Qualitätssicherung)
Um einen Shelf life Test zu planen und durchzuführen, müssen zunächst die möglichen Faktoren, die Einfl uss auf eine Produktveränderung haben (vgl. Abbildung 4) und die Alterungsprozesse des jeweiligen Produktes definiert und ggf. gewichtet werden.
Generelle Einflussfaktoren auf das Shelf life (Haltbarkeit) können sein: Rohmaterial/Rohstoffe, Art der Haltbarmachung, Verpackung, Temperatur/Lagerungsbedingungen, Hygiene, voraussichtliche Verwendungen nach dem Öffnen etc.. Diese lassen sich in extrinsische und intrinsische Einflussfaktoren unterteilen, die sowohl einzeln als auch in Wechselwirkung auftreten und maßgeblichen Einfluss auf die spezifischen, insbesondere sensorischen Eigenschaften des Lebensmittels haben.
5.1 Extrinsische Einflussfaktoren
Extrinsische Einflussfaktoren wirken von außen auf das Produkt ein und sind i. d. R. beeinflussbar. D. h., es handelt sich um Einflussgrößen, die auf das fertige Lebensmittel während der Lagerung und Distribution einwirken.
Demnach werden sie auch zur Forcierung der Alterung des Produktes eingesetzt. Generell unterscheidet man zwischen primären und sekundären extrinsischen Einflussfaktoren. Zu den primär wirkenden Einflussfaktoren zählen Temperatur, Druck, Licht, Zeit und Feuchtigkeit. Zu den sekundär wirkenden Einflussfaktoren zählen z. B. Transport. (Kilcast, 2011)
5.2 Intrinsische Einflussfaktoren
Intrinsische Einflussfaktoren werden durch das Lebensmittel selbst sowie durch Produktions-/ Prozessbedingungen wie z. B. Erhitzungsbedingungen und u. a. dem hygienischen Status der Umgebungsbedingungen bestimmt. Es sind Einflussgrößen des fertigen Produktes, welche maßgeblich durch die Qualität der Ausgangsrohstoffe des Lebensmittels bestimmt werden oder u. a. auch Mängel in der Prozesshygiene, die ständig zu hinterfragen sowie mittels mikrobiologischer Untersuchungen zu überprüfen sind. (Robertson, 2016).
Das Zusammenspiel oder die Veränderungen, ausgelöst durch die intrinsischen und extrinsischen Faktoren, können unterteilt werden in mikrobiologische, chemische, physikalische und temperaturbedingte Reaktionen und Veränderungen. Diese wiederum manifestieren sich letztlich in sensorischen Veränderungen des Produktes (Kilcast, 2011). (Vgl. Abbildung 5).
Zusammenfassend gibt die nachfolgende Tabelle 1 einen Überblick über die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Produktqualität,
die es generell bei Haltbarkeitstests zu berücksichtigen gilt:
Tabelle 1: Einflussfaktoren auf die Produktqualität im Überblick
Intrinsische Faktoren | Extrinsische Faktoren |
|
|
Quelle: In Anlehnung an Kilcast, 2011, The stability and shelf-life of food
Diese o. g. Faktoren sind zunächst allgemeingültig. Im speziellen Fall sind sie jeweils produktspezifisch zusammenzustellen, so dass das entstehende
Testprozedere letztlich spezifisch für die einzelnen Produkte ist. Wie sich das letztlich darstellt, sollen die Beispiele in den Tabellen 2 bis 5 aufzeigen.
Tabelle 2: Folgen von Alterungsprozessen am Beispiel „Obst und Gemüse“
Produkt | Folgen von Alterungsprozessen | Qualitative Veränderungen |
Früchte |
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Kartoffeln |
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Krautsalat |
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Schnittsalat |
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Obstkonserven |
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Quelle: Auszug aus Kilcast, 2011
Tabelle 3: Folgen von Alterungsprozessen am Beispiel „Dairy products“
Produkt | Folgen von Alterungsprozessen | Qualitative Veränderungen |
Eiskrem |
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Milch |
| Ranzigkeit, Bildung von Fehlaromen |
Butter |
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Käse |
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Joghurt |
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Quelle: Auszug aus Kilcast, 2011
Tabelle 4: Folgen von Alterungsprozessen am Beispiel „Fleisch & Fleischerzeugnisse“
Produkt | Folgen von Alterungsprozessen | Qualitative Veränderungen |
Frischfleisch (rot) |
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TK-Fleisch |
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Würstchen, Schinken |
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Quelle: Auszug aus Kilcast, 2011
Tabelle 5: Folgen von Alterungsprozessen am Beispiel „Getränke“
Produkt | Folgen von Alterungsprozessen | Qualitative Veränderungen |
Kohlensäurehaltige Getränke |
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Bier |
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Fruchtsäfte |
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Quelle: Auszug aus Kilcast, 2011
Einige Faktoren können entweder das Shelf life verkürzen, andere wiederum können auch die Haltbarkeit begünstigen und durchaus verlängern
z. B. Reifeprozess bei Käse. Somit sollten für jedes Produkt die individuellen qualitätsgebenden Eigenschaften benannt und ggf. gewichtet werden.
Die daraus resultierenden Qualitätskriterien, die ebenfalls in den Produktspezifikationen zu beschreiben sind, müssen bei der Produktbewertung während
der Haltbarkeitstests beurteilt werden und sind bei der Festlegung des MHDs entsprechend zu berücksichtigen.
Dabei sind die nachfolgenden Aspekte maßgebend (vgl. Tabelle 6):
Tabelle 6: Einige wichtige Do/ Don`ts zur Ermittlung der Haltbarkeit
Do | Don't |
---|---|
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Quelle: FDF- Präsentation: Industry guidance on setting product shelf-life; Nov 2017, Version 1
6. Shelf life Testing (SLT) speziell Sensory Shelf life Testing (SSL)
Nachdem die vielfältigen Einflussfaktoren auf die Produktqualität im Rahmen der Lagerung dargestellt wurden, werden nachfolgend verschiedene Methoden zur Durchführung von sensorischen Haltbarkeits- bzw. Lagertests aufgezeigt. Dabei wird zwischen „Direkten Methoden (RSLT)“ und „Indirekten Methoden (ASLT)“ unterschieden.
6.1 Direkte Methode (RSLT – Real Shelf Life Test)
Die direkte Methode (auch RSLT-Real Shelf Life Test) stellt einen Lagertest unter definierten Bedingungen für eine definierte Zeitperiode (mindestens die zu erwartende Haltbarkeit) und Überprüfungen in einem definierten Zeitintervall dar. Bei den realen Lagertests sollten auch die Kundenanforderungen bzgl. Lagerdauer berücksichtigt werden, die meistens über das gesetzte MHD hinausgehen. Beispiele zu möglichen Prüfintervallen werden unter Abschnitt 6.3 behandelt.
6.2 Indirekte Methode (ASLT – Accelerated Shelf Life Test)
Unter den indirekten Methoden (auch ASLT = Accelerated Shelf Life Tests genannt) versteht man beschleunigte Alterungstests und/ oder prognostizierte Alterungsmodelle (meistens für mikrobiologisches Wachstum). Diese indirekten Verfahren lassen sich unter anderem durch eine Erhöhung der Lagerungstemperatur durchführen, wodurch eine Beschleunigung der Alterung des Produktes erfolgt und somit die Lagerzeit und Testdauer reduziert werden kann. Benefits sind unter anderem eine deutliche Zeitersparnis, so dass Produktveränderungen schneller sichtbar werden. Häufig werden diese Art von Tests angewendet bei eher langlebigen Produkten (d. h. Produkten mit langem Shelf life). Wenngleich diese Art der Testdurchführung verlockend klingt, gilt es die Risiken im Blick zu behalten. Denn durch eine forcierte Lagerung werden nicht nur Prozesse in Gang gesetzt, die unter realen Lagerungsbedingungen erfolgen würden, sondern es können darüber hinaus weitere „neue“ Reaktionen und in Folge weitere Qualitätsveränderungen ausgelöst werden.
Bei den indirekten Methoden unterscheidet man zwei Test-Typen:
6.2.1 Accelerated Shelf Life Tests (ASLT):
Mittels ASLT lassen sich durch Forcierung der Alterungsbedingungen z. B. Erhöhung der Lagerungstemperatur u. a. eine beschleunigte Alterung hervorrufen. Weitere Behandlungsmöglichkeiten und ihre erzielten Ergebnisse sind in Tabelle 7 dargestellt. Darüber hinaus sind im Teil 2 dieses Expertenwissens weiterführende Informationen und Fallbeispiele diesbezüglich aufgeführt.
Tabelle 7: Beispiele für Methoden zu beschleunigten Produkt- / Qualitätsveränderungen
Produkt | Behandlung | Beschleunigte Qualitätsveränderungen |
---|---|---|
Konserven |
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Bier |
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Kuchen und Gebäck |
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Emulgierte Produkte |
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Dickungsmittel |
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Tiefkühlprodukte |
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Verpackte Produkte |
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Quelle: Auszug aus Kilcast, 2011
6.2.2 Predictive models:
Bei diesen Methoden werden verschiedene Rechenmodelle zur Simulation von mikrobiologischem Wachstum verwendet. Hierbei wird das Zusammenspiel zwischen intrinsischen und extrinsischen Faktoren sowie der Einfluss und die Charakteristika von Mikroorganismen mit einkalkuliert, so dass sich vor allem im mikrobiologischen Bereich Aussagen zur Haltbarkeit machen bzw. über diese Art simulieren lassen. Hierbei kann der Fokus auf verschiedenen Verderbnisprozessen liegen, z. B. auf Oxidation oder auf bakteriellem Verderb. Die Durchführung dieser modellgestützten Haltbarkeitsszenarien ist zwar deutlich schneller als vergleichbare RSLT, allerdings sind hierbei aber auch keine Konsumententests integriert. Die nachfolgende Tabelle 8 gibt einen ersten Überblick über die Vor- und Nachteile der Methoden. Darüber hinaus sind weitere Details im 2. Teil dieses DLG-Expertenwissens beschrieben. (Quelle: Reinelt, Dr.M. (2018); Wunderlich, J. (kein Datum); Kilcast, 2011)
Tabelle 8: Übersicht Vor- und Nachteile von RSLT und ASLT
RSLT | ASLT | |
Vorteile |
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Nachteile |
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|
Quelle: Eigene Darstellung
6.3 Beurteilungs- und Messverfahren während des Shelf life Testings
Im Rahmen des Shelf life Testings muss zunächst die gute Hygienepraxis bei der Herstellung der Produkte inklusive ihrer mikrobiologischen Sicherheit kontinuierlich überwacht und überprüft werden. Zusätzlich werden chemisch-physikalische und sensorische Methoden eingesetzt. Die nachfolgend beschriebenen Messverfahren fokussieren sensorische Methoden, sind aber – gerade v. a. bzgl. des Proben- und Testdesigns – gleichfalls für mikrobiologische und chemisch-physikalische Analysen relevant.
6.3.1 Sensorik (Sensorisches Shelf Life Testing – SSLT)
Probenmaterial
Prüfmuster: Die zu prüfenden Probenmaterialien müssen repräsentativ für das zu testende Produkt sein (bezogen auf Rezeptur, Prozess, Verpackung). Das Probenmaterial sollte bestenfalls in der für den späteren Vertrieb vorgesehenen Verpackung vorliegen. Alternativ können auch Proben aus Vorversuchen in einer Testverpackung als Vortest verwendet werden. Als Referenzmuster kann der bisherige Standard (bei z. B. Rezepturwechsel) gewählt werden, eine für jede Untersuchung frisch hergestellte Ware, ein kühl gelagertes Produkt sowie Marktmuster, deren Qualität angestrebt werden soll (Benchmark). Auch hier ist es wichtig, mit den gleichen homogenen Bedingungen oder Ausgangssituationen der Proben zu arbeiten (z. B. gleiches Alter der Proben, gleiches Produktionsdatum). (Quelle: DIN ISO 16779:2018-05)
Sensorik Panel
Wie aus den Definitionen zum Begriff MHD oder Shelf life hervorgeht, stellt der EoSI (End of Shelf life) den Punkt dar, bis zu dem das Produkt „akzeptabel“ ist. Dies lässt durchaus viel Spielraum in der Interpretation, der Festlegung von qualitätsgebenden Merkmalen und der Art der Prüfung. Eine Art der Prüfung kann die sensorische Bewertung der Produkte sein.
- Geschultes Panel
Zur Beurteilung der Proben aus Lagertests werden häufig interne Prüfer aus der Qualitätssicherung eingesetzt, die methoden- und produktspezifisch geschult sind (siehe DLG-Expertenwissen und Fachliteratur zum Panelaufbau). - Konsumentenpanel
Neben der qualitativen Beurteilung der Proben sollte der EoSl ebenfalls durch Konsumenten begutachtet werden. Dies findet aktuell in der Praxis nur selten oder gar nicht statt, da das MHD häufig auf Erfahrungswerten basiert, die lediglich unternehmensintern überprüft werden. Weiterhin kann das Qualitätsverständnis der Konsumenten aus unterschiedlichen Distributionen deutlich anders sein.
Proben- und Test-Design
Im Rahmen von Lagertests sollte das Test-Design definiert werden. Dabei muss der Ausgangszeitpunkt, d. h. Start des Testbeginns, festgelegt werden. Dieser kann dem Produktionsdatum entsprechen, dem Zeitpunkt der Auslieferung, dem Zeitpunkt bei Erreichen des Konsumenten oder dem Zeitpunkt, zu dem das Produkt ein gewünschtes Gleichgewicht erreicht hat z. B. Abbau der Laktose bei laktosefreier Milch. (Quelle: DIN ISO 16779)
Die Festlegung der Prüfdauer und der Testintervalle ist abhängig von der Art des Produktes und wann zu erwartende Veränderungen stattfinden. In der Norm DIN 10968 (abgelöst durch die DIN ISO 16779) werden dazu folgende Vorschläge gemacht (Prozentangaben bezogen auf die Mindesthaltbarkeitsspanne):
- Neuentwicklungen: es liegen keine Kenntnisse zum MHD und zu Produktveränderungen vor: Untersuchungsintervalle 0/ 25/ 50/ 75/ 100/ 125 %
- Produkte, bei denen Produktveränderungen in der ersten Hälfte des Lagerzeitraums stattfinden: 0/ 15/ 30/ 50/ 100 %
- Produkte, bei denen Produktveränderungen in der Schlussphase der Lagerung auftreten: 0/ 50/ 65/ 80/ 90/ 100/ 110 %
Weiterhin sollte die Anzahl an Tests bzw. an Wiederholungsprüfungen definiert werden. Somit stellen z. B. drei Versuche zu Festlegung und Absicherung des MHDs eine gute Testanzahl dar.
Dabei sind die nachfolgenden drei Probendesigns möglich (vgl. Abbildung 6), wobei jedes Design zu jedem Zeitpunkt beendet werden kann, sofern die Produktqualität sich im Testverlauf so stark verändert hat, dass die Qualitätsanforderungen nicht mehr gewährleistet werden können:
a) Im Standard-Probendesign (vgl. Kilcast, 2011) wird Probenmaterial einer Charge in ausreichender Menge produziert und eingelagert. Diese Charge wird bis zum gesetzten Testende in festgelegten Untersuchungsintervallen nach zuvor festgelegten Kriterien geprüft. Diese Art der Bewertung ist stark verbreitet und findet sich im Monitoringsystem wieder. Nachteile sind, dass viel Zeit und Ressourcen benötigt werden, da ausreichend Probenmaterial eingelagert werden muss, um sicherzustellen, dass auch bis zum möglichen Ende der Haltbarkeit eine ausreichende Anzahl von Proben vorliegt. Zudem liegt das Testergebnis erst bei Ablauf des MHDs vor. Für die Prüfer kann es zudem schwierig sein, die Art und Intensität der Probenabweichungen im Vergleich zum lange zurückliegenden Ausgangspunkt zu bewerten.
b) Beim Umgekehrten-Probendesign (vgl. Kilcast, 2011) werden Proben verschiedener Chargen und Zeitpunkte entnommen, untersucht und bewertet. Somit liegen unterschiedlich alte Proben verschiedener Chargen zu einem Untersuchungszeitpunkt (Global Test) vor. Vorteil ist, dass die Proben nebeneinander bewertet werden können. Nachteil ist, dass die Methode nur für sehr homogene Proben empfohlen wird. Weiterhin können andere Einflüsse wie z. B. Schwankungen im Prozess, Rohwarenqualitäten, hygienische Bedingungen die Homogenität des Probenmaterials beeinflussen, sodass sich bereits dadurch Veränderungen ergeben.
c) Das Mischprobendesign (Arla, eigene Darstellung) ist eine Kombination der beiden zuvor genannten Methoden. Zunächst wird Probenmaterial der Charge 1 gezogen. Zum nächsten festgelegten Untersuchungszeitpunkt wird Probenmaterial der Charge 2 gezogen, welches gleichzeitig die Referenz darstellt. Zum nächsten Untersuchungszeitpunkt wird Charge 3 gezogen. Somit liegen 3 Chargen unterschiedlichen Alters vor. Charge 1 – und sofern erforderlich oder machbar – auch die beiden anderen Chargen werden bis Ende der Haltbarkeit untersucht und bewertet. In einem Globaltest werden am Ende eine Reihe von Proben unterschiedlichen Alters in einem Test begutachtet. Nachteil ist, dass für die Methode sehr viel Zeit, Lagerkapazitäten und Probenmaterial erforderlich sind. Vorteil ist jedoch, dass sie gleichzeitig die Möglichkeit bietet, die Ergebnisse kontinuierlich zu sammeln und somit jederzeit bei Bedarf auch abgebrochen werden kann.
Lagerungsbedingungen
Lagerungsbedingungen unter RSLT (Real Shelf Life Tests): Die Proben werden unter den üblichen Standardbedingungen (Best Case; nach Herstellerangaben) gelagert, z. B. würde die Kennzeichnung der Temperaturanforderungen in Verbindung mit dem MHD oder Verbrauchsdatum „bei max. 7°C haltbar bis ...“, eine Lagerung bei Temperaturen darunter erfordern (z. B. 6 °C). Für kühlpflichtige Produkte (chilled) werden Temperaturen von 5-8 °C verwendet, für haltbare Produkte (ambient) 20 °C +/- 2 °C. Generell gilt es auch zu beachten, welche Temperaturen als „Standardtemperaturen“ in anderen Ländern verwendet werden. So liegen die möglichen Kühlschranktemperaturen (chilled conditions) in anderen Ländern häufig tiefer oder ggf. höher, während die Definition von einer „ambient“ Lagerung ebenfalls von ca. 18-25 °C reichen.
Lagerung unter Worst-Case-Bedingung / forcierte Lagerungen: Die forcierte Lagerung dient nicht nur für ASLT Tests, sondern auch, um mögliches Verbraucherverhalten, (Worst Case) Szenarien und Transportbedingungen abzubilden.
6.3.2 Sensorische Methoden zur Bewertung von Stabilitätsveränderungen während der Lagerung/Haltbarkeit von Produkten
Trainierte Sensorikpanels (Humansensorik)
Die Auswahl und der Einsatz unterschiedlicher sensorischer Methoden hängt von der Fragestellung ab. Nachfolgend werden nur einige mögliche Methoden vorgestellt und es wird auf entsprechende weiterführende Literatur und die dazugehörigen Normen verwiesen.
Diskriminative Untersuchungen – Unterschiedstests
Unterschiedstests können angewendet werden, um festzustellen, ob ein Unterschied zwischen zwei Proben vorliegt. (z. B. DIN 16779 bzw. DIN EN ISO 4120). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Vorfeld sehr homogenes Probenmaterial eingesetzt wird. Weiterhin sollten sich die zu vergleichenden Proben bei z. B. Rezepturwechsel nur in wenigen Variablen unterscheiden. Alter der Proben, Prozess, Verpackung, Lagerung etc. sollten gleich sein, ansonsten führt ein signifikanter Unterschied zu einem falsch interpretierten Ergebnis. Genauere Erläuterungen zur Durchführung eines Unterschiedstests werden hier nicht aufgeführt, sondern es sei auf die entsprechenden Normen verwiesen. HOUGH 2010 rät von dem Einsatz von Unterschiedstests/ Triangeltests im Rahmen von SSL-Tests ab.
Deskriptive Prüfungen – Profilprüfungen
Beschreibende Prüfungen können und sollten eingesetzt werden, wenn mehrere Merkmalseigenschaften zu einer Veränderung der Produktcharakteristika führen oder dadurch das Shelf life limitieren könnten. Deskriptive Prüfungen liefern häufig detaillierte Informationen zum Produkt, die Rückschlüsse ermöglichen bzgl. sensorischer Eigenschaften mit Relevanz für die sensorische Akzeptanz oder auch den Einfluss des Prozesses oder der Verpackung auf die sensorischen Eigenschaften des Produktes etc. Der Einsatz der deskriptiven Prüfungen kann auch hilfreich sein, einen Goldenen Standard (GS) für die jeweiligen Produkte zu erstellen, um anschließend im Rahmen von Lagertests die Art und Intensität der Veränderungen bewerten zu können (Hough 2010). Neben Profilprüfungen können auch andere beschreibende Prüfungen eingesetzt werden.
Methode orientiert an einer „Beschreibenden Prüfung mit anschließender Bewertung“ und Einbindung von Gewichtungsfaktoren und einer Qualitätszahl
Wie bereits unter Punkt 5 beschrieben, verändert sich abhängig vom Produkt und den Umfeldbedingungen im Rahmen der Lagerung die sensorische und physikalische Stabilität in unterschiedlicher Weise und Intensität. Dabei spielt ebenfalls die Funktionalität des jeweiligen Produktes eine große Rolle. Mit Hilfe einer sensorischen Analyse durch geschulte Prüfer lassen sich diese Stabilitätsveränderungen messen und bewerten. Wie eingangs beschrieben, sollten dazu zunächst für jedes Produkt die qualitätsgebenden Merkmale bzw. Veränderungen definiert und ggf. gewichtet werden (vgl. Tabelle 9).
Die Bewertung der Proben könnte analog dem DLG-5-Punkte-Prüfschema® erfolgen, wobei die Angabe 5 Punkte bedeutet, dass das Produkt in Ordnung ist und keine Abweichung aufweist, die Angabe von 1 Punkt hingegen signalisiert, dass eine sehr starke Abweichung vorliegt und 0 Punkte aussagen, dass das Produkt nicht mehr akzeptabel ist. Werden diese einzelnen Merkmale im Rahmen der Lagertests anhand dieses festgelegten Bewertungsschemas beurteilt, kann anschließend eine sogenannte Qualitätszahl QZ ermittelt werden. Durch Hinterlegung von Grenzbereichen und farblicher Gestaltung als Ampelsystem, lässt sich somit schnell eine Veränderung ermitteln und übersichtlich darstellen (vgl. Abbildung 7).
Tabelle 9: Mögliche Qualitätsmerkmale für H-Sahne (schematisiert, stark vereinfacht)
Qualitätsmerkmale | Aussehen | Geruch | Geschmack | Textur/ Konsistenz | Aufrahmung | Synärese | Aufschlagtest | Viskosität | Gelierung |
Gewichtungsfaktor | 2 | 3 | 5 | 2 | 2 | 2 | 3 | 0 | 1 |
Quelle: Arla
Abbildung 7: Ergebnisse aus einem Lagertest (schematische Darstellung, vereinfacht)
Untersuchungsdatum | 07.01. | 30.03. | 14.05. | 28.06. | 12.08. | 26.09. | 20.11. | 30.12. | 07.01. Folgejahr | 15.01. Folgejahr |
Qualitätszahl | 5,00 | 5,00 | 5,00 | 4,00 | 4,00 | 3,75 | 3,30 | 3,00 | 2,60 | 2,60 |
Bewertungsschema (Punkte-Skala): 5 = ok, keine Abweichung; 4 = leichte Abweichung 3 = deutliche Abweichung; 2 = starke Abweichung 1 = sehr starke Abweichung; 0 = nicht mehr akzeptabel | Qualitätszahl: | QZ > 3,5 | 3,5 ≥ QZ≥ 3 | QZ < 3 |
Quelle: Arla
Instrumentelle Sensorik/Laboranalytik
Neben der Humansensorik empfiehlt es sich, die Paneldaten aus Shelf life Tests mit entsprechender instrumenteller Analytik abzugleichen bzw. zu ermitteln, inwiefern die Daten beider Messvarianten (Humansensorik vs. instrumentelle Sensorik) korrelieren. Vor allem bei Shelf life Tests, die über einen sehr langen Zeitraum durchgeführt werden, kann es sinnvoll sein, die Produktveränderungen, hier v. a. das Aromaspektrum auch analytisch zu erfassen. Die damit erhaltenen Messwerte können das sensorische Ergebnis untermauern und/ oder helfen, die Produktveränderungen noch detaillierter zu betrachten. Häufig sind die Analysenverfahren im Unternehmen selbst nicht realisierbar – auch, da die entsprechende Messtechnik im eigenen Labor nicht vorliegt – so dass eine externe Analytik herangezogen werden muss. Während durch die Sensorik überwiegend die Merkmale Aussehen und Geruch / Geschmack bewertet werden, können durch passende Analytik die physikalischen Veränderungen mit Hilfe von z. B. Texture Analyzer oder Rheometern sowie die chemischen Veränderungen im Aromaprofil mit Hilfe von z. B. „instrumenteller Sensorik / elektronischen Nasen / Gaschromatographie o. ä.“ gemessen werden. Seit einigen Jahren werden unter dem Begriff „Instrumentelle Sensorik“ verschiedene Messverfahren zusammengefasst, die die Humansensorik gezielt unterstützen und ergänzen sollen.
7. Checkliste zur Durchführung von Shelf life Tests
Die in Abbildung 8 dargestellte Übersicht stellt eine erste Checkliste dar, die bei der Konzeption und Durchführung von Shelf life Tests in der Praxis wertvolle Unterstützung bieten kann.
8. Fazit
Aus den oben genannten Aspekten wird deutlich, dass Haltbarkeitstests produktspezifisch erfolgen müssen und somit individuelle Testdesigns erforderlich sind. Eine der größten Herausforderungen ist jedoch die anhaltende Beschleunigung der Produktentwicklungszyklen, die den Ruf nach Methoden zu verkürzten Haltbarkeitstests lauter werden lassen. In der Praxis erfolgen so natürlich auch viele Festlegungen bzgl. Haltbarkeiten auf Basis von Erfahrungswerten und aus Daten von Eigenkontrolluntersuchungen sowie von ergänzenden Monitorings. Natürlich müssen nicht immer alle Punkte im zuvor geschilderten Umfang abgearbeitet werden. Aber es gilt v. a. stets die Key Faktoren einer Shelf life-Studie, d. h. Sicherheit, Qualität/Sensorik und Funktionalität im Blick zu behalten und diese innerhalb einer Risikobewertung nach einem definierten Entscheidungsbaum mit sinnvollen Testmethoden zu untersuchen.
Aber im Zuge der globalen Distribution, Veränderungen von Verpackungen (auch im Zuge von Nachhaltigkeit) wachsen auch die möglichen Einflussfaktoren sowie die unterschiedlichen Anforderungen und Applikationen, die es zu berücksichtigen gilt. Weiterhin müssen der Konsument und dessen Qualitätsverständnis Berücksichtigung finden, welches in den meisten Fällen in der Lebensmittelpraxis aktuell noch zu wenig beachtet wird.
Literatur
- DIDIER, C., AYOUNI, F. (2015): Analysis Report of UHT Milk Shelf-life Tests with heracles e-nose, Report Nr. 2290, Alpha Mos Toulouse
- FDF Food Drink Federation (2017): Industry guidance on setting product shelf-life. Präsentation. November 2017, Version 1
- FSAI Food Safety Authority of Ireland (2017): Guidance Note No. 18 validation of Product Shelf-life (Revision 3). 2017.
- HOUGH, G. (2010): Sensory Shelf-life Estimation of Food Products. 1. Auflage, New York: CRC Press.
- KILCAST, D.; SUBRAMANIAM, P.: The stability and shelf-life of food; Woodhead Publishing Limited and CRC Press LLC; 2000 und 2011
- Kaufland schließt sich „Oft länger gut“-Kampagne mit Frischmilch an https://www.yumda.de/news/1165738, Stand: 08.04.2020
- Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 (Lebensmittelinformationsverordnung); https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02011R1169-20140219&from=DE und Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 (Basisverordnung); https://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.douri=CONSLEG:2002R0178:20080325:de:PDF
- Lebensmittelverschwendung reduzieren: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/102-lebensmittelverschwendung.html;jsessionid=81875E3DDD706618EBBF6F59089D347E.internet2832, Stand 05.07.2020
- MEIER, J. (Hrsg.): Praxishandbuch Sensorik in der Produktentwicklung und Qualitätssicherung; 48. Aktualisierung; Behr’s Verlag GmbH und Co. KG; Hamburg; 2020
- Zu gut für die Tonne: https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/089-bundespreis-zu-gut-fuer-die-tonne.html Stand 05072020
- REINELT, Dr. M.: Modellgestützte Haltbarkeitsabschätzung bei milchbasierten Lebensmitteln; Präsentation 2018; 10. MIV Ideenbörse Forschung; Fa. Klevertec
- ROBERTSON, G.L. (2016): Food Packaging and Shelf Life. CRC Press Shema, A. (2015): The process of conducting a shelf life study; mocon; Präsentation
- SHEMA, A. (kein Datum): Shelf life Studies Basics-Concepts-Principles; mocon, Präsentation
- VALERO, A., CARRASCO, E. & GARCIA-GIMENO, R. M. (2012): Principles and Methodologies for the determination of shelf-life in Foods.
- WUNDERLICH, J., HASS, A.: Klevertec – Ihr Entwicklungspartner im Bereich Haltbarkeitsoptimierung; Firmenpräsentation
Abbildungen:
- Abbildung 1: https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/lebensmittelverschwendung/studie-lebensmittelabfaelle-deutschland.html Stand: 05072020
- Abbildung 2: https://utopia.de/mindesthaltbarkeitsdatum-diese-checkliste-zeigt-wie-lange-lebensmittel-wirklich-halten-82095/ Datum: 22.05.2020
Auszug relevanter Normen/ Standards
Deutsche Normen:
- DIN ISO 16779:2018-05 (Ersatz für DIN 10968:2003-12): Sensorische Analyse-Beurteilung (Ermittlung und Überprüfung) der Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln
- DIN 10968-2003-12: Sensorische Prüfung Ermittlung und Überprüfung des Mindesthaltbarkeitsdatums von Lebensmitteln. Dt. Fassung. Berlin: Beuth Verlag
Internationale Normen:
- ASTM E2454-05 Standard Guide for Sensory Evaluation Methods to Determine the Sensory Shelf life of Consumer Products; American Society for testing of materials; West Conshohocken, Pennsylvania
- Afnor NF-01-003: Lignes directrices pour la realisation de tests de vieillissement microbiologique (Sicherheit von Nahrungs- und Lebensmitteln-Leitlinien für die Umsetzung mikrobiologischer Haltbarkeitstests- gekühlte verderbliche Lebensmittel und sehr leicht verderbliche Nahrungsmittel)
- Afnor NF08-408: Contrôle de la stabilité des produits appertisés et assimilés (Lebensmittel und Futtermittel Mikrobiologie – Kontrolle der Haltbarkeit von Konserven und ähnlichen Produkten)
Normen zu Stabilitätstests:
- ICH Stability testing of new drug substances and products Q1A (R2) und Q1B
Kontakt
Bianca Schneider-Häder - Projektleiterin, DLG-Fachzentrum Lebensmittel - Tel.: +49 69 24788-360 B.Schneider@DLG.org